Markt an der ungarisch-rumänischen Grenze
[647] Markt an der ungarisch-rumänischen Grenze. (Zu dem Bilde S. 632 u. 633) Im hochkultivirten Westen Europas hat der große Reformator unseres Jahrhunderts, „Dampf“ genannt, den Jahrmärkten ihre einstige Bedeutung genommen. Aus den Städten, in deren glänzenden Läden das ganze Jahr über die Waren zum Verkaufe ausliegen, die sonst auf den Märkten feilgeboten wurden, sind letztere sogar meist gänzlich verschwunden, und mancher Leser wird den magischen Zauber nicht mehr verstehen, welcher dem Worte „Jahrmarkt“ einst für jung und alt innewohnte und im europäischen Osten, wo die Mehrzahl der Ortschaften noch viele Meilen vom Weltverkehr entfernt ist, noch heute innewohnt. Muß man doch um Jahrzehnte zurückzudenken vermögen, um sich aus eigener Erfahrung an das Herzpochen zu erinnern, welches schon das Aufschlagen der hölzernen Buden in der Kinderbrust verursachte, um die Sehnsucht zu begreifen, welche die endliche Entfaltung all der wundervollen Schätze bei groß und klein erzeugte. Ist nun auch ein Markt an der ungarisch-rumänischen Grenze nicht eben ausgezeichnet durch Pracht und Luxus, die Bedeutung desselben bleibt für die Bewohner jener Gegenden dieselbe. Auch hier bringt die Marktzeit Erfüllung für alle Herzenswünsche, welche sich im Laufe eines Halbjahres angesammelt haben, und außerdem noch manche Lustbarkeit; daher denn auch das Mißgeschick, dem Markte fernbleiben zu müssen, dort bei dem weiblichen Theile genau dieselben nervenerschütternden, den Hausfrieden gefährdenden Folgen nach sich zieht wie bei uns etwa das Versagen einer den ganzen Winter über erhofften Badekur.
Um so fröhlicher rüsten sich die „Glücklichen“ schon vor Tagesgrauen zur Fahrt. Immer praktisch, ziehen die Landleute nicht nur als Käufer, sondern auch als Verkäufer zu Markte, daher der geräumige Korbwagen mit allem, was in der Wirthschaft irgend entbehrlich ist, beladen wird, vor allem mit Zwiebeln, Knoblauch und Paprika, den Universalwürzen der magyarisch-rumänischen Küche, aber auch mit Gemüse und Feldfrüchten, Feder- und Kleinvieh; zwischen drin oder oben drauf machen es sich Männlein wie Weiblein so bequem wie möglich, und vorwärts geht es, zwei-, drei- oder vierspännig, Wagen an Wagen dicht hintereinander. Von dem Grenzgebirge aber, den transsylvanischen Alpen, kommen die Bergrumänen und ihre stämmigen Tragthiere herab, mit Holzgeschirr, Schindeln und jenen sonderbaren Schafkäsen belastet, welche in Ziegenfelle eingenäht, Steinkolossen gleichen und weit und breit unter dem Namen „Primsenkäse“ in den Handel gebracht werden. Da wird nun ver- und gekauft, gefeilscht und angepriesen, geschätzt und gewählt, bis die fast senkrecht niederfallenden Sonnenstrahlen daran gemahnen, daß es mittag ist und Zeit zur Einnahme des mitgebrachten Mundvorrathes und zu kurzer Rast. Es ist der Augenblick, welchen unser Bild veranschaulicht. Der Vordergrund zeigt links zwei Rumänen mit ihren Frauen, – den einen in Gesellschaft seines Wolfshundes schlummernd, den andern die neuen Opanken (Sandalen) an seinen Füßen befestigend, ihnen zunächst Magyaren in ihren wie Frauenröcke wallenden Leinenhosen; rechts und im Hintergrunde aber ist die bunte Menge schon wieder in Fluß gerathen – schon wird das Handeln, Feilschen mit verdoppeltem Eifer aufgenommen, um erst bei eintretender Dunkelheit zu enden, mit welcher laute Lust und Fröhlichkeit in Schenken und Scheunen bei Geigenschall und Ungarwein beginnt. Während sich Bursche und Mädchen beim „Hora“, dem rumänischen, oder beim „Csardas“, dem ungarischen Nationaltanz, finden und Amor seine Marktgeschäfte betreibt, plaudern die Alten beim vollen Weinkruge, und erst in später Nachtstunde wird die gemeinschaftliche Heimfahrt wieder angetreten. F. Schifkorn.