Melpomene/Band 1/047 Bei dem Grabe einer Frau, bei deren letzten Zügen der mit Menschen angefüllte Kammerladen brach

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aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 176–178
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47. Bei dem Grabe einer Frau, bei deren letzten Zügen der mit Menschen angefüllte Kammerladen brach

Melod IV.

1. Noch zittern wir und beben
An diesem Grabesrand;
Denn auch nach unserm Leben
Griff schon des Todes Hand.

2. Wir standen an der Seite
Der armen Sterbenden;
Da kamen viele Leute,
Um sterben sie zu sehn.

3. Auf einmal hört man krachen,
Und sieh: der Boden brach
Und sank, und alle Sachen
Und Menschen stürtzten nach.

4. Das Weib in letzten Zügen,
Fuhr eingeballt hinab,
Und blieb im Schutte liegen,
Und fand darin ihr Grab.

5. Man denke sich den Jammer,
Das Schreien, Weh und Ach!
Als so in dieser Kammer
Mit uns der Boden brach.
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6. Die Durchzugbalken bogen
Sich ein, nicht stark genug,
Und ihnen war entzogen
Der Balken, der sie trug.

7. Sie glitschen an der Seite
Der Stubenwand herab;
So stürtzten alle Leute
In untern Stock hinab.

8. Sie sahen wie Gespenster
Vor Angst und Schrecken aus,
Und krochen bei dem Fenster
Des Stubenecks hinaus.

9. Man konnte leicht erwarten:
Sie brächen Arm und Bein,
Und schlügen an dem harten
Gebälk die Schedel ein.

10. Doch Dank der Vorsicht Gottes:
Man zog aus Schutt und Graus,
Und aus dem Arm des Todes
Uns alle wohl heraus.

11. Nur diesem armen Weibe
Ward noch ihr letzter Hauch,
Mit eingeballtem Leibe,
Erstickt in Schutt und Rauch.

12. So schweben wir beständig
In tödtlicher Gefahr,
So stellt sich uns lebendig
Die Lehre Jesu dar:
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13. Drum wacht und bethe Jeder
Bei jedem Glockenschlag;
Denn seht: ihr wisset weder
Die Stunde, noch den Tag.

14. Ja haltet euch durch bethen
Und Tugend stets gefaßt,
Dieß wird die Seele retten,
Wenn ihr im Tod erblasst.

15. Denn mag zusamen brechen
Der Bau der ganzen Welt,
Wir können furchtlos sprechen:
Gott ist es, der uns hält.