Maiblumen
Die weite Stadt auf nacktem Fuße
Durchwandert sie von Haus zu Haus
Und bietet scheu mit blödem Gruße
Des Lenzes liebste Kinder aus:
„Maiblumen kauft! Kauft aus Erbarmen,
Auf Stroh der Vater sterbend liegt,
Die Mutter auf den welken Armen
Ein schmachtend Kind in Thränen wiegt!“
Ist das des Frühlings erstes Grüßen,
Ein Weheschrei der bittern Noth?
Sie feilscht mit seinem Duft, dem süßen,
Um einen Bissen trocken Brod;
Maiglöckchen, Perlen, die voll Liebe
Der Braut in’s grüne Haar er flicht,
Wie, darum sproßten eure Triebe,
Daß ein verhungernd Kind sie bricht?!
Und dieses Kind – die zarten Glieder
Verhüllen schlechte Lumpen kaum,
Das blaue Auge spiegelt wieder
Des jungen Lenzes schönsten Traum.
Die Locke schließt mit goldnem Rahmen
Ein rührend Bild der Unschuld ein,
Und selber rufst Du Deinen Namen,
Du Maienblume zart und rein.
Der Mutter Wangen, hohl und mager,
Verblichen in der dumpfen Luft,
Den Vater auf dem Sterbelager
Umwehest Du mit frischem Duft,
Und wie vom Hauch des Abendwindes
Das Maienglöckchen sanft erklingt,
So tönt’s um sie, wenn ihres Kindes
Gebet sich auf zum Himmel schwingt.
Die zarte, lenzentsproßte Blüthe,
Die Gott so hold und rein erschuf,
Daß treu sein Auge Dich behüte,
Mitleid erwecke Dir Dein Ruf:
„Maiblumen kauft! Kauft aus Erbarmen,
Auf Stroh der Vater sterbend liegt,
Die Mutter auf den welken Armen
Ein schmachtend Kind in Thränen wiegt!“