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Michel Angelo

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Conrad Ferdinand Meyer
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Titel: Michel Angelo
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 298
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von H. Haessel
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
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[298]
Michel Angelo.


In der Sistine dämmerhohem Raum,
Das Bibelbuch in seiner nerv’gen Hand,
Sitzt Michel Angelo in wachem Traum,
Umhellt von einer kleinen Ampel Brand.

5
Laut spricht hinein er in die Mitternacht,

Als lauscht’ ein Gast ihm gegenüber hier,
Bald wie mit einer allgewalt’gen Macht,
Bald wieder wie mit Seinesgleichen schier:

„Umfaßt, umgrenzt hab’ ich Dich, ewig Sein,

10
Mit meinen großen Linien fünfmal dort!

Ich hüllte Dich in lichte Mäntel ein
Und gab dir Leib, wie dieses Bibelwort.

Mit wehn’den Haaren stürmst Du feurig wild
Von Sonnen immer neuen Sonnen zu,

15
Für Deinen Menschen bist in meinem Bild

Entgegenschwebend und barmherzig Du!

So schuf ich Dich mit meiner nicht’gen Kraft:
Damit ich nicht der größre Künstler sei,
Schaff mich – ich bin ein Knecht der Leidenschaft –

20
Nach Deinem Bilde schaff mich rein und frei!


Den ersten Menschen formtest Du aus Thon,
Ich werde schon von härterm Stoffe sein,
Da, Meister, brauchst Du deinen Hammer schon,
Bildhauer Gott, schlag zu! Ich bin der Stein.