O forsche nicht!
Ein kleiner Friedhof! An der Mauer
Stand Kreuz und Denkmal groß und klein,
Dazwischen auch ein altersgrauer,
Bemooster, helmgezierter Stein.
Das Moos vom grauen Stein ich fort,
Und als ich lange schon gegraben,
Las endlich ich das ernste Wort.
„O forsche nicht!“
Ein Frevel schien mir, was ich that;
Wehmütig ward es mir zu Sinne;
Der unbekannte Todte bat:
„O lasse ruhn mich müden Recken,
Und wolle nicht aus Neugier wecken,
Was mit mir hier begraben liegt –
O forsche nicht!
Was kann’s Dir Nachgebornem frommen,
Wann ich in diese Welt gekommen
Und wann ich wieder von ihr schied?
Ob ich für Ehr’ und Pflicht gestritten,
Ob Treu’ und Eid ich brach entzwei,
Was kümmert’s Dich – es ist vorbei.
O forsche nicht!“
Seither vergingen Jahr’ und Stunden,
Ohn’ daß ich ihn vergessen kann,
In Böhmen einst im grünen Tann.
Und treff’ ich auf ein Menschenwesen,
Dem schwere Zeit grub Runen ein,
Denk’ ich des Worts, das ich gelesen
„O forsche nicht!“