Pygmalion (Goethe)
eine Romanze.
Es war einmal ein Hagenstolz,
Der hieß Pygmalion;
Er machte manches Bild von Holz
Von Marmor und von Tohn.
Und alle seine Lust.
Kein junges schönes sanftes Weib
Erwärmte seine Brust.
Denn er war klug und furchte sehr
Denn schon seit vielen Jahren her
Traut man den Weibern nicht.
Gern wird er Mädgen sehn.
Von Mädgen jung und schön.
Einst hatt’ er sich ein Bild gemacht,
Es staunte, wer es sah;
Es stand in aller Schönheit Pracht
War nur von kaltem Stein;
Die hohe Brust, der weisse Arm
Lud zur Umarmung ein.
Halb auf zum Kuß der Mund.
Er sah das Werk von seiner Hand,
Und Amor schoß ihn wund.
Er geht, umarmt das kalte Bild,
Umarmet es mit Glut.
Da trat ein guter Freund herein,
Und sah dem Narren zu,
O welch ein Thor bist du!
Willst du, ich geb’ dir sie?
Und sie gefällt gewislich dir
Sag’ ob du es zufrieden bist —
Er sah es nun wohl ein,
Ein Mädgen, das lebendig ist,
Sey besser als von Stein.
Der geht und holt sie her.
Er glühte schon eh er sie sah,
Jetzt glüht er zweymal mehr.
Er athmet tief, sein Herze schlug,
Nimmt er - Man ist nicht immer klug,
Nimmt er sie sich zur Frau.
Denn niemand flieht ihr Reich:
Dann ist es aus mit euch.
Wer wild ist, alle Mädgen flieht,
Sich unempfindlich glaubt,
Dem ist, wenn er ein Mädgen sieht,
Und liebt sie auch wohl gar,
Gewöhnt euch dran, und werdet nie
Ein Thor, wie jener war.
Und folget mir genau;
Sonst straft euch Amor ganz gewiß.
Und giebt euch eine Frau.