Pomologische Monatshefte:1. Band:5. Heft:Pfirsich-Kultur im Botzener Kreis
Die schönen geschmackvollen Früchte sind es, welche im Herbste so viele Freunde in unsere Gegend locken, und unter allen Früchten, selbst die edle Traube nicht ausgenommen, weil diese auch anderwärts von derselben Güte und wohl in noch besseren edleren Sorten getroffen wird, bestechen die zu 100 stehenden Obstkörbe mit Pfirsichen auf unserem Obstplatze die Fremden am meisten, und wenn gleich unser Winterobst bis zum nördlichen Deutschland einen Ruf erlangt hat, so verdienen unsere schönen und geschmackvollen Pfirsiche den entschiedensten Vorrang; leider halten sie den langen Transport nicht aus, müssen vor dem völligen Reifegrade vom Baume gepflückt und versendet werden, daher man außer dem nächsten Rayon unserer Gegend sich kein richtiges Urtheil über den Geschmack, Feinheit und Schönheit unserer Pfirsische bilden kann. Bei dieser Masse von Pfirsichen, welche von Ende Juli angefangen, bis zu den letzten Oktobertagen täglich den Obstplatz besetzen und den täglichen Versendungen an die Nachbarsorte, müßte Jedermann auf die Meinung geleitet werden, daß die Kultur des Baumes hier auf das sorgfältigste ausgebeutet, von unsern Bauern wie in Montreuil kunstgemäß und mit einem Fleiße betrieben werde, wie dort, wo der Pfirsichbaum die beste, für viele Gärtner die einzige, Obstkultur bildet. Wenn unsere Pfirsiche mit jenen von Montreuil die Konkurrenz aushalten, so ist der Weg, den die Mutter Natur zur Erzielung derselben Früchte einschlägt, ein ganz verschiedener. Dort ist es die Kunst, die eigenen Mauern und Spaliere, der kunstgerechte Schnitt, die mühsame Wartung, der Schutz vor dem Winterfrost, die fleißige Düngung, der vom Frühjahr bis zur Reife fortgesetzte Fleiß und hier die liebe Natur allein, welche ohne menschliche Nachhülfe die prächtigsten Früchte erzeugt.
Unsere Pfirsiche theilen sich in zwei Hauptklassen, jene, die sich vom Steine lösen, hier „Muskateller“, und solche, die sich nicht vom Steine lösen, hier „Nager“ genannt.
Die Fremden, von anderwärts mehr an solche, die sich vom Steine lösen, gewöhnt, da z. B. in Wien und Unterösterreich nur solche gezogen werden, finden mehr Geschmack an diesen; denn diese Muskatellerpfirsiche sind weicher, lösen sich bequem vom Stein, meistens zieht sich die dünne feine Haut von selbst vom Fleisch und sie sind ungemein saftvoll. Allein den Transport halten sie gar nicht aus, denn bis zum völligen Reifegrade bleiben sie hart und saftlos, [182] und so vom Baum genommen, erhalten sie durch das Ablagern nie jenen Saft und jenes Arom, welches sie bei voller Reife zeigen, sondern sie werden mehlig.
Der Nagerpfirsich wird größer, ist härter, wie der Muskatellerpfirsich, aber eben so saftreich und hat sogar entschieden mehr Aroma und sättigt mehr. Das Fleisch desselben ist weiß, gegen den Stein hin fleischroth. Diese Pfirsiche sind zum Versenden geeigneter, und daher für den Besitzer werthvoller; sie lassen sich einige Tage aufbehalten, gewinnen dadurch mehr im Saft, und werden nie wie die Muskatellerpfirsiche durch Liegen mehlig. Eine andere Eintheilung der Pfirsiche ist nach der Reifezeit in frühe und späte. – Die frühesten sind stets Muskateller, um Magdalena (am 22. Juli) kommen die ersten zum Verkaufe, die Nager bis Anfangs August; – von letzterer Gattung gibt es hier eine größere Anzahl Bäume als vom Muskatellerpfirsich, und die spätesten, welche erst die letzten Oktobertage zu Markte kommen, sind blos Nager.
Nach der Farbe des Fleisches haben wir noch gelbe, sogenannte Quitten-Pfirsiche, und zwar in beiden Sorten, als Nager und Muskateller, – und endlich Nußpfirsiche oder nackte; sie sind klein, kaum größer als die welschen Nüsse, karmoisinroth und grünlich, haben eine glänzende geglättete feine Schale, sind weniger gesucht und daher selten gepflanzt.
Wir kennen keine andere Abarten, und haben für die kleinen Unterscheidungen an Farbe, Größe, und mehr oder minder gewürzhaften Geschmack keine Namen. – Der Name Nager und Muskateller ist hier allein bekannt, obschon der Unterscheidungszeichen zwischen einer und der anderen Varietät mehrere sind als bei vielen Apfelsorten. Es wäre auch durchaus nicht praktisch, hier zu Land ein System der Pfirsiche aufzustellen und spezielle Namen zu ersinnen, denn bei keiner Früchtegattung gefällt sich die Natur so sehr im Wechsel ihrer Bildungen als bei den Pfirsichen. An einem und demselben Baume gibt es so mannigfaltige Schattirungen, so herrliche Kolorite vom hellsten bis zum dunkelsten Roth, daneben blasse und grünlichte je nach der Lage der Frucht, daß ein Theoretiker, dem man die Früchte eines Baums in einem Korbe brächte, in die Versuchung geführt würde, mehrere verschiedene Sorten zu machen. Am verschiedensten ist der Geschmack, und diesen bedingt die Lage, der Boden und die Erdart. Unser Etschland bei Botzen, kaum 1½ Stunden breit, von drei Flüssen, der Talfer, Eisek und Etsch durchschnitten, liefert eine mannigfaltige Auswahl der schönsten Pfirsiche, deren Verschiedenheit in der Verschiedenheit des Bodens, durch die früheren Anschwemmungen der Bäche erzeugt, ihren Grund haben dürfte, denn die Wärme kann durchaus keinen solchen Unterschied begründen. Die im Bewässerungsbereiche der Talfer in Gries gewachsenen Früchte sind viel aromatischer, schöner gefärbt, und geschätzter, als jene an den Ufern der Eisak, und so freudig auch der Pfirsichbaum in dem feinsandigen Boden der Etsch heranwächst, je näher wir den italienischen Gauen kommen, desto rauher, blässer, haariger, wird die Frucht. Würden drei ganz gleiche Bäumchen von derselben Gattung in diese verschiedenen nur eine Stunde entfernten Gründe gesetzt, Niemand würde ahnen, daß die Früchte zu einer Sorte gehören.
Nach dieser Erfahrung wäre es verlorene Mühe, die so verschiedensten Spielarten, wie sie hier von Spanne zu Spanne [183] Erde wechselnd vorkommen, in ein System zu bringen.
So viel von der Frucht. – Nun zur Kultur der Bäume. Eigene Gärten oder Anlagen von Pfirsichplantagen haben wir nirgends, dagegen stehen die Bäume sehr häufig in unsern Weingärten. – Rechts und links einen Meter (3½′) von den in regelmäßigen Reihen gepflanzten Rebstöcken wird die Erde alle Jahre 2 bis 3 Mal umgearbeitet, gelockert und das Unkraut ausgereutet, wir nennen diese Erdstreifen Eisere, zwischen diesen ist ein schmaler Rasenfleck, dann kommen wieder 2 Eisere mit der Rebenpflanzung in der Mitte, und so ist die ganze Ebene eng mit Reben und schmalen Rasenstreifen bebaut.
In diesen Eiseren, neben den Reben, stehen die Pfirsichbäume; die Mehrzahl davon haben ihr Daseyn dem reinen Zufall zu verdanken. Man ißt die Frucht, und wirft die Steine weg, oder der Stein eines vermoderten Pfirsiches kömmt unter die Erde, dieser keimt das folgende Frühjahr, und das Bäumchen wächst oft ohne Wissen oder Zuthun des Eigenthümers üppig heran. Steht es zufällig an einer Stelle, die dem Eigenthümer taugt, läßt er es wachsen, sonst versetzt man das zarte Bäumchen oft im Mai noch mit dem daranhängenden Kern, oder das folgende Jahr. Im ersten Jahre erreicht das Bäumchen eine Höhe von 1½ Meter (5′) und treibt Zugäste nach allen Seiten, im zweiten Jahr erreicht es eine Höhe von 2 bis 3 Meter (7–10′), wird dicker als ein Finger, bildet die Krone und wuchert im guten Boden so kräftig, daß es im dritten Jahr sich mit Früchten füllt, und geschieht dies nicht, so kann man doch im vierten Jahre der Früchte gewiß seyn.
Wer mit den zufällig heranwachsenden Bäumchen keine Freude hat, weil man die Frucht nicht kannte, und von guten Früchten die Steine eigens aufbehält, um sie zu setzen, der gehört schon zu den fleißigsten Oekonomen. Man kann als Regel nehmen, wie der Pfirsich, dessen Stein man setzt, so die Früchte des jungen Baums.
Ein Veredeln der Pfirsiche kömmt selten hier vor; unter den 1000 und 1000 Bäumen sind wohl kaum 100, welche veredelt wurden. Diese Operation ist bei uns zu Land wahrlich überflüssig, und Niemand wird an Größe, Gestalt, Farbe oder Geschmack der Frucht entscheiden können, ob selbe aus dem Kern gewachsen sey, oder veredelt wurde. Die Veredlung der Pfirsiche geschieht auf das schlafende Aug, gegen die Mitte bis gegen Ende August; geschieht es früher, treibt das Auge leicht aus, und der krautige Trieb geht im Winter zurück. Diese Veredlung wird nur in speziellen Fällen angewendet, wenn dem Eigenthümer daran liegt, gerade diese oder jene frühe oder extra späte Sorte zu haben, zur Schönheit trägt die Veredlung wenig bei, und ebensowenig zur Erzielung eines bessern Geschmacks.
Außer diesem bedarf der Baum keiner Kultur oder Nachhülfe. Er strebt bald in die Höhe, die niedern Aeste werden immer mehr kahl, der Saft zieht sich nach den Spitzen, und die untern Zweige dorren von selber ab; je älter ein Pfirsichbaum, desto weit ausgedehnter und höher die Krone. Das Wachsthum überläßt man hier einzig der Natur, und das Abnehmen der Früchte oder das Schütteln des Baums, daß sie zu Boden fallen, ist die einzige Arbeit und Mühe; selten bekömmt ein Pfirsichbaum einen Pfahl, im zweiten Jahre ist dieser auch ohnedem stets überflüssig; von einem Beschneiden, oder Einkrazen der Augen von [184] einer gärtnerischen Behandlung, von einem Schutz vor Kälte, von einem Begießen oder Lockern des Bodens, von einer Düngung, von einem Ausbrechen des Laubes, um die Früchte besser der Sonne bloszustellen, von einem Ausbrechen der Früchte, um statt der Masse wenigere aber schönere zu erzielen, weiß man hier nichts. Als Spalier oder Zwergbaum taugt bei uns der Pfirsich nicht, es sind lauter Hochstämme, welche unserer Gegend zur Blüthezeit einen eigenen Reiz verleihen, da man, so weit das Auge trägt, nur die prachtvoll gerötheten Kronen der Pfirsiche sieht. Dieser Sorglosigkeit in der Kultur dürfte es aber zuzuschreiben seyn, daß der Baum nur wenig Jahre dauert. In 10 bis 12 Jahren stirbt er ab, oder er wird bis auf die obersten Spitzen so kahl, daß es ökonomischer ist, dem jungen Baum, der daneben wuchert, Platz zu machen, und den alten herauszuschlagen. Er verträgt sich mit der Rebe sehr gut, seine Wurzeln wuchern nicht weit herum, Schatten macht er sehr wenig, denn er bleibt ein stets leicht und zart verästelter Baum, auch saugt er wenig Dünger aus der Erde; frischen Dünger verträgt er nicht, denn, legt man den daneben stehenden Reben Dünger bei und läßt den Kranz, wo ein Pfirsichbaum steht, nicht unberührt, so läuft man Gefahr, daß er abdorre. Von mehreren Autoren wird gerathen, die Pfirsichbäume mehrmal zu versetzen, die Pfahlwurzel einzukürzen und drei oder vier Mal den Standort zu wechseln, man soll dadurch viel schönere Früchte bekommen; bei uns wäre es nicht anzurathen, denn in drei oder vier Jahren wird hier der Baum so stark, daß er das Versetzen nimmer verträgt und ausbleibt oder verkümmert.
Es soll aber nun meine Sorge seyn, einige Pfirsichbäume nach der Anweisung des von Herrn Jäger bearbeiteten französischen Werkes von J. A. Hardy zu behandeln, und über den Erfolg der hier sehr rasch zu erwarten steht, seiner Zeit zu berichten.