- S. 1060, 36 ist einzufügen:
Burebista, Name eines dakischen Königs. Bei Strabon begegnet dieser Name viermal, aber die Hss. schwanken in seiner Wiedergabe. VII 298 haben sie Βυρεβίστας, doch ein Parisinus (nr. 1393 = B bei Kramer) liest Βυρβίστας, also ohne ε zwischen den beiden ersten Silben; VI 762 ist ohne Variante Βυρεβίστᾳ überliefert; VII 303 und 304 dagegen haben alle , nur der beste Parisinus (nr. 1397 = A bei Kramer, vgl. Gutschmids Comm. critic. in prologos Trogi Pompei in Rühls Ausg. des Iustin LIX) hat am Rande beigeschrieben: Βειρεβύστας. Bei Iordanes Get. 11, 67 haben die besten Hss. Buruista, was gleich Burvista ist; bei dem häufigen Wechsel von v und b in den Hss. steht ferner Burvista für Burbista, so dass also die Formen des Namens bei Strabon und Iordanes bis auf die verschiedene Wiedergabe der ersten Silbe sich völlig entsprechen. Dass wirklich das zweite Element dieses Namens mit b (-bista) nicht mit v (-vista) anlautete, schliesse ich aus dem Vorkommen desselben Elementes in anderen Eigennamen; auf einer moesischen Inschrift (CIL III Suppl. 7437 II 19) findet sich der leider verstümmelte Name Val…obusta, und im 32. Prolog des Trogus Pompeius haben die besten Hss. einen Königsnamen Rubobosten. Zwar corrigiert Gutschmid (a. a. O.) Rubobosten in Burobusten und versteht darunter denselben Mann, welchen Strabon Boirebista, Iordanes Burvista nennen. Diese letztere Annahme ist aber falsch; es müssen notwendig zwei Männer sein (s. Bd. IV S. 1955f.). Mag man nun mit Gutschmid Burobusten lesen oder das hsl. Rubobosten beibehalten, der Anlaut des zweiten Elementes stimmt genau zu jenem …obusta der moesischen Inschrift. Und dies -busta wird von jenem -bista nicht verschieden sein. Während bei Iordanes das erste Element Bur- lautet, schwanken Strabons Hss. in der Wiedergabe gerade dieses Lautes (Βοιρεβίστας – Βυρεβίστας – Βειρεβύστας); man befindet sich offenbar in Übereinstimmung mit unserer Überlieferung, wenn man für das erste Element Bur-, für das zweite -bista und für den ganzen Namen Burebista festhält. Die Schreibung des Namens auf einer Inschrift aus dem alten Dionysopolis (Dittenberger Syll.² 342) lautet Z. 22 Βυρεβίστα, Z. 28 Βυραβέστα; also auch hier ein Schwanken in der Wiedergabe der dakischen Laute. Eine Etymologie dieses Namens versucht Tomaschek Die alten Thraker II (S.-Ber. Akad. Wien CXXXI) 16.
B. soll nach Iordanes a. a. O. schon regiert haben, als Sulla in Rom sich der Dictatur bemächtigte. Über diesen Ansatz vergleiche man, was darüber Bd. IV S. 1955f. gesagt ist. Die eben angezogene Inschrift aus Dionysopolis lehrt, dass B. erst nach dem makedonischen Proconsulat des C. Antonius, also nach dem J. 60 v. Chr., die griechischen Städte am Westufer des Pontos Euxinos sich unterworfen hat. Ein neuer Beweis, dass des Iordanes Ansatz nicht richtig ist. Besser beglaubigt ist Strabons (a. a. O.) Aussage, dass der König in einem Aufstand ums Leben kam um dieselbe Zeit, als in Rom Caesar getötet wurde. Hiermit stimmt, dass wir in der unmittelbar auf die Ermordung Caesars folgenden Zeit auf dakischem Gebiete mehrere Fürsten und mehrere Herrschaften finden. B. hatte – und das ist sein grösstes Verdienst – die vielen Stämme Dakiens geeint und hatte durch diese Einigung zu Macht und Ansehen gebracht, was früher durch seine Zersplitterung vielfach zur Beute seiner umwohnenden Feinde geworden war. An der Spitze eines wohlgeübten Heeres, welches 200 000 Streiter in sich begriffen haben soll, vernichtete er die
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keltischen Boier und Taurisker, welche über die Donau bis an die Theiss vorgedrungen waren, dehnte wieder das dakische Gebiet bis an die Donau im Westen aus und machte Plünderungszüge zu den am Schwarzen Meere angesiedelten Griechenstädten, die er jedenfalls teilweise sich unterwarf, und selbst bis nach Makedonien und Illyrien hinein. Diese steigende Macht des B. und seine immer weiter sich ausdehnenden und römische Provinzen, wie die mit den Römern verbündeten und bei ihnen Schutz und Hülfe suchenden Griechen am Pontos Euxeinos bedrohenden und schädigenden Raub- und Beutezüge veranlassten Caesar, einen Krieg gegen die Daker zu planen. Beachtenswert ist, dass eine von B. an Caesars Gegner, Pompeius, geschickte Gesandtschaft freundliche Aufnahme fand – τὴν εὔνοιαν τὴν Ῥωμαίων παραγόμενος τῷ βασιλεῖ heisst es vom Gesandten Akornion in der Inschrift. Haben Daker unter B. Pompeius in seinem Kriege gegen Caesar unterstützt, wie dieselben Daker einige Jahre später Antonius halfen? Vielleicht wirkte bei Caesar, als er den Plan, B. zu bekriegen fasste, auch ein persönliches Moment mit. Aber bevor dieser Plan ausgeführt wurde, starb Caesar, und kurz vor oder nach ihm auch B. Nach seinem Tode zerfiel wieder sein Reich, und an die Stelle einer geeinigten und dadurch starken Nation traten wieder die vielen Teilherrschaften.
Ich glaube in meinem Artikel Dacia gezeigt zu haben, dass die Kelten in der Theissebene Eindringlinge waren, dass also B. gegen sie zog, um altdakisches Gebiet wieder zurückzuerobern. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist die Vernichtung der Kelten durch B. wohl ein Act der Notwehr, jedenfalls nicht ein Act reinster Willkür und ausgeprägter Lust am Rauben und Morden gewesen. Freilich weiss ich keinen Grund, seine gegen die griechischen Colonien und jenseits der Donau bis in das römische Provincialgebiet unternommenen Plünderungszüge zu entschuldigen; hier mag Beutelust mitgespielt, hier mag die ungebändigte Lust an Abenteuern und der durch die glücklichen Unternehmungen gegen die Kelten im Westen und gegen die Bastarner, im Osten – denn niemals konnte er die griechische Stadt Olbia bekriegen und zerstören, wenn er nicht vorher im Lande zwischen Karpathen und Schwarzem Meer die Übermacht der Bastarner, welche sie hier noch kurz vor B.s Regierung gehabt hatten, gebrochen hatte – genährte und gehobene Stolz den König getrieben haben. Hier steht der König noch unter der Macht der barbarischen und durch keine höhere Cultur gemilderten Gewohnheiten. Dieser Zug in seinem Wesen verdient hervorgehoben zu werden, da gerade ihm eine religiöse und sittliche Erhebung seines Volkes zugeschrieben wird; er gewöhnte sein verwildertes und heruntergekommenes Volk wieder an Gehorsam, übte es in Zucht und machte es wieder mässig. Sollen die Daker doch, durch B. dazu bewogen, den Weinstock ausgerottet und fortan ohne diese köstliche Himmelsgabe gelebt haben. Sein Genosse in diesem Reformwerk war ein Priester Namens Dekaineos. Aber von diesen Reformen bis zur Ausrottung der den barbarischen Völkern tief innewohnenden Raub- und Beutegier ist ein weiter Weg, der wohl auch mehr Zeit erfordert, als B. dazu beschieden war. Schade bleibt es, dass unsere Quellen so wenig über diesen König melden; es wäre interessant, mehr Details über ihn und seine Reformen zu wissen. Das Beste über ihn bietet Strabon (VII 303f.); was Iordanes hat (c. 11), besitzt wenig Wert. Über Dakien und dakische Verhältnisse zu seiner Zeit muss ich auf meinen Artikel Dacia (Bd. IV S. 1948ff.) verweisen.