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Malta – La Valetta

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XLII. Die grosse Brücke über den Schuylkill und Fair-Mount-Water-Works bei Philadelphia Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band (1833) von Joseph Meyer
XLIII. Malta – La Valetta
XLIV. Mainz
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LA VALETTA
(MALTA)

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XLIII. Malta – La Valetta.




Aus des mittelländischen Meeres weitem Becken, zwischen Sicilien und Afrika, erheben sich, dicht nebeneinander, drei mit steilen, großentheils unzugänglichen Felsengestaden umgürtete Inseln. Die südlichste, und zugleich die größte, ist Malta; Gozzo und Comino heißen die kleinern. Diese Eilande waren ursprünglich unfruchtbare, von Vegetation fast ganz entblößte, nackte Felsen; die wunderthätige Kraft des menschlichen Fleißes hat sie in die fruchtbarsten, reizendsten Gärten umgeschaffen, und sie in den bevölkertsten Fleck auf der Erde verwandelt. Jeder Zollbreit Boden ist hier benutzt. Die Oberfläche der Felsen hat man zerschlagen und geebnet, Erde von Sicilien und Afrika geholt und aufgeschüttet, die so gewonnenen Felder mit Mauern vor dem Wegspülen geschützt; – beispiellos war die Anstrengung, beispiellos auch der Erfolg. Es bringen diese Felsen jetzt alle Erzeugnisse des südlichen Europa’s und Nordafrika’s, Obst, Gemüße, Baumwolle, Zuckerrohr in größter Vollkommenheit hervor. Getreide gedeiht vortrefflich; indeß reicht es nicht hin für die dichte Bevölkerung, und das Fehlende wird aus Sicilien eingeführt. Die Südfrüchte sind so köstlich, daß sie selbst nach Genua und Livorno, also dahin verfahren werden, wo sie in großer Güte wachsen. Von dem herrlichsten Klima begünstigt, – es friert hier nie und kühlende Seewinde schützen vor allzu großer Hitze – blühen selbst die Blumen hier weit geruchreicher und üppiger als in Europa; die Rosen von Malta waren schon im Alterthum berühmt. An Waldungen fehlt es; aber ihr Mangel wird wenig gefühlt, denn selbst im strengsten Winter weht hier Frühlingsluft, und Zimmerheizung ist ein unbekanntes Bedürfniß. Bauholz aber führt man von der afrikanischen und sicilischen Küste reichlich herbei. Die Einwohnerzahl auf den 3 Inseln übersteigt gegenwärtig 120,000, wovon 95,000 auf Malta kommen; gewiß eine ungeheuere Zahl für einen Raum von nicht ganz 8 Geviertmeilen und die Bevölkerung Deutschlands und Frankreichs an Dichtigkeit fünfmal übertreffend.

Die Colonisirung dieser einsamen Eilande reicht in die graueste Frühzeit der Geschichte. Ihre vortheilhafte Lage für den Handel im Mittelpunkt der das mittelländische Meer begrenzenden Länder veranlaßte schon 1400 Jahre vor unserer Zeitrechnung Kaufleute aus Tyrus, auf ihnen Faktoreien und Niederlagen zu gründen, von wo aus sie die Küstenmärkte Afrika’s und Sicilien’s versorgten. Aehnlicher Handelszwecke wegen ließen sich später Griechen, besonders Ionier hier nieder. Unter Carthago’s Herrschaft, 400 Jahre vor Christo, hob sich Cultur und Bevölkerung [102] sehr; Malta wurde ein Waffenplatz und eine Hauptstütze carthaginensischer Macht im mittelländischen Meere. Als aber diese nach langem Kampfe mit den Römern unterlag, kam Malta (216 v. C.) in die Hände der letztern; und nach dem Verfall des Römerreichs im Westen beherrschte Byzanz es bis 818.

In diesem Jahre fiel Malta den Zerstörern des römischen Ostreiches, den Arabern, nach einer heldenmüthigen Vertheidigung zur Beute. Den größeren Theil der phönizisch-griechisch-römischen Bevölkerung fraß das Schwert der Eroberer; der Rest wanderte in die Sklaverei. Araber kolonisirten die Inseln von neuem und dieser Volksstamm bildet, mit Italienern und Neugriechen vermischt, die Masse der heutigen Bevölkerung. Die Malteser reden eine aus dem Italienischen und Arabischen zusammengesetzte Mundart, sind kühne Seefahrer, geschickte, schlaue Handelsleute; und sie bebauen mit unermüdlicher Anstrengung den Boden. Seit 1130, als die Herrschaft des Halbmondes vor der Fahne des Kreuzes sank, bekennen sie sich zur katholischen Religion. 1530 schenkte Kaiser Karl V. Malta und die kleinern Inseln den Johanniterrittern, nachdem diese in ihren Kämpfen mit den Türken alle ihre Besitzungen im Mittelländischen Meere, Rhodus, Cypern und Candia, verloren hatten, unter der Bedingung, einen beständigen Krieg gegen die Ungläubigen zu führen und die Seeräuberei der Arabeskenstaaten im Mittelländischen Meere zu vertilgen. Von dieser Zeit an wurden jenes Ordens Glieder Malteserritter genannt und La Valetta, Malta’s Hauptstadt, die Residenz des Großmeisters und der Hauptsitz ihrer Macht. – Den steten Angriffen der Türken ausgesetzt, die mehrmals ihre ganze Seemacht gegen Malta führten, nöthigte dieß den Orden, nicht bloß La Valetta, sondern auch andere zugängliche Punkte der Inseln auf jede erdenkliche Weise zu befestigen. Zwei Jahrhunderte lang widmete man dem Zwecke, diesen Hauptsitz des kriegerischen Ordens unüberwindlich zu machen, unermeßliche Summen, die aus den durch ganz Europa zerstreuten Besitzungen der Ritter hierher strömten. Am bewundernswürdigsten sind die ganz in den Felsen eingehauenen Werke von La Valetta. Bei entschlossener Abwehr ist der Platz durch Waffengewalt nicht zu nehmen. An ihnen brach sich die Gesammtmacht der Türken mehre Male; ihre heldenmüthige Vertheidigung im Jahre 1565 gegen den furchtbaren Suleiman gehört unter die schönsten Großthaten des 16. Jahrhunderts. Mit Erfolg kämpften die Malteser fort und fort den Kampf gegen Ungläubige und Seeräuber bis 1760. Um diese Zeit verloren sie ihre ganze Seemacht in unglücklichen Auszügen; sie sahen sich in der Gefahr von den Türken ausgehungert zu werden. In so kritischer Lage sprachen sie Frankreichs Vermittlung an. Eine Art von Vertrag kam zu Stande, welcher den unausgesetzten Türkenkampf fortan in eine Spiegelfechterei verwandelte. Die Heerfahrten der Ritter beschränkten sich nun auf bloße Auszüge; die That war zu Schein geworden und der kriegerische Geist des Ordens ging nothwendig dabei unter. Das Institut hatte sich überlebt, sein ursprüngliches Ziel war von der Zeit und Civilisation ihm entrückt worden, sein Verfall unvermeidlich. Im letzten Stadium seines Bestehens war es nur noch eine Versorgungsanstalt [103] für adeliche Müßiggänger, die keine andere ritterliche Probe zu bestehen hatten als – die Ahnenprobe. So ausgeartet traf den Orden der Sturm der französischen Revolution. Er, vor dem so vieles Morsche und Veraltete in Trümmer fiel, stürzte auch diesen hohlen Baum nieder. Die großen Besitzungen des Ordens in Frankreich wurden Nationalgut. Die in Deutschland, Ungarn, Italien, Spanien fielen etwas später, bei günstiger Gelegenheit, den Fürsten zur Beute; den Hauptsitz selbst, Malta, nahm 1798 Bonaparte, auf seinem Zuge nach Egypten, verrätherischer Weise ohne Widerstand weg; er vertrieb die Ritter, die seitdem und bis auf die neueste Zeit, mehrmals versucht haben, wieder einen Vereinigungspunkt (in Catania in Sicilien, in Ferrara, in Spanien etc.) zu finden. – Bonaparte ließ in Malta eine starke Besatzung zurück; aber schon 1800 mußte sie sich, völlig ausgehungert, der belagernden englischen Flotte ergeben, und der brittische Dreizack wurde im Besitz der Inselgruppe durch den Pariser Frieden von 1814 bestätigt. Jetzt ist Malta (mit Gibraltar und den Ionischen Inseln) der Hauptpfeiler, auf den sich die stolze Herrschaft der Engländer im Mittelländischen Meere stützt. – Es ist der Schutz- und Sammelplatz seiner Flotten in diesen Gewässern, und auf den unbezwinglichen Felsen hat es die unermeßlichen Vorräthe an Waffen, Munition und Mundbedarf aufgespeichert, welche es zur nachdrücklichen Führung eines Krieges, wenn ein solcher in diesen Gegenden je nöthig würde, bedarf. Es unterhält eine Besatzung von 6000 Mann Kerntruppen, welche, vereint mit den Garnisonen in Gibraltar und Corfu, ein kampffertiges Heer von 20,000 Mann abgeben, das auf irgend einem Punkte der Küsten des Schwarzen und Mittelländischen Meeres zu jeder Zeit auf Englands Wink gegenwärtig seyn kann – eine Macht, groß genug, um das Gewicht des brittischen Einflusses im Orient und im Süden von Europa bei allen bedeutenden Fragen geltend zu machen. –

La Valetta, auf einer zwischen 2 geräumigen Häfen sich hinstreckenden Landzunge, gewährt von der Seeseite mit ihren vielen Pallästen und prächtigen Kirchen einen herrlichen Anblick. Malerisch erheben sich vom hohen Gestade hinter den unabsehbaren Batterien und Wällen die Reihen der Gebäude terrassenartig über einander bis zum Gipfel des Felsens. Hie und da sieht man zwischen den glänzenden stattlichen Wohnungen düstergrau das Gemäuer eines alten Werks zur Abwehr hervorragen, oder das dunkle Gestein einer Felswand. Rechts und links an den Eingängen beider Häfen steigen zu deren Schutz die bombenfesten Werke der Forts St. Elmo, Manuel und St. Angelo empor, drohenden Riesen gleich, deren Fuß auf dem Boden des Oceans zu ruhen scheint; und wirklich sind mehre Vertheidigungswerke auf Unterlagen von ungeheuern Felsblöcken errichtet, welche man zu Hunderten in die Tiefe gesenkt hat. Von der Landseite wird die Stadt, am schmalsten Ende der Landzunge, durch die uneinnehmbaren Werke des Forts Tigne vertheidigt, mit welchen noch andere, die sich über die benachbarten Höhen hinziehen, in Verbindung stehen.

Das Innere der Stadt, welche jetzt in etwa 3500 Häusern 32,000 Einwohner zählt, ist schön zu nennen; die [104] Straßen sind breit, mit schwarzer Lava zierlich gepflastert, und, namentlich in denen nahe am Hafen, mit stattlichen Gebäuden besetzt. Die merkwürdigsten derselben sind der vormalige Pallast des Großmeisters, jetzt die Residenz des brittischen Gouverneurs; die Palläste der 7 Zeugen, das große Hospital, das Rathhaus, die Kathedrale, die Sternwarte; vor Allen aber das Arsenal (ADMIRALITY), mit den dazu gehörigen außerordentlich großen Munitions- und Mundvorrathshäusern, letztere meist neu, seit der Besitznahme der Engländer, errichtet. Sehr sehenswerth sind auch mehre dem Handel gewidmete Anstalten: die Börse, das Lazareth etc.; diese vermehren und erweitern sich in dem Maße, als der Verkehr zunimmt; denn La Valetta ist den Engländern in neuester Zeit ein Hauptmarkt für die Nordküste Afrika’s und die westlichen Provinzen des türkischen Asiens geworden und eine Menge der größten Häuser Londons und Liverpools haben hier Niederlagen und Contore. – Weise hat die englische Regierung dem Verkehr alle Fesseln abgenommen und La Valetta schon seit 1814 zum Freihafen erklärt. Auch die Industrie wird auf alle Weise begünstigt. Ihr fruchtbarster Zweig ist die Baumwollenmanufaktur, deren Export jährlich zwischen 5 und 600,000 Gulden beträgt. Die jährliche Gesammtausfuhr Malta’s ist 1½ Million Gulden an eigenen Erzeugnissen; fast achtmal so viel aber an Fabrikaten Englands.