RE:Adoption 2

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Römisch, Aufnahme eines andern in den eigenen Familienkreis
Band I,1 (1893) S. 398 (IA)–400 (IA)
Adoption (Römisches Reich) in der Wikipedia
Adoption im Römischen Reich in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register I,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|I,1|398|400|Adoption 2|[[REAutor]]|RE:Adoption 2}}        

2) Nach römischem Recht ist adoptio die Aufnahme eines andern in den eigenen agnatischen Familienkreis an Stelle eines Kindes oder eines entfernteren Abkömmlings, also die Heranziehung eines neuen Familiengliedes durch Wahl, nicht durch Zeugung; vgl. Dio Cass. LXIX 20. Das Wahlkind kann gewaltfrei (sui iuris) sein, oder von seinem bisherigen Hausherrn in die Gewalt des Wahlvaters hinübergegeben werden (datio in adoptionem). In jenem Falle fand eine adrogatio statt (s. d.), im letzteren eine datio in adoptionem. Dieses Geschäft war (namentlich bei Haussöhnen, Gai. I 134) ein überaus umständliches (vgl. Gellius V 19. Sueton. Aug. 64). Dass bei ihm eine priesterliche Mitwirkung Platz griff, wird von Mommsen (Röm. Forsch. I 76) [399] nach Cicero pro domo 34. 36 mit gutem Grunde vermutet. Es zerfiel im übrigen in zwei Hauptteile, eine Loslösung des Kindes von der Gewalt seines bisherigen Hausherren und seine Aufnahme in das neue Haus. Die Loslösung geschah in der Form einer datio in mancipium, der Hingabe in eine sklavenähnliche Abhängigkeit durch mancipatio (Veräusserung mit Erz und Wage, Gai. I 119-123. Ulp. 19, 3). Bei Töchtern und Enkeln genügte ein einmaliger Verkauf, bei Söhnen sah man in dem Satze der XII Tafeln si pater filium ter venum duit, filius a patre liber esto eine Schranke der Loslösung vom Vaterhause (vgl. hiezu v. Jhering Geist des röm. Rechts II 184ff.). Haussöhne wurden demnach, nachdem sie einmal mancipio hingegeben waren, von dem Empfänger freigelassen, um in die Gewalt ihres Vaters zurückzufallen und diesem die Möglichkeit einer zweiten Mancipation zu gewähren. Diese erfolgte demnächst; doch auch diesmal liess der Empfänger das Kind aus seinem Mancipium frei und das Kind fiel in des Vaters Gewalt zurück. Jetzt, durch eine dritte Fortgabe in das Mancipium, zerstörte der Vater endlich sein Recht, das Kind bei ferneren Freilassungen in seine Gewalt fallen zu sehen, deren Band daher erst jetzt völlig zerschnitten war. Um jedoch das Weitere selbst vorzunehmen, liess sich der Vater in der Regel das nunmehr im fremden Mancipium befindliche Kind in sein eigenes Mancipium zurückgeben (remancipari, Gai. I 134). Nun begann erst der zweite Teil des Adoptionsgeschäftes, die Aufnahme des Kindes in die Gewalt des neuen Vaters. Sie vollzog sich in der Form eines Scheinprocesses. Der Wahlvater trat als Kläger auf und stellte eine vindicatio filii in potestatem an, der augenblickliche Gewalthaber des Kindes (bei dem remancipierten Kinde also der natürliche Vater) schwieg als Beklagter und trat hiedurch das Kind ab (in iure cedebat). Dass trotzdem durch die Adoption keine Rechtsnachfolge in der väterlichen Gewalt begründet wurde (also auch die Befehle des früheren Gewalthabers nicht in die Herrschaftszeit des neuen hinüberreichten), ergiebt sich aus den Ausführungen v. Scheurls de modis liberos in adopt. dandi, Erlangae 1850, 5ff. Die Adoptionsförmlichkeiten vereinfachten sich in der christlichen Kaiserzeit, bis Iustinian sie von allen veralteten Umschweifen säuberte (Cod. VIII 48 ult.); doch geschah sie noch zu seiner Zeit auf Verantwortlichkeit der Obrigkeit, imperio magistratus (vgl. hierüber Puchta Inst. III § 283 n. O und Leonhard in den Festgaben der Marburger jur. Facultät für Wetzell, 1890, 148ff.). Die datio in adoptionem raubte dem Kinde in der bisherigen Familie zwar nicht die cognatischen, wohl aber die agnatischen Verwandtschaftsrechte (daher sie eine capitis diminutio enthielt). In der neuen gewährte sie agnatische und cognatische Rechte, jedoch nur gegenüber den Agnaten des Wahlvaters. Nach Iustinians Gebot (Cod. VIII 47 [48], 10) soll sie diese Kraft nur dann haben, wenn das Wahlkind ein Abkömmling des neuen Vaters ist, sonst begründet sie diesem gegenüber nur ein gesetzliches Erbrecht. Inst. I 11. Dig. I 7. Cod. VIII 47 (48). Litteratur: Huschke [400] Studien d. röm. R. 204ff., bes. 212 über die datio servi in adoptionem (Gellius V 19, 3; vgl. zu dieser auch Schlesinger Ztschr. f. Rechtsgesch. VI 109ff.). Rein Privatr. der Römer² 472-482. Lange röm. Altertüm. I 103ff. Puchta Institutionen III § 283. Kuntze Kursus des röm. Rechts § 751-754. 981. Danz Lehrbuch der Gesch. d. r. R. II § 101. Voigt die 12 Tafeln II 305ff. § 98. Baron Institutionen § 43. Schulin Lehrb. d. Gesch. d. röm. R. 24. 197. 241-246.