RE:Enalos

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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ein in Lesbos verehrter Poseidonheros
Band V,2 (1905) S. 25452547
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Enalos (Ἔναλος), ein in Lesbos verehrter Poseidonheros, in der erhaltenen Überlieferung verflochten in die Gründungssage von Lesbos, doppelt erhalten von den in ihrem Zeitverhältnis zu einander nicht klaren Schriftstellern Myrsilos von Methymna (Λεσβιακά)und dem Athener Antikleides (νόστοι XVI frg. 7. Scr. rer. Alex. M. frg. 148 Müller). Vgl. o. Echelaos. Auf Myrsilos beruft sich Plutarch in seiner kurzen Andeutung, de soll. anim. 36 p. 984 E (FHG IV 459) für folgendes: Als von den Penthiliden auf Orakelgeheiß der Amphitrite die Tochter τῆς Φινέως, l. Σμινθέως, s. u.) ins Meer geworfen wurde, sprang E., ihr Liebhaber, ihr aus dem Schiffe nach, wurde aber von einem Delphin heil ans Land von Lesbos getragen. Die ausführliche Wiedergabe im plutarchischen conv. VII sap. 20 p. 103 nennt das Mädchen eine Smintheustochter, eine von den (7?) Töchtern der sieben Oikisten [2546] von Lesbos, die unter der Führung des unverehelichten Echelaos (s. d.) am Μεσόγειον ἕρμα landeten und dort den Nereϊden und der Amphitrite eine Jungfrau, dem Poseidon einen Stier opfern sollten. Jene war durchs Los auserwählt und sollte goldgeschmückt gerade ertränkt werden, als E., einer der Colonisten, an der Möglichkeit ihrer Rettung verzweifelnd, die Geliebte umschlang und sich mit ihr in die Μεσόγειος θάλασσα, an der das ἕρμα lag, hinabstürzte. Alsbald erscholl aber auch im Lager die Sage ihrer Rettung. E. erschien ‚später‘ selbst und berichtete, Delphine hätten sie beide ans Land getragen. Zum Zeugnis folgten ihm zum Poseidontempel, als wegen einer die Insel bedrohenden Springflut die Menschen sich nicht heranwagten, dorthin Polypen, deren größter einen Stein herantrug. Diesen nahm E. ihm ab und stiftete ihn offenbar dem Poseidon. Der weise Mytilenaeer Pittakos aber, der die Geschichte erzählt, setzt hinzu: καὶ τοῦτον (τὸν λίθον) ἔτι (Ἔναλον) καλοῦμεν. Antikleides (Athen. XI 466 C. D. 781 C nach Ephoros; s. Art. Echelaos) läßt, mit Berufung auf μυθολογοῦντες [περὶ] τῶν ἐν Μηθύμνῃ τινές (so Meineke Anal. critic. 1866f. p. 212), die Geschichte später spielen, unter Echelaos später erst geborenem Sohne Gras. Bei ihm gilt das Jungfrauenopfer einfach dem Poseidon, E. ist ‚einer der Führer‘ (was Plutarch anzunehmen zögert) und thut den Wassersprung, um die Geliebte zu retten. Beide verschwinden in den Wellen, E. um dem Poseidon die Rosse zu hüten (in den berühmten homerischen Rossestallungen von Aigai?), seine Geliebte, um bei den Nereϊden zu weilen. E. erschien später, nach Methymnas Gründung, selbst wieder und erzählte es. Hier bricht mit der Andeutung der Springflut der Bericht ab, und es folgt im Exzerpt nur der Schluß, daß Ἔναλον συγκολυμβήσαντα (mit wem?) ἐκβῆναι mit einem wunderbaren Goldbecher: für Athenaios Deipnosophisten das Wichtigste an der ganzen ‚schönen Fabel‘ vom E., wie O. Müller (Orch.² 466) sie nennt. In Methymnas Gründungsage ist hier der Mythos aufgenommen; Methymna hatte einen Smintheuscult (CIG 2190 b), hatte aber die Einwohner der früh zerstörten, verwandten Stadt Arisba aufgenommen (Herodot. I 151), also wohl auch deren Culte. In Arisba, am μεσόγειον ἕρμα = κόλπος Πυρραίων = κόλπος τῆς Καλλονῆς aber muß der Kult des Poseidon ἔναλος, der Amphitrite und Nereiden mit Stier- und Jungfrauenopfer, mit heiligem Polypen-Stein, Becher und ,rettenden‘ Delphinen gelegen haben, obigen Sagenformen nach. Er ist zu trennen vom Poseidon μεσοπόντιος von Eresos, das nicht am Binnengolf, sondern an der aegaeischen Westküste der Insel hegt. ,E. auf dem Delphin‘ ist, wie der Delphinreiter Phalanthos und Taras, ein Heros des delphingestaltigen Meergottes selbst: der ‚gemeinsame‘ Wassersprung vielmehr als ein Brautraub durch den Meergott oder seinen Stellvertreter aufzufassen. Die Sage hat selbst nicht den Mut, sie entschieden als Rettungsversuch zu deuteln (wie Gerhard Griech. Myth. I § 234, 6 möchte). Der Ἔναλος genannte Stein ist das anikonische ἔδος, das Numen. Den Polypen mit Umschrift ΜΥΤΙΛ(ήνη) zeigt die Silbermünze Therets bei Plehn Lesbiaca 191, 95, wie vermutet, in Erinnerung [2547] an die zerstörte ältere Kultstätte. Zum Becher des E. vgl. den gleichen in der Hand des fischgeschwänzten (delphinischen?) Gottes auf dem Relief des benachbarten troischen Assos (Friederichs-Wolters Baust. nr. 8–12) und den Becher, nach dem Theseus taucht; zu dem Schmuck der Opferjungfrau die für das κῆτος νυμφικῶς ἐστολισμένη Andromeda bei Achill. Tat. III 7, der hinzusetzt ὥσπερ Ἀδώνιδι νύμφη κεκοσμημένη.