MKL1888:Elektro-induktive Abstoßung

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Elektro-induktive Abstoßung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 235236
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Elektro-induktive Abstoßung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 235–236. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Elektro-induktive_Absto%C3%9Fung (Version vom 11.05.2021)

[235] Elektro-induktive Abstoßung. Wird vor dem einen Pol eines Elektromagnets ein Ring oder eine Scheibe aus Kupfer oder einem andern nichtmagnetischen Metall leicht beweglich aufgehängt und der Magnet durch Schließen des Stromes in der den Eisenkern umgebenden Drahtspule plötzlich erregt, so wird der Kupferring von dem Pol abgestoßen. Die in der Spule und im Eisenkern plötzlich entstehenden primären Ströme induzieren nämlich in dem Ring entgegengesetzt gerichtete sekundäre Ströme (s. Induktion, Bd. 8, und Magnetelektrizität, Bd. 11), welche von jenen gemäß den Prinzipien der Elektrodynamik (s. d., Bd. 5) abgestoßen werden. Wird jetzt der Elektromagnet durch Öffnen des Stromes wieder entmagnetisiert, so sind die im Ring induzierten Ströme mit den verschwindenden primären Strömen gleichgerichtet, [236] und es tritt Anziehung ein. Werden die Stromunterbrechungen in der Spule in rascher Aufeinanderfolge bewirkt, oder schickt man durch dieselbe Wechselströme, die von einem Induktionsapparat oder einer Wechselstrom-Dynamomaschine geliefert werden, so müßte der Ring, da er rasch hintereinander in gleichen Zeitintervallen schwache Anziehungen und Abstoßungen erfährt, in Ruhe bleiben. Dies könnte aber nur dann der Fall sein, wenn die sekundären Ströme genau gleichzeitig mit den primären verlaufen, wenn z. B. in demselben Zeitintervall, in welchem der primäre Strom von Null bis zu seiner Maximalstärke ansteigt, der entgegengesetzt gerichtete sekundäre Strom von seinem Maximum bis Null herabsinkt. Dieser genaue Synchronismus der induzierten Ströme mit den induzierenden findet aber thatsächlich nicht statt, weil in dem Ring Selbstinduktion auftritt, indem die in seiner Masse entstehenden Extraströme (s. Induktion, Bd. 8) das Anwachsen des Induktionsstroms auf seinen Maximalwert und ebenso seine Abnahme auf Null verzögern. Wächst z. B. die Stärke des induzierenden Stromes von Null bis zu ihrem Maximum, so fällt das Maximum des induzierten Stromes mit jenem Nullwert nicht zusammen, sondern tritt etwas später ein und rückt daher dem Maximum des primären Stromes zeitlich näher. Hierdurch wird die Zeitdauer, während welcher die Ströme entgegengesetzt gerichtet sind und sich daher abstoßen, verlängert auf Kosten derjenigen, während welcher die gleiche Richtung der Ströme Anziehung zu bewirken strebt; zugleich wird das Übergewicht der abstoßenden Wirkung noch dadurch begünstigt, daß während der Periode der Abstoßung beide Ströme ihre Maximalwerte erreichen, wogegen sie in der Periode der Anziehung nur geringere Werte besitzen. Da sonach abwechselnd während längerer Zeitabschnitte Abstoßung stattfindet, bewirkt durch stärkere entgegengesetzte Ströme, innerhalb kürzerer Zeitintervalle aber Anziehung infolge schwächerer gleichgerichteter Ströme, so muß die resultierende Wirkung Abstoßung sein.

Diese e. A. hat Elihu Thomson durch eine Reihe bemerkenswerter Versuche veranschaulicht. Legt man einen Kupferring auf den aus einem Bündel weicher Eisendrähte bestehenden Kern eines aufrecht stehenden Elektromagnets und erregt letztern durch einen starken Wechselstrom, so springt der Ring nach oben von seiner Unterlage ab. Hängt man eine Kupferplatte, an einem Wagebalken ins Gleichgewicht gebracht, horizontal über dem Magnetpol auf, so steigt dieselbe bei Erregung durch Wechselstrom beträchtlich in die Höhe. Diese Abstoßung ist so kräftig, daß ein Kupferring, der durch Fäden in vier Punkten an die Tischplatte geheftet ist, entgegen der Wirkung der Schwerkraft frei schwebend in der Luft erhalten wird. Zwei oder mehrere geschlossene Stromkreise, der Einwirkung des wechselnden Magnetpols ausgesetzt, ziehen sich gegenseitig an, weil die in ihnen induzierten Ströme die gleiche Richtung haben, und werden gemeinsam von dem Magnetpol zurückgestoßen. Eines der schönsten Experimente von E. Thomson ist das folgende: Eine elektrische Glühlampe ist an die Enden einer horizontalen Drahtspule angeschlossen, und Lampe und Spule schweben in einem mit Wasser gefüllten Glasgefäß über dem Kern des Elektromagnets. Wird dieser durch Wechselströme kräftig erregt, so bringen die in der Spule induzierten Ströme die Lampe zum Glühen, während gleichzeitig die abstoßende elektrodynamische Wirkung sich durch Emporsteigen der Lampe samt Spule offenbart. Die induzierende und elektrodynamische Wirkung geht durch das Glas und das Wasser ungehindert hindurch. Bringt man aber eine Kupferplatte zwischen den Magnetpol und die mit der Lampe verbundene Spule, so erlischt die Lampe; die Kupferplatte (und ebenso überhaupt jeder Leiter der Elektrizität) wirkt nämlich wie ein Schirm, welcher die Spule vor der induzierenden Wirkung des Poles schützt, indem er dieselbe zu seiner eignen Induktion gleichsam absorbiert. Bringt man ferner eine Kupferplatte über den einen Pol des von Wechselströmen erregten Elektromagnets und nähert eine zweite, um eine Achse drehbare Kupferplatte, so gerät diese in rasche Drehung. Die feststehende Platte schützt nämlich einen Teil der drehbaren Platte vor der Induktionswirkung; die in jener induzierten Ströme ziehen die in der drehbaren Scheibe unsymmetrisch verteilten induzierten Ströme an und erzeugen eine Kraft, welche nicht durch die Drehungsachse geht und daher Drehung bewirkt. Zwei drehbare Scheiben, von welchen jede einen Teil des Poles überdeckt, ziehen einander an und rotieren in entgegengesetzten Richtungen.