300) C. Claudius Pulcher, dritter Sohn des Ap. Pulcher Nr. 293, wurde 559 = 195 Augur (Liv. XXXIII 44, 3), leitete als Fremdenpraetor 574 = 180 die Processe wegen Giftmischerei in der Hauptstadt (Liv. XL 37, 4. 42, 5) und gab als Consul 577 = 177 (Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. pasch. Polyb. XXV 4, 1. Cic. Cael. 33. Liv. XLI 8, 1. Obsequ. 8. Cassiod.) ein Gesetz betreffend die Stellung der Bundesgenossen (Liv. XLI 9, 9ff.). Er erhielt Istrien als Provinz mit neuen Truppen (a. O. 8, 3f. 9, 3. 8), eilte auf die Kunde von Siegen der vorjährigen Consuln plötzlich dorthin, überhäufte jene mit Vorwürfen und forderte sofortige Übergabe von Heer und Provinz. Auf ihre Weigerung hin musste er über Aquileia nach Rom zurückkehren und marschierte nun erst der Ordnung gemäss mit dem neuen Heere in Istrien ein, wo er das tapfer verteidigte Nesactium durch Ableitung des schützenden Flusses gewann, noch weitere Städte einnahm und das ganze Volk zur Unterwerfung zwang (a. O. 10, 5–11, 9). Hierauf nach Ligurien berufen, erfocht er auch dort am Flusse Scultenna einen grossen Sieg und kehrte mit Ruhm bedeckt, nachdem er so zwei Volksstämme überwunden hatte, heim (a. O. 12, 2. 7–10); er triumphierte de Histre[is] et Liguribus (a. O. 13, 6–8. Acta tr. CIL I² p. 48 und 341). Nach Abhaltung der Wahlen wurde ihm das Commando erneuert; er ging sofort in die Provinz zurück, um den Ligurern Mutina zu entreissen, das sie inzwischen genommen hatten (Liv. XLI 14, 3. 6. 16, 7–9); es folgte eine weitere Erhebung, die zu unterdrücken C. mit verstärkten Streitkräften von Parma aus in Ligurien eindrang, doch er wurde zurückgerufen, um sich bei Mutina mit den Heeren der beiden Consuln zu vereinigen (a. O. 17, 6. 9. 18, 1. 5f.) und kämpfte wahrscheinlich weiterhin unter deren Oberbefehl (unsicher wegen einer Lücke im Text des Liv.). Wegen seiner Kriegserfahrung wurde er 583 = 171 als Tribunus militum dem Consul P. Licinius Crassus gegen Perseus zur Seite gestellt (Liv. XLII 49, 8). 585 = 169 gelangte er zur Censur mit Ti. Sempronius Gracchus (Fasti Cap. Liv. XLIII 14, 1ff.). Infolge ihrer grossen Strenge (Liv. XLIV 16, 8. XLV 15, 8f.) erhob der Volkstribun P. Rutilius gegen sie eine Anklage auf Hochverrat; vielleicht wäre C. vom Volke verurteilt worden, wenn nicht die Erklärung des beliebteren Gracchus, er werde das Schicksal seines Amtsgenossen teilen, seine Freisprechung herbeigeführt hätte (Liv. XLIII 16. 1–16. Cic. rep. VI 2 [bei Gell. VII 16, 11]. Val. Max. VI 5, 3. Fest. p. 285). Nur wegen der Stellung der Freigelassenen gerieten die beiden Censoren in einen Zwist, da sich C. den strengen Massregeln des Gracchus widersetzte. Bei dem schliesslichen Ausgleich erreichte dieser ziemlich das, was er erstrebt hatte, dass nämlich thatsächlich die Freigelassenen ihres Stimmrechts verlustig gingen (Liv. XLV 15, 3–7; vgl. Cic. de inv. I 48. Mommsen St.-R. III 438; ungenau ist Auct. de vir. ill. 57, 3, der diese Anordnungen mit der Anklage gegen die Censoren in Verbindung bringt). 587 = 167
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war C. einer der zehn Commissare zur Neugestaltung der Verhältnisse in Makedonien und Griechenland (Liv. XLV 17, 2) und reiste dorthin ab (a. O. 31, 9. Polyb. XXX 13, 8), ist aber in demselben Jahre noch gestorben (Liv. XLV 44, 3).