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Ferrandus (der Vorname Fulgentius wohl irrtümlich entstanden, s. Ficker Ztschr. f. Kirchengesch. XXI 1902, 11f. Anm. 8) ist zwischen 520 und 547 Diakon der karthagischen Kirche gewesen. Victor von Tunnuna setzt seine Blütezeit zum J. 547 etwas zu spät an; denn als Facundus
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Herm. pro defensione trium capit. IV 3 schreibt – spätestens 547 – ist er tot. Seinen ersten erhaltenen Brief an Fulgentius von Ruspe (ep. Fulg. XI) dürfte er vor 523 geschrieben haben, aber schon als Ferrandus diaconus; denn wenn Karthago damals, was seit Ende Mai 523 der Fall war, einen Bischof gehabt hätte, wäre die Befragung des Fulgentius in solch einer Angelegenheit und die Beantwortung durch Fulgentius ohne jede Rücksichtnahme auf den Ortsbischof taktlos gewesen. Am berühmtesten ist F. geworden durch seine breviatio canonum, eine Sammlung der wichtigsten Synodalbeschlüsse in systematischer Ordnung, möglichst abgekürzt, aber mit genauer Angabe der Quelle; benützt sind darin eine Sammlung griechischer und eine africanischer Konzilien, das späteste wohl das zu Iunca 523 (Maaßen Gesch. d. Quellen u. d. Literatur d. canonischen Rechts I 799–802). Die Akten der karthagischen Synode von 525 zeigen uns, wie begehrt damals eine solche authentische Sammlung in Africa war; die reichliche Heranziehung byzacenischer Provinzialsynoden läßt aber vermuten, daß F. das Werk erst unter Bischof Reparatus von Karthago, etwa 535, abgeschlossen hat; dessen Vorgänger Bonifacius war den Byzacenern übel gesonnen. Außer der breviatio besitzen wir von F. noch eine Anzahl Briefe, zum Teil theologische Abhandlungen, besonders zur theopaschitischen und Dreikapitelfrage, bei Migne lat. 67, 887–962, doch ist ep. IV an Eugippius in weit vollständigerem Text bei Mai Script. vet. nova collectio III 2, 169–184 zu finden, und fünf kleinere Briefe des F. hat im Index schol. Vratisl. hiem. 1871/72 p. 5–7 A. Reifferscheid publiziert. Die zwei Briefe an Fulgentius von Ruspe sind nebst den Antworten unter dessen Werken bei Migne lat. 65 zu suchen. Isidorus Hisp. de vir. ill. 12 (bezw. sein unbekannter Interpolator) scheint von F. nur Briefe zu kennen und weist auch durch das Lob: multum in sacris scripturis floruisse asseritur nicht auf exegetische Arbeiten des Mannes; er war eben nächst Fulgentius einer der angesehensten Autoritäten des katholischen Abendlandes, wofür bezeichnend außer dem Brief des comes Reginus und der römischen Kleriker an ihn namentlich auch das ist, daß Abt Eugippius laut Ferr. ep. IV (bei Mai) als selbstverständlich annahm, F. müsse Nachfolger des Bischofs Fulgentius in Ruspe werden. Es ist zwar nur eine alte Hypothese, daß die anonym überlieferte Vita des Fulgentius (Migne lat. 65, 117–150) den F. zum Verfasser habe, aber eine durch den Wortlaut seines ersten Briefs an Eugippius (bei Mai) fast zweifellos gewordene. Diese ist zu Anfang 533 fertig gewesen; ihr Verfasser, was gerade auf F. paßt, ein dem Fulgentius ganz nahe stehender Mann, wenn nicht geborener Karthager, so auch wie jener Byzacener, und in seinem sardinischen Kloster um 515 von ihm theologisch gebildet (§ I: Fulgentii pontificis .. a quo simul nutriti sumus]. In Weltanschauung, Theologie, Haltung in den Kontroversen bis auf den Stil der Briefe ist er dem Fulgentius verwandt; die Biographie ist von einer für das 6. Jhdt. bewunderungswürdigen Wahrhaftigkeit und sein Brief an den dux Reginus über das Ideal eines christlichen Staatsbeamten
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erweist ihn als einen Mann von Bildung und Gedanken; die africanische Kirche steht damals obenan unter den Provinzialkirchen, was Charakter und Wissen, Takt und Urteil betrifft.