RE:Claudius 369

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Tryphoninus Röm. Jurist
Band III,2 (1899) S. 28822884
GND: 102408785
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369) Claudius Tryphoninus, römischer Jurist, vielleicht griechischer Herkunft (Kalb. Schultze), wird von Paulus (Decr. III: Dig. XLIX 14, 15) [2883] als Beisitzer im Consilium des Severus erwähnt (ob auch das in den Dig. XXIII 3, 78, 4 a. E. erwähnte auditorium auf dieses Consilium zu beziehen ist, bleibt zweifelhaft; vgl. Bremer 21). Wenn er (was wegen des seltenen Namens glaubhaft ist) der Adressat der von Caracalla im J. 213 an Claudius Tryphoninus gerichteten Constitution (Cod. Iust. I 19, 1) ist, so muss er sich damals (vielleicht sogar in Beamtenstellung) in Antiochien aufgehalten haben. Wenn Bremer (101) aus dieser Stelle schliessen will, dass er damals Rechtslehrer und Advocat – nur das letztere könnte in Betracht kommen – in Berytos gewesen sei, so steht diese Vermutung auf recht schwachen Füssen und müsste jedenfalls erst eine Analogie dafür erbracht werden, dass kaiserliche Rescripte an den Beistand der Partei statt an diese selbst gerichtet wurden. Auch das ferner dafür angezogene Citat (Dig. XXXVI 1, 80, 9) einer Note zum Text Scaevolas Claudius: et alias de eodem facto consultus respondit trifft in keiner Weise zu, da der consultus nicht Tryphoninus, sondern Scaevola ist. Wohl aber ist diese Stelle geeignet, die auch aus andern Gründen (vgl. Cervidius Nr. 1 o. S. 1993) wahrscheinliche Vermutung, dass Tryphoninus ein Schüler des Scaevola gewesen sei, zu erhärten; er ergänzt hier (ebenso wie in Dig. XXVIII 2, 19) seinen Lehrer aus der Erinnerung des Unterrichts.

Wir kennen zwei litterarische Arbeiten von Tryphoninus: 1) Noten zu Scaevolas Digesten und Responsen (s. die Citate im Art. Cervidius Nr. 1 S. 1993). Da diese Werke selbst, das erstere um 180, das zweite unter Severus anzusetzen sind (s. d.), muss ihre Bearbeitung durch Tryphoninus natürlich später fallen, so dass uns die Erwähnung des divus Marcus in Dig. XVIII 7, 10 nichts besonderes sagt. Wegen der Meinung Fittings (32), dass diese Noten von Papinian citiert worden seien, vgl. Karlowa. Landucci 220, 9. 2) Disputationes, nach der Angabe des Index Florentinus aus 21 Büchern bestehend (s. dazu Krüger 201. Lenel Pal. II 351, 1), aus denen allen uns beträchtliche Bruchstücke in Iustinians Digesten erhalten sind, s. Lenel a. a. O. 351ff. Für die Abfassungszeit kommen zunächst in Betracht die Citate in frg. 6 pr. (Buch II: imperator noster cum divo Severo patre suo rescripsit) und 13, 17 (Buch IV: constitutum est ab imperatore nostro et divo Severo). Danach sind diese Bücher unter Caracallas Regierung nach Severus Tode (4. Feb. 211) geschrieben. Wenn es nun im zehnten Buch (frg. 40) heisst: ab optimis imperatoribus nostris rescriptum est, so hat Fitting 32 mit Recht geschlossen, dass wenigstens diese früheren Bücher unter der Gesamtherrschaft des Caracalla und Geta (gestorben Ende Februar oder Anfang März 212) entstanden sind. Das Citat in frg. 16 (a principe nostro rescriptum est) aus dem fünften Buch geht demgemäss auf einen dieser Kaiser, wahrscheinlich auf Caracalla. Dagegen ist frg. 26 aus Buch VIII (rescriptum est ab imperatore libellos agente Papiniano) natürlich auf Severus und zwar vor 205 bezw. 203 (vgl. Bd. I S. 572) zu beziehen, und vielleicht ist hier der Name dieses Kaisers ausgefallen. Die divi principes in frg. 9 (Buch II) lassen sich nicht näher bestimmen; Caracalla bezeichnete den Rechtssatz, [2884] um den es sich handelt, im J. 213 als einen längst feststehenden (Cod. Iust. V 56, 1: olim placuit; vgl. auch die Citate bei Windscheid Pand. § 410, 10. § 439, 10). Dagegen ist es möglich, wenn auch nicht sicher, dass unter dem in frg. 62, 2 erwähnten Rescript das uns im Cod. Iust. VI 21, 2 erhaltene des Caracalla aus dem J. 213 zu verstehen ist, und wäre damit für das achtundzwanzigste Buch eine feste Zeitbestimmung gewonnen; so Scialoja Bull. d. Ist. di dir. Rom. I 228f. Lenel Pal. II 351, 2 (nur darf man nicht mit Scialoja etiamnunc mit rescriptum est verbinden, es gehört zu milite). Das Werk war nach der Ordnung des Edicts angelegt (vgl. Krüger. Lenel 351, 1); seinem Charakter nach gehört es der Quaestionenlitteratur (vgl. Bd. I S. 573) an und zeigt deren Ursprung aus dem Rechtsunterricht mit besonderer Deutlichkeit (näheres bei Bremer 20ff.; vgl. auch Krüger. Karlowa). Mit Citaten ist Tryphonin im ganzen sparsam; es begegnen Sabinus (13, 9. 16), Iulian (13, 2. 41, 4. 50, 1. 55 Abs. 2. 69 pr.), Marcellus (13, 2. 31, 1), Scaevola (27. 68 pr.), von kaiserlichen Constitutionen (ausser den schon erwähnten aus der Zeit des Severus und seiner Söhne [13, 7. 16. 26. 40]) solche von Traian (7), Hadrian (56, 1. 67,1. 68, 3. 72, 1), Pius (58. 61), Marcus (5. 6 pr. 34, 3. 49 pr. 60); vgl. ferner die zum Teil oben besprochenen frg. 9. 52, 2. 68, 2. Wenn wir ferner einmal eine Stelle aus Ciceros Rede pro Cluentio (32) angeführt finden (frg. 40), so zeigt das, dass Tryphoninus auch ausserhalb des Kreises seiner engeren Wissenschaft in den Classikern belesen war.

Neuere Litteratur: Zimmern Gesch. d. röm. Priv.-R. I 364f. Rudorff R. R.-Gesch. I 197. Teuffel R. Litt.-Gesch. § 372, 3. Fitting Alter d. Schrift. röm. Juristen 32. Bremer Rechtslehrer und Rechtsschulen 20ff. 101. Karlowa R. R.-G. I 738. Krüger Quellen u. Litt. d. R. R. 201. Kalb Roms Juristen n. ihrer Sprache darg. 121ff. (mit vielen phantasiereichen aber wenig begründeten und darum oben nicht berücksichtigten Vermutungen; vgl. dazu Schultze Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XII 129f.). Landucci Storia del dir. Rom. I² 219f.

[Jörs. ]