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RE:Iulius 559

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Iulia Babilla Frau aus dem Gefolge des Kaisers Hadrian und seiner Gattin
Band X,1 (1918) S. 923925
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559) Iulia Balbilla. im Gefolge des Kaisers Hadrian und seiner Gemahlin während der ägyptischen Reise im November 130, nur bekannt durch die vier noch heut vorhandenen auf die [924] sog. Memnonsäule eingehauenen Epigramme im lesbischen Dialekt. Erste zuverlässige Ausgabe der Epigramme (Faksimile nach Abklatschen) bei Lepsius Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien Bd. XII Taf. 78 und 80, vorher nach Abschriften im CIG III nr. 4725ff. Diese legte zugrunde Kaibel in den Epigrammata Graeca nr. 988–992, dagegen fußt die Ausgabe von Puchstein in der Straßburger Dissertation 1880 ,Epigrammata graeca in Aegypto reperta‘ auf Lepsius. Nach Puchstein (mit Benützung der im Berliner Museum befindlichen Lepsiusschen Abklatsche) fast unveränderter Abdruck durch Hoffmann Die Griechischen Dialekte II 124 nr. 174–177. Die Verfasserin gibt im Gedicht B (= Kaibel nr. 991, Hoffmann nr. 175) Aufschluß über ihre Herkunft (s. Puchstein 24f.). Sie war die Tochter eines Balbillus, dessen Großvater mütterlicherseits ein König Antiochos war, wie sie mit Stolz betont. Die früher behauptete Identität mit einem ägyptischen Präfekten Balbillus unter Nero ist, wie Puchstein zeigt, unmöglich. Die am linken Fuß und Schenkel des Kolosses eingeritzten Gedichte, die Vorgänger schon aus der Zeit Domitians hatten, sind zum erstenmal durch Puchstein richtig geordnet, so daß 992, früher als Fragment betrachtet, mit 991 in eins zusammenzuziehen ist und den Anfang von diesem bildet (=175 Hoffmann). 990, 992 (+991). 989 (Hoffmann 174. 175. 176) bilden eine sichere Reihenfolge, bei Puchstein A, B, C, bei Lepsius auf Taf. 80 nr. 107 und 109. Jedes Gedicht trägt eine prosaische Überschrift mit der Angabe seines Anlasses. In A schildert Balbilla das Tönen des Memnon beim Sonnenaufgang bei der Behorchung durch den Monarchen selbst. Der ehrfurchtsvolle Stil dieses Gedichtes, das nur die offiziellen Tatsachen mitteilt, sticht merklich von dem des (mehrfach verstümmelten) Gedichtes B ab, das anläßlich der Behorchung durch die Kaiserin und Sabina verfaßt wurde, und mit historischen Kenntnissen (des Reiseführers?), von der Beschädigung des Memnon durch Kambyses, daneben auch vom Stammbaum der Verfasserin prunkt. Noch mehr verstümmelt ist C, das über einen, um einen Tag vorausliegenden, vergeblichen Versuch der Kaiserin und ihrer Freundin, dem Memnon Töne abzulauschen, berichtet, und dem widerspenstigen Koloß mit dem Zorn des Monarchen droht. Gedicht D (= 988 Kaibel, 177 Hoffmann. Lepsius Taf. 78) gibt einen abschließenden oder einleitenden Bericht über die Zeit der in den beiden letzten erwähnten Behorchungen = 24. Athyr (21. Nov.) des 15. Regierungsjahres Hadrians. Während die andern drei Epigramme auf dem linken Schenkel der Statue stehen, ist D auf dem linken Fuß eingemeißelt, und zwar von andrer Hand. Auch Sabina selbst hat einen kürzeren Bericht über die Behorchung in Prosa an einer andern Stelle anbringen lassen (= CIG III 4728. Lepsius Taf. 79).

Die Gedichte sind besonders bemerkenswert durch ihren lesbischen Dialekt, für dessen Verwendung in der Poesie dieser Zeit sie das einzige erhaltene Beispiel sind. Die übrigen Besucher der Memnonsäule aus der flavischen und Antoninenzeit, die sich auf dem Koloß verewigt haben, dichten im episch-elegischen Dialekt (Kaibel 987 [925] und 993–1014), nur Trebulla Caecilia in Tri-metern lOOlff. (bei ihr dieselbe Kambysesnotiz wie bei Balbilla). Demnach war die Verwendung des äolischen Dialekts eine Spezialität der Balbilla. Diese Liebhaberei erklärt sich vielleicht aus einer schon zur Zeit der Flavier auftauchenden Sucht gelehrter Frauen, entlegene Gebiete der Poesie zu kultivieren, wie wir es z. B. von Sulpicia, der Gattin des Calenus, durch Martial X 35 und 38 (hierzu die ,Satura‘ derselben Verfasserin auf Domitian) wissen, vgl. Friedländer Sittengeschichte I⁸ 502; eine bei ihm erwähnte griechische Ehreninschrift der Tauromenier auf Balbilla existiert nicht. Über den Dialekt der Gedichte, der auf gelehrtem Studium der lesbischen Dichtung und der diese erklärenden Grammatiker beruht, wie z. B. die Form γενέταις für γενέτης (Herodian, I 239, 1), die Schreibung Γ für Ϝ zeigen, wozu auch noch die Verwendung unäolischer, epischer Formen kommt, handelt Thumb Handbuch der gr. Dial. 251.

[Thiele. ]