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MKL1888:Völkerpsychologie

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Völkerpsychologie“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Völkerpsychologie“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 16 (1890), Seite 259260
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Völkerpsychologie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 259–260. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:V%C3%B6lkerpsychologie (Version vom 27.10.2022)

[259] Völkerpsychologie, die Wissenschaft von der Verschiedenheit sowohl der einfachern Empfindungen des Menschen als seiner sittlichen Grundbegriffe und der allgemeinen Weltanschauung, welche durch Verschiedenheiten der Abstammung, des Klimas, der Bodenbeschaffenheit, Höhen- und geographischen Lage ihrer Wohnsitze (im Binnenland oder an der Küste, in Gebirge oder Niederung) sowie durch die geschichtlichen Erlebnisse und Berührung mit fremden Völkern bedingt werden. Schon die alten Kulturvölker waren, soweit sie mit fremden Völkern in nähere Berührung traten, auf diese Verschiedenheiten der innersten Empfindungen wie des äußern Benehmens, der religiösen Anschauungen, Sitten und Gebräuche aufmerksam geworden und liebten es, z. B. in den Geschichten von Anacharsis, die Verschiedenheit der Anschauungen eines Skythen den griechischen entgegenzustellen. Hippokrates nahm in seiner kleinen Schrift „Von der Luft, dem Wasser und den Gegenden“ schon einen Anlauf zur physischen Erklärung dieser psychischen Eigentümlichkeiten benachbarter Völker; im allgemeinen aber ist diese Wissenschaft neu und beginnt etwa mit Montesquieu, der in seinen „Persischen Briefen“ den Anacharsis wieder aufleben ließ und in seinem „Geist der Gesetze“ zeigte, daß dieselben mit den Erdgraden wechseln. Einen weitern Anstoß gaben Zimmermann in seiner „Geographischen Geschichte des Menschen“ (1773) und Kant in seiner „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht“ (1798). [260] In neuerer Zeit haben dann besonders Buckles „Geschichte der Zivilisation in England“, die Beobachtungen und Arbeiten von Waitz, Gerland, Bastian, E. Tylor, Herbert Spencer u. a. bahnbrechend gewirkt. Als die Hauptquellen für den Ausbau der V. gelten das Studium der religiösen Anschauungen (s. Mythologie), der Volksüberlieferung (s. Folklore), der Rechtsgeschichte und der Sitten und Gebräuche. Zu der seit 1859 von Lazarus und Steinthal herausgegebenen „Zeitschrift für V.“ haben in den letzten Jahren eine größere Anzahl neuer Zeitschriften für Volkskunde oder Folklore in Deutschland, England, den Niederlanden, Italien, Frankreich, Nordamerika etc. sich gesellt, die mit der Sammlung und Sichtung des aus frühern Zeiten stammenden Materials für den Aufbau der V. beschäftigt sind. Die Litteratur s. bei Anthropologie und Ethnographie, wozu die Schriften Bastians (s. d.) noch manche Beiträge liefern.