6) Heliodoros, Sohn des Aischylos aus Antiochia [13] am Orontes, muß einer vornehmen Familie dieser Stadt angehört haben, denn er ist dazu auserwählt worden, zusammen mit dem zweiten Sohn Antiochos’ III., dem späteren König Seleukos IV. Philopator (geboren nach 220 v. Chr., s. den Art. Antiochos Nr. 26 o. Bd. I S. 2470) erzogen zu werden (σύντροφος τοῦ βασιλέως Dittenberger Syll. [or.] I 247. Bull. hell. III 364 n. 4. Wilhelm Beiträge z. griech. Inschriftenkunde 162f. 362). H. dürfte demnach etwa um 220 v. Chr. geboren worden sein. Die gemeinsame Erziehung hat H. dem Seleukos offenbar sehr nahegebracht; besondere Zuneigung und felsenfestes Vertrauen des Seleukos zu H. spricht sich in der Inschrift aus, welche das Standbild des H. geschmückt hat, das ihm Seleukos als König in Delos gesetzt hat (Wilhelm a. a. O. 362). H. hat denn auch während der Herrschaft des Seleukos (187 bis Ende 176 oder Anfang 175 v. Chr.) die erste Stellung im Seleukidenreich erlangt, die des ὁ ἐπὶ τῶν πραγμάτων τεταγμένος (s. die Inschriften und II. Makk. 3, 7 [die Lesung einiger Codd. ὁ ἐπὶ τῶν χρημάτων, die wohl auch durch Daniel XI 20 bedingt sein dürfte, ist zu verwerfen – Synkell. Chronogr. 529, 7 (Bonn) ist als selbständige Tradition nicht anzusehen]. Appians Syr. 45 Bezeichnung des H. als τὶς τῶν περὶ τὴν αὐλήν ist ungenau), d. h. er ist eine Art von Reichskanzler geworden, eine Stellung anscheinend außergewöhnlicher Art in gewöhnlichen Zeitläuften (Corradi Saggi di stor. antic. e archeol. off. a G. Beloch 169ff.). Die δορυφόροι, von denen nach II. Makk. 3, 24 H. umgeben gewesen sein soll, könnte man übrigens als Zeichen seiner ganz besonderen Stellung anführen. Wie H. sie erlangt hat, ob nur infolge der Unbedeutendheit des Königs oder durch ein besonderes Ereignis, wissen wir nicht. Als Leiter des Staates scheint H. Interesse für die Hebung des syrischen Seehandels gezeigt zu haben (Dittenberger Syll. [or.] I 247); auch dürfte er sich für die Wissenschaft interessiert haben, da er allem Anschein nach die Berufung des Epikureers Philonides an den syrischen Hof wohl gegen Ende der Regierung des Seleukos bewirkt hat (Philodem, Philonides frg. 21 fasse ich anders als Crönert Österr. Jahresh. X 148 als Rest eines an H. gerichteten Empfehlungsschreibens irgend eines für den Philosophen interessierten Mannes; ein zwingender Grund gegen seine Ansetzung in die letzte Zeit des Seleukos liegt wohl nicht vor, vielmehr paßt gerade diese als die Zeit der Herrschaft des allmächtigen Günstlings sehr gut). Sonst scheint seine Kanzlerschaft dem Reiche keine positiven Erfolge gebracht zu haben. Etwa in die spätere Zeit des Seleukos fällt dann ein Zusammenstoß des H. mit den Juden. Die Erzählung über ihn II. Makk. 3, 4ff. ist natürlich ihrer Form nach legendär, sie aber deswegen mit Willrich Judaika 150ff. ganz zu verwerfen, ist unberechtigt, zumal ihr Kern durch Daniel XI 20 bestätigt wird. Es dürfte eben H. veranlaßt durch die große Finanznot des Seleukidenreiches versucht haben, in eigener Person (siehe hierzu ähnliche Handlungen Antiochos’ III. und V.) bei den Juden außergewöhnliche Kontributionen zu erheben; ob ein Versuch dabei unternommen wurde, auch den Tempelschatz zu Jerusalem zu berauben, [14] ist schon unsicher, jedenfalls scheint aber H. schließlich in ziemlichem Einvernehmen mit den Juden geschieden zu sein. Der Verdacht der Bestechung oder dergleichen liegt nahe, und möglicherweise ist damals der Grund zu einer Entfremdung zwischen H. und dem König gelegt worden. Jedenfalls hat sich H. schließlich gegen Seleukos erhoben und ihn heimtückisch ermordet (176/5 v. Chr.; Appian. Syr. 45. Daniel XI 20, wo Behrmanns Das Buch Daniel 75 Interpretation von לֹא בְאַפּיִם richtig ist). Ein zwingendes Motiv für diese Tat läßt sich nicht ermitteln; vielleicht ist es einfach Ehrgeiz gewesen, gepaart mit Besorgnis, die bevorstehende Rückkehr des Bruders des Königs, des Antiochos (V.), aus Rom in die Heimat könne seiner allmächtigen Stellung schaden. Daniel VII 8 könnte dann sogar die Annahme nahelegen, Antiochos Epiphanes habe H. zu der Tat angestiftet, aber hier dürfte wohl nur jüdischer subjektiver Glauben vorliegen. An Stelle des Ermordeten hat H. anscheinend den ältesten, aber auch noch jugendlichen Sohn desselben, Antiochos, zum Herrscher eingesetzt. Denn wie v. Gutschmid Kl. Schr. II 175ff. schon bemerkt hat, erklärt sich allein bei dieser Annahme befriedigend Daniels VII 7f. bekannte Angaben über die drei Hörner (drei Könige Syriens), die von einem anderen Horn (Antiochos Epiphanes) ausgerissen werden; bei dieser Kombination scheinen mir aber auch allein die Münzen mit dem Knabenkopf und der Aufschrift Βασιλέως Ἀντιόχου bei Babelon Rois de Syrie p. 43 nr. 325ff., welche von diesem einem ephemeren Sohne Seleukos’ III. zugewiesen werden, eine genügende Erklärung zu finden.[1] Lange hat dieser junge Antiochos freilich nicht regiert; denn nach Daniel VII 8 und Appian. Syr. 45 muß H. auch ihn sehr bald gestürzt haben, um selbst König zu werden. Der junge Antiochos ist jedoch nicht, wie sein Vater, von ihm beseitigt worden (Joan. Antioch. frg. 58 [FHG IV 558]. Diodor. XXX 7, 2); warum – vielleicht hat er sich geflüchtet –, das wissen wir nicht. Aber auch die Herrlichkeit H.s hat nicht lange gedauert; denn noch spätestens im Sommer 175 v. Chr. muß Antiochos Epiphanes zur Herrschaft gelangt sein. H. ist von diesem mit Hilfe der Pergamener, des Königs Eumenes II. und seines Bruders Attalos, gestürzt worden; sie haben den Antiochos im Kampfe gegen H. mit Geld und Truppen unterstützt, jedoch nicht selbst, was man Appian. Syr. 45 entnehmen müßte, den H. vertrieben (Dittenberger Syll. [or.] I 248, bes. Z. 15ff.). Über das weitere Geschick H.s wissen wir nichts Sicheres. Crönerts a. a. O. Vermutung, er sei vom Hofe später wieder in Gnaden aufgenommen worden, ist an sich wenig wahrscheinlich, und die von Crönert auf die Zeit nach Seleukos bezogenen Angaben Philodems können durchaus der vorhergehenden Periode angehören (zu Philodem, Philonides frg. 21 s. vorher; [15] frg. 28 ist ganz unbestimmt). Andererseits hat Crönert vielleicht recht, das Heliodorzitat bei Athen. II 45 c auf unsern H. zu beziehen, woraus sich ergeben würde, daß H. seinen Sturz überlebt (s. Appians ἐκβάλλουσι) und dann, wie so mancher andere gestürzte Staatsmann, in der Verbannung seine Memoiren geschrieben hat, die auch noch Ereignisse aus der Zeit des Antiochos V. Epiphanes behandelt hätten. Deißmann Bibelstudien 171ff. Bevan The house of Seleukus II 125ff. Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staaten III 91ff. 227.