Proben aus Ferdinands Tagebuche

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Autor: Carl August Heinrich Zwicker
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Titel: Proben aus Ferdinands Tagebuche
Untertitel:
aus: Wünschelruthe - Ein Zeitblatt. Nr. 49, S. 193/194; Nr. 52 206/207; Zugabe Nr. 4 S. 223–226
Herausgeber: Heinrich Straube und Johann Peter von Hornthal
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht
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Erscheinungsort: Göttingen
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[193]
Proben aus Ferdinands Tagebuche.




I.
April 1812.

Sehn Sie Ferdinand, das ist, das kann ihre Ueberzeugung nicht sein! Vertheidigen Sie nicht sonst immer jede Eigenthümlichkeit, und nun wollen Sie gar die eigne liebe Individualität gleich und mit einem Male als verwerflich aufgeben. – Es gelingt Ihnen nicht, warten Sie nur, jetzt laß ich mir nicht Sand in die Augen streuen durch Ihre vollen vornehmen Worte. – Auch widersprochen haben sie sich überdies; ich halte Sie fest, hören Sie an. – Auguste wollte die Widerlegung anheben, da pochte es und sie wandte die hellen blauen Augen ab von Ferdinand nach der Thür. – Herein trat ein hagres Männchen im braunen Mäntelchen, die Pelzmütze oben mit spitzen Fingern angefaßt langsam von dem schneeweißen Haar abhebend, sprach es: einen schönen guten Abend! – Spitzbube rief ihm der grüne Papagei von Emmas Schulter entgegen und biß ärgerlich in die braunen Locken des Mädchens das, in reizender Stellung dem Vogel liebkosend, dem alten Bekannten vertraulich zunickte. – Ach! der Neunundneunziger rief der Amtmann; darauf: gardez la reine und indem er nun schneller als gewöhnlich vom Schachtisch sich erhob, zog er den Gürtel am gelbseidnen Schlafrock etwas an, rückte das grüne Sammtkäppchen ein wenig, und stellte seinem Gegner, Ernst, der nach Art der Studenten schon so früh im Jahr sich sommerlich gekleidet hatte, und in diesem Augenblicke sehr bedenklich drein sah, den braunen Mann vor. Herr Winter sagte er mit komischer Manierlichkeit, dann Ernst vorstellend: Herr Sommer – dort wird wohl der Frühling sein, meinte gegen die Jungfrauen gewandt der braune Mann, mit einem überaus feinen und lieblicheln Lächeln, das jugendlich grade wie ein Frühling über das gefurchte Antlitz schwebte – und hier, auf den Amtmann zeigend, der Herbst. Nun da hätten wir ja das ganze Jahr bei einander, erwiederte dieser sich gemächlich im Sessel niederlassend, und in einem Zimmer, es hält einmal friedlich zusammen denk ich, und wir wollen heute schwatzen und fröhlich sein für ein ganzes Jahr wie sich’s gebührt. Er winkte Augusten welche hinausging. Der runde, grünbedeckte Tisch wurde vor des Amtmanns Lehnstuhl gerollt, der hagre Mann warf den braunen Mantel ab und erschien, im kurzen etwas weiten braunen Rocke mit Stahlknöpfen; jetzt rückte und schob sich alles nah genug zusammen. – Während der Bediente Flaschen und grüne Kelchgläser herantrug, den drei Männern gestopfte Pfeifen reichte – Ferdinand raucht nicht – wurde das Nöthige Vorläufige über Wetter und dergleichen abgesprochen. Auguste kam zurück, ihr folgte die Magd mit dem Theegeräth, das siedende wohnlich singende Wasser wurde nicht gar fern gestellt – Auguste trug selbst das feine Porzellanservice herbei, sie bereitete den bräunlichen Trank und schob schöngemalte verschieden geformte Bechertassen ihrer Schwester und Ferdinand hin, der wegen Verschmähung des Weins und Tabacs mancherlei Spott von den Männern erdulden mußte. Aber, begann jetzt der Apotheker Bissing, das ist der braune Mann, haben Sie schon vernommen, daß Marie Möhneke von Frankenhagen gestern erschossen ist? – Niemand hatte davon gehört, man drang in ihn zu erzählen, vorzüglich erkundigten sich die Mädchen mitleidig, welche wie sie sagten, Maria vor einigen Jahren bei einem ländlichen Feste gesehen hatten, und denen [194] sie wegen ihres hübschen Aussehens ihrer Lebhaftigkeit, wegen der Zierlichkeit und Gewandheit womit sie sich im Tanz zubewegen wußte, aufgefallen war. – Es hat eine sonderbare Bewandniß mit diesem Trauerfall sagte Bissing, ich werde wohl, ein bischen weit ausholen müssen, verlieren Sie nur die Geduld nicht.

Die Marie ist, wie Sie meine Herrn noch nicht wissen, die achtzehnjährige Tochter des Heinrich Möhnecke, des reichsten Bauers in Frankenhagen. Ehemals hieß sie nur die wilde Marie, weil sie so ausgelassen war. Wo es zu singen, zu tanzen gab sah man sie voran. Die jungen Burschen rissen sich um sie, wegen ihrer Schönheit, mag seyn auch wegen ihres Geldes; die Frauen hatten sie gern in den Spinnstuben, denn sie erzählte lauter Gerichten die schön gingen, wie die Weiber zu sagen pflegen, und wußte immer lustige wackere Lieder anzugeben; dabei aber machte sie sich nicht eben viel aus aller Welt, beständig fröhlich in ihrem Sinn. Vor achtzehn Monathen ungefähr, gewinnt das Ding mit eins eine ganz veränderte Gestalt, das Mädchen wird still und trübsinnig, sie treibt ihr Wesen nur zu Haus träumerisch seufzend vor sich hin, kein Mensch weiß was ihr fehlt, man hört nur daß die rothe Liese ihr von Zeit zu Zeit allerlei Bücher aus der Leihbibliothek in der Stadt zutragen muß. Es hatte aber kurz vorher der Lieutnant Graf Balzac bei Möhnecke im Quartier gelegen; Sie kennen ja den liebeswürdigen Elsasser, ist er doch oft hier gewesen. Dieser hatte sich für das in ihrem Stande sehr ausgezeichnete hübsche Mädchen lebhaft interessirt und da er eine auffallende Empfänglichkeit bei ihr wahrnahm, sich viel mit ihr beschäftigt, auch sie zur Lectüre angeleitet. Nun ist es gewiß daß Balzac ein edler und wahrhaft schöner Mensch auf keinerlei Weise Arges oder Gefährliches mit dem Mädchen im Sinne hatte, aber ein übelverstandner verkehrter Bildungseifer trieb ihn in Mariens Gemüth Ideen anzuregen, die, in dem ihr vom Schicksal einmal angewiesene Kreise nothwendig verderblich werden mußten. Dieses müssen wir freilich tadlen, wir können nicht anders, allein es ist gewiß aus tausend Gründen zu verzeihen! das aber dürfen wir der Liebenswürdigkeit doch nicht als Verbrechen anrechnen, daß sie Liebe erweckt. Genug Marie liebte ihren freundlichen Lehrer. Es ist wahrlich ein Unglück zu nennen, daß Balzac so schnell hier aus der Gegend gerufen wurde, wahrscheinlich würde sich unter seiner Leitung der Ideenkreis des Mädchens gleichmäßig erweitert haben, wo sie dann mit einem gewissen Grade der Ausbildung, leichter die Ruhe in sich gefunden hätte. So aber verließ er sie in ihrem innern Wesen gewaltsam angeregt und gestört, ihre ganze Geistesthätigkeit richtete sich nach einer Seite mit gewohnter Heftigkeit einer Leidenschaft nachhängend, die doch immer eine hoffnungslose bleiben mußte. Sie hat an den Grafen geschrieben, ihm ihre Liebe entdeckt, er soll darauf geantwortet haben, doch sind diese Briefe sorgfältig von ihr verheimlicht. Hier also die Ursache ihrer Schwermuth; dieses Alles ist erklärbar; jetzt aber nimmt die Sache eine Wendung über die ich vergeblich in mir nach Aufschluß gesucht habe. Vor einem halben Jahre fängt das Mädchen an, dem Anton Meier dort drüben vom Mövenbrink, der ihr selbst während ihrer Traurigkeit nachgegangen war, sich auffallend günstig zu erweisen. Sie kommt oft mir ihm zusammen und ihre Aeltern die über die Bekümmerniß der einzigen Tochter fast in Verzweiflung waren, dir auch nichts gegen den bemittelten Anton als Schwiegersohn einzuwenden wissen, lassen sie gewähren. – Sie ist oft mit ihm allein umhergegangen, hat ihm viel vorgesprochen aus ihren Büchern, auch vorgelesen. – Ich werde mich erkundigen welcherlei Romane Marie gelesen hat, denn Romane waren es doch gewiß. – Indeß wird auch Anton, sonst ein frischer kecker Bursch sinnig und in sich gekehrt, gedrückt und gramvoll, schleicht er umher. – Denken Sie sich, gestern Mittag stürzt er todtenbleich, zitternd, heulend zum Amtmann Rudolphi ins Zimmer und vor ihm auf die Knie geworfen, schreit er händeringend, er habe die Marie eben in Möhnecken Scheure todtgeschossen. Nur mit Mühe hat man nach und nach[1]aus dem halbwahnsinnigen Menschen herausbringen können, daß das Mädchen ihn schon seit lange angegangen sei sich mit ihr das Leben zu nehmen, oft und mit unwiderstehlicher Beredsamkeit, so daß er, wenn auch wider Willen das Schießgewehr und das Pulver und das mördrische Blei habe ankaufen und herbeischaffen müssen. Heute in der Frühe bestelltermaßen zu ihr gekommen, habe sie ihm, in die Scheune geführt, eine Rede gehalten, wohl eine halbe Stunde lang, wie er sie noch von keinem Pastor vernommen. Die Seligkeit des Sterbens, die Wonne des ewigen Lebens, er habe Alles mit Augen gesehn, das Mädchen sei ihm wie eine Heilige, wie ein Engel erschienen. Grade wie die Begeistrung am höchsten gestiegen, habe sie geboten das Gewehr zu ergreifen und sie zuerst, dann sich zu erschießen. Sie selbst drückt sich die Mündung aufs Herz, das Gesicht abgewendet brennt er los, das Mädchen stürzt röchelnd zusammen. Sinnlos setzt er nun die andre Pistole in den Mund, er drückt ab; sie versagt, der Himmel hat ihn verworfen, sein Herz ist zerrissen, er vermag nicht einen zweiten Versuch zu unternehmen, den blutigen Jammer kann er nicht länger ansehn, die Pistole weggeschleudert stürzt er fort. Ein Näheres hat der Mensch der jetzt von dem heftigsten Fieber geschüttelt, in wilden Phantasieen liegt, noch nicht aussagen können.

Z.
[206]
II.
Septmbr. 1814.

Die Sonne sank schon schnell und schneller den Bergen zu, die Wolken wurden farbenbelebter und zogen in bedeutsamen Gestalten nach Westen, nun schienen sie sich dort zu versammeln, als wollten sie der scheidenden Göttin des Tags ein purpurnes goldumsäumtes Triumphthor aufbauen. Anguste und Emilie, auf die niedrige Mauer gelehnt, welche den Lindenplatz nach der Flußseite hin einfaßt, erfreuten sich an der Pracht des Himmels und sogen die Abendstrahlen von der duftigen Herbstluft gemildert und sanft aufgelöst, begierig ein. Die leidenden Augen zu schonen, saß Emma vom blendenden Glanz abgewendet, etwas zurück, wo die alte Linde gefällig einen starken Ast bis nahe zum Rasen herab beugt mitten im grünen Gezweig. Frei und bequem, wie sie vom Arm des Baums emporgehalten wurde, im knappen rothen Gewand, die braunen Loden los um den zarten Hals, um den weißen Nacken wallend, da sie sinnig das Köpfchen wiegte, wobey denn das Licht, das mit den Blättern spielte, einen röthlichen Schimmer neckend auf das halbbeschattete feine Gesicht warf, war sie gar anmuthig und fast feenhaft anzusehen. Nachlässig ruhte die Guitarre ihr im Arm; nur zuzeiten streifte das Mädchen mit leichten Fingern über die Saiten hin, als wolle sie das Instrument in Träumen stören, oder eigne Träume mit leisen traumhaft unbestimmten Klängen begleiten. – Ferdinand war über den weiten Hofraum dem Schloß zugegangen, das mit seinem runden Thurm, seinen mächtigen, halb verfallenen Mauern und dem breiten Burggraben, ihn immer neu und lebhaft an die tüchtige Ritterzeit mahnte, an die wunderbare Zeit der Abentheuer und des holden Frauendienstes; vor der steinernen Treppe deren ausgetretene Stiegen nicht in bester Ordnung vom Lindenplatz herabzuklimmen scheinen, hatte ihn etwas festgehalten, er wußte selbst nicht was es war, vielleicht die nur in der Luft bebenden Guitarrentöne; hinaufgeklettert, war er still herangeschlichen und lauschte unbemerkt ganz im Anblick der reizenden blassen Jungfrau versunken. Sie schien über etwas nachzusinnen, plötzlich griff sie bestimmter in die Saiten, und wehmütige Accorde flatterten ungern, als würden sie von der Sehnsucht gehalten, aus dem dunklen Laub. Emma sang mit weicher schmerzbewegter Stimme als klage sie den fliehenden Tönen nach:

     Im stillen Thale da drüben
Weint wohl ein verlassenes Kind,
Vom Leben, vom Lieben – Betrüben
Es ist ihr sonst nichts mehr geblieben,
Drum weinet das einsame Kind.

     Und sterben die Blätter, die Blüten
Und schweiget das Vöglein im Wald,
Der Früling wird Blüten ja bieten,
Fern wird er das Vöglein behüten
Bis weichet des Winters Gewalt.

     Ach einmal verloren, verklungen,
Kehrt nimmer die Liebe zurück.
Von Schmerzen im Herzen bezwungen
Von Leid nur umrungen, umschlungen,
Läßt Liebe uns weinend zurück.

Schon als Emma zu singen begann, hatte Auguste sich umsehend Ferdinand erblickt, dieser aber winkte und legte den Finger an die Lippen, daß die Sängerin nicht gestört werde – Die Worte des Gesanges waren ihm bekannt, Ernst hatte sie gedichtet, es war dies eins von den kleinen Liedern, womit er in einer schönen Zeit heitere Menschen an das tiefe lautlose Weh erinnerte, das unbeachtet in so mancher Brust schmerzlich und unaufhaltsam am besten Leben nagt und zehrt. Ach und jetzt! – waren diese Lieder nicht zu Ahnungen, waren sie nicht wirklich und lebendig geworden, und klagten sie nicht ihn selbst an? – Damals hatte Emma einigen bekannte einfache Melodien untergelegt, die Weise aber, welche Ferdinand jetzt hörte, mochte wohl nur eben erst aus der bewegten Brust hervorquellen.

Wie war es rührend, daß sie so sorglos die Sehnsucht, die Traurigkeit des Herzens den Tönen anvertraute, da sonst nie ein Wort, kaum ein Seufzer verrathen durfte, was sie litt.

Emma schwieg; Ferdinand grüßte sie freundlich. Wie geht es dem Kranken? rief sie ihm hastig zu. – Die schönste Hoffnung, erwiederte Ferdinand, das Fieber weicht, er nimmt wieder Theil an dem was um ihn vorgeht, Ihnen soll ich Alles Gute und Liebe sagen für Ihre freundliche Theilnahme und danken für die Erquickung – Wie schlimm daß er den Winter vor sich hat, meinte Auguste – Sein Sie unbesorgt, entgegnete [207] Ferdinand, grade vom Winter ist wohl das beste bey Bissings Natur zu erwarten, er drängt die Lebensgeister zusammen und erhöht und kräftigt sie – und dann die Kälte, Bissing war so lange in Rußland, sie ist sein Element. Die Fremde trat herzu – Unsre Freundin Emilie will uns einige Wochen ihre Gesellschaft schenken, sagte Auguste, ihr Vater hat sie uns zugeführt gleich wie Sie fort waren. Sie würden verzeihen, wendete sich Ferdinand gegen sie, daß die Sorge für Jemand der Ihnen unbekannt ist, mich in diesem Augenblick so ganz in Anspruch nahm, wenn Sie ihn kennten, den Kranken, der uns so werth ist – Ein wackerer, vielerfahrner, thätiger und ein herzlicher Mann, dem Schloß hier wie dem Städtchen unentbehrlich, in Freud und Leid ein willkommner Genosse, mitfühlend oder mittragend, immer gleich bereit und fähig zu Rath und That; wir alle sind ihm durch Neigung und Dankbarkeit vielfach verbunden – Und jetzt hatte ihn die Krankheit mit einer Heftigkeit ergriffen, daß bey seinem Alter viel, sehr viel zu fürchten war – Gottlob, es ist vorüber. Ich kenne ihn durch Dich, durch Deine Briefe, sagte Emilie Emmas Hand nehmend – O bringen Sie dem Vater diese frohe Nachricht, rief Auguste, wie wird er sich freuen. Doch wir gehen wohl miteinander hinein, denke ich, es wird kühl und das Gras wird feucht. – Man ging; vor der hohen Glasthür die unmittelbar vom Lindenplatze in den Saal führt, wandte Emilie sich noch einmal die Gegend zu überschauen, mit dem warmen braunen Auge blickte sie jetzt Ferdinand an und sagte auf den Fluß zeigend: auch ein Bild des Lebens. Sie eilte den Schwestern nach – Ferdinand sah hinab nach dem Flusse, der die alten Grundmauern des Schlosses anspült – Die blitzenden Lichter schossen auf den gekräuselten Wellen hin und her, hier und dort schnellte auch wohl ein Fisch sich empor und der Sonnenglanz spiegelte sich auf den feuchten Silberschuppen. Ein Nachen trieb daher, ruderlos, dem Zuge des Stroms folgend, geputzte Mädchen saßen darin heimkehrend von einem nahen Jahrmarktfeste, sie sangen, einige braune Burschen jauchzten dazwischen, die bunten Bänder um die breiten Hüte flatterten im Winde, sie schaukelten das Schiffchen und trieben ihr gefährliches Spiel so übermüthig, daß die geängsteten Dirnen hell aufkreischten; diesen nach schwamm ein beladner Kahn, der Schiffer stand vorn in dem Fahrzeug und sah den Fluß hinab und schmauchte ruhig zufrieden sein Pfeifchen, während der Bootsknecht am Steuer saß und ein Knabe knieend bey einem qualmenden Kohlenfeuer auf dem Hinterdeck beschäftigt war; er mochte wohl die spärliche Abendkost bereiten. – Drüben zogen viele Pferde an langen Seilen, und schleppten mühsam ein größeres Schiff im Fahrwasser stromaufwärts – fluchend und mit geschwungenen Peitschen trieben Bauern die müden Thiere an – auf dem Schiff war Alles still – das Geläut der Heerden erschallte – aber Ferdinand mußte zur Gesellschaft.

Z.
[223]
III.

Man muß Ihnen wohl mit Lust zuhören, wandte sich Ferdinand zu Auguste und Emilie, (welche im enthusiastischen Lobe des akademischen Lebens gewetteifert hatten), wenn Sie die Freiheit mit so edlem Feuer erheben und preisen; sie ist gewiß das einzige Element, in welchem Großes und Vortreffliches gedeihen kann. Allein Sie haben in schönem Irrthum die innere Freiheit als nothwendig aus der äußern Ungebundenheit hervorgehend angenommen, da diese doch nur jene hegen und fördern, nie aber allein erzeugen kann, wie man uns oft bereden möchte. – Was Sie uns nicht tiefsinnige Gedanken unterschieben können, rief Auguste aus, wir dachten nur und sagten nur, daß im Zusammenleben der edelsten Jünglinge, der Blüthe und der Hoffnung Deutschlands und was wir sonst noch an passenden und wohlklingenden Benennungen für Sie und Ihres Gleichen ersinnen konnten, nun, daß unter diesen die äußere Freiheit, wie Sie zu unterscheiden belieben, die erfreulichsten, ja wahrlich die herrlichen Erscheinungen hervorbringen müßte; nein, ich kann mir nichts köstlicheres, nichts wünschenswertheres denken, als eine solche Zeit, ein solches Leben. Ich möchte Ihnen so gern beistimmen, sprach Ferdinand, auch gebe ich in der That mit den schönsten Hoffnungen zurück, obgleich ich nur eben erst in einer eigentlichen, ummittelbar wirksamen Thätigkeit Geschmack an manchem verlieren mußte, das mich früher auf der Universität ansprach. – Darf ich Ihnen aber jetzt noch einige Schatten zu Ihrem lichten freundlichen Bilde geben? – Wir gehören also wohl der chinesischen Malerschule an, fragte Emilie lächelnd. – Gewiß nicht, antwortete Ferdinand, eher möchte ich Sie Geisterseherinnen nennen; Sie wissen, auch Geister sind schattenlos – Und farblos oder doch nebelfarb, wie man mich versichert hat, fiel Anguste ein. Nun, unsere begeisterte Schilderung hat nicht Gnade gefunden vor den Augen des Philosophen, wir müssen uns schon darüber beruhigen, aber geschwind geben Sie uns Ihre Schatten, nur lassen Sie es nicht wirkliche Flecken sein. – Es sind sogar Schattenrisse, sagte Ferdinand, hier in der Brieftasche verwahre ich sie; bevor ich sie zeige, muß ich nur erinnern, daß sie von einem Freunde herrühren, der scheidend von der Universität, wo ihn mancherlei ärgerliche Verhältnisse beengt und gequält hatten, seinen Widerwillen gegen das schaale, unedle Treiben der öffentlichen Gesellschaften, die ihm allein zugänglich waren, wie es ihm in böser Laune dort erschienen war, aussprechen und dann sich aus dem Sinn schlagen wollte. Er legte die Beschreibung eines Festes an, worin sich die Elemente der Gesellschaft, symbolisch angedeutet, bewegen und zeigen sollten. Alles Gute und Schöne, was sich doch natürlich in jedem Verein solcher Art, wenn auch nur als das seltenere findet, wurde geflissentlich ausgeschlossen. Mit Recht versprach ich Ihnen also Schatten, nichts als Schatten. Stellen Sie sich denn nun schnell einen weiten Saal vor, Tische darin mit brennenden Kerzen, hinten ein Büffet; der Wirth, die Aufwärter sind noch allein; jetzt dringen Studenten herein, Bürger folgen, nach und nach füllt sich der Raum mit Gästen aller Art, die sich schicklich gruppiren und beschäftigen: in der zweiten Szene dagegen öffnet sich der Tanzsaal, wo man schon alles in voller Bewegung sieht.

[224]

Erste Szene.
Der Wirth. Bursch und Bürger allzumal,
     Was in der Stadt nur hauset,
     Feiert heut in diesem Saal
     Den Sieg und trinkt und schmauset.
Die Auswärter. Langsam hier und langsam dort,
     Gerufen sind wir säumig.
     Zum spatziern ist dieser Ort
     Für uns genug geräumig.
Der Wirth. Heute dieser, morgen der,
     Was kümmern mich die Leute!
     Schlechte Waaren geb ich her,
     Ihr Geld ist gute Beute.
Studenten. Pfeifen und Taback und Bier
     Und Rheinwein her in Flaschen!
     Tummelt euch, sonst kommen wir
     Euch auf die Backentaschen.
Einer. Seid ihr verrückt mit eurem Bier,
     Aus allgemeinem Beutel?
     Wie wir hier sind, so saufen wir
     Champagner voll die Scheitel.
(zum Aufwärter). Was paßt er noch, der Mausekopf?
     Soll ich ihm Beine machen?
     Komm ich dir Tropf, erst an den Schopf
     Vergeht dir schon das Lachen.
Aufwärter. Ja wollten Eure Gnaden sich
     Nur deutlich expliciren,
     Was Sie befehlen will ich mich
     Dann gleich zu schaffen rühren.
Bürger. Habe früh mich hergemacht,
     Da kaum die Lichter blinken;
     Wie soll ich sonst auch diese Nacht
     Mein Theil heraus noch trinken.
Student. Ist der Blitzphilister doch
     Auch schon hergekrochen,
     Hat in seinem Rattenloch
     Wohlfeilheit gerochen.
Bürger. In den Winkel hinterm Tisch
     Muß ich mich bequemen,
     Das Völkchen möchte gar zu frisch
     Mich in die Mitte nehmen.
Student. Es will das alte Fell sich stumm
     Dort mit Malice drücken;
     Wir bringen es zu uns herum,
     Am Zeug ihm was zu flicken.
(zum Bürger.) Seid uns willkommen, edler Herr,
     An diesem schönen Feste.
     Nun kommt nur munter zu uns her,
     Es fließt hier Wein, der beste.
Ein Anderer. Ei nur heran, den dürren Gaum
     Mir Rebensaft zu laben,
     Und haben wir auch den Besten kaum,
     Euch woll’n wir dazu haben.
Der Bürger. Der Wein, den sie sich frech ertobt,
     Sollt’ das die Kehle kitzeln,
     Drum nur gewagt, nur dreist erprobt,
     Und mögen sie auch witzeln.
Der Wein. Wem noch die Adern jugendlich schwellen,
     Hält ihn die Freud’ umfaßt, küßt ihn der Scherz,
     Hier an den hellen goldigen Wellen,
     Freue sein Auge sich, lab’ er das Herz.
Chor der Studenten. Wie ’s diesen Gläsern hier ergeht,
     Wir schlagen sie zu Scherben,
     So mag die Philistrosität
     Auch heute noch verderben.
Blöder. Möcht’ ich auch wohl in jenem Kreis
     Mich letzen und ergötzen,
     In solcher Stimmung, wie ich weiß,
     Kann’s leichtlich Händel setzen.
Entrepreneur. Wie ungebührlich machen sich
     Die unverschämten Knaben!
     Doch wart, Ihr sollet sicherlich
     Nicht Krum’, nicht Tropfen haben.
Student. Müssen dort dem Sauertopf
     Um den Bart wohl streichen,
     Fährt es ihm sonst durch den Kopf,
     Läßt er uns nichts reichen.
(zum Entrepeneur). Herr Hauptmann, herrlich haben Sie
     Doch alles arrangiret,
     An Ort und Art, an Wo und Wie
     Man gleich den Meister spüret.
Anderer. Sie werden die Erlaubniß mir
     Doch grausam nicht versagen,
     Mit Ihrer Frau Gemahlin hier
     Den ersten Tanz zu wagen?
Entrepreneur. He! hier heran! nur hergebracht
     Vollauf von allen Sorten;
     Was diesen Herren Freude macht,
     An Speisen, Wein und Torten.
Student. Seht, ich versteh’s dem Kaufmannsstock
     Das Herz im Leib zu rühren,
     Zu gern läßt er im Landsturmrock
     Sich Hauptmann tituliren.
Junger Doktor. Wie können doch die Kerle nur
     Sich so brutal betragen,
     Von Anstand sieht man nicht die Spur,
     Was soll man dazu sagen?
Rhetor. Es kitzelt mich, ich weiß nicht was,
     Seh ich die Gläser blinken;
     Und schickte irgend sich der Spaß,
     Möcht’ ich mich wohl betrinken.
Korpulenter Bürger. Ich würde besser tausendmal
     Ergötzen mich und pflegen,
     Dürft’ ich nur hier im heißen Saal
     Den Rock bei Seite legen.
Student. Uebel ist’s nicht, sicherlich,
     Hier Champagner saufen,
     Möcht’ noch hol der Teufel mich,
     Gerne heut mich raufen.
Anderer. Ein jedes Ding hat seine Zeit,
     Soll Salomo schon sagen,
     Drum weil ich trinke, trink’ ich heut,
     Und morgen geht’s ans Schlagen.
Fremder. Schön daß die Burschikosität
     Sich frank und frei kann rühren,
     Zum Spaß möcht’ ich die Fakultät
     Zu diesen Leutchen führen.
Die Galanten. Wir wollen nur im Stillen schnell
     Ein gutes Gläschen ziehen,
     Dann kann man freier um Mamsell
     Sich angenehm bemühen.
Die Andern. Nein dieser Blick und dieser Tick
     Und diese Kerls, sie meinen
     Nur so im Rock, Gang und Geschick
     Kann Vornehmheit erscheinen.
Alte Herren am Tisch.
Erster. Ich lobe mir den Rheinwein doch
     Vor allen den Getränken
     Und hier möcht ich dem Steinwein noch
     Ein eignes Kränzlein schenken.
Kenner. Wie michs bedünkt, ist dieser Wein
     Vom Jahre vier und neunzig;
     Er hängt am Glas so hell, so rein,
     Und das Bouquet ist einzig.
Rhetor. Adler, Ros’ und Diamant
     Bei Vögeln, Blum’ und Steinen
     Werden Könige genannt,
     Champagner bei den Weinen.

[225]

Anderer. Zumeist preis’ ich den von Burgund,
     Den weißen, heißen, schweren
     Und nach dem Rum kann ich dem Mund
     Nichts köstlichers gewähren.
Junger Student. Wie so mit Lust und Kennerzug
     Die Alten schnuppern, kosten, schlürfen,
     Sind vor dem Carcer sicher gnug
     Wenn sie mehr trinken, als sie dürfen.
Bürger. Jetzt Brüderchen, jetzt fühl’ ich mich
     In meinem Elemente,
     So daß mit Professoren ich
     Diskurse führen könnte.
Ehemann. Nehm’s mit dem Wein nicht so genau,
     Und sollt’ er mich auch fassen,
     Nur darf ich meine junge Frau
     Nicht aus den Augen lassen.
Student. Heut ist dem Kerl, er ist gewitzt,
     Nichts einzubuchstabiren,
     Umsonst hab’ ich den Mund gespitzt
     Auf das zu Hause führen.
Anderer. Auf, Brüder, lasset uns nunmehr
     Die Hauptgesundheit bringen;
     Es lebe hoch das ganze Heer
     Und die den Schläger schwingen.
Chor. Es lebe hoch das ganze Heer
     Und die den Schläger schwingen!
Officier. Es haben die andern es durchgesetzt
     Mit Müh und Noth und Sorgen,
     In Feld und Wald sich durchgehetzt,
     Bis sie den Sieg geborgen;
     Und diese tolle junge Brut
     Und diese Bücherwürmer,
     Sie rasen, schrein in voller Wuth,
     Als wären sie die Stürmer.
Bürger. Es thut ein jeder was er mag,
     Zu dem gemeinen Besten,
     Die andern siegen Schlag auf Schlag,
     Wir feiern das mit Festen.
Chor der Bürger. Drücken wir uns an die Wand,
     Wagen nicht zu singen,
     Dennoch sind wir bei der Hand,
     Wo die Gläser klingen.
Fremder. Wenn ich das plumpe Treiben mir
     So recht bei Licht besehe
     So wundr’ ich mich, wie ich noch hier
     Das zu betrachten stehe.
     

     


Zweite Szene.
Der Tanzsaal öffnet sich.
Musikdirektor. Jetzt spielt den Walzer Nummer drei,
     Das Tempo nur hübsch mäßig!
     Und wer pausirt, ich rath’ er sei
     Indeß nicht zu gefräßig.
Walzer. Bebend, schwebend, Arm in Arm
     Aug’ in Aug’ versunken,
     Pocht das Herz so liebewarm,
     Ist der Blick so trunken.
Feiner. Ich mag’ die kühne Hoffnung hier
     Als möglich mir zu denken,
     Daß Sie, mein holdes Fräulein, mir
     Noch diesen Walzer schenken.
Dame. Wie gern, nur ach! ich bin genirt!
     Dort jenen Herrn, den Blöden, –
     Ach daß wir früher engagirt,
     Gehn Sie ihn zu bereden.
Sich Bildender. Noch muß ich eine kurze Zeit
     In allen Zirkeln passen,
     Bis ich mit der Lebendigkeit
     Mich besser kann befassen.
Dame. Nicht vorgestellt, ganz unbekannt –
     Und dennoch durft’ er’s wagen!
     Hätt’ er sich nicht Baron genannt,
     Ich hätt’s ihm abgeschlagen.
Geniale. Was ist der Junge köstlich frisch
     An Auge, Mund und Wangen!
     Wie freudig würd’ ich noch vor Tisch
     An seinen Lippen hangen.
Bürgerin. Frau Base, hieher, oben hin,
     Wir zahlen wie die Andern!
     Und steht es denen nicht zu Sinn,
     Da können sie ja wandern.
Alter Herr. Ist das nicht Histrionenspuk,
     Ists je erhört, gesehen,
     Im skandalösen deutschen Schmuck
     Vor uns einher zu gehen!
Dame. Wo ich auch sitze, gehe, steh,
     Stets muß er mich betrachten
     Und in der Ferne, in der Näh,
     Scheint er nach mir zu schmachten.
Student. Herr Bruder, wacker näher dring,
     Du zeigst dich gar zu blöde,
     Das kleine bürgerliche Ding
     Thut wahrlich nur so spröde.
Contretanz. Folge schnell der säum’gen Flucht,
     Scheint sie zu entweichen,
     Liebe flieht und Liebe sucht,
     Lieb’ wird Lieb’ erreichen.
Tauber. Wie toll und wirr und ohne Sinn
     Sie durch einander rennen,
     Wenn ich nicht selber irre bin,
     Muß ich sie irre nennen.
Kritiker. Sie sollten doch den Contretanz
     Gleich einzustell’n befehlen,
     Denn ich beschwör’s, man kann ihn ganz
     Zur neuen Schule zählen.
Dame. Wie kommt’s, daß emsig nur die Herrn
     Dort um die Kleine rennen,
     Wer nicht gar blind ist, kann von fern
     Den schlechten Wuchs erkennen.
Erfahrene. Ach Liebe! es ist keine Kunst
     Die Männer fest zu halten,
     Will man mit Zeichen seiner Gunst
     Nicht zu haushältrisch schalten.
Student. Wie jüngferlich und zümpferlich
     Sie gehen, sprechen, blicken
     Und lassen von den Dreisten sich
     Doch gern die Hände drücken.
Dame. Die Albernheit, der fade Tand
     Kann mich nicht mehr ergötzen,
     Nur fing’ ich einen reichen Fant
     Noch gern in meinen Netzen.
Lüsterner. Es locken, winken dort und hier
     So frisch und roth die Lippen,
     Jung bin ich nicht, doch möcht ich schier
     Noch hier und dort eins nippen.
Dame. Geschicklichkeit nenn’ ich’s, nicht Glück,
     Daß sie mir folgen müssen;
     Wie muß man Gruß, Wink, Druck und Blick
     Nicht zu vertheilen wissen.
Empfindsame. Mondenschein und Nachtigall
     Trink’ ich in diesen Tönen.
     Inbrünstig möchte ich das All
     An meinen Busen nehmen.

[226]

Walzer. Töne, die mit Silberschwingen,
     Lispelnd, säuselnd, rauschend weben,
     Woll’n dem Herzen Kunde bringen
     Nur im Lieben sei das Leben.
Student. O sehn Sie auf die Karte doch,
     Sie werden mich verbinden,
     Wenn irgend einen Tanz Sie noch
     Auf heute für mich finden.
Dame. Ach! leider sind die Tänze all’
     Für lange schon vergeben,
     Doch Ihnen will zum fünften Ball
     Ich einen Tanz aufheben.
Er wird grob. Die Güte rühret mich fürwahr,
     Ich werde daran denken,
     Und könnten Sie für nächstes Jahr
     Mir keinen Walzer schenken?
Junger Philosoph. Möcht’ ich auch die Gelehrsamkeit
     Gern gänzlich gleich abstreifen,
     Es schickt sich nicht, es thut mir leid,
     Im Tanz hier auszuschweifen.
Dame. So herrlich hatt’ ich’s kaum gedacht,
     Ach! wär der Graf nicht flüchtig!
     Wie hat er nicht nach mir gejagt,
     Heut ist es mit ihm richtig.
Student. Ich hab dem Kind die Hand gedrückt,
     Wie gern ließ sie’s geschehen
     Und wie verliebt, beglückt, entzückt
     Hat sie mich angesehen!
Anderer. Es würde wohl den alten Herrn
     Tanz und der Wein nicht reizen,
     Wollt er nicht mit dem Orden gern
     Sich selbstgefällig spreizen.
Aeltlicher. Es prickt und zwickt und treibt mich an
     Ein Tänzchen mitzumachen;
     Es sei darum und mögen dann
     Auch die Collegen lachen.
Dame. Folg ich diesem, folg ich dem?
     Sie sind wohl beide Freier.
     Dieser ist mir angenehm,
     Doch jener scheint mir treuer.
Die Damen. Etwas satyrisch schmeckt der Punsch,
     Den sie uns hier kredenzen,
     Sie nähmen, ging es uns nach Wunsch,
     Ganz andre Ingredienzen.
Fandango. Wenn es klinget, flötet, rauscht,
     Muß der Mund auch schweigen,
     Blick um süßen Blick getauscht
     Darf das Herz doch zeigen.
Jude. Wie freut mich’s daß ich Sie hier seh
     So wohlgemuth beisammen –
     Spielt nicht die Geige cis statt c
     So soll mich Gott verdammen!
Dame. Mit angenehmer Leichtigkeit
     Weiß er sich zu betragen.
     Gern hör ich ihn mit Dreistigkeit
     Geniale Sagen sagen.
Gönner. Ein hoffnungsvoller junger Herr,
     Sein Witz hat was Brillantes,
     Von klassischem Geschmack ist er
     Und schrieb schon viel Bekanntes.
Jude. Ja, seh ich um die Dame dort
     Die jungen Leute stehen,
     Gern sagt ich ihr ein beißend Wort,
     Könnt’s anonym geschehen.
Romantiker. Packt sich der Jude nicht bald fort,
     Beim Zeus, er soll’s bereuen;
     Mit ihm setz’ ich mich in Rapport,
     Romantisch ihn zu bläuen.
Dame. Der junge Mensch in blauem Frack,
     Siehst Du ihn dort wohl schweben?
     Tanzt er nicht ganz in dem Geschmack
     Wie ’n Schreibtisch beim Erdbeben?
Blöder. Ach könnt ich nur die Dreistigkeit
     Erfragen und erjagen,
     Der schönen Frau zur rechten Zeit
     Ein Kompliment zu sagen.
Quadrille. Was sich einmal hat gefunden,
     Was sich liebte, was sich kennt,
     Immer bleibt es nun verbunden,
     Sei’s vereinigt, sei’s getrennt.
Gebildete. Ist nicht Musik der schöne Grund
     Drauf sich der Tanz gestaltet
     Und diese Bilder zart und bunt
     Und zauberisch entfaltet?
Natürliche. Was frommt’s, daß man bescheiden thut,
     Weshalb müßt ich mich zieren,
     Es wallt und kocht das junge Blut,
     Warum sollt’ ich da frieren?
Student. Nicht verfehl’ ich diesen Frau’n
     Fleißig aufzuwarten,
     Läßt sich doch Solides traun
     Von ihrer Gunst erwarten.
Alte Dame. Ganz müde liefen sich die Herrn
     Um meine Tochter schon,
     Doch, leid ich es auch noch so gern,
     Niemand macht Ernst zum Schwiegersohn.
Ecossaise. Jetzt die Höflichkeit sich zeigt,
     Ruft zu den Ehrentänzen,
     Die Augen zu, die Hand gereicht
     Und macht euch Reverenzen.
Dame. Das Männchen zieht die Stirne kraus
     Und läßt kein Wörtchen hören,
     Es sähe gern bedeutend aus,
     Dumm ist’s, das will ich schwören.
Unschuldiger. Hier hält beim Tanz das Tanzen nicht,
     Auch Lieben nicht und Lachen nicht,
     Ich weiß es noch im Ganzen nicht,
     Versteh’ vielleicht die Sachen nicht.
Student. Wie mausig macht sich nicht der Fuchs?
     Kaum aus dem Ei gekrochen,
     Hat bei der flottsten Dam’ er flugs
     Die Alten ausgestochen.
Alte Dame. Vielleicht verhehlt’ ich’s selber mir,
     Daß ich mich ennüyirte,
     Wenn man nicht kläglich kärglich hier
     Von allem präsentirte.
Kehraus. Und als der Großvater die Großmutter nahm
     Da war der Großvater ein Bräutigam
     Und die Größmutter war eine Braut,
     Da wurden sie beide zusammengetraut.

Die Gesellschaft verliert sich nach und nach.
Bürger. Stolz geht er fort, der deutsche Mann
     Mit Gürtel, Kragen, Degen,
     Blind kam er überall heut an
     Und ward doch nicht verlegen.
Ein Buchhändler. Verlegen! schweigen wir davon,
     Ich bitte, meinetwegen,
     Verlegenheit und Spott und Hohn,
     Das hat man vom Verlegen.
Anderer. Das heißt schlampampt, das heißt geschleckt,
     Verdammt zu tausend Malen!
     Dem hat’s behagt, dem hat’s geschmeckt,
     An uns ist das Bezahlen.

  1. WS: Vorlage: nach und. Siehe Druckfehler S. 204.