Ludwig Uhland (Gedicht)
Wenn heut der kernig treue Schwabe,
Der Mann von klarem, starkem Geist,
Emporgewallt aus seinem Grabe,
Vernähme, wie ihn Deutschland preist,
Und spräche ernst, bestimmt und schlicht:
„Der Mann, vor dessen Bild ihr leiert,
Wer es auch sei, ich bin es nicht!"
Und wider sie, die so geschäftig
Daß jedes Zugs, der frei und kräftig
Und mutig, er entkleidet scheint,
Erhöbe in gerechtem Grimme
Als Zeugnis er sein Liederbuch
Dann wider sie „des Sängers Fluch".
Ihr habt an ihm herumgedrechselt,
Herumgeschnitzelt und gedreht,
Daß er zuletzt wie ausgewechselt
Aus ihm, der aus gepreßter Kehle
Das Lied sang von der Völkerschlacht,
Habt ihr die richt’ge Kautschukseele
Nach Tübinger Modell gemacht.
Den großer Tage Sturm erfaßt,
Verhunzt, verzerrt, verkleinert werden,
Bis er zu euch am Ende paßt?
Ist euch kein Haupt so hoch gefürstet
Daß ihr nicht rastlos danach dürstet,
Es zu euch selbst hinabzuziehn?
Doch wird es nie und nie gelingen,
Und wenn ihr dicke Bände sprecht!
Die goldne, für des Volkes Recht;
Er hat die scharfen Liederfehden,
Den Groll, den Zorn dem Volk gelehrt –
Ein Ruhm, den ihr durch tausend Reden
Anmerkungen (Wikisource)
Ebenfalls abgedruckt in:
- Der Wahre Jacob 1887, Nr. 41, S. 325