MKL1888:Buchdruckerkunst
[547] Buchdruckerkunst (Typographie), die Kunst, den durch die Schrift zu sichtbarem Ausdruck gelangten Gedanken durch Zusammensetzung einzelner, in einer mechanischen Vorrichtung (Presse, Maschine) zum farbigen Abdruck zu bringender Typen (s. d.) zu vervielfältigen. In dieser das Wesen der B. feststellenden Erläuterung ist zugleich die Grundbedingung enthalten für den Beginn von deren Geschichte: erst von dem Zeitpunkt, an welchem es gelang, die einzelnen Buchstaben, die Lettern oder Typen, durch Schnitt und Guß in einer Gestalt herzustellen, die ihre beliebige Zusammensetzung zu einem den Abdruck mit Farbe zulassenden, regelmäßigen Ganzen ermöglichte, erst von dem Zeitpunkt, von welchem nachgewiesen ist, daß solche Herstellung und Zusammensetzung mit nachfolgendem Abdruck auch wirklich erfolgten, datieren Erfindung und Geschichte der eigentlichen B.
Der Bücherdruck in der Weise, wie er nach Stanislas Julien („Documents sur l’art d’imprimerie“) schon im J. 581 n. Chr. von den Chinesen erfunden worden sein soll und größtenteils auch noch heute geübt wird, kann somit als Buchdruck in unserm Sinne nicht angesehen werden; er steht nur mit den Vorläufern desselben, den Holztafeldrucken, auf einer Stufe und möge deshalb hier sofort näher erwähnt werden. Julien nennt vorstehend erwähntes Jahr nach einer chinesischen Quelle als das der Erfindung des Bücherdrucks in China; 593 habe bereits der damals regierende Kaiser Wenti befohlen, alle noch nicht veröffentlichten Schriften zu sammeln, in Holz zu schneiden und herauszugeben; andre chinesische Quellen verlegen den Zeitpunkt der Erfindung in das 10. Jahrh. unsrer Zeitrechnung (zwischen 936 und 993) und haben hierbei, da von frühern Drucken sich nichts mit Sicherheit nachweisen läßt, die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Ein Schmied, Piching, soll sogar zwischen 1041 und 1049 den Druck mit beweglichen, d. h. in beliebiger Ordnung zusammenstellbaren und nach dem gemachten Abdruck wieder auseinander zu nehmenden, Wortbildern ersonnen haben, indem er die Schrift- oder Wortzeichen in dünne Tafeln weichen Thons grub, diese zerschnitt, im Feuer härtete und dann je nach Bedarf auf eisernen, schon mit den im Chinesischen [548] üblichen senkrechten Zeilentrennungslinien versehenen Formen zusammenstellte, sie durch löslichen Kitt zu einer unbeweglichen, durch die Operation des Überbürstens nicht verschiebbaren Platte verbindend, nach derselben aber den Kitt wieder herausschmelzend, um die Wortzeichen abermals benutzen zu können. Nach seinem Tod sollen indessen seine Zeichen verloren gegangen und auch seine Druckmethode soll bald vergessen worden sein. Den Abdruck der Wortbilder soll Piching in gleicher Weise ausgeführt haben, wie es seine Vorgänger thaten, und wie es seine Nachfolger thun: auf den Holzblock, in welchen die Chinesen von heute die Wortzeichen erhaben schneiden, wird mit einem breiten Pinsel eine ziemlich flüssige Farbe aufgetragen, sodann das Papier aufgelegt und mit einer kurzhaarigen, weichen Bürste überrieben, ein Verfahren, wie es ähnlich auch die deutschen und niederländischen Holztafeldrucker geübt haben, deren Drucke ebenso wie die chinesischen nur auf Einer Seite des Papiers (anapistographisch) erfolgen konnten. Kaiser Kanghi, 1662 in China zur Regierung gelangt, hat auf Veranlassung von Jesuitenmissionären zuerst wieder bewegliche Wortbilder, jedoch nur in sehr beschränktem Maß und für öfters wiederkehrende Werke, in Kupfer schneiden lassen; das verhältnismäßig wertvolle Material aber soll diesen Typen verhängnisvoll geworden sein: ein späterer Kaiser ließ sie bei Geldknappheit einschmelzen, und heute noch dient in China beim Bücherdruck der rohe Holzschnitt, wie er schon vor jetzt fast 1000 Jahren daselbst gedient hat.
Das Prinzip des Druckes, sofern darunter nur das Einprägen von Schriftzeichen behufs Mitteilung oder Aufzeichnung von Thatsachen verstanden wird, läßt sich übrigens noch viel weiter zurückverfolgen. In den Gräbern von Theben und zu Babylon sind Ziegel mit eingeprägten Inschriften gefunden worden; ganz mit Schriftcharakteren bedeckte, vermittelst gravierter Formen hergestellte gebrannte Thoncylinder vertraten den alten Assyrern die Stelle der Chroniken; in Athen wurden Landkarten in dünne Kupferplatten graviert; römische Töpfer stempelten die von ihnen erzeugten Geschirre mit den Namen der Besteller oder mit der Angabe des Zweckes, für welche sie bestimmt waren; ja, reiche Römer gaben ihren Kindern aus Elfenbein oder aus Metall erzeugte Alphabete zur Erleichterung des Lesenlernens, und ein auf diese geschnitzten einzelnen Buchstaben und ihre Zusammensetzbarkeit bezüglicher Ausspruch Ciceros enthält in klaren Worten das Prinzip des Typensatzes, und doch mußten noch anderthalb Jahrtausende vergehen, ehe dieser wirklich erfunden wurde! Es fehlte im Altertum nicht nur an dem für den Druck bestgeeigneten Material, dem Papier, es war auch infolge des durchaus öffentlichen, die mündliche Mitteilung vor allem erleichternden Lebens der Alten kein allgemeines Lesebedürfnis vorhanden unter den Massen; den Erfordernissen der Gebildeten und Gelehrten aber konnte durch die namentlich bei den Römern außerordentlich gepflegte und besonders durch Sklaven geübte Kunst des Abschreibens vollständig Genüge geleistet werden. Auch die folgende Zeit bot keinen geeigneten Boden für große Erfindungen, aber sie bereitete ihn vor. Was nach dem Niedergang des römischen Reichs und der Völkerwanderung von Gelehrsamkeit übriggeblieben, hatte fast ausschließlich die Ruhe und den Schutz der Klöster aufgesucht; die Kreuzzüge jedoch brachten ein frischeres geistiges Leben, ein gewisses Interesse für die jenseit der eignen Burg- oder Stadtmauer liegenden Dinge unter das Laienpublikum, und hieraus erwuchs allmählich das Verlangen nach Unterricht und Bildung des Geistes. Dieses Verlangen wurde immer mächtiger, als von freisinnigen Herrschern weltliche Hochschulen gegründet wurden; ihm vermochte bald nicht mehr die Thätigkeit sich mit Bücherabschreiben beschäftigender Mönche zu genügen; eine eigne Kopistenzunft bildete sich neben ihnen, und diese hat wohl die erste Veranlassung gegeben zur Entstehung der sogen. Briefmaler und Kartenmacher, aus denen wiederum Formschneider und Briefdrucker hervorgingen. Die Thätigkeit dieser letztern, die sich bis zum Beginn des 13. Jahrh. zurückverfolgen läßt, richtete sich zunächst nach dem Bedürfnis der großen Masse des Volkes und paßte sich dessen Verständnis an: in die bildliche Darstellung wurde der Schwerpunkt gelegt; die Erläuterung durch Worte war eine höchst einfache und nebensächliche. Doch bald räumte man dieser einen größern Raum ein, häufig in Form von aus dem Munde der handelnden Personen wehenden Schriftbändern, bis man endlich auch Bücher, allerdings von sehr geringem Umfang, ohne jede Bilderbeigabe, nur mit Text, druckte. Zur Herstellung der Druckplatten bediente man sich zuerst dünner Metalltafeln, in die man die Zeichnung eingrub, dabei entweder nur deren Umrißlinien erhaben stehen lassend, alles übrige aber hinwegstechend, oder man verfolgte das umgekehrte Verfahren, d. h. man schnitt nur die Umrisse in die Platte, so daß diese beim Druck weiß erschienen, während der Körper der Figur und deren Umgebung schwarz bleiben mußten. Ein gleiches Resultat ergab das heute „Schrotmanier“ genannte Verfahren; statt die Umrißlinien auszuschneiden, schlug man sie mit Punzen in die Platte, so daß sie sich beim Abdruck als dichte Reihen kleiner Punkte zeigten, ein Verfahren, das vermutlich in den Werkstätten der Gold- und Silberarbeiter seinen Ursprung hatte. Als das Verlangen nach bildlichen Darstellungen sich mehr und mehr verallgemeinerte, ging man von den Metallplatten zu den billigern und leichter zu bearbeitenden Holzplatten über; das Messer trat an die Stelle des Stichels, das Ergebnis aber konnte, namentlich auch infolge des Längsschnitts des Holzes, nur ein weniger gutes sein: man hat diese primitiven Erzeugnisse des Holzschnitts, deren erster datierter ein großer Christoph von 1423 ist, mit dem allgemeinen Namen der Holztafeldrucke bezeichnet. (Ein andrer, in der königlichen Bibliothek zu Brüssel aufbewahrter Holzschnitt, die Muttergottes mit dem Christuskind darstellend, trägt die Jahreszahl 1418, deren Echtheit indes vielfach in Zweifel gezogen worden ist.) Ob diese Drucke auch in Wirklichkeit Drucke, d. h. mit Hilfe einer Presse erzeugt, oder nicht vielmehr nur vermittelst eines Reibers hergestellt waren, ist eine noch unerledigte Streitfrage; nicht unwahrscheinlich ist es, daß sich manche Formschneider der Presse, andre nur des Reibers bedienten; Thatsache ist aber, daß diejenigen ihrer Erzeugnisse, welche bis auf unsre Zeit gekommen, anapistographische Drucke, d. h. nur auf eine Seite des Papiers gedruckt sind.
Von den Büchern, welche ohne Abbildungen gedruckt worden sind, als Holztafeldrucke, ist das bekannteste ein Donat genanntes Schulbuch, ein kurzer Auszug in Fibelform aus der Sprachlehre des römischen Grammatikers Älius Donatus. Doch ist nicht erwiesen, daß der Druck dieser Donate schon längere Zeit vor der Erfindung der B. stattgefunden habe, während feststeht, daß man sich der Holztafeln noch [549] zu ihrer Herstellung bediente, als man schon seit Jahren, ja Jahrzehnten mit beweglichen Typen zu drucken verstand; technische Anhaltspunkte berechtigen sogar zu dem Schluß, daß man von typographisch hergestellten Donaten Überdrucke auf Holz machte und die Platten dann nach diesen schnitt, ein Verfahren, welches sich sehr wohl erklärt durch den Umstand, daß es den zahlreichen Buchdruckern leichter war, ganze Platten mit Schrift zu schneiden, als die einzelnen Typen dazu herzustellen oder sich zu verschaffen und zusammenzusetzen; auch wurden ihnen durch diese Platten zugleich die bei der Kostbarkeit des Pergaments und des Papiers sehr schätzenswerte Möglichkeit geringer Auflagen und ihre stete Erneuerung im Bedarfsfall gewährt. Holländische Briefdrucker scheinen das Überdruckverfahren wiederholt angewandt zu haben; Holztafeldrucke aber kamen 1475 (Donate des Konrad Dinkmuth zu Ulm), 1482, ja sogar noch 1504 nachweislich vor.
Wer war es nun, der auf dem solcherweise für die B. vorbereiteten Boden den letzten entscheidenden Schritt that und sie ins Leben rief? Hatte sie sich vielleicht aus den Verhältnissen von selbst herausgebildet und war nach und nach entstanden, ohne daß ein Einzelner berechtigt gewesen wäre, persönlich Anspruch zu erheben auf den Ruhm der Erfindung? Letztere Frage hat auch ihre Verteidiger gefunden in dem lange und heftig geführten Streit über Person und Nation des Erfinders, sie ist aber längst von allen ernsten Denkern zurückgewiesen worden; Erfindungen von so hoher Bedeutung für das gesamte geistige und materielle Leben der Menschheit, wie solche der B. innewohnt, bedürfen eines genialen Menschen, welcher die Summe der Erfahrungen seiner Vorgänger und seiner Zeitgenossen zu ziehen, sie durch die Kraft seines Geistes in die Wirklichkeit einzuführen und zu einem lebenskräftigen Ganzen zu gestalten vermag. Und dieser geniale Mensch war Johannes Gensfleisch zu Gutenberg, oder auch nur Johannes Gutenberg genannt, Sohn des Patriziers Frilo Gensfleisch und der Else zu Gutenberg in Mainz und nach der gewöhnlichen Annahme 1397 geboren. Zwar ist ihm die Ehre, die wichtigste aller Erfindungen gemacht zu haben, schon fast zu eignen Lebzeiten durch seine Geschäftsteilhaber streitig gemacht worden, ja er war sodann im 16. und 17. Jahrh. nahezu ganz vergessen; doch hat die Wahrheit sich endlich Bahn gebrochen, und Gutenberg wird heute von der weitaus größten Mehrheit aller Gebildeten als der wahre Erfinder der Ars artium conservatrix anerkannt, und die vom persönlichen oder nationalen Parteigeist getragenen Ansprüche sind in sehr enge, nur noch künstlich haltbare Grenzen zurückgedrängt.
Die Städte, welche Mainz die Ehre, die Wiege der Erfindung zu sein, streitig machten und Vertreter hierfür fanden, waren Straßburg im Elsaß, Bamberg, Feltre in Oberitalien und Haarlem in Holland, zu geschweigen der schlecht begründeten Ansprüche, welche für erste Drucker als Erfinder des Buchdruckes in andern Städten (Jenson in Venedig, Hahn in Rom etc.) erhoben wurden.
Straßburg brachte auf doppeltem Weg seine Ansprüche zur Geltung. Über den einen, wonach Gutenberg daselbst zuerst seine Erfindung gepflegt und gedruckt habe, haben wir später zu sprechen, der andre nennt uns Johann Mentel (Mentelin) aus Schlettstadt als ersten Drucker und Erfinder. Letztere Eigenschaft ist ihm zuerst 1520 beigelegt worden von Johann Schott, seinem Schwiegersohn und Erben der Mentelschen Druckerei, und die Chronisten Specklin und Spiegel haben ihm Glauben geschenkt und durch die von ihnen verfaßten Chroniken wesentlich beigetragen zur Verbreitung von Schotts falschen Angaben. Mentel war ein Schön- oder Goldschreiber, der bereits 1447 zu Straßburg das Bürgerrecht erwarb und wahrscheinlich während Gutenbergs Aufenthalt daselbst mit diesem bekannt und später von ihm nach Mainz gezogen worden sein mag als Gehilfe bei Zeichnung und Herstellung der Typen, wobei ihm natürlich das ganze Druckverfahren nicht fremd bleiben konnte. Er muß aber sehr bald nach Straßburg zurückgekehrt sein; vermutlich war hierzu die Aufhebung der Geschäftsverbindung zwischen Gutenberg und Fust 1455 die Veranlassung, und Philipp von Lignamine zu Rom schreibt im J. 1474, daß Mentel seit 1458 eine Druckerei zu Straßburg besessen, wo er, „nach der Art Fusts und Gutenbergs“, täglich 300 Bogen gedruckt habe. In der Universitätsbibliothek zu Freiburg i. Br. befindet sich in der That eine gedruckte lateinische Bibel, deren erster Teil, mit dem Psalter abschließend, von dem Rubrikator mit dem Datum 1460 versehen worden ist, während der zweite am Schluß der Apokalypse die Jahreszahl 1461 von der Hand desselben Rubrikators trägt. Schott war zur Aufstellung seiner falschen Angaben wohl nur durch das Beispiel Fusts und der Schöffer, welche Gutenbergs Verdienste vergessen zu machen und sich selbst beizulegen suchten, veranlaßt worden; er fand noch im vorigen, ja selbst noch in diesem Jahrhundert gläubige Anhänger und Vertreter in Schöpflin („Vindiciae typographicae“, Straßb. 1760), Oberlin („Exercice public de bibliographie“, das. 1801), Lichtenberger („Initia typographica“, das. 1811), nachdem im 17. Jahrh. ein Pariser Arzt, Jacques Mentel, ein angeblicher Nachkomme des Straßburger Druckers, zur eignen Verherrlichung die bereits vergessene Geschichte wieder aufgefrischt hatte. Johann Mentel aber starb 1478 und wurde im Münster zu Straßburg beigesetzt. Das erste mit einer gedruckten Jahreszahl, 1471, datierte Straßburger Druckwerk, die Dekretalien des Gratian, trägt nicht seinen Namen, sondern den seines Zeitgenossen Heinrich Eggestein oder Eckstein. Mentels erstes datiertes Werk ist von 1473.
Allgemeiner noch als für Mentel ist man für Albrecht Pfister zu Bamberg, wenn auch nicht immer als ersten Erfinder, so doch als mit Gutenberg gleichzeitigen Miterfinder der B. eingetreten, und der Druck der berühmten 36zeiligen Bibel ist selbst bis in die neueste Zeit als sein Werk angesehen worden. Erst nachdem ernste vergleichende Studien des Schriftcharakters der von den ersten Buchdruckern angewandten Typen und der relativen Güte ihrer Druckerzeugnisse angestellt worden sind, hat man in dieser Bibel auch ein Werk Gutenbergs und zwar sein erstes großes, der 42zeiligen Bibel vorausgegangenes erkannt und die Übereinstimmung der Typen derselben mit den wenigen Drucken geringen Umfangs, welche den Namen Pfisters tragen, ganz folgerichtig dahin erklärt, daß Pfister gleich Mentel ein Schüler Gutenbergs war, der Mainz ebenfalls verlassen hat, als letzterer 1455 durch Fust aus seinem Eigentum gedrängt wurde, der aber bei seinem Fortgang einen Teil der Typen, welche zum Druck des Textes der 36zeiligen Bibel gedient hatten, von Gutenberg käuflich erworben haben mag. Daß Pfister sie nicht selbst geschnitten oder gegossen, beweist der Umstand, daß er bei allen seinen Drucken nur diese eine Type, selbst als sie durch den Gebrauch schon sehr unscheinbar [550] geworden, angewandt hat; daß diese Type aber schon früher zum Druck eines umfangreichen lateinischen Werkes gedient haben mußte, läßt sich aus Pfisters deutschen Drucken erkennen, in denen alle im Lateinischen vorkommende Lettern abgenutzt, aber die nur im Deutschen gebräuchlichen (k, w, z) neu und scharf erscheinen. Pfisters Drucke, soweit sie sich, wo ihnen sein Name nicht beigedruckt ist, wirklich als von ihm angefertigt erkennen lassen, sind bis auf einen einzigen reichlich mit Holzschnitten illustriert; ihr Erzeuger war, ehe er zum Typendruck griff, der in allen eine nur sehr untergeordnete Rolle spielt, jedenfalls seinem Beruf nach Formschneider, Brief- oder Kartendrucker, der, wäre er wirklich nicht ein Schüler Gutenbergs, dessen Erzeugnisse zu Gesicht bekommen und den Nutzen der beweglichen Lettern in der Ausübung seines Berufs erkannt hatte. Der Umstand indes, daß in Bamberg und dessen Nähe mehrere Exemplare der 36zeiligen Bibel entdeckt worden sind, läßt schließen, daß zwischen ihm und Gutenberg wirklich nähere Beziehungen bestanden haben müssen; das Auffinden dieser Bibeln aber sowie die Angabe des Paulus von Prag aus dem Jahr 1463, die zur Erklärung des Worts libripagus für eine Art Encyklopädie bestimmt gewesen zu sein scheint: „daß während seiner Anwesenheit in Bamberg dort ein Mann die ganze Bibel in Holztafeln geschnitten und sie binnen vier Wochen auf Pergament gedruckt habe“, sind anderseits als schlagende Beweise für den Druck der 36zeiligen Bibel durch Pfister angesehen worden[WS 1]. Da dieser jedoch eine „Biblia pauperum“ (17 Folioblätter mit Holzschnitten) in lateinischer und deutscher Ausgabe druckte, so kann nur diese gemeint sein, denn eine ganze Bibel ist niemals in Holz geschnitten worden; auch wäre es damals nicht möglich gewesen, ein solch umfassendes Werk binnen der genannten kurzen Zeit im Druck herzustellen. Die Werke, welche ein Datum und Pfisters Namen tragen, sind eine zweite Ausgabe von „Boners Edelstein“, 1461, überhaupt das erste Buch in deutscher Sprache, welches deutlich Druckort und Druckjahr aufweist, sowie „Das Buch der vier Historien“ vom Jahr 1462. Nach diesem Jahr kommen keine Druckwerke mit seinem Namen mehr vor; auch ist sein Todesjahr unbekannt. Wann er in Bamberg zu drucken begonnen, ist ebenfalls nicht festzustellen; da man ihm indes auch auf Grund der Familienähnlichkeit seiner Drucke die „Eyn manūg d’ cristēheit widd’ die Durckē“ zuschreibt, diese aber mit Bezug auf die Allgemeingeschichte auf das Jahr 1455 zurückverlegt werden muß, so wird hierdurch in das Dunkel über sein erstes Auftreten keineswegs Klarheit gebracht. Möglich, daß er die „Manung“ noch zu Mainz selbst unter Gutenbergs Leitung gedruckt hat; ihr geringer Umfang wie der Mangel aller Holzschnitte in derselben scheinen dafür zu sprechen.
Die Mitbewerbung der Stadt Feltre im Venezianischen um die Ehre der Erfindung der B. für ihren Mitbürger Pamfilo Castaldi wird schwerlich von jemand, der nicht befangen ist von nationalen Vorurteilen, ernst genommen werden; nur der Umstand, daß diese Erfinderfabel weit verbreitet worden ist in Italien und durch das Denkmal, das man dem sogen. Erfinder zu Feltre gesetzt und 24. Sept. 1868 enthüllt hat, von der italienischen Nation gewissermaßen sanktioniert worden ist, nötigt, dieselbe zu erwähnen. Demnach wäre Castaldi von adligen Eltern gegen das Ende des 14. Jahrh. zu Feltre geboren, hätte in Padua studiert, auch der Dichtkunst obgelegen und später die erste italienische Schule in seiner Vaterstadt errichtet, die bald so berühmt wurde, daß sie auch Schüler aus Deutschland für das Studium des Italienischen herbeizog. Unter diesen befand sich der Fabel zufolge 1454 ein gewisser Fausto Comesburgo aus Mainz; von Gutenberg aber hatte Castaldi schon 1442 Druckproben gesehen, und während ersterer die ihm von Fust (dem Fausto Comesburgo!) gegebenen pekuniären Unterstützungen in erfolglosen Versuchen mit Holztafeldrucken verbrauchte, war es ihm, Castaldi, sehr bald gelungen, zweckmäßige bewegliche Typen herzustellen, für welche ihm die zu Murano gefertigten und vom Bischof von Equilo erfundenen Glasbuchstaben zum Muster gedient hatten. Er legte seiner eignen Erfindung aber keinen Wert bei, sondern trat sie an Fust ab, der 1456 nach Mainz zurückkehrte, und dessen Gesellschafter daselbst sich jetzt der Castaldischen Idee mit großem Eifer bemächtigten; der Psalter von 1457 sei ihr erstes, mit beweglichen Typen erzeugtes Werk gewesen; alles, was vorher gedruckt worden, sei von Holztafeln abgezogen. Den Wert dieser ganzen Geschichte charakterisiert wohl am besten die Thatsache, daß auch nicht ein Wort, nicht eine Zeile aufgefunden worden ist, als deren Drucker Castaldi nachzuweisen wäre; hätten ihn die Stäbchen der Glasbläser von Murano wirklich auf den Gedanken geführt, solche Stäbchen mit Typen zu versehen und aus ihnen Worte zu bilden zum nachherigen Abdruck, so hat er solchen eben nicht gemacht, und dies allein würde genügen, ihn jedes Anrechts auf die Erfindung des Buchdrucks verlustig zu machen.
Von größerer Bedeutung für die Geschichte der Erfindung der B., schon weil sie weit allgemeinere Verbreitung und viel zahlreichere Anhänger gefunden als diese Castaldi-Legende, sind die Ansprüche gewesen, welche Holland und speziell Haarlem erhoben hat für einen der Seinigen, Lourens Janszoon Coster (Johanns Sohn, Küster). Zwei Drucker in letzterer Stadt, van Zuren und Coornhert, die daselbst 1561 eine Druckerei gründeten, haben, wahrscheinlich auf vorhandene alte Holztafeldrucke gestützt, zuerst versucht, Haarlem als Ort der Erfindung der B. geltend zu machen; ein Buch, das ersterer zu diesem Behuf geschrieben haben soll, ist indes niemals aufgefunden und nur von Scriver 1628 in seinem „Lavre-Crans voor Lavrens Coster“ dem Titel nach erwähnt worden; Coornhert, in der Vorrede der von ihm herausgegebenen „Officia Ciceronis“, bezeichnet die Erfindung als „zuerst zu Haarlem, obwohl nur in sehr roher Weise“ gemacht, ohne indes einen Erfinder zu nennen; das Gleiche thut der Florentiner Luigi Guicciardini in seiner 1566 zu Antwerpen vollendeten „Descrittione di tutti i paesi bassi“. Dieses Werk, das bald (1567–1613) ins Deutsche, Französische, Holländische, Englische und Lateinische übersetzt ward, hat sehr viel beigetragen zur Verbreitung der Ansprüche Haarlems; eine abgerundete, feste Form erhielten diese aber erst durch den Historiographen der Staaten von Holland, den Arzt Hadrian de Jonghe (Junius, gest. 16. Juni 1575), welcher zwischen 1566 und 1568 eine holländische Landesgeschichte unter dem Titel: „Batavia“ verfaßte, die 1588 zu Leiden gedruckt wurde. Während seine vorgenannten drei Zeitgenossen sich noch in unsichern Angaben bewegen und keinen Erfinder nennen, hat er seiner Fabel eine bestimmte Form gegeben; nach derselben habe vor 128 Jahren (also 1438, sobald man von dem Jahr, in welchem er seine „Batavia“ zu schreiben begann, zurückrechnet, oder 1440, wenn man das Jahr der Vollendung in [551] Betracht zieht) zu Haarlem ein Mann, Namens Lourens Janszoon, nach seinem Stand als Küster zubenannt Coster, gelebt, der einstmals während eines Spaziergangs in dem vor der Stadt gelegenen Gehölz zum Zeitvertreib Buchstaben aus Buchenrinde verkehrt ausgeschnitten, sie zu Worten zusammengefügt und dann mit Tinte abgedruckt habe als Spielzeug für die Kinder seines Schwiegersohns Thomas Pieterzoon. Die gewöhnliche leichtflüssige Tinte der Schreiber aber habe sich für den Druck ungeeignet erwiesen, und es sei ihm mit Hilfe dieses Schwiegersohns gelungen, eine bessere und dickere Farbe hierfür zu erfinden, worauf er den in Holz geschnittenen Bildern die Erklärung beigefügt habe mit Hilfe seiner Lettern, beide, Bild und Erklärung, dann abdruckend. Diese ersten Bücher seien nur auf einer Seite bedruckt, die unbedruckten Seiten aber zusammengeklebt gewesen; eins davon, in der Volkssprache abgefaßt, sei der „Spieghel onzer behoudenis“ (die holländische Ausgabe des „Speculum salutis“). Nach und nach sei der Erfinder Coster von Buchenholztypen zu bleiernen und von diesen zu zinnernen übergegangen, der größern Dauerhaftigkeit des Materials halber. Die neue Kunst habe den verdienten Beifall im Volk, die gedruckten Bücher viele Käufer gefunden und hiermit dem Erfinder Wohlstand zugeführt; Coster aber habe infolgedessen die Zahl seiner Arbeiter und Gehilfen vermehren müssen, unter denen sich sodann auch ein gewisser Johannes (auch ein Faustus wird in unklarer Weise genannt) befunden habe. Dieser habe sich als ein sehr ungetreuer Knecht erwiesen, denn sobald er hinreichend unterrichtet war im Typenguß und Satz, und was sonst zur Kunst gehörte, ergriff er die erste günstige Gelegenheit, und hierzu schien ihm die heilige Christnacht am geeignetsten, als alle andern dem Gottesdienst beiwohnten, um sich in das Arbeitszimmer zu schleichen, Typen und Werkzeug zusammenzupacken und schleunigst zu fliehen. Er ging erst nach Amsterdam, dann nach Köln und schließlich nach Mainz, wo er sich so sicher fühlte, daß er selbst eine Druckerei eröffnete, die ihm schon in der kurzen Zeit eines Jahrs reichliche Einnahmen brachte. Es war dies um 1442, wo er bereits das Doktrinal des Alexander Gallus mit denselben Typen gedruckt und veröffentlicht haben soll, deren sich Coster in Haarlem bedient hatte.
Jedem, welcher mit dem Wesen der B. bekannt ist, muß es unbegreiflich erscheinen, wie ein solches der Fust-Schöfferschen Verbesserungsgeschichte der B. nachgebildetes Märchen nicht nur Glauben, sondern auch gläubige Verteidiger Jahrhunderte hindurch hat finden können. Ein Zusammentreffen von mancherlei Umständen führte zu diesem Resultat. Die leichtfertige Fälschung des Junius fand Boden in dem Nationalitätsgefühl der Holländer; ihre nächsten und eifrigsten Verbreiter aber waren Gelehrte, die wohl oberflächliche Begriffe haben mochten von den Hantierungen der Buchdrucker, keineswegs aber von den Grundbedingungen, auf welche hin allein die Herstellung eines Schriftsatzes und sein nachmaliger Abdruck möglich sind; andernfalls würden sie wohl schwerlich für Typen aus Buchenrinde oder Buchenholz eingetreten seien. Manche von ihnen, welche die Schwächen der Juniusschen Fabel empfanden, haben durch eignes Hinzuthun diese zu ergänzen gesucht. Der Kampf für und gegen Coster ist zum Teil mit großer Erbitterung geführt worden; entscheidend trat aber erst van der Linde gegen die Haarlemer Ansprüche 1869 im „Nederlandschen Spectator“ in einer Reihe von Aufsätzen auf, die er dann in verbesserter und erweiterter Form 1870 unter dem Titel: „Die Haarlemsche Coster-Legende“ erscheinen ließ, an welche sich 1878 sein Hauptwerk: „Gutenberg, Geschichte und Erdichtung“ (Stuttg.), geschlossen hat. Speziell Haarlem betreffend, weist derselbe nach, daß das erste daselbst gedruckte Buch, welches diese Stadt als Druckort und als Druckjahr 1485 trägt, „Dat leiden Jesu“ war, der Drucker aber sich Jacob Bellaert von Zierikzee nannte. Die 32 Holzschnitte, welche das Werkchen enthielt, waren indes schon ein Jahr vorher von Gerard Leeu zu Gouda zum Druck desselben Buches benutzt worden; ja, 1473 druckte bereits zu Aalst in Flandern Dierik Martens und zu Utrecht Nicolaus Kettelaer und Gerhard de Leempt; Haarlem hat mithin nicht einmal das Recht auf den Anspruch, daß es die erste Stadt in Holland gewesen sei, welche historisch nachweisbar eine Druckerei besessen habe. Das Zeugnis eines Buchbinders, Cornelis, zu gunsten Costers besteht nicht vor der historischen Kritik, ebensowenig wie der im Museum zu Haarlem aufbewahrte Stammbaum eines gewissen Gerrit Thomaszoon, der ein Nachkomme Costers von mütterlicher Seite, seinem Beruf nach aber ein Gastwirt zu Haarlem gewesen sein soll. Genaue Nachforschungen in den Haarlemer Stadtarchiven und Kirchenregistern über die Person Costers haben nur dargethan, daß um 1446 ein Mann dieses Namens zu Haarlem gelebt hat, der einen Verkaufsladen für Salz, Lichte, Öl, Seife etc. hielt, 1456 aber eine Gastwirtschaft begann und diese bis 1483 betrieb, worauf er von Haarlem wegzog, unermittelt wohin. Von dem Lourens Janszoon Coster, welchem als Erfinder der B. zu Ehren man in Haarlem ein 1856 enthülltes Monument errichtet hat, ist nicht die leiseste historische Spur aufgefunden worden.
Vermögen somit die hier erörterten Ansprüche nicht zu bestehen vor der prüfenden Geschichtsforschung, so wohnt ihnen allen gemeinsam ein Moment inne, dessen Beachtung uns ganz von selbst auf den wahren Erfinder, auf Gutenberg, verweist. Wann Gutenberg und wie er seine Erfindung begonnen, läßt sich freilich ebensowenig mit Bestimmtheit aus ihnen erkennen, wie wir dies aus den ihn selbst betreffenden historischen Nachrichten vermögen.
Johannes Gensfleisch, nach seiner Mutter genannt zu Gudenberg, hatte vermutlich mit seinen Eltern Anfang der 20er Jahre des 15. Jahrh. seine Vaterstadt Mainz der daselbst zwischen Adligen und Bürgern ausgebrochenen Unruhen halber verlassen müssen, hatte auch nicht Gebrauch gemacht von einer 1430 gewährten Amnestie, sondern war in Straßburg verblieben, wie mit Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt werden darf. Bestimmtheit über seinen Aufenthalt daselbst erhalten wir erst durch die von ihm 1434 veranlaßte Inhaftnahme des zufällig in Straßburg weilenden Mainzer Stadtschreibers; sie erfolgte einer ansehnlichen Zinsschuld halber, welche der Magistrat von Mainz an Gudenberg oder Gutenberg, wie die neuhochdeutsche Schreibart lautet, zu zahlen sich weigerte; als die Mainzer Behörde indes Zahlung versprach, ließ Gutenberg sofort den Stadtschreiber in Freiheit setzen. 1439 wurde ein größerer Prozeß verhandelt, gegen ihn angestrengt von den Erben eines Andreas Dritzehn, mit welchem er, wahrscheinlich um 1435, einen Kontrakt abgeschlossen hatte, um ihm und Andreas Heilmann das Steineschleifen zu lehren, und da Gutenberg 1437 auch mit einem Hans Riffe zum Betrieb des Spiegelmachens für die Heiltumsfahrt nach Aachen in Geschäftsverbindung [552] getreten war, so geht hieraus hervor, daß er besondere Neigung und Geschick in kunstindustriellen Berufszweigen besessen, für diese auch bereits wohlbegründeten Ruf erworben haben muß. Daß er sich damals schon mit der Idee seiner Erfindung der B. beschäftigt haben mag, scheint aus mehrfachen Aussagen der Zeugen in dem Prozeß hervorzugehen, wiewohl dieselben auch nur als auf das Spiegelmachen sich beziehend gedeutet worden sind; die Erfindung der Drucklettern in derjenigen Form und Beschaffenheit, welche allein ihre Zusammensetzung für den Druck ermöglichen, ferner die Erfindung einer entsprechenden Farbe für solchen Abdruck waren aber sicherlich kein Werk kurzer Hand, da ja nicht allein die Typen und die Farbe, sondern auch alles Werkzeug zu deren Herstellung erfunden und geschaffen werden mußte. Es steht somit fast außer Zweifel, daß jene unklaren, wohl absichtlich verschleierten Aussagen in dem Dritzehnschen Prozeß sich auf die ersten Anfänge der B. beziehen; ob dieselbe wirklich von ihm dort geübt worden, das ist, selbst angesichts eines als Straßburger Preßerzeugnis Gutenbergs erachteten, in der Nationalbibliothek zu Paris befindlichen Donatus-Restes, durchaus nicht außer Zweifel.
Daß Gutenberg bis zum März 1444 in Straßburg gewesen, ist durch Urkunden über Geldoperationen seinerseits nachweisbar; von da ab bis 1448 fehlen jedoch alle Nachrichten, und die erste, die wir wieder erhalten, betrifft ein Darlehen, das er, nach Mainz zurückgekehrt, von einem Mainzer Verwandten, Arnold Gelthuß, empfangen hatte. Sein Mühen in Straßburg war augenscheinlich ein vergebliches gewesen, und mit dem Verlust des Vertrauens, das seine Freunde daselbst in ihn gesetzt, war auch Vermögen und Kredit verloren gegangen, so daß seine Rückkehr nach Mainz eher eine gezwungene als freiwillige gewesen sein mag. Hier hat er seine auf die B. bezüglichen Versuche unstreitig sofort wieder aufgenommen, und daß sie schon weit gediehen sein mußten, beweist, daß es ihm sehr bald gelang, an dem reichen Mainzer Bürger Johann Fust eine Stütze zu finden. Er schloß mit diesem unterm 22. Aug. 1450 einen Vertrag, wonach Fust dem Gutenberg 800 Gulden in Gold zu 6 Proz. Zinsen darleihen, dieser aber damit „das Werk vollbringen solle“, während all sein Werkzeug dem Fust als Unterpfand dienen würde. Blieben sie nicht einig, so habe Gutenberg dem Fust die 800 Guld. wiederzugeben, sein Werkzeug aber sei dann hypothekenfrei. Außerdem sollte Fust jährlich 300 Guld. „für Kosten, Gesindelohn, Hauszins, Pergament, Papier, Tinte etc.“ zahlen, eine Bedingung, welche von diesem niemals erfüllt worden ist. Gutenberg, der mit Eifer an die „Vollbringung des Werkes“ gegangen sein mag, sah indes seine Mittel noch vor Erreichung seines Ziels wieder schwinden und mußte 6. Dez. 1452 abermals 800 Guld. von Fust aufnehmen, die dieser ihm gewiß nicht gegeben hätte ohne Aussicht auf sichern Erfolg. Was Gutenberg inzwischen geschaffen, ist nicht genau festzustellen; vermutlich beschäftigte er sich mit Herstellung der Typen zu der 36zeiligen Bibel; dieselben sind benutzt beim Druck eines Donats, dessen erhaltener Rest die handschriftliche Jahreszahl 1451 trägt, sowie sie auch neben einer andern kleinern Type zum Druck von Ablaßbriefen, deren noch eine ansehnliche Anzahl Exemplare erhalten sind, gedient haben. Daß letztere nicht von Holztafeln gedruckt worden sein können, wird durch das Vorkommen eines umgekehrten Buchstaben in einem derselben unwiderleglich bewiesen.
Die Annahme, Gutenberg habe sich zuerst beweglicher Buchstaben aus Holz bedient, ist längst zurückgewiesen, weil deren Anwendung, ganz abgesehen von der ungeheuern und zeitraubenden Mühe des Schneidens jeder einzelnen der Tausende von Typen, eine technisch unmögliche gewesen sein würde. Wahrscheinlicher ist, daß er zuerst die Typenstempel aus Holz schnitt, sie in Sand abformend und danach gießend; bald aber wird er auch von diesem unzulänglichen und langsamen Verfahren abgegangen sein und seine Stempel in thunlichst hartes Metall geschnitten haben, welche er dann durch Einschlagen in ein weicheres in Formen oder Matrizen umwandelte für den Guß der Typen. Die Regelmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Lettern der 36zeiligen Bibel spricht hierfür. Der Schriftguß ist somit nicht minder eine Erfindung Gutenbergs als die der Druckpresse, denn vor ihm hatten sich die Formschneider und Briefdrucker, wie schon erwähnt, zur Herstellung ihrer einseitigen Drucke wahrscheinlich ausnahmslos des Reibers bedient; die 36zeilige Bibel jedoch nicht minder als die 42zeilige und der Psalter von 1457 sind so vollendete Druckleistungen und zeigen ein so genaues Passen der Seiten aufeinander (Register), daß ihre Herstellung nur auf einer Druckpresse erfolgt sein kann. Auch die Druckfarbe, die bei den Holztafeldrucken vor Gutenberg meist in mattem Erdbraun erscheint, ist von ihm seinen Zwecken angepaßt und vervollkommt worden, so daß man behaupten darf, das Verdienst der Erfindung der B. gebühre in ihrem vollen Umfang ganz allein Gutenberg; was seine Gegner und Nachfolger dem entgegengesetzt, ist durch die Thatsachen widerlegt. Sein Erfolg aber beschleunigte sein Verderben.
Bald nach der Vollendung der 36zeiligen Bibel, von welcher vermutlich nur eine geringe Auflage gedruckt worden war, wurde der Druck einer andern, ebenfalls in lateinischer Sprache, aber mit kleinern Typen, der heute als 42zeiligen bezeichneten, begonnen. Beiliegende Tafel gibt das getreue Faksimile eines Blattes derselben. Sie war indes noch nicht vollendet, als Fust mit der Forderung, Gutenberg solle ihm alle dargeliehenen Kapitalien nebst Zinsen zurückzahlen, an diesen herantrat. Der Umstand, daß Fust recht wohl wissen mußte, solche Rückzahlung sei Gutenberg gerade jetzt am wenigsten möglich, sowie die ganze Fassung des Kontrakts und die zaudernde Erfüllung desselben durch Fust hat diesen in den nur zu begründeten Verdacht gebracht, er habe es von Anfang an darauf angelegt, den für seine Erfindung begeisterten, in Geldsachen jedoch unpraktischen Gutenberg und mit ihm auch dessen Erfindung selbst ganz in seine Hand zu bekommen, was ihm denn auch vollkommen gelang, nachdem er sich nach der andern Seite vorsichtig gedeckt und sich in Peter Schöffer einen Ersatz für die technische Weiterführung an Stelle Gutenbergs verschafft hatte. Schöffer, ein aus Gernsheim gebürtiger Schönschreiber, mag in Gutenbergs Druckerei vielleicht nur als Illuminator und Rubrikator der fertig gedruckten Bogen, in welchen die großen Anfangsbuchstaben an den freigelassenen Stellen nachzutragen waren, beschäftigt worden sein, vielleicht war er auch als Typenzeichner oder Setzer thätig; als es Fust gelungen war, Gutenberg die Druckerei und alle fertigen Drucke aberkennen zu lassen, tritt er an dessen Stelle und wird schließlich Fusts Schwiegersohn. Im Oktober 1455 reichte Fust seine Klage, auf Rückzahlung von 2026 Guld. einschließlich Zins und Zinseszins lautend (er gab vor, selbst einen Teil
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[553] des Geldes „bei Christen und Juden“ aufgenommen zu haben), ein; am 6. Nov. erfolgte im großen „Refender“ der Franziskaner der Rechtsspruch, der Gutenberg zur Rechnungslegung und Zahlung verurteilte oder, wenn ihm letzteres nicht möglich, Fust in seine kontraktlichen Rechte einsetzte. Der unglückliche Erfinder mochte jetzt wohl zu spät die Perfidie seines Teilhabers durchschaut und diesem Mann gegenüber seine Rechte verloren gegeben haben, denn er war nicht selbst im Gerichtssaal erschienen, sondern hatte nur einen ihm befreundeten Pfarrer und zwei seiner Gesellen gesandt: „den Verlauf der Sache zu hören und zu sehen“. Im Begriff, endlich die Frucht seiner jahrelangen Mühen einzuheimsen, wurde ihm dieselbe auf eine zwar gesetzmäßige, nicht minder aber sehr perfide und schmerzliche Weise entrissen.
Gutenberg, obwohl nahe an 60 Jahre alt, blieb ungebrochenen Mutes, war ihm doch seine Erfindung gelungen! Dieser letztere Umstand verschaffte ihm sehr bald anderweitige materielle Hilfe; ein Konrad Humery, nach einigen ein Arzt, nach andern „Pfaff und Jurist“, wurde sein Gelddarleiher. Die Typen der 36zeiligen Bibel, wahrscheinlich als nicht mit Fusts Geld geschaffen, scheinen in die neue Druckerei, welche er jetzt gründete, hinübergenommen worden zu sein, und mit diesen oder gleichartigen druckte er zunächst kleinere undatierte Schriften, während er gleichzeitig an den Schnitt der kleinern Type ging, die zur Herstellung seines großen Werkes, des „Katholikon“ („Joannis de Janua summa quae vocatur Catholicon“), einer grammatisch-lexikalischen Kompilation, diente, die 748 Folioseiten zu 2 Spalten mit 66 Zeilen auf jeder derselben umfaßt und die Jahreszahl der Vollendung, 1460, aber nicht den Namen Gutenbergs trägt, wie denn dieser überhaupt auf keinem seiner Drucke angetroffen wird, ein Umstand, der sich nur durch die Annahme erklären läßt, daß entweder der Meister sich selbst genug war in seinem Schaffen und sein Erfolg ihm mehr galt als aller Beifall der Welt, oder – daß er sich nicht als Drucker öffentlich nennen durfte, wollte er nicht unbefriedigte Gläubiger aus frühern Perioden sich auf den Hals locken und seine Thätigkeit abermals ernstlich gefährden.
Ob Gutenberg nach der Erstürmung von Mainz 28. Okt. 1462 durch Adolf von Nassau, den Gegenbischof Diethers von Isenburg, zu dem die Mainzer standen, wobei die Fust und Schöffersche Druckerei in Flammen aufging, noch fortgefahren hat, daselbst zu drucken, oder ob er schon vorher seine Druckerei nach Eltville im Rheingau verlegt hat, wo der Nassauer Hof hielt, und wo sie dann seine Verwandten mütterlicherseits, Nikolaus und Heinrich Bechtermüntze, übernahmen, ist nicht historisch nachweisbar, ebensowenig, was noch unter seiner eignen Leitung gedruckt worden ist, obwohl ihm noch eine Anzahl kleiner Bücher und wahrscheinlich mit voller Berechtigung zugeschrieben wird. Am 18. Jan. 1465 trat er in einen wohlverdienten Ruhestand; Kurfürst und Bischof Adolf von Nassau nahm ihn durch Dekret lebenslänglich als Hofdienstmann auf für den „angenehmen und willigen Dienst, den sein lieber getreuer Johannes Gutenberg ihm und seinem Stift geleistet“. Gutenberg wurde hierdurch aller materiellen Sorgen für die Zukunft enthoben, genoß die ihm gewährte Ruhe indes nicht lange: in den letzten Tagen des Januars 1468 hat ihn der Tod abgerufen, wie aus dem erst 1876 wieder aufgefundenen Totenbuch des Dominikanerklosters zu Mainz, in dessen Kirche sich die Grabstätte des Geschlechts der Gensfleisch befand, hervorgeht. Das Grabmal selbst ist unentdeckt geblieben, da die Kirche 1793 bei der Beschießung von Mainz durch die Franzosen zerstört worden ist.
Die dem Humery verschrieben gewesene Druckerei Gutenbergs ging auf die Bechtermüntze über, von denen sie an die Brüderschaft des gemeinsamen Lebens, die sogen. Kogelherren, zu Mariathal in der Nähe Eltvilles kam, in deren Händen sie bis 1508 verblieb, in welchem Jahr sie von ihnen an Friedrich Hewmann, Buchdrucker im Kirschgarten zu Mainz, verkauft wurde.
Nachdem 1455 Fust die Druckerei Gutenbergs an sich gebracht, nahm er Peter Schöffer zum Teilhaber, und 1457 brachten sie das noch heute als außerordentliche Druckleistung anzuerkennende und berühmte Psalterium zu stande, zugleich das erste Druckwerk, welches Drucker und Druckort namhaft macht und Jahr und Tag des Erscheinens genau anführt. Der Text desselben ist mit einer großen Missaltype gedruckt und mit prächtigen Initialen in zwei Farben geziert; die wenigen davon noch vorhandenen Exemplare gehören zu den größten typographischen Schätzen. Bereits 29. Aug. 1459 wurde eine zweite Auflage des Werkes vollendet; Schöffer veranstaltete 1490 eine dritte, 1502 eine vierte und sein Sohn Johann 1516 eine fünfte. Die spätern Ausgaben gleichen aber nicht an Vollendung der ersten, und dieser Umstand sowie der kurze Zeitraum, welcher zwischen der Veröffentlichung derselben und dem erzwungenen Austritt Gutenbergs liegt, läßt schließen, daß der Erfinder selbst es war, welcher den Plan entwarf zu dem Psalter, die Vorarbeiten dazu ausführte und vielleicht einen Teil des Werkes auch selbst noch druckte; auch sprechen Charakter und Schönheit der Schrift für Gutenbergs Urheberschaft. Von den großen, in zwei Farben gedruckten Initialen, deren exakte Herstellung oft die Bewunderung Gelehrter und Sachverständiger erregt hat, ist indes neuerdings mit ziemlicher Gewißheit nachgewiesen worden, daß sie nicht auf die heute übliche Weise des gleichzeitigen Zweifarbendrucks erzeugt worden sind, sondern daß man die Farben auf die in Metall geschnittenen Typen mit dem Pinsel gemalt und sie dann gleichzeitig mit dem vorher eingeschwärzten Text zum Abdruck gebracht hat. Von Fust und Schöffers größern Druckwerken sind noch zu erwähnen das am 6. Okt. 1459 beendigte „Rationale Durandi“, ferner die „Constitutiones Clementis“, datiert vom 25. Juni 1460, und eine lateinische Bibel vom 14. Aug. 1462, gedruckt mit der Texttype der „Constitutiones“. Diese sämtlichen Typen sind aber in Schnitt und Guß minder vollkommen als die von Gutenberg hergestellten Schriften, was der lange gehegten Ansicht widerspricht, daß Schöffer erst die Erfindung Gutenbergs durch Verbesserung des Schriftgusses zur Vollendung gebracht habe, eine Ansicht, die in den die Wahrheit verschweigenden Schlußschriften Fust und Schöffers und namentlich in der ruhmredigen Anmaßung des letztern und seiner Nachkommen ihren Grund hatte. Von ihrer Thätigkeit nach der Erstürmung von Mainz ist aus den Jahren 1462–1464 wenig nachzuweisen, wenn auch aus der Anwendung der Bibeltype hervorgeht, daß die Druckerei bei dem Hausbrand nicht ganz zerstört worden sein kann. Erst die Jahre 1465 und 1466 bringen wieder größere Druckwerke: „Bonifacius VIII. liber sextus decretalium“, „Cicero de officiis“ und die „Grammatica vetus rhythmica“; Fust aber war schon 1462 nach Paris gereist, um seine Bibeln dort zu verkaufen, [554] hatte sehr zuvorkommende Aufnahme selbst beim König gefunden, dort ein Bücherlager angelegt und sich 1466 wieder dahin begeben, wo er wahrscheinlich im Spätsommer desselben Jahrs der Pest erlegen ist. Nach Fusts Tod blieb Schöffer an der Spitze der Druckerei und trat jetzt zum erstenmal in nicht mißzudeutender Weise mit dem Anspruch auf Erfindung der B. in seinen Drucken auf, die erst durch seine Vervollkommnungen des Schriftgusses zur Vollendung gelangt sei. Seine Ansprüche zerfallen aber vor der kritisch-technischen Forschung, denn die von ihm geschnittenen und gegossenen Typen stehen an Zahl und Güte weit zurück hinter den Leistungen Gutenbergs in gleicher Richtung.
Weiter noch als der Anfang 1503 gestorbene Peter Schöffer gingen dessen Nachkommen in der Verleugnung Gutenbergs. Sein Sohn Johann folgte ihm in der Leitung der Druckerei, und sein Name erscheint zum erstenmal in der Schlußschrift des „Mercurius Trismegistus“ vom 27. März 1503; der zweite Sohn, Peter, verließ 1512 Mainz und wanderte mit einer Druckerei zunächst nach Worms und dann nach Straßburg, wo er 1532 als Drucker erscheint. Dessen Sohn Ivo wurde 1531 Nachfolger seines Onkels Johann zu Mainz und setzte das Geschäft bis 1552 fort; mit seinem Tod starb die Fust-Schöffersche Druckerfamilie daselbst aus, und die Druckerei kam durch seine Witwe an Balthasar Lips. Warum des Mainzer Johann eigner Sohn Johann, der nach Herzogenbusch in Holland gezogen war (dort sich Jan Janszoon nennend), nicht zurückkehrte zur Übernahme der väterlichen Druckerei, ist nicht aufgeklärt; dieser Mainzer Johann aber hat durch sein dreistes Lügen viel beigetragen zur Verwirrung der Geschichte der Erfindung der B., denn während Peter Schöffer doch noch Gutenberg als ersten Erfinder nicht wegzuleugnen wagte, wenn auch sich selbst als Verbesserer und Vollender der B. aufspielend, sagte Johann Schöffer schon 1509, sein Großvater Johann Fust sei der Erfinder gewesen, und 1515, in dem „Breviarium historiae Francorum“, wiederholte er diese Aufstellung sehr weitläufig, dabei vergessend oder wähnend, die Welt habe es vergessen, daß er in seiner Dedikation der dem Kaiser Maximilian gewidmeten „Römischen Geschichte“ des Livius seinen Schirmherrn gebeten hatte, „dieses Buch anzunehmen, das gedruckt worden sei zu Mainz, der Stadt, wo die wunderbare Kunst des Buchdrucks zuerst erfunden wurde von dem kunstreichen Johann Gutenberg im Jahr 1450“.
Die für Mainz so schreckenvolle Oktobernacht hatte den Bann gebrochen, der bis dahin die B. in den engen Mauern der rheinischen Stadt eingeschlossen hielt; die Arbeiter, die man mit mittelalterlicher Geheimthuerei zum Schweigen und zum Verbleiben unter Fustscher Abhängigkeit verpflichtet, erhielten durch die Erstürmung der Stadt und durch die in ihrer Folge eintretende Unmöglichkeit fernerer Beschäftigung ihre Freiheit; sie schwärmten aus nach allen Seiten. In Deutschland besaßen vor 1462 außer Mainz allein Straßburg und Bamberg, wie schon nachgewiesen, Buchdruckereien; die nächste erhielt Köln durch Ulrich Zell, der sich vermutlich sofort nach der Erstürmung von Mainz dorthin gewandt und daselbst zu drucken begonnen hat, wenngleich der erste bekannte datierte Druck Zells erst aus dem Jahr 1466 stammt; Köln wurde auch der Ausgangspunkt für die Verbreitung der Druckerei nach den Niederlanden und Norddeutschland. Eltville, das Gutenbergs Druckerei erhielt, gehörte zu Mainz und kann deshalb kaum als selbständiger Druckort genannt werden; 1468 aber druckte man zu Augsburg (Günther Zainer), Lübeck und Pilsen (in Böhmen); 1470 erhielt Nürnberg seinen Johann Sensenschmid, welcher anfänglich einen Mainzer Genossen, den von Gutenberg zur Anhörung der Fustschen Klage in die Gerichtssitzung gesandten Heinrich Keffer, zum Teilhaber hatte. Sensenschmid siedelte, wahrscheinlich um 1480, nach Bamberg über, wo nach Pfister bis dahin kein Drucker gewirkt zu haben scheint; in Nürnberg aber druckten 1472–75 der Mathematiker Johannes Regiomontanus und 1473–1513 Anton Coberger oder Koburger, nach der großen Ausdehnung seines Geschäfts und der Trefflichkeit seiner Arbeiten „der König der Buchdrucker“ zubenannt. Druckereien erschienen ferner: 1471 zu Speier, 1473 zu Eßlingen, Laugingen, Merseburg und Ulm, 1475 zu Blaubeuren, Breslau, Burgdorf, Lübeck und Trient, 1476 zu Rostock, 1478 zu Eichstätt und Prag, 1479 zu Würzburg, wohin der Bischof Rudolf von Scherenberg den Eichstätter Buchdrucker Georg Reyser berufen hatte, dessen erstes daselbst gedrucktes Werk, das „Breviarium Dioc. Herbipolensis“, auch zugleich das erste durch einen Kupferstich illustrierte Werk in Deutschland war. Leipzig erhielt erst 1481 seine erste Druckerei durch Andreas Friesner, ehemals Teilhaber und Korrektor Sensenschmids zu Nürnberg. Wiens erste Drucke tragen das Datum 1482, indes ohne Namen des Druckers; als erster daselbst gilt Johann Winterburger aus Winterburg bei Kreuznach. Im gleichen Jahr druckte in München zuerst Johann Schauer; auch in Erfurt und Passau hielt 1482 die Druckerpresse ihren Einzug, ein Jahr darauf in Magdeburg, 1485 in Heidelberg und Regensburg, 1486 in Stuttgart, Münster, Brünn und Schleswig, 1491 in Hamburg. Wiewohl eine Anzahl größerer deutscher Städte, in denen die B. später zu hervorragender Entwickelung gelangte (Frankfurt a. M., Wittenberg, Dresden, Berlin etc.), erst im Beginn des 16. Jahrh. Druckereien erhielten, waren am Schluß des 15. Jahrh. Gutenbergs Erfindung und ihre Erzeugnisse doch schon allbekannt und durch das ganze Deutsche Reich verbreitet.
Mit noch größerer Schnelligkeit breitete sie sich in Italien aus; schon 1480, wo es in Deutschland erst 23 Städte mit thätigen Buchdruckereien gab, zählte Italien deren 40. Die erste wurde errichtet im Kloster zu Subiaco 1464 durch Arnold Pannartz und Konrad Sweynheym, deren berühmtester Druck daselbst der „Lactantius“ ist; 1467 verlegten sie ihre Druckerei nach Rom (s. Pannartz). Hier hatte sich bereits Ulrich Hahn (Ulricus Gallus) niedergelassen, sein erster Druck trägt die Jahreszahl 1467; die Zahl der Druckereien in Rom nahm bald so zu, daß es bis 1500 schon 37 Drucker daselbst gab, resp. gegeben hatte, unter denen 25 Deutsche gezählt wurden. Noch größer war im gleichen Zeitraum die Zahl der Druckereien zu Venedig, wo 1469 Johann von Speier (Johannes de Spira) die B. einführte, bald gefolgt von Nikolaus Jenson aus Tours, dem Schöpfer der Antiquatype, und von dem durch seine klassischen Ausgaben berühmt gewordenen Aldus Pius Manutius. In Mailand druckte zuerst 1469 Filippo de Lavagna; anfänglich mit ihm, von 1471 allein Antonio Zaroto, bald auch Waldarfer aus Regensburg; Foligno, Verona, Treviso, Bologna, Ferrara, Neapel, Florenz, Cremona, Messina sahen in denselben Jahren die ersten Drucke nebst noch vielen andern, minder bedeutenden italienischen Städten, wobei die auffallend große Zahl der Deutschen, welche [555] überall die Buchdruckereien gründeten und zuerst betrieben, am sprechendsten die Erfindung selbst als eine deutsche bezeichnet. Die erste vollständige arabische Druckerei in Italien wurde auf Kosten des Papstes Julius II. von Gregor Gregorio aus Venedig zu Fano errichtet.
Frankreich, das schon 1458 auf Gutenbergs Erfindung aufmerksam geworden war und Jenson nach Mainz gesandt hatte, damit er die B. erlerne, auch Fust schon im J. 1462 mit seinen Erzeugnissen auf dem Markt von Paris sah, erhielt seine ersten Pressen doch erst 1470 durch Deutsche, resp. Schweizer. Hans Heynlin, genannt von Stein (Jean de la Pierre, Lapidarius) nach seinem Geburtsort in der Nähe von Konstanz, und Guill. Fichet, Lehrer der Sorbonne, beriefen die Typographen Ulrich Gering, Martin Crantz und Michael Friburger (von Kolmar) nach Paris, wo sie in der Sorbonne eine Werkstätte errichteten und 1470 mit „Gasparini Pergamensis epistolarum opus“ den ersten Pariser Druck lieferten. Diesem folgte eine lateinische Bibel, doch scheint bald eine Trennung der drei Drucker stattgefunden zu haben, denn 1478 druckte Gering allein und hatte später als Gesellschafter Wilhelm Maynyal und Bartholomäus Remboldt. Die zweite Buchdruckerei in Paris errichtete Petrus Caesaris (Kaiser), zur Zeit von Gerings Tod (1510) aber gab es deren daselbst schon mehr als 20. Gilles Gourmont war der erste, welcher griechische und hebräische Werke druckte (1507–1508). Die namhaftesten Buchdrucker von Paris und Frankreich gingen im Lauf der Jahrhunderte hervor aus den Familien Badius, Stephanus (Etienne), Wechel und Didot, letztere noch heute blühend. Die Staatsbuchdruckerei in Paris, 1640 unter Ludwig XIII. gegründet, hat viel beigetragen zur Entwickelung der B. in Frankreich; doch nahm diese keinen so raschen Flug bei ihrer Verbreitung über das Land, wie es in Deutschland und Italien der Fall gewesen. Guillaume le Roy und Buyer waren 1473 die ersten Drucker in Lyon; es folgten dann Angers (1477), Chablis (1478), Toulouse und Poitiers (1479), Caen (1480), Vienne (1481), Troyes (1483), Rennes (1484), Abbéville (1486), Rouen und Besançon (1487), Orléans (1490), Dijon und Angoulême (1491), Nantes (1493), Limoges (1495), Tours (1496), Avignon (1497) und Perpignan (1500), abgesehen von einer geringen Zahl minder namhafter Städte.
Holland und Belgien haben aller Wahrscheinlichkeit nach die B. von Köln aus erhalten, und zwar ist der erste durch vorhandene Drucke mit Jahreszahl und Druckername nachgewiesene Druckort Aalst in Ostflandern, wo Dierick Martens (Theoderich Maertens) von 1473 bis 1476 thätig war, sich zuerst einer eigentümlichen holländisch-gotischen Type mit vielen Ecken und scharfen Kanten bedienend und diese erst später durch eine von abgerundeten Formen ersetzend. Zwar soll schon vor ihm Johann von Westphalen, der 1474 als erster Drucker in Löwen erscheint, zu Aalst gedruckt haben; doch fehlen hierfür authentische Beweise. Utrecht aber hat unstreitig die gegründetsten Ansprüche, als erster Druckort in Holland betrachtet zu werden, da, wie neuere Forschungen ergeben haben, angenommen werden darf, daß hier alle die Drucke entstanden sind, auf welche bisher die Holländer ihre Ansprüche für Coster gründeten. Zwar trägt keiner derselben Namen und Jahr, doch weisen gewichtige Momente auf 1471, und der Umstand, daß die Holzschnitte des „Speculum salutis“, des Hauptwerks des unbekannten Druckers, von dem 1478 zu Utrecht arbeitenden Drucker Johannes Veldener (von 1473 bis 1474 druckten daselbst bereits Nicolas Kettelaer und Gerard de Leempt) ebenfalls benutzt worden sind, nach ihm aber verschwinden, scheint auch dafür zu sprechen. Bezüglich dieses unbekannt gebliebenen Druckers ist zu bemerken, daß seine Drucke weniger Vorläufer der B. als vielmehr Erzeugnisse eines ungeübten Buchdruckers zu sein scheinen, der allem Anschein nach von Haus aus nur Formschneider und Holztafeldrucker war und die geringe Kenntnis von der Buchdruckerei, die er erlangt haben mochte, praktisch zu verwerten suchte, so gut er konnte, ein Umstand, der auch das Fehlen von Druckernamen und Druckort auf allen seinen Arbeiten erklärlich erscheinen läßt. – Von den namhaften Städten der Niederlande erhielten die ersten Buchdrucke: 1475 Brügge, Colard Mansion; 1476 Brüssel (Brüderschaft vom gemeinsamen Leben); 1477 Gouda, Gerard Leeu; Deventer, Richard Paffroad, und Delft, Jacob Jacobzoon; 1482 Antwerpen, Matt. van der Goes; Haarlem erscheint 1483 erst als 21. Stadt der Niederlande, welche in Jacob Bellaert einen Buchdrucker erhielt. In Antwerpen gelangte die B. im 16. Jahrh. zu hoher Blüte durch Christoph Plantin (s. d.), dessen Druckerei als „achtes Weltwunder“ die Augen der ganzen gelehrten Welt auf sich zog; sie ist durch drei Jahrhunderte in den Händen seiner Familie und Nachfolger geblieben und bildet heute, nachdem sie in das Eigentum der Stadt Antwerpen übergegangen, daselbst das ganz eigenartige Musée Plantin. Amsterdam, das erst 1500 die erste Druckerei erhielt, hat später nebst Leiden als Druckplatz Berühmtheit erlangt durch die an beiden Orten von 1592 bis 1680 blühende Druckerfamilie Elzevir (s. d.).
Nach England wurde die B. aus Köln und Brügge gebracht durch William Caxton (s. d.), ein hervorragendes Mitglied der Kaufmannsgilde von London. Sein Beruf hatte ihn nach Brügge geführt, ob er aber hier oder in Köln oder im Kloster Weidenbach bei Köln die B. erlernte, ist eine ebenso offene Frage wie die, wo das erste Buch in englischer Sprache, die von Caxton übersetzte Sagensammlung „Recueil des histoires de Troyes“, von ihm um 1471 gedruckt worden ist. Im J. 1477 aber war er bereits nach London zurückgekehrt und druckte hier als erstes Buch „The dictes and sayings of the philosophers“ innerhalb, d. h. im Bezirk, der Abtei von Westminster. Mit ihm gleichzeitig (1480 und 1481) druckten in London John Lettou, William Machlinia (Wilhelm von Mecheln, 1481–83) und als Caxtons Nachfolger der Lothringer Wynkyn de Worde. In Oxford druckte zuerst 1478 der Kölner Theoderich Rood oder Rudt; in der Abtei von St. Albans arbeitete 1480–86 ein unbekannt gebliebener Drucker, der sich selbst nur als „Schulmeister von St. Albans“ bezeichnet hat; alle übrigen namhaften Städte Englands erhielten erst im 16. Jahrh. oder später Buchdruckereien. – In Schottland hielt die B. 1507 ihren Einzug; Walter Chepman und Andrew Millar waren die ersten Drucker der schottischen Residenz. – In Irland druckte 100 Jahre nach der Erfindung, 1551, zuerst Humphrey Powell.
Als erster Druckort der Schweiz galt bisher der Flecken Beromünster im Aargau (1470) und als erster Drucker Helias Helye, Kanonikus des Stifts daselbst. Das erste, 10. Nov. 1470 von ihm vollendete Buch war der „Mammotrectus“ des Marchesino da Reggio, eine Art Wörterbuch zur Erläuterung der Bibel. In neuester Zeit ist indes nachgewiesen worden, daß der erste Druck von Basel vor das Jahr [556] 1468 zurückzudatieren sei, wie denn auch in den Matrikeln der Universität Basel bereits Anfang der 60er Jahre des 15. Jahrh. sich eine Anzahl Männer verzeichnet finden, welche später als Buchdrucker thätig waren, unter ihnen Ulrich Gering, einer der drei ersten 1469 nach Paris berufenen Buchdrucker. Als erster Drucker wird genannt Berthold Ruppel oder Rippel von Hanau, ein Schüler Gutenbergs und einer der beiden „Druckerknechte“ (Bertolff von Hanauve), die von ihm gesandt worden waren, damit sie den Verhandlungen des Fustschen Prozesses gegen ihn im großen „Refender“ beiwohnten. Es ist indes nur ein einziger Druck von ihm vorhanden, welcher seinen Namen und Basel, wo er das Bürgerrecht erworben hatte, als Druckort trägt: das „Repertorium vocabulorum“ des Magister Konrad von Mure. In Genf druckte zuerst 1478 Adam Steinschauwer aus Schweinfurt; der erste Druck zu Zürich datiert von 1504; besondern Ruf als Druckort erlangte es durch Christoph Froschauer (1519–64, s. d.). Die Ausbreitung der B. schritt in der Schweiz während des 16. Jahrh. nicht allzu rasch vorwärts; sie gelangte nicht eher als 1577 nach Schaffhausen, 1578 nach St. Gallen, 1585 nach Freiburg, und Einsiedeln, das jetzt in der Druckerei der Gebrüder Benziger das größte graphische Etablissement der Schweiz besitzt, erhielt die erste Druckerei, gleich zahlreichen andern Schweizer Orten, erst im 17. Jahrh., 1664.
Wie in Italien, so waren auch in Spanien Deutsche die Apostel von Gutenbergs Erfindung. Eine zu Ehren der heiligen Jungfrau 1474 in Valencia gedruckte Sammlung von 36 Gedichten gilt als frühstes in Spanien gedrucktes Buch, doch erst vier Jahre später, 1478, begegnen wir einem Druckernamen, Lambert Palmart (1476–94), am Schluß einer in limousinischer Übersetzung erschienenen Bibel. In Saragossa druckte 1475 Matthias Flander, mit Paul Hurus aus Konstanz als nächstem Nachfolger; in Sevilla waren 1477 drei Spanier die ersten Drucker, denen drei Deutsche folgten; auch in Barcelona druckten 1478 Deutsche die ersten Bücher, desgleichen 1480 zu Tolosa. Granada sah 1496 seine ersten Drucker in Meinrad Ungut und Hans Pegnitzer aus Nürnberg, letzterer hatte schon vorher in Sevilla gedruckt. In Madrid hielt im J. 1500 die B. ihren Einzug; begünstigt vom Hof, gedieh sie daselbst bald zu hoher Blüte.
In Portugal wurde die B. durch Juden eingeführt; 1489 druckten zu Lissabon Rabbi Zorba und Raban Eliezer des Rabbi Mosis Machmonides hebräischen Kommentar zum Pentateuch und zwar mit rabbinischen Typen. Lateinische und portugiesische Bücher druckten erst 1495 Nikolaus aus Sachsen und Valentin aus Mähren. Druckereien erhielten Leiria 1492, Braga 1494, Coimbra 1536, Vizeu 1571 und Oporto erst 1622.
Nach dem Osten hin hatte 1472 die B. freundliche Aufnahme gefunden zu Ofen in Ungarn durch dessen König Matthias Corvinus, wo der Deutsche Andreas Heß auf Kosten des Hofs die „Chronica Hungarorum“, jetzt ein höchst seltenes Buch, druckte; doch volle 60 Jahre vergingen, ehe eine zweite Druckerei im Ungarnreich und zwar 1534 zu Kronstadt gegründet wurde. Dann schritt indes die Ausbreitung rascher vorwärts, und noch vor Ablauf des Jahrhunderts besaß eine ansehnliche Zahl ungarischer Städte Buchdruckereien. In Polen wurde die erste 1491 zu Krakau gegründet durch Swaybold Frank, angeblich ein Schüler Koburgers in Nürnberg. Jüdische Typographen druckten hier von 1517 an mit Erfolg, wie überhaupt die Juden und die Jesuiten sich in Polen, Litauen und Galizien Verdienst erworben haben um Ausbreitung und Förderung der B. In Lemberg war 1593 der erste Drucker Matth. Bernhart; Warschau, wo 1580 ein fahrender Drucker vorübergehend thätig gewesen war, erhielt erst 1625 eine ständige Buchdruckerei. Rußlands erste Druckerei soll 1493 zu Tschernigow thätig gewesen sein, doch fehlen nähere Daten hierüber; Moskau erhielt seinen ersten Drucker durch einen Machtspruch des Zaren Iwan des Grausamen, welcher Iwan Fedorow, bis dahin Diakon an einer der Kremlkirchen, im Jahr 1563 befahl, „von handschriftlichen Büchern Abdrücke zu machen, da dadurch infolge der schnellern Arbeit und des geringern Preises es jedem rechtgläubigen Christen möglich werde, gerecht und ungestört die heiligen Bücher zu lesen und laut denselben zu reden und zu handeln“; ob Fedorow schon vorher der Druckkunst beflissen gewesen, ist unbekannt, das erste vollendete Druckwerk, eine Apostelgeschichte, trägt indes bereits das Datum vom 1. März 1564. Der kaiserliche Drucker mußte aber bald flüchten vor den Verfolgungen der Abschreiber und gelangte nach mancherlei Schicksalen nach Ostrog in Wolhynien, wo er den Druck der ersten Bibel in russischer Sprache im J. 1583 vollendete. Zu lebhafterer Entwickelung gelangte die B. in Rußland erst unter Peter d. Gr., welcher in Holland Schriften schneiden und gießen ließ und 1704 die Synodalbuchdruckerei von Moskau errichtete, 1707 auch den Buchdruckereibetrieb, bisher Staats- und Kirchenmonopol, den Privaten freigab. Petersburg erhielt Pressen 1710 sofort nach seiner Gründung; der Zar ließ solche von Moskau aus herbeischaffen. Nr. 1 der „Petersburger Zeitung“ trägt das Datum des 11. Mai 1711, das erste Buch wurde 1713 vollendet. In Riga druckte 1588 ein vom Magistrat aus Deutschland berufener Drucker, Nikolaus Mollin; in allen andern russischen Städten und Klöstern wurde die B. nicht vor dem 17. Jahrh. geübt.
Der skandinavische Norden zeigte sich infolge der verhältnismäßig hohen unter dem Volk verbreiteten Bildung zur Aufnahme der B. gut vorbereitet. In Stockholm druckte bereits 1474 ein fahrender Buchdrucker; Johann Snell, ein Deutscher, legte 1483 die erste ständige Buchdruckerei daselbst an. 1495 druckte man im Kloster Wadstena, 1510 zu Upsala, aber nicht vor 1663 in dem alten Lund. Norwegens erste Druckerei arbeitete Mitte des 16. Jahrh. in Drontheim, Christiania sah die erste 1644. In Dänemark soll die B. 1482 durch denselben Johann Snell, der sich ein Jahr später in Stockholm niederließ, zu Odense auf Seeland Eingang gefunden haben; in Kopenhagen druckte Gottfried von Ghemen 1490 einen Donat. Auf Irland ließ 1531 Bischof Jens Areson zu Holum durch den Schweden Matthiesson das „Breviarium Nidorosiense“ drucken; 1584 erschien, gedruckt von Hans Jensen, die erste Ausgabe der isländischen, mit Holzschnitten illustrierten Bibel. In Grönland wurde die erste Buchdruckerei um 1860 in der Herrnhuter Kolonie Godthaab errichtet.
In der Türkei und Griechenland waren es Juden, welche die B., die Sultan Bajesid II. 1483 bei Todesstrafe verboten hatte, 1490 im verborgenen ausübten; Achmed III. gab endlich 1727 die Erlaubnis zur Anlegung einer großherrlichen Druckerei in Konstantinopel, für welche der unermüdliche Förderer derselben, Ibrahim Efendi, selbst nach aus Leiden in Holland bezogenen Mustern die Typen goß. In [557] Smyrna hatten bereits 1658 Juden gedruckt, desgleichen schon 1515 zu Salonichi, 1554 zu Adrianopel und 1552 in Belgrad. Im eigentlichen Griechenland druckten im 16. Jahrh. ebenfalls wandernde Juden; nicht früher als 1817 wurde eine Druckerei zu Korfu gegründet. In Athen war die erste Presse ein Geschenk des Lords Stanhope (s. d.), Nauplia erhielt von Ambroise Firmin Didot eine ganze Druckerei geschenkt, und zu Missolunghi richtete Lord Byron während der Belagerung eine Druckwerkstätte ein.
In den außereuropäischen Ländern trug zur Verbreitung der B. das Missionswesen wohl ebensoviel bei wie Handel und Wissenschaft. In China und Japan waren es Missionäre, welche sich zuerst der Erfindung Gutenbergs bedienten; auch in Goa war dies der Fall in der Mitte des 16. Jahrh., und nach Trankebar sandte eine Londoner Missionsgesellschaft 1569 eine vollständige Druckerei und gelernte Arbeiter; Rangun, Singapur, Malakka etc. erhielten Druckereien durch Missionäre. Nach Kalkutta gelangte eine solche erst 1778 durch den Sanskritforscher Charl. Wilkins; in Madras druckte man bereits sechs Jahre früher, und Bombay sah 1792 Drucker in seinen Mauern thätig. Die indische Presse hat sich seitdem bedeutend entwickelt, und die Zahl der Blätter in den Volkssprachen Indiens ist sehr ansehnlich. – Von den Philippinen soll Manila schon 1590 die B. aufgenommen haben; in Batavia erschien der erste Druck 1668, auf Ceylon 1737, auf Sumatra 1818. – In Persien wurden erst 1820 zwei Druckereien, in Teheran und Tebriz, errichtet; in Syrien waren es vornehmlich die Klöster des Libanon, in welchen der Buchdruck geübt ward; doch auch im 16. Jahrh. schon sollen Juden in Damaskus gedruckt haben. Ein Meister der Kunst war der melchitische Priester Abdallah Ben Zacher im Kloster Mar-Hanna, der 1732 seine Typen selbst schnitt und goß und seine Pressen baute, wie die Prototypographen des ersten Jahrhunderts der Erfindung. Von den asiatisch-russischen Städten erhielten Druckereien: Tiflis 1701, Sarepta 1808, Astrachan 1815, Kasan Anfang dieses Jahrhunderts, 1808 aber eine Anstalt für den Druck des Türkischen, für die Bedürfnisse der mohammedanischen Tataren. Auch in den größern sibirischen Städten hat die B. Eingang gefunden; Tomsk, Jenisseisk und Irkutsk drucken während der letzten Jahrzehnte Gouvernementszeitungen und für die Bedürfnisse der Verwaltung, desgleichen Blagoweschtschensk am Amur und Taschkent in Zentralasien.
In Amerika war es Mexiko, resp. dessen Hauptstadt, welches die erste Druckerpresse sah; der Deutsche Johann Cromberger druckte daselbst 1544. Jesuiten druckten 1585 in Lima, 1612 in Puebla sowie um dieselbe Zeit in Quito, und auch Brasilien mag damals Druckerpressen thätig gesehen haben, wiewohl ältere Drucke von dort nicht bekannt sind und die neuern nicht über den Anfang des 19. Jahrh. zurückgehen. Deutsche Zeitungen bestehen jetzt in den dasigen deutschen Kolonien. Buenos Ayres erhielt die erste Druckerei 1789, Montevideo 1807, Valparaiso 1810, Santiago de Chile 1818. In Westindien druckte man bereits im Anfang des 17. Jahrh. auf Haïti; in den britischen Kolonien Nordamerikas erhielt Halifax 1766 die erste Presse; auch in Quebec wurde bereits vor Beginn des nordamerikanischen Freiheitskriegs gedruckt. Von den jetzigen Vereinigten Staaten erhielt Massachusetts die erste Presse; ein Prediger, Glover, hatte den Druckapparat von England mitgenommen, starb jedoch während der Überfahrt, und es blieb seiner Witwe vorbehalten, denselben in Cambridge 1638 aufzustellen; die Leitung der Druckerei übernahm John Daye, 1649 gefolgt von seinem Gehilfen Samuel Green; Philadelphia erhielt durch W. Bradford 1686 eine Presse; der zweite Drucker daselbst war Samuel Keimer, bekannt als Brotherr Benjamin Franklins. Dieser selbst, der berühmteste aller Buchdrucker nach Gutenberg, hat keine in typographischer Hinsicht ausgezeichneten Drucke geliefert; nur der ausgedehntesten Verbreitung von Kenntnissen und edler Volksbildung dienten seine Pressen. Germantown sah 1735 als ersten Drucker den Deutschen Christoph Sauer, der zuerst ein deutsches Blatt, dann 1743 eine deutsche Bibel druckte. Derselbe gründete auch die erste Schriftgießerei in Amerika. W. Bradford, aus Philadelphia durch Pietisten vertrieben, siedelte 1693 nach New York über, gründete auch hier die erste Buchdruckerei und hatte Anteil an der Begründung der zweiten Papiermühle Amerikas, nachdem er sich schon vorher beim Inslebenrufen der ersten beteiligt hatte. Die Schöpfung der „New York Gazette“ (1728) war auch sein Werk. Im 18. Jahrh., namentlich nach Beendigung des Freiheitskriegs, verbreitete sich die B. über einen großen Teil der Unionsstaaten; doch hatte sie auch schon während desselben die Sache der Freiheit mächtig gefördert. Den Mississippi, dem „fernen Westen“ zu, überschritt die B. erst in diesem Jahrhundert; Kalifornien erhielt erst 1846 seine ersten Pressen zu San Francisco, Oregon 1853 und die Vancouverinsel 1858. Selbst den Rothäuten war die B. nicht fremd geblieben: zu New Echota in Arkansas gab 1828 der Tscherokesenhäuptling See-quah-yah den „Cherokee Phoenix“ heraus in englischer und Tscherokesensprache, für welch letztere er selbst ein Alphabet von 85 Zeichen erfunden hatte.
In Nordafrika hielt die B. ihren Einzug unter der Fahne Napoleons I., der 1798 die erste Presse in Kairo errichtete; auch Alexandria erhielt damals eine Buchdruckerei, und selbst aus dem Dorf Gizeh sind Drucke von 1800 und 1801 bekannt. Mehemed Ali gründete 1822 zu Bulak (Kairo) eine Buchdruckerei, die später auch mit einer Schriftgießerei ausgestattet worden ist. Algerien hat seit der Eroberung durch die Franzosen 1830 zahlreiche Buchdruckereien erhalten, Westafrika aber soll schon unter den Portugiesen im 16. Jahrh. (San Salvador und Loanda) mit Druckereien versehen worden sein. In der Kapstadt gründeten 1806 englische Missionäre eine Buchdruckerei, und selbst Britisch-Kaffraria sowie die Staaten der holländischen Kolonisten besitzen jetzt solche. Der Osten Afrikas erhielt wie der Westen seine ersten Druckwerkstätten von den Portugiesen, die zu Melinde und Mosambik schon frühzeitig Schul- und Andachtsbücher herstellen. – Der älteste bekannte afrikanische Druck, vom Jahr 1583, stammt aus Angra auf der azorischen Insel Terceira. Druckereien erhielten auch die Inseln Bourbon 1821, Mauritius 1833, Madagaskar, wo englische Missionen um 1825 druckten, nachdem sie vorher die Sprache der Hova orthographisch festgestellt, und selbst St. Helena gelangte zu einer Presse während der Gefangenschaft Napoleons I. daselbst.
Nach Australien sandte 1795 die englische Regierung die erste Druckerei, erster Drucker war einer der dorthin verbannten Sträflinge. Die erste Privatdruckerei gründete 1802 zu Sydney George Howe, ein Kreole aus Westindien; aus ihr ging auch 1803 das erste australische Blatt: „Sydney Gazette and [558] New-South-Wales-Advertiser“, hervor. Tasmania (Vandiemensland) sah 1818 in seiner Hauptstadt Hobbarttown die erste Buchdruckerei. Seitdem hat die B. in Australien einen außerordentlichen Aufschwung genommen, und namentlich ist die Zeitungspresse, unter welcher sich auch mehrere deutsche Blätter befinden, ungemein entwickelt, und die typographische Ausstattung der letztern steht der der Blätter in England durchaus nicht nach. Neuseeland besitzt zu Wellington, Dunedin und in andern Städten gute Buchdruckereien und zahlreiche Zeitungen; auch die Inseln Hawai (1821), Maui (1836), Tahiti (1818), Neukaledonien, die Fidschiinseln etc. hat Gutenbergs Erfindung erobert und damit ihren Gang um die Welt vollendet, auf welchem sie stets gleichen Schritt hielt und noch hält mit dem Fortschreiten der Zivilisation, deren mächtigster Hebel sie ist.
Aber nicht nur die Fortschritte der Zivilisation, auch deren Rückgang, wenn solcher sich über weite Länderstriche erstreckte, hat sie beeinflußt, und namentlich waren es die traurigen Kriege des 17. Jahrh., welche einen empfindlichen Niedergang der B. ganz besonders in Deutschland veranlaßten. Die Erzeugnisse derselben aus jener Zeit sind der rohesten Art; erst das 18. Jahrh. brachte wieder Besserung, und ein neues Aufleben machte sich fühlbar mit der dritten Jubelfeier der Erfindung 1740, das einerseits gefördert wurde durch den Aufschwung des litterarischen Lebens, anderseits durch das Auftreten tüchtiger Techniker auf dem Gebiet der B., durch das Wiederaufleben des Holzschnittes (s. d.), durch Erfindung der Stereotypie und der Galvanoplastik (s. d.) und in neuester Zeit durch die Photographie (s. d.) mit ihrer unendlich ausgedehnten Anwendung im Buchdruck. Die Erfindung der Schnellpresse (s. d.) durch den Deutschen Fr. König (s. d.) schuf die Möglichkeit zur vollen Ausnutzung aller dieser von der Wissenschaft gewährten Hilfsmittel und zur Befriedigung der Bedürfnisse des durch Eisenbahnen und Telegraphen unendlich gesteigerten geistigen und materiellen Verkehrs, und somit ist die B. in der Gegenwart zu einer Vollkommenheit der Leistungen sowohl in Bezug auf Schnelligkeit als auf Schönheit gelangt, die sie niemals zuvor auch nur annähernd erreicht hat.
Die zum Betrieb der B. erforderlichen Typen oder Lettern zerfallen in Fraktur-, Antiqua- und Kursivschrift (s. d.) nebst den dazu gehörigen Interpunktions- und sonstigen Zeichen (Sternchen, Paragraphen etc.); ihre Verschiedenartigkeit und Reichhaltigkeit ist eine außerordentliche. Man unterscheidet sie nach ihrer Gattung in Brot- und Zierschriften sowie nach ihrer Zeichnung in gotische, Kanzlei-, Grotesk- etc. Schriften (s. Schriftarten und Lettern), ferner ihrem Kegel nach, d. h. nach den Klassen, in welche alle Schriften der Höhe ihres Typenbildes nach eingeteilt sind. Zu den Schriften gehören auch die Ausschließungen, d. h. Metallstückchen ohne Schriftbild und etwa ein Fünftel niedriger als die eigentlichen Typen (Spatien, Viertel-, Drittel-, Halbgevierte, Gevierte, Quadraten); sie dienen zur Trennung der Worte, zum Ausfüllen leerer Zeilen etc. Ähnlichen Zwecken dient der Durchschuß, Metallplättchen von 1–4 typographischen Punkten Stärke und meist 36 und 48 Punkten Breite bei 54 Punkten Höhe, oft aber auch von der ganzen Breite der Zeilen (Regletten). Man durchschießt damit den Zeilensatz, d. h. man legt solche Plättchen zwischen die Zeilen, welche alsdann auseinander gerückt, splendider erscheinen; doch wird der Durchschuß auch bei Herstellung schwierigern Satzes (Tabellen etc.) gebraucht. Jede Type trägt an der Vorderseite (in England und Frankreich an der Rückseite) ihres Körpers eine Einkerbung, die Signatur; sie leitet den Setzer im sofortigen richtigen Erfassen der Type, und da diese Einkerbungen verschieden sind für die verschiedenen, oft aber doch sehr ähnlichen Typengattungen, so erleichtern sie auch deren Unterscheidung. (Ein Durcheinander von Typen verschiedener Schriftgattungen oder auch verschiedener Typen einer und derselben Gattung wird als „Zwiebelfische“ bezeichnet.)
Die für Werk- und Zeitungssatz bestimmten Typen liegen in hölzernen Setzkasten mit etwa 110 Fächern für deutschen und 160 für Antiquasatz, d. h. Lateinisch, Englisch, Französisch etc.; die größere Fächerzahl wird bedingt durch Accentbuchstaben und Kapitälchen (s. d.). Die orientalischen Sprachen und der Satz von Musiknoten erfordern Kasten mit noch weit bedeutenderer Fächerzahl. Die Größe der Fächer ist dem mehr oder minder häufigen Vorkommen der Buchstaben angepaßt, auch richtet sich hiernach deren Lage behufs höchstmöglicher Handlichkeit. Der Setzkasten ruht etwa in Brusthöhe auf einem pultartigen Gestell (Regal), das mit Fächern zum Einschieben der Kasten versehen ist. Vor dem Regal steht der Schriftsetzer (Setzer), in der linken Hand den Winkelhaken aus Metall (früher oft aus Holz und mit Metall ausgelegt) haltend, der eine Art nach zwei Seiten offenes, flaches Kästchen mit verstellbarer linker Seitenwand bildet, in welches der Setzer mit der rechten Hand die Typen aus den Fächern des Kastens führt und zu Zeilen zusammenstellt. Das Manuskript (so wird die Vorlage genannt, wäre sie auch schon gedruckt) ist meist auf einem Holz- oder Metallstab (Tenakel) vermittelst einer Art Gabel (Divisorium) festgehalten und in bequemer Sehweite auf dem Setzkasten aufgesteckt. Ist eine Zeile gefüllt, so muß sie ausgeschlossen werden, d. h. sie muß die genau dem jeweiligen Format entsprechende Breite erhalten und mäßig fest im Winkelhaken sitzen, was entweder durch Verengerung der Wortzwischenräume erreicht wird, um überschießende Wortteile noch in den Raum der Zeile zu bringen, oder die Zwischenräume werden durch Hinzufügen von Ausschließungen verbreitert behufs Abschlusses mit einem Wort oder einer Silbe. Von der Regelmäßigkeit und Sorgfalt, mit welcher diese Arbeit ausgeführt wird, hängt das gute Aussehen des Satzes im Druck wesentlich ab. Ist die Zeile vollendet, so wird die dünne Platte aus glattem Metall, die Setzlinie, welche ihr bisher als Unterlage diente, darunter hervorgezogen und darübergelegt und mit dem Setzen so lange fortgefahren, bis der Winkelhaken mit Zeilen gefüllt ist. Diese werden dann sämtlich auf einmal mit einem geschickten Handgriff auf ein Schiff gehoben, d. h. auf ein auf zwei oder drei Seiten mit einem erhabenen Rand versehenes winkelrechtes Brettchen, resp. Zinkplatte, bis die zur Bildung einer Spalte oder Seite (Kolumne) oder auch eines Pakets nötige Zeilenzahl erreicht ist. Setzt der Setzer in Seiten, so hat er diese auch mit einem Kolumnentitel zu versehen, der ein toter genannt wird, wenn er nur aus der Seitenzahl besteht, oder ein lebender, sobald er ein Stichwort oder eine kurze Angabe des Seiteninhalts enthält; auf ihren Fuß aber legt er zur Erzielung sicherern Halts einen Unterschlag, bestehend aus Quadraten oder seitenbreiten Metallklötzchen, und umwindet das Ganze dann mit einem festen Bindfaden, der Kolumnenschnur. Ist der Satz gut ausgeführt, so muß [559] sich jetzt die Seite hantieren lassen, als ob sie nur aus einem Stück bestände. Die vollendeten Seiten werden entweder bis zur Fertigstellung der für einen Druckbogen erforderlichen Anzahl auf Papierlagen (Porte-pages) aufbewahrt, oder gleich auf Bretter (Setzbretter) oder Schließplatten und Schließsteine in einer bestimmten, der Aufeinanderfolge der Seiten entsprechenden Reihenfolge gestellt (ausgeschossen), wo alsdann Holz- oder Metallstege von der Breite der auf dem Papier weiß bleibenden, für das Einbinden nötigen Räume (Bund-, Kreuz- und Mittelsteg) um die Seiten gelegt, die Kolumnenschnuren entfernt (die Seiten „aufgelöst“) und die Formen vermittelst eiserner Rahmen entweder mit Eisenschrauben, Holzkeilen und Schrägstegen oder auch mit eigens konstruierten gezahnten Stegen und Keilen etc. geschlossen, d. h. so befestigt werden, daß die ganze, aus vielen Tausenden von Lettern bestehende Form emporgehoben und in der Presse niedergelegt werden kann, ohne daß ein einziger Buchstabe aus deren Seiten falle. Das Seitenbilden (Umbrechen) und Schließen und die damit zusammenhängende Unterleitung der Herstellung eines Werkes besorgen indes meist (bei Zeitungen ist es ausnahmslos der Fall) damit speziell betraute geschickte Setzer, die Metteurs en pages; diese Arbeitsweise, bei welcher der Setzer nur Stücke (Pakete, davon Paketsetzer) glatten Satzes unter Weglassung aller Überschriften aus andrer als für den Textsatz verwandter Schrift zu liefern hat, wird Mise en pages genannt. Die leichtere Bestimmung der Reihenfolge der fertigen Bogen erreicht man durch Beifügung einer Ziffer rechts am Fuß der ersten und Wiederholung der gleichen Ziffer nebst Sternchen am Fuß der dritten Seite, der Signatur; die erste erhält häufig auch noch links in kleiner Schrift eine Norm, die in wenigen Worten Titel und Bandzahl eines Werkes anzugeben hat. Die Signaturangabe mit Buchstaben ist in Deutschland außer Brauch, ebenso ist der Kustos, d. h. das früher an den Schluß einer jeden Seite gestellte erste Wort der nächstfolgenden, in Wegfall gekommen. Die Formate werden nach der Zahl der Blätter, welche ein Bogen nach dem Zusammenfalzen enthält, benannt: Folio, Quart, Oktav, Duodez, Sedez, Oktodez etc. (s. d.).
Der erste Abdruck, welcher von den geschlossenen Formen oder auch von Seiten und Paketen in Schnuren genommen wird, ist der Korrekturabzug; in diesem zeichnet der Korrektor die vom Setzer veranlaßten Fehler, nach deren Berichtigung durch letztern (Auslassungen nennt derselbe „Leichen“, doppelt Gesetztes „Hochzeiten“) weitere Korrekturabzüge für Verfasser und Verleger hergestellt werden; erst wenn deren Berichtigungen und Änderungen vom Setzer gemacht und die Genehmigung zum Druck erteilt ist, kann derselbe nach vorhergegangener Prüfung der richtigen Stellung der Seiten und den nötigen Revisionen erfolgen. Diejenige Form, welche die erste und letzte Seite enthält, heißt die äußere, Prima oder Schöndruckform, sie wird in der Regel zuerst gedruckt (eingehoben); die andre wird als innere, Sekunda oder Widerdruckform bezeichnet. Der Druck erfolgt entweder in der Handpresse, kurzweg Presse (s. d.) genannt, in der Accidenzmaschine (s. d.[WS 2]) oder Tretpresse, oder in der Schnellpresse (s. d.; Maschine, ihr Leiter: Maschinenmeister); das Papier, mit Ausnahme von Schreibpapier, wird hierfür teils vorgängig gefeuchtet, d. h. in stärkern oder dünnern Lagen durch Wasser gezogen oder angespritzt, wodurch es geschmeidiger und zur Aufnahme der Druckfarbe geeigneter wird, teils trocken gedruckt und, ist der Druck ein feiner, auch satiniert (s. Satinieren), was ihm die durch das Feuchten verlorne Glätte wiedergibt. Vor dem Druck muß jede Form „zugerichtet“ werden, d. h. es müssen alle Ungleichheiten, welche sowohl infolge Unebenheit des druckenden Teils der Presse oder Maschine, resp. Ungleichheit des Druckes als auch durch leichte Unebenheiten in den die Form bildenden Typen, Klischees etc. entstehen können, durch Hinzufügung oder Hinwegnahme feiner Papiereinlagen ausgeglichen werden, eine Operation, die meist zeitraubend ist, bei feinem Illustrationsdruck aber auch hohe Anforderungen an die Kunstfertigkeit des Druckers oder Maschinenmeisters stellt und ein geschultes Auge verlangt, da selbst der feinste Holzschnitt ohne gute Zurichtung nicht voll zur Geltung kommt. Zur Erzielung eines guten Druckes gehören namentlich auch gute Walzen zur Verreibung und Auftragung der Farbe (s. Buchdruckfarbe); erstere werden meist in den Buchdruckereien selbst entweder aus einer Mischung von Leim und Sirup oder aus Glycerin, Zucker und Gelatine gegossen; sie haben bald nach der Erfindung der Schnellpresse die früher zum Auftragen der Farbe gebräuchlichen Ballen aus Roßhaar mit einem Überzug aus Kalb- oder Hundsleder verdrängt. Der Druck in der Presse, die in der Regel durch zwei Personen bedient wird, erfolgt durch bogenweises Einlegen des Papiers, Zuklappen und Niederlegen von Rähmchen und Deckel, Einfahren des Karrens vermittelst Drehung einer Kurbel, Herüberziehen des Bengels, Wiederausfahren und Auslegen des gedruckten Bogens, welche Operationen einer der beiden Drucker ausführt, während der andre die Farbe verreibt und die Form in der Zeit des Papier-Ein- und Auslegens einschwärzt („aufwalzt“). Die Schnellpresse besorgt alle diese Operationen, mit Ausnahme des Einlegens, selbstthätig, das Auslegen geschieht jetzt bei den meisten derselben durch einen mechanischen Auslegeapparat; der Maschinenmeister hat nach erfolgter Zurichtung nur den Gang der Maschine, die Gleichmäßigkeit der Färbung und die Güte des Druckes zu überwachen. Die gedruckten Bogen werden, wenn es nicht Zeitungen oder andre sofort abzuliefernde Arbeiten sind, zum Trocknen aufgehängt und sodann in Glättpressen gebracht zur Beseitigung der beim Druck entstandenen Unebenheiten des Papiers und zur Wiederherstellung seines guten Aussehens. Die Satzformen aber wäscht man, wenn „ausgedruckt“, behufs Entfernung der Druckfarbe mit einer in scharfe Lauge getauchten Bürste und spült sie mit reinem Wasser ab, und der Setzer erhält dieselben sodann, wenn sie nicht für weitere Drucke aufzubewahren sind, „stehen bleiben“, zum Auseinandernehmen, Ablegen oder Aufräumen, zurück; in ersterm Fall verteilt er die Lettern wieder in die ihnen entsprechenden Kastenfächer, in letzterm werden nur Titel, Überschriften, kurze Zeilen etc. abgelegt, der kompresse Satz aber „aufgebunden“, d. h. in handlichen Stücken mit Kolumnenschnuren umwunden und, wenn gut abgetrocknet, in Papier geschlagen und, deutlich etikettiert, für spätern Bedarf im Magazin aufbewahrt. Abgenutzte Typen werden als „Zeug“ wieder an die Schriftgießereien zum Umguß verkauft. – Über die verschiedenen Arten des Druckes s. die betreffenden Artikel.
Litteratur. Die Bibliographie der B. ist eine außerordentlich umfassende; das vollständigste Werk ist: Bigmore und Wyman, Bibliography of printing (Lond. 1880–84, 2 Bde.). Von wichtigen Erscheinungen der Neuzeit sind zu nennen: Weigel und [560] Zestermann, Die Anfänge der Druckerkunst in Bild und Schrift (Leipz. 1866, 2 Bde.); van der Linde, De Harleemsche Costerlegende (Haag 1870); Derselbe, Gutenberg, Geschichte und Erdichtung (Stuttg. 1878); Butsch, Die Bücherornamentik der Renaissance (Leipz. 1878); Muther, Die deutsche Bücherillustration der Gotik und Frührenaissance, 1460–1530 (Leipz. u. Münch. 1884, 2 Bde.); A. Mayer, Wiens Buchdruckergeschichte, 1482–1882 (Wien 1883–86, 2 Bde.); Vinne, The invention of printing (New York 1876); Madden, Lettres d’un bibliographe (Par. 1868–78, 5 Bde.); Dupont, Histoire de l’imprimerie (das. 1883); Blades, The biography and typography of William Caxton (2. Aufl., Lond. 1878); Mason Jackson, The pictorial press, its origin and progress (das. 1885); Lorck, Handbuch der Geschichte der B. (Leipz. 1882–83, 2 Bde.); Derselbe, Die Herstellung von Druckwerken (4. Aufl., das. 1883); Wehle, Das Buch (Wien 1879); Derselbe, Die Zeitung (das. 1878); Faulmann, Illustrierte Geschichte der B. (das. 1882); Th. Goebel, Friedrich König und die Erfindung der Schnellpresse (Stuttg. 1883); Bachmann, Neues Handbuch der B. (Weim. 1875); Franke, Handbuch der B. (5. Aufl., das. 1885); H. Fischer, Anleitung zum Accidenzsatz (Leipz. 1877); Lefèvre, Guide pratique du compositeur (Par. 1855 u. 1872, 2 Bde.); Wilson, Printing machines and machine printing (Lond. 1880); Southward, Practical printing (2. Aufl., das. 1884); Mackellar, The American printer (8. Aufl., Philad. 1878). Zeitschriften: „Journal für B.“ (Braunschw., seit 1834); „Archiv für B.“ (Leipz., seit 1863); „Österreichische Buchdruckerzeitung“ (Wien); „Schweizer Typographische Mitteilungen“ (St. Gallen); „Imprimerie“, „Typologie Tucker“, „Bulletin de l’imprimerie et de la librairie“ (Par.); „Printers’ Register“, „Printing Times“ (Lond.); „American Model Printer“ (New York); „Printers’ Circular“ (Philad.).
[176] Buchdruckerkunst. Zur Litteratur: v. d. Linde, Geschichte der Erfindung der B. (Berl. 1886, 3 Bde.).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: werden
- ↑ Das Stichwort Accidenzmaschine ist in der Vorlage nicht vorhanden, siehe stattdessen Schnellpresse