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Pentheus (Meyer)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Conrad Ferdinand Meyer
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Titel: Pentheus
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 186-187.
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von H. Haessel
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
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Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
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[186]

Pentheus.[WS 1]

Sie schreitet in bacchisch bevölkertem Raum
Mit wehenden Haaren ein glühender Traum,
 Von Faunen umhüpft,
Um die Hüfte den Gürtel der Natter geknüpft.

5
Melodisch gewiegt und von Eppich umlaubt,

Ein flüsterndes rücklings geworfenes Haupt –
 „Ich opfre mich Dir.
Verzehre, Lyaeus, was menschlich in mir!“

„Agave![WS 2]“ ruft’s und der bacchische Schwarm

10
Zerstiebt und der Vater ergreift sie am Arm.

 „Weg, trunken Gesind!
Erwach und erröthe, verlorenes Kind!

Du dienst einem Gaukler!“ Im Schutz des Gewands
Verhüllt er den Busen, entreißt ihr den Kranz –

15
 Wild hebt sie den Stab.

Sie schlug! Aufstöhnt der das Leben ihr gab.

„Ich glaube den Gott! Ich empfinde die Macht!
Ich strafe den Frevler der Götter verlacht!
 Wer bist du, Gesicht?

20
Ich bin die Bacchantin! Ich kenne dich nicht!“


Er betrachtet sein Kind. Er erstaunt. Er erblaßt.
Er entspringt, von entsetzlichem Grauen erfaßt.
 Er flieht im Gefild,
Ein rennender Läufer, ein hastendes Wild.

[187]
25
„Herbei, alle Schwestern! Mänaden[WS 3], herbei!“

Erhebt sie den Weidruf, das helle Geschrei:
 „Zur Jagd! Zur Jagd!“
– „Wir folgend dir, blonde, begeisterte Magd!“

Sie jagen den König, Agave voraus,

30
Er springt in den Strom und erneuert den Lauf

 Am andern Gestad,
Sie stürzt sich mit jubelnden Sprüngen ins Bad.

Aufspritzen die Wasser. Er wirbelt den Staub
Mit bebenden Füßen. Sie hetzen den Raub –

35
 Was dämmert empor?

Ein Felsengestein ohne Pfad, ohne Thor.

Die Sonne versank und die Wolke verglimmt.
Er eilt und er schwankt und er keucht und er klimmt –
 Am Fuße der Wand

40
Erreicht ihn die rasende mordende Hand.


Am Grate des Berges verfärbt sich die Glut,
Im Schatten des Berges verströmt sich das Blut,
 Nacht schwebt heran
Und erschrickt und verhüllt was Agave gethan.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Pentheus, Sagengestalt in der griechischen Mythologie
  2. Agaue oder Agave, Sagengestalt in der griechischen Mythologie
  3. Mänaden, Begleiter des Dionysos