Melpomene/Band 1/048 Bei dem Grabe eines alten Mütterchen

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aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 178–179
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[178]

48. Bei dem Grabe eines alten Mütterchen.

Melod IV.

1. Hier schlummert in der Bahre
Ein altes Mütterchen,
Das fünf und achtzig Jahre
Den Sonnlauf gesehn.

2. Nun aber ist verschwunden
Ihr langer Lebenslauf;
Denn in des Lebens Stunden
Geht auch die letzte auf.

3. Mit jedem Tage kommen
Dem Tode näher wir;
[179] Die Bösen wie die Frommen,
Sie müßen fort von hier.

4. Was wären hundert Jahre,
Wenn sie verschwunden sind?
Der Greis gleicht in der Bahre
Dem todtgebornen Kind.

5. Was nützt ein hoches Alter,
Wenn schlecht das Leben ist?
Wir sind ja nur Verwalter
Von unsrer Lebensfrist.

6. Wir müssen von dem Leben,
Und aller seiner Kraft,
Dem strengen Richter geben
Genaue Rechenschaft.

7. Nur, wer sich rein von Sünden,
Und an die Tugend hält,
Wird einstens Gnade finden,
Wenn ihn der Tod befällt.

8. So sorgte unsre Schwester
Stets für ihr Seelenheil,
Und Tugend war ihr beßter,
Und auserwählter Theil.

9. In allen ihren Leiden,
In Armuth, Kreutz und Noth,
Vertraute sie mit Freuden
Und Seelenruh auf Gott.

10. Daher war auch ihr Leben
Ein steter Tugendlauf,
Und Gottes Engel heben
Zum Himmel sie hinauf.