Mein wildes Lieb

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Hermann Eduard Jahn
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Mein wildes Lieb
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 287-288
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[287]
Mein wildes Lieb.
Von Hermann Eduard Jahn.[1]

Der stille Abend ist gekommen:
Die Blumen schliefen müde ein;
Schon ruht im Dämmerlicht verschwommen
Gebirg’ und Haide, Moor und Hain.
Ringsum ein tiefes sel’ges Schweigen;
Es bebt selbst nicht das dürre Ried –
Nur über mir aus grünen Zweigen
Singt noch die Nachtigall das Lied:
Ich lieb’ Dich, wilde Kleine
Im blonden Lockenhaar,
Ich lieb’ und werd’ Dich lieben,
Ja lieben immerdar.

Da wachen auf die wilden Rosen,
Und hauchen wärmer ihren Duft,
Und wie geheimes Liebeskosen
Geht da ein Weh’n durch alle Luft;
Es wachen auf die jungen Blätter
Und heben leis zu rauschen an,
Und wie ein jubelndes Geschmetter
Schwingt sich das Lied zu Dir hinan:
Ich lieb’ Dich, wilde Kleine etc.

Du ruhst jetzt wohl auf weichen Kissen,
Im losen, duftigen Gewand,
Von wildem Sehnen hingerissen
Preßt Du auf’s Herz die kleine Hand,
Und höher glühen Deine Wangen,
Und heißer glüht des Busens Hauch,
Und wie im Bangen, im Verlangen
Umschleiert sich Dein liebes Aug’:
Ich lieb’ Dich, wilde Kleine
Im blonden Lockenhaar,
Ich lieb’ und werd’ Dich lieben,
Ja lieben immerdar.

Da sinkt ein Traum auf Dich hernieder:
Wir ruh’n im moos’gen Waldesgrund;
Ich drück’ Dein scheues Händchen wieder
Und küsse fiebernd Deinen Mund.
Du hältst mich eng, gar eng umfangen –
Kein Laut, kein Rauschen fern und nah;
Nur uns’re Liebesschwüre klangen,
Und jubelnd, jubelnd sang ich da:
Ich lieb’ Dich, wilde Kleine etc.

[288]

Die Bäume standen treue Wache
Und hielten jeden Lauscher fern;
Die Blumen all am Murmelbache
Die waren unser Teppich gern;
Da glühte roth die weiße Rose
Und schloß verwirrt das Auge zu –
Nur noch die Nachtigall, die lose,
Sang ohne Rast, sang ohne Ruh’:
Ich lieb’ Dich, wilde Kleine etc.

Ich glaub’, man singt in Dorf und Städtchen
Zum Leierkasten bald mein Lied;
Die Burschen singen’s und die Mädchen;
Der Gassenbube pfeift es mit.
Dann wird sie tief erröthend neigen
Ihr liebes, bleiches Angesicht – – –
Du Nachtigall in grünen Zweigen
Verrath’, verrath’ mein Lieben nicht –:
Ich lieb’ Dich, wilde Kleine etc.

  1. Aus des phantasie- und talentvollen Verfassers soeben erschienenen „Verwehten Blättern“ (Leipzig, Karl Rühle), welche wir hiermit der allgemeinen Beachtung wärmstens empfehlen.
    D. Red.