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Meine Einführung bei Goethe

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Textdaten
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Autor: August Abraham Schmeißer
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Titel: Meine Einführung bei Goethe
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 11–15
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Meine Einführung bei Goethe.[1]

Wer hätte nicht, namentlich wenn er sich den Wissenschaften widmete, in seiner Jugend eine Zeit gehabt, in der die Einbildungskraft ihn so lebhaft bewegte, daß er Verse machen oder, wie er meinte, dichten mußte! Auch bei mir trat mit dem sechszehnten, siebenzehnten Lebensjahre jene Fluth lebendiger Phantasie ein und mit ihr der Drang, Verse zu machen, überschwängliche Geschichten zu gestalten; diese Bewegung aber wurde noch verstärkt durch den Druck der trockenen, kalten Einseitigkeit eines alten Lehrers. Dieser alte Herr, der Director des Gymnasiums zu Rudolstadt, welcher in unserer Classe den meisten Unterricht gab, trug uns z. B. die Oden des Horaz und die Reden des Cicero so steif, kleinlich, kritisch vor, daß ich den Cicero für den fatalsten Schwätzer, Horaz für einen widerlichen Poeten hielt und mich erst namentlich mit Horaz aussöhnte, als ich für mich seine „ars poëtica“ (Dichtkunst) und dann seine Episteln gelesen hatte, erstere um durch dieselbe in die Dichtkunst eingeweiht zu werden, da ich kein anderes Hülfsmittel hatte, und Horaz doch vielleicht theoretisch tüchtig sein konnte.

So in mir bewegt und von außen niedergehalten, warf ich mich in freien und leider selbst nicht freien Stunden brutwarm auf die Dichterei. Ja, ich wagte mich sogar an ein Trauerspiel, „Die Gräfin von Orlamünde“, also jene Kindesmörderin, welche noch bis in unser Jahrhundert als weiße Frau selbst im Königsschlosse zu Berlin gar unheimlich angeklopft haben soll. Jugendlich enthusiastische Freunde fanden mein Opus, hingerissen von einigen schauerlichen Kraftstellen, außerordentlich gelungen. Obgleich mir selbst das Werk nicht ganz und abgeschlossen genug schien und überhaupt ein Etwas daran fehlte, ließ ich mich doch gar gern überzeugen, daß ich mit meinem geistigen Sprößlinge wohl hervortreten könnte. Goethe war – gelegentlich meiner den Lesern schon früher erzählten Begegnung mit ihm im Parke zu Großkochberg – freundlich gegen mich gewesen; er hatte mich gewürdigt, [12] mir wegen meines Studiums seinen Rath zu geben; er war der competenteste Richter – durch Frau Stallmeister von Stein in Weimar konnte ich ja wohl Zutritt zu Goethe erlangen. Dies erwog ich; die Erwägung zog mich an, ja faßte mich so ruhelos, daß ich beschloß, Goethe’s Urtheil über meinen dramatischen Versuch zu suchen. Die Michaelisferien kamen; aber ich hörte, daß Goethe nicht in Weimar sei. Es waren schöne Herbsttage, aber mich trieb es ruhelos umher. Endlich führten mich die Weihnachtsferien heim. Der Winter war wirklich nach Claudius „ein harter Mann“ geworden. Frost, tiefer Schnee [13] und scharfe Winde gingen über die öde Flur. Mich aber trieb eine quälende Unruhe: nach Weimar, zu Goethe! Ich erfuhr, daß Goethe und Frau Stallmeister von Stein in Weimar wären. Endlich gab mein Vater meinen dringenden Bitten nach, indem er meiner sorgenvollen Mutter zurief: „Laß ihn ziehen! Er will curirt sein.“

Mein möglichst sauber abgeschriebenes Drama wohl eingehüllt in der Tasche, ein Radmäntelchen, wie man sie damals trug, über den Schultern, einen mächtigen Stab in der Hand, so zog ich am frühen Morgen aus gen Weimar. Fast fünf Stunden weit war mein Weg, die ersten drei Stunden größtentheils ein [14] selten betretener Fußweg einen steilen Berg hinan auf eine Hochebene. Der scharfe Wind, der von Osten her mir seitwärts entgegenpfiff, hatte fast jede Bahn verweht. Selbst die Raben, welche nach den Dörfern zogen, schienen schwerfällig, wintermatt. Aber mich trieb ein mächtiger Drang.

Endlich zog ich todtmüde und feucht von der anstrengenden Wanderung im ersehnten Weimar ein. Mir schien eine Glorie über der Stadt Goethe’s, Schiller’s, Herder’s zu schweben. Es kam mir eigentlich als Profanation vor, daß im Gasthofe zu Weimar, dem „Schwane“, die Leute „Schweinsknöchelchen“ aßen.

So wandermatt ich mich auch fühlte, am Nachmittage machte ich, so weit dies geschehen konnte, Toilette und begab mich zur Frau Stallmeister von Stein. Wahrhaft mütterlich und gar sorglich nahm die edle Frau mich auf. Als ich ihr meine Bitte vorgetragen hatte, mich bei Goethe einzuführen, da ich demselben einen kleinen poetischen Versuch vorlegen wollte, suchte sie in ihrer milden Weise mir so schonend als möglich begreiflich zu machen, daß Goethe so sehr von jungen Dichtern und dichtenden Jungen – letzteres sind aber nicht die eigenen Worte der Frau von Stein – bestürmt würde, ja, daß er geradezu einen Widerwillen gegen solche Anträge hätte; dazu beschäftigte er sich gerade ich weiß nicht mehr mit welchem Buche der Naturlehre, welches ihn besonders fessele. – Die gute Dame, welche die entsetzliche Wirkung ihrer doch so schonend ausgesprochenen Bemerkung auf mich erkennen mochte, ging auf und nieder, stillsinnend, suchte unter aufgeschichteten Literalien und richtete sich dann schnell auf mit den Worten. „Das Entrée habe ich, versuchen wir’s morgen. – Kommen Sie um elf Uhr zu mir; das Weitere befehlen Sie Gott!“ Nachdem sie mich noch auf einige Merkwürdigkeiten Weimars aufmerksam gemacht hatte, empfahl ich mich.

Meinem Gasthofe nahe stand das Goethe’sche Haus und von meinem Fenster aus konnte ich es sehen. Mit welcher tiefen Bewegung schaute ich hinüber nach diesem Hause!

Die verhängnißvolle Stunde des nächsten Tages kam. Ich fand Frau von Stein schon bereit. In liebenswürdiger Milde suchte sie mich nochmals vorzubereiten auf eine mögliche Abweisung meines Gesuches an Goethe. – Merkwürdig! Heute schlugen mich diese Bemerkungen nicht nieder. Ein wunderbares Vertrauen erfüllte meine Ueberzeugung. Ich folgte meiner Führerin mit Ruhe.

Frau von Stein mußte sich schon angemeldet haben; denn ein Diener im Goethe’schen Hause bat, ihm zu folgen, eilte voraus, und öffnete, als wir ihm eine Treppe hoch gefolgt waren, eine Thür. Wir traten in ein größeres Zimmer ein. Bald kam aus einem Nebenzimmer, in dem, wie ich durch die offene Thür bemerke, ein jüngerer Herr schreibend an einem Tische saß, Goethe. Er gab mit verbindlichen Worten Frau von Stein die Hand, und führte sie zu einem Sopha. Frau von Stein überreichte ihm eine Broschüre, deren Titel Goethe offenbar mit Interesse las, und dann, als die edle Dame ihm zugerufen hatte: „Verzeihen Sie, da bringe ich dem Meister einen jungen Lehrling, der des Meisters bedarf,“ – wendete sich Goethe zu mir, sah mich mit scharfem Auge, anfangs sehr ernst an, dann aber rief er: „Ach! der Freund unseres Fritz Stein, der trotzig demüthige junge Theolog“[2], gab mir die Hand und sagte. „Du treibst auch Poesie?“ Ich überreichte ihm schüchtern mein Opus, und bat, er möge mir sein Urtheil über meinen Versuch geben. Da ein Theil meiner Zukunft davon abhänge, hätte ich gewagt, um das sichere Urtheil des ersten Meisters recht von Herzen zu bitten. Goethe nahm mein Werkchen, sah den Titel an, und sprach, mit wohlwollendem Auge auf mich blickend: „Du hast hoch, zu hoch hinaufgegriffen. Das wahre Drama ist die reifste Frucht des Dichters. Ehe ich noch eine Zeile gelesen habe, muß ich sagen: Du hast mir ein Schmerzenskind gegeben. – Aber ich werde es lesen, und Du sollst ein, wenn auch allgemeines, doch offenes Urtheil für Dein Vertrauen erhalten.“ Er legte meinen Versuch auf ein kleines Tischchen und wendete sich zu Frau von Stein, welche ihn freundlich, ich darf wohl sagen dankbar ansah: „Sie sehen, gnädige Frau, daß ich Ihres Schützlings Werkchen nicht in den Fluth-Korb gethan.“

Beide sprachen dann über die schon erwähnte Broschüre, während ich die herrlichen Gemälde betrachtete, die in dem Salon Goethe’s hingen. Endlich wendete sich Goethe wieder zu mir: „Laß Dich auch durch ein unerwartet ungünstiges Urtheil, das Du empfangen könntest, nicht abhalten, in guten Stunden Dich in kleinen Dichtungen zu versuchen; denn das fördert auch für den Beruf, den Du gewählt hast. Aber laß Dich einzelne Situationen, bewegende Erlebnisse bestimmen, kleine recht einfache Dichtungen zu schreiben. Mit Gelegenheitsgedichten muß man anfangen. Die Jugend ist meist sentimental; hüte Dich vor sentimentaler Ueberschwänglichkeit, aber auch vor den armen Personen der alten Mythologie, die von unseren sogenannten Dichtern abscheulich gemißhandelt werden. Meint solch ein armer Reimer, wenn er nur von Selene, Daphne und den Anderen etwas reimt, oder Philomela flöten läßt, da sei ein Gedicht fertig. Aus unserem Sinne und Leben, Denken und Fühlen heraus müssen wir den Stoff und die Form nehmen. Lies fleißig in Luther’s Bibel. Daraus kannst Du deutsch lernen. Es thut sehr noth, daß man wieder deutsch schreiben lernt.“

Ein Diener trat ein und meldete. „Herr Major von Knebel!“ – und ein Herr in Civilkleidung, von mittlerer Statur, ziemlich lebhaft, trat ein. Aus dem milden, lieben Gesichte desselben leuchteten ein Paar freundlich klare Augen. Ungesucht, und doch fein verbindlich, grüßte er Frau von Stein, herzlich und bekannt dann Goethe. Der bejahrte Dichter Knebel war geistig noch gar frisch. Er scherzte so leicht und liebenswürdig, als er mittheilte, er müsse einmal doppelzüngig erscheinen, da er eigentlich mit Vielen, namentlich Damen, wünsche, den lieben Goethe aus dem Banne seiner Retorten und Säuren zu befreien und der heiligen Poesie wiederzugeben und doch jetzt im Auftrage des Professor Döbereiner, der sich Goethe devotest empfehlen lasse, bitten müsse, daß Goethe recht bald nach Jena kommen möge, da Döbereiner interessante Entdeckungen gemacht habe, die er nur in seinem Laboratorium produciren könne. „Ah, Döbereiner,“ rief Goethe, „der ist eine Perle unserer Universität! – Nach Jena? – es ist gar kalt, besonders in längere Zeit nicht bewohnten Zimmern. Grüßen sie Döbereiner, und sagen Sie ihm, so sehr es mich zöge, zu ihm zu eilen, dürfte ich doch in diesem harten Winter nicht kommen.“ Frau von Stein wollte sich mit mir empfehlen; aber beide Herren hielten sie noch zurück, während mir Goethe eine Mappe mit ausgezeichneten Handzeichnungen zu unterhaltender Ansicht gab.

Als wir endlich schieden, reichte mir Goethe noch die Hand mit den Worten. „Also den Muth laß’ nicht sinken; aber mit einfachen, kleinen Dingen fange an, klar und zierlich gedacht, wahr empfunden und dann frisch ausgeführt!“

Beim Gange durch das Vorhaus im Erdgeschosse trat eine Dame aus einem Zimmer. Sie war ziemlich robust und hatte etwas Derbes. Sie und Frau von Stein gingen mit einem raschen Knicks adlig an einander vorüber. Später erfuhr ich, daß jene mir Unbekannte Frau von Goethe gewesen war.

Auf der Straße wendete sich meine Führerin zu mir: „Ich gratulire! – Sie haben ungewöhnliche Gnade gefunden. Vertrauen Sie weiter auf Gott!“

Dankbar schied ich von der so gütigen Frau, und eilte, noch an demselben Tage heimzukommen. Bis durch die Stadt Blankenhain war das Wetter ruhig, der Weg ziemlich gebahnt. Bald aber erhob sich der Wind immer heftiger und fegte den tiefen Schnee über den Weg. Noch ehe ich an den letzten Berg kam, der, mit Wachholderbüschen bewachsen, steil niederfällt, war die Nacht hereingebrochen. Von seitwärts trieben scharfe Windstöße flimmernde Schneewellen hoch an mir vorüber. Sie zogen wie weiße, vorgebeugte Wesen, oft riesengroß, gar abenteuerlich vor mir hin. Oft stand ich mitten in dem Schneestaube, der über mich stürzte und aus dem der Sturm schauerlich heulte und mich kalt umfaßte. So im Kampfe mit Wind und Schnee ohne Weg, hatte ich die Richtung verloren, – auf einer kahlen Hochebene, über welche ich Tags vorher das erste Mal gegangen war. Ich blieb stehen und suchte nach einem Wegzeichen. Der Wind war von Nord-Ost zu Ost gekommen, mein Weg ging nach Süd-Ost. Darnach wendete ich mich, und schritt fest, vorsichtig weiter. Aber der Bergabhang, an den ich doch endlich kommen mußte, wollte nicht kommen. So schritt ich, naß vom Schnee, müde vom bösen Wege, einsam in dunkler Nacht. Meine Glieder wurden schwer; Müdigkeit faßte mich.

Nur ein wenig ausruhen! dachte ich. Aber mir fiel ein, [15] wie leicht ich dann fest einschlafen würde, um nicht wieder zu erwachen. – Meine gute fromme Mutter fiel mir ein, und mit einem festen „Nein! – Vorwärts!“ schritt ich weiter. Endlich kam ich an einen Bergabhang; aber da war kein Weg – Steingeröll und Wachholderbüsche, über die ich stolperte. Da sprang etwas unter meinen Füßen aus einem Busche auf. „Wer da?“ Bis auf den heulenden Wind blieb Alles still. Es mußte ein armer Hase gewesen sein, der sich vor dem grauenhaften Wetter unter einen schützenden Busch geflüchtet hatte. Ja, wer wie so ein Hase sich jetzt unter einen schützenden Busch sicher ducken könnte! Der Weg ward sehr steil und führte in eine Schlucht. Eine Kiefer mit buschigen weiten Zweigen gewährte eine kurze Zuflucht zur Erholung. In der Schlucht durfte ich nicht bleiben; ich stieg links an der steilen Wand hinan und stand bald auf freier Höhe. Dunkel blieb es ringsum; nur die Schneedecke war hell; lautlos war die öde Weite, wenn der Wind schwieg. Aber was ist das? – Nichts! – Ja, doch! da flimmert’s wieder! Das ist Licht, ja, ein Licht, das von Zeit zu Zeit hervorleuchtet! Wo ein Licht ist, da sind wohl auch Menschen. Also vorwärts nach dem Lichte! – Das war jedoch ohne Weg, am steinigen Berge mit seinen stacheligen Büschen, nicht leicht. Aber mit der Hoffnung hatte mich neues Leben durchströmt. Ich kam dem Lichte näher; es schien eine Laterne zu sein, die Jemand von Zeit zu Zeit vor dem Sturme verhüllte. Ich eilte und rief – da schien es zu stehen. Ich rief noch einmal und hörte ein ängstliches „Ach, daß Gott!“ und der Laternenträger ergriff die Flucht. Ich eilte nach. Es war eine Jagd mit großen Hindernissen; aber ich war doch der Schnellere. Noch wenige Schritte von dem Laternenträger hörte ich dessen Aechzen und Stöhnen und rief:

„Aber, guter Mann, warum reißt Ihr aus? Ich habe mich verirrt und suche den Weg.“

Da blieb der Mann stehen, lehnte sich auf seinen Stock und rief:

„Ach Gott! – ich – ich – kann – nicht mehr!“

„Aber, lieber Mann,“ entgegnete ich, „wollt Ihr denn einem armen verirrten Menschen in der Nacht nicht aus der Irre helfen?“

Da erfuhr ich denn freilich, daß in dieser Gegend der Weg gar nicht geheuer sei und daß meine unschuldige Person dem guten Manne eine entsetzliche Gespensterangst eingejagt hatte. Aber die Entdeckung meiner Harmlosigkeit hatte ihn so gefällig gegen mich gemacht, daß er mich auf dem sicheren Wege bis nahe an mein Vaterhaus begleitete.

Wie ich heim kam, kann der aufmerksame Leser sich wohl denken. Aber ich hatte ja daheim eine Mutter mit einem Herzen voll Mutterliebe. Das glich Alles aus. – Ich bin ein alter Mann geworden, aber könnte ich doch heute noch jener sorglichen Liebe danken!

Nach ungefähr einem Vierteljahre erhielt ich mein Manuscript mit folgendem Briefe Goethe’s zurück:

„Weimar, den 14. April 1818.

Das hier zurückfolgende Trauerspiel ist nach seinem Gegenstande ein glücklicher Griff, er ist tieftragisch. Die Sprache ist natürlich, frisch, die Verse marschiren leidlich; – aber damit bin ich am Ende des Lobes. Die Charaktere stehen zu schroff sich gegenüber. Die Kenntniß des Menschen, daher die feineren Züge und Nüancen der Charaktere fehlen. Das Motiviren durch den Eingriff tragischer Momente im Leben muß diese noch hervorheben. Der Dialog muß sinniger, der Monolog objectiver dargestellt, der ganze Plan, umsichtiger angelegt, sich leise, unerwartet entwickeln.

Lege das Stück auf Jahre zur Seite und wage nicht so Großes. Mit kleinen Darstellungen freundlicher oder wehmüthiger Situationen, womöglich des Selbsterlebten, muß man beginnen, das Erwählte tief und ganz empfinden, dann wahr, sinnig und frisch darstellen.

Mit den besten Wünschen

Goethe.“

Dieser Brief des Altmeisters von Weimar möge meine diesmaligen Mittheilungen aus alter Zeit abschließen.

A. Schmeißer.

  1. Vergleiche Nr. 30 des vorigen Jahrgangs.
  2. Jedenfalls in Bezug auf meine Antwort im Parke zu Großlochberg: „Ich weiß, vor wem ich stehe.“ Goethe spielte noch später darauf an.