Mandäische Liturgien/Qolasta/35
XXXV.
Im Namen des Lebens.
Ich wollte Augen, Schultern und Arme hochheben nach dem Orte, der ganz Leben, Glanz, Licht und Herrlichkeit ist, dem Orte, von dem man sucht und findet, man spricht und wird erhört, man bittet und es wird gewährt, Tag für Tag, Stunde für Stunde.
Zu dieser Stunde richte ich an dich, mein Herr Mandā ḏHaijē, eine inständige Bitte, groß und nicht klein, für diese Körper, die ihre Knie zur Erde beugten und ihre Hände nach der Mitte und oben hin streckten.
Sie verließen die Abbilder, Bildwerke und Götterschreine aus Ton, die Götter aus Klötzen und sonstige nichtige Werke und bezeugten den Namen des großen, fremden Lebens:
Vor ihnen werde das Tor der Sünden verschlossen
und ihnen das Tor des Lichtes geöffnet.
Unsere Bitte, unser Gebet und unsere Unterwerfung steige empor vor das erhabene Leben, das über allen Werken steht.
Alle Hände stahlen vor dir, und alle Lippen logen.
Niemand ist sündenrein vor dir, Mandā ḏHaijē.
Wir sind Sklaven, die ganz Sünden, du bist der Herr, der ganz Vergebung ist.
Wenn du mit uns bist, wer wird uns besiegen,
wenn du uns freisprichst, wer wird uns verurteilen?
Richte uns nicht nach dem Gerichte der Welten,
verachte uns nicht wegen unserer Torheiten
und mache uns nicht der Lügenwerke, die die Welten und Äonen verüben, teilhaftig.
Die Welten stießen uns, doch wir fielen nicht.
Zu Seiten deiner Kušṭā hatten wir Vertrauen gar sehr.
Vertraue dem Leben; willst du den Menschen vertrauen?.
Du sprachest mit deiner Rede und befählest uns mit deinem Spruch:
Betet ihr von der Tibil her, und ich werde euch aus den oberen Früchten gewähren.
Betet ihr unterhalb des Rohres, des Sumpfes und der Fadheit, und ich werde euch aus den oberen Höhen gewähren.
Betet ihr mit der Rechten des Fleisches, und ich werde euch mit der Rechten der Kušṭā gewähren.
Die Früheren suchten und fanden, so werden auch die Späteren suchen und finden.
Suchet und findet für euch selbst, für eure Freunde, für die Freunde eurer Freunde und für die Freunde des großen Stammes des Lebens.
Eure Augen sollen sich nicht leer von mir umwenden.
Du bist der Vater, der ganz Uthras,
die Säule, die ganz Licht,
der Weinstock, der ganz Leben,
der große Baum, der ganz Mandās ist.
Du kennst die Herzen, durchschaust die Sinne, befühlst die Eingeweide in den unteren Abaddons der Finsternis.
Wie die Sonne sind sie vor dir ausgebreitet.
Zu dir sind unsere Augen emporgehoben,
und dir spenden unsere Lippen Lobpreis und Segen:
sieben Stunden des Tages
und in den drei Vigilien der Nacht.
Die bei ihm suchen, finden,
denen, die von ihm erbitten, wird es gewährt.
Dem, der vor verschlossenem Tore steht,
wirst du das verschlossene Tor öffnen.
Am Orte des Lichtes wirst du von uns unsere Sünden, Vergehen, Torheiten, Strauchelungen und Irrungen wegwischen und fortnehmen und in die Höllen der Erde und die unteren Abaddons der Finsternis werfen.
Erhebe uns und stelle uns auf als Schuldlose, nicht als Schuldige, als Vollwertige, nicht als Mangelhafte vor dir Mandā ḏHaijē.
Die Guten sollen es sehen und Gutes finden,
die Bösen sollen gebrochen
und die Kinder der Welt beschämt werden.
Jene sollen sagen:
es giebt für uns einen Ort am Orte des Lebens,
an dem die suchen, finden, denen, die erbitten, gewährt wird.
Wir bitten, daß du von deinem Glanze, deinem Lichte und deinem Schmucke etwas auf uns legest.
Du bist der Arzt, der über den Ärzten,
der Erheber, der über den Erhebern,
der Glanz, der über den Glanzwesen,
das Licht, das über den Lichtern steht.
Du öffnest die Pforten der Kušṭā,
offenbarest die Geheimnisse der Weisheit
und zeigest Wundertaten in Jerusalem.
Du sperrst die Dämonen und Dēws ab
und stoßest die Götter von ihren Tempeln weg.
Groß ist dein Name,
gepriesen dein Name.
Du bist das Abbild des Lebens, der du von je her warst.
Du bist der Weinstock, der du im Äther über dem Himmel und über der Erde warst.
Als die Welten entstanden und die Geschöpfe geschaffen wurden, tatest du einen Griff an den Welten und Äonen und legtest einen Weg an für die wahrhaften und gläubigen Männer zum Orte des Lebens.
Die Geister und Seelen sitzen als Schuldige da und werden als Schuldlose aufstehen.
In deinem Namen Jōzaṭaq Mandā ḏHaijē, <die Hände der trefflichen Menschen zu stützen> werde Heilung des Lebens den Seelen dieses Aufstieges zu teil.
Das Leben steht fest in seiner Škīnā, das Leben ist siegreich.
Dieses Gebet eignet sich für alles Gute. Das eine Mal eignet es sich für eine Fürbitte, das andere Mal für die Totenmesse und die Taufe, auch für jede Heilung. Bei der Totenmesse, nachdem du über das Pandāmā, über das Wasser des Gebetes und den Spruch über den Weihrauch gelesen, bete „Wir bekannten“ (= LXXV), „Lobpreisungen“ (= LXXVI), „Dich (Leben)“ (= LXXVII), „Beim Hochheben der Augen“ (= IX) und „Ich wollte die Augen hochheben“ (= XXXV), bereite dann das Pihtā und Mambūhā und den Kranz und lege sie für die Totenmesse hin. Dann lies den Spruch über das Öl. Dieses sei in etwas Beinern: einer Schale von Glas oder Zinn, die gewaschen und gereinigt ist. Dann lies die Totenmesse.