RE:Flavius 77

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Domitianus, T. römischer Kaiser 81-96 n. Chr.
Band VI,2 (1909) S. 25412596
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77) T. Flavius Domitianus = Imperator Caesar Domitianus Augustus, römischer Kaiser vom 14. September 81 bis 18. September 96.

I. Quellen. a) Domitian schrieb, wie es scheint, selbst Capitolini caelestia carmina belli (Martial. V 5, 7), [2542] d. h. den von ihm erlebten Kampf um das Capitol im Dezember 69, ferner ein Gedicht über die Eroberung Jerusalems (Val. Flacc. Argon. I 12; vgl. Plin. n. h. praef. 5. Quintil. instit. X 1, 91. Stat. Achill. I 15. Sil. Ital. III 618ff.). Die Gedichte sind spurlos verschwunden. Zwei Briefe Domitians an Terentius Maximus bei Plin. ep. ad Traian. 58, ein zu Delphi gefundenes Fragment eines Briefes Bull. hell. VI 1882, 451.

b) Eine zeitgenössische Geschichtschreibung über Domitian liegt nicht vor; nach seinem Tode ist die Geschichtschreibung reaktionär und gehässig. Wichtig, aber verdächtig sind die gelegentlichen schmeichelhaften Zeugnisse der gleichzeitigen Schriftsteller Statius (Silvae, herausgegeben und erklärt von Friedrich Vollmer, Leipzig 1898) und Martialis (mit erkl. Anmerkungen von L. Friedländer, Leipzig 1886). Objektiver sind die Domitian betreffenden Stellen in den Strategemata des Genieoffiziers Frontinus. In entgegengesetzter Richtung als bei Statius und Martial sind verdächtig die absprechenden und verdächtigenden Urteile nach dem Tode Domitians, bei Iuvenal (IV. Satire), bei Plinius im Panegyricus (für Traian und Senat) und in seinen Briefen, auch bei Martial selbst, ebenso die Urteile des in seinem Schwiegervater Agricola persönlich gekränkten Tacitus in dessen Biographie. Die Domitians Regierungszeit behandelnden Bücher seiner Historien (hist. I 1; ann. XI 11), nach dem Tode des Princeps geschrieben (Gsell Domitien 341), sind verloren. Bei dem Ansehen des Tacitus hat sein herbes Urteil eingewirkt auf den erhaltenen Bericht des Cassius Dio: sein Urteil wurde noch verschärft durch die Zugehörigkeit zu der Domitian feindlichen Senatspartei und vielleicht die Verwandtschaft mit Cocceius Dio, einem Opfer Domitians. Dio liegt auch hier nur im Auszug des Xiphilinos vor (das LXVII. Buch, das für Domitian in Betracht kommt, ist im folgenden als ,Dio‘ zitiert) und in den Annalen des Zonares (XI 19). Er stimmt oft mit Sueton überein (Zusammenstellung Gsell 346f.), ohne daß er ihn benützt haben muß. Sueton, der seine Jugend unter Domitian verlebt hat (Nero 57; Domit. 12), gibt ein verhältnismäßig vollständiges und (als Mitglied des Ritterstandes) ein unbefangenes Bild; aus ihm ist am ehesten die psychologische Entwicklung Domitians und der Zusammenhang zwischen seinen Taten erkennbar. Eutrop. und Aurelius Victor haben neben Sueton nur ganz vereinzelt Besonderes.

c) Die Inschriften hat die damnatio memoriae nach Domitians Tode dezimiert; darum findet sich keine stadtrömische Inschrift außer CIL VI 932; in den Provinzen sind aber vielfach Inschriften erhalten (z. B. Dessau nr. 267–270; die Konstitutionen CIL III p. 855ff. 1960ff. = Dessau 1995ff.). Die Inschriften bis zur Thronbesteigung [2543] auch bei H. C. Newton The epigraphical evidence for the reigns of Vespasian and Titus, Ithaka, New-York 1901.

d) Münzen: Eckhel VI 367–398. Cohen I² 468–538 (hier nach Nummern zitiert). Die alexandrinischen Mionnet VI 87–104 nr. 372–525; Suppl. X 37–39 nr. 74–89. A. v. Sallet Daten d. alex. Kaisermünzen, Berlin 1870, 27; ferner die Münzkataloge vom British Museum und der Hunterian-Collection in Glasgow (s. u. S. 2626).

e) Neuere Darstellungen: T(illemont) Histoire des empereurs II, Paris 1691, 65-124. Ch. Merivale History of the Romans under the empire VII, London 1865, 315–416. V. Duruy Gesch. d. röm. Kaiserreichs, übers, v. G. Hertzberg II, Leipzig 1886, 157–205. H. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I, Gotha 1883, 520-538. G. Goyeau Chronologie de l’empire Romain, Paris 1891, 160–172. B. Niese Grundriß der röm. Gesch.³, München 1906, 203. H. Dessau Prosop. imp. Rom. II 67 nr. 176. L. v. Ranke Weltgesch. III 1, 256–260. E. Herzog Gesch. u. System d. röm. Staatsverfassg. II 1, Leipz. 1887, 301ff. J. Asbach Röm. Kaisertum und Verfassung, Köln 1896, 86–118; vgl. noch die allgemeinen Arbeiten über die Flavier unten S. 2626. A. Imhof T. Flavius Domitianus, Halle 1857. F. Pichlmayr T. Flavius Domitianus, Programm Amberg 1889. J. Ev. Kraus Zur Charakteristik des Kaisers Domitian, Programm Landshut 1876. Die ausführlichste Darstellung, auf die für alle Spezialfragen verwiesen sei: Stephane Gsell Essai sur le règne de l’empereur Domitien, Paris 1894. (Halberstadt Disputatio historicocritica de imp. Domitiani moribus et rebus, Amsterdam 1877 blieb mir unbekannt; nach Gsell 1 un panégyrique outré).

II. Leben vor der Thronbesteigung.

a) Name, Das Praenomen Domitians ist nicht ausdrücklich überliefert, war aber sicher Titus, denn T. Flavius nannte sich, wer von ihm das Bürgerrecht bekam (so T. Flavius Abascantus und T. Flavius Artemidorus, vgl. Dessau Prosop. II 62 nr. 136. 65 nr. 156. 67 nr. 176. Gsell 3, 1). Das Cognomen ist offenbar nach dem Namen seiner Mutter Domitilla gebildet (wie das Vespasians nach seiner Mutter Vespasia Polla).

b) Jugend (bis Ende 69). Domitian, der Sohn des T. Flavius Vespasianus und der Flavia Domitilla, wurde geboren am 24. Oktober (Suet. 1; vgl. IX K. Novembr. natal. Domitiani Aug. n. CIL X 444 = Dessau 3546) des Jahres 51 (denn er wurde am 18. September 96 im 45. Lebensjahre ermordet, Suet. 17. Dio 18), fast 12 Jahre nach seinem Bruder Titus (s. u. S. 2628), in dem Monat, bevor Vespasian sein erstes Consulat antrat (Suet. 1, s. u. S. 2628). Sein Geburtshaus, in der sechsten Region der Stadt, ad malum Punicum, ließ Domitian später in das Templum gentis Flaviae umwandeln. Seine Jugend fiel in eine Zeit, wo sein Vater, nach dem Proconsulat in Africa (um das J. 60, s. u. S. 2628f.), in zerrütteten Vermögensverhältnissen war (Suet. 1). Aus seiner Jugendgeschichte wird noch die böse Nachrede überliefert, daß ein gewisser Claudius Pollio zuweilen ein Billet Domitians aus jener Zeit vorgezeigt habe, worin jener ihm eine Nacht versprach; ebenso habe er mit dem späteren Kaiser [2544] Nerva in intimem Verkehr gestanden (Suet. 1). Das kann wahr sein und mag dann mit einer vernachlässigten Erziehung zusammenhängen: die Mutter (und seine einzige Schwester, Domitilla) verlor er früh (sicher vor 69, Suet. Vesp. 3; vgl. Stat. silv. I 1, 89. Quintil. inst. IV pr. 2), und als der Vater und der Bruder sich im J. 66 dem Jüdischen Krieg widmeten, war Domitian kaum 15 Jahre alt.

c) Domitian als Caesar. Als Vespasian am 1. Juli 69 zum Imperator ausgerufen war, wurden seine Söhne Caesares und Principes iuventutis genannt, von ihm (vgl. Eckhel VI 320. 367. Cohen Vespasien 52. 538–546) wie von seinen Anhängern (noch vor dem 22. September feiert man zu Apollonia am Rhyndakos [Δομιτιανὸ]ν Καίσαρα τὸν τοῦ Σεβαστοῦ υἱόν], s. Kubitschek Arch.-epigr. Mitt. XIII 91). Als die Flavische Armee in Italien eindrang, bei Cremona siegte und auf die Hauptstadt losmarschierte (s. u. S. 2638), verweilte Domitian dort. Die Flucht soll ihm und seinem Oheim Sabinus freigestanden haben. Antonius Primus ließ Vorbereitungen treffen, und Domitian hatte auch die Absicht, zu fliehen. Doch unterließ er es, weil er der ihm von Vitellius gegebenen Wache, die ihm helfen wollte, nicht traute. Zudem zeigte Vitellius keine schlimmen Absichten (Tac. hist. III 59). Dieser verlor alle Hoffnung und Energie, als ihm der Abfall seiner Legionen und Cohorten berichtet wurde: am 18. Dezember legte er im Tempel der Concordia die insignia imperii nieder (a. a. O. III 67). Die Anhänger des Vespasian sammelten sich jetzt um seinen Bruder, Flavius Sabinus: doch die Vitellianer, die die Abdankung rückgängig zu machen suchten, griffen ihn an. Er zog sich mit seinem Anhang auf das Capitol zurück und wurde dort umzingelt, aber so nachlässig, daß Sabinus in der Nacht vom 18./19. Dezember seine eigenen Kinder und seinen Neffen Domitian auf das Capitol rufen und den Flavischen Heerführern, die nahe bei Rom standen, von der Bedrängnis Nachricht geben konnte (a. a. O. III 69. Suet. 1, 2. Dio LXV 17. Joseph. bell. IV 646). Am Tage stürmten die Vitellianer das Capitol, das in Flammen aufging (Tac. hist. III 71). Während der zur Organisierung einer geordneten Verteidigung unfähige Sabinus durchs Schwert fiel, hatte sich Domitian schon bei Beginn des Ansturms beim Tempelverwalter verborgen. Ein Freigelassener hatte den klugen Einfall, ihn im Leinenkleid der Isispriester unter die Schar der sacricolae zu stecken. So gelang es Domitian am Morgen, unerkannt zu entkommen und sich so zu verstecken, daß seine Verfolger seine Spur verloren (mit einem Begleiter bei der Mutter eines Mitschülers, jenseits des Tibers: Suet. 1 2; bei Cornelius Primus, einem Klienten Vespasians, in der Nähe des Velabrum: Tac. hist. III 74; vgl. Dio LXV 17. Sil. Ital. III 609. Joseph. hell. IV 646; Domitians ,Waffentat’ feiern Stat. silv. I 1, 79; Theb. I 21. Martial. IX 101, 13; er schrieb selbst Capitolini caelestia carmina belli Martial. V 5, 7; über die Ehrung seines Verstecks s. u. S. 2590). Der noch von Sabinus herbeigerufene Antonius Primus erschien mit seinen Truppen in Rom (wahrscheinlich am 21. Dezember, s. u. S. 2640) und nahm die Stadt; Vitellius wurde niedergemacht. Nach dem Sieg kam Domitian [2545] zum Vorschein und begab sich zu den siegreichen Heerführern; er wurde als Caesar begrüßt und von einer großen Schar Soldaten in die väterliche Wohnung geleitet (Tac. hist. III 86. Suet. 1, 3); doch nahm er dann sogleich die Wohnung auf dem Palatin ein. Am folgenden Tage erkannte der Senat Vespasian als Princeps an (s. u. S. 2641) und designierte ihn und seinen Sohn Titus für das Consulat, Domitian für die Praetur mit dem imperium consulare (Tac. hist. IV 3. Suet. 1, 3. Dio 1). Möglicherweise noch an demselben Tage (s. u. S. 2641) rückte Mucian in Rom ein; er führte Domitian dem Volke vor als Herrscher bis zu Vespasians Ankunft (Joseph. bell. IV 654) und ließ ihn auch vor den Soldaten eine Rede halten (Dio LXV 22).

In der Senatssitzung vom 1. Januar 70 trat Domitian sein Amt als Praetor urbanus an. Er hielt decorus habitu und unter häufigem Erröten, das man für ein Zeichen von Bescheidenheit auslegte, eine kurze, maßvolle Rede, in der er von der Abwesenheit seines Vaters und Bruders und seinem eigenen jugendlichen Alter sprach. Dann beantragte er, die Ehrungen Galbas wiederherzustellen. Das Ansinnen, die commentarii principales dem Senat zu eröffnen, um die Angeber unter den früheren Principes festzustellen. lehnte er ab; darüber müsse Vespasian entscheiden (Tac. hist. IV 40). Auf Beruhigung der Gemüter und Vergessen des alten Haders drang er in der nächsten Senatssitzung (a. a. O. IV 44). Einige Tage später hielt er eine Ansprache an die von Vitellius entlassenen und für Vespasian geworbenen Praetorianer, die sich nicht mit Land abfinden lassen, sondern wieder ihren Dienst tun wollten (a. a. O. IV 46). Ferner wurden im Senat auf seinen Antrag die von Vitellius schon für 10 Jahre festgelegten Consulate umgestoßen (a. a. O. IV 47; vgl. III 55. Suet. Vitell. 11, 2). Bei all diesen Handlungen erscheint Domitian wie von Mucian vorgeschoben. In der Tat hatte dieser die Regierungsgewalt in den Händen. Zwar wurde Domitians Name vor die Edikte und Epistulae gesetzt; doch führte er seine Praetur nur dem Titel nach (vgl. die Münzen Cohen I 423f. nr. 3–6. 12; dazu Pick Ztschr. f. Numism. XIV 363f.); die Jurisdiktion überließ er seinem nächsten Amtsgenossen: seit Vitellius’ Sturz hatte er sich nicht um die Regierung gekümmert (Tac. hist. IV 2). Er lebte in einem Rausch des Machtgefühls. Aus sich selbst und auf Anraten von Freunden nahm er sich vieles heraus. Er tobte sich stupris et adulteriis aus (Tac. hist. IV 2. Dio I, 3): so entführte er dem L. Lamia Aemilianus die Domitia Longina und lebte zuerst unvermählt mit ihr, heiratete sie aber schließlich (Suet. 1, 3. Dio LXVI 3). Seine neue Prinzenstellung kostete er auch aus, indem er mit Ämtern und Ehren um sich warf. An einem Tag soll er mehr als zwanzig Officia vergeben haben, was Vespasianus zu der Bemerkung veranlaßte, er wundere sich, daß er nicht auch ihm einen Nachfolger schicke (Suet. 1,3. Tac. hist. IV 39; vgl. Agr. 7. Dio LXVI 2. Zonar. XI 17). Es waren nämlich Nachrichten über Domitians Mißbrauch der Gewalt und sein Gernegroßtun (er war a iuventa cum verbis tum rebus immodicus Suet. 12, 3; vgl. indomitae libidines Tac. hist. IV 68) bis zu Vespasian gedrungen. Er [2546] ließ sich zwar von Titus milde gegen den jüngeren Sohn stimmen, beschleunigte aber seine Rückkehr nach Italien (Tac. hist. IV 51f.). Vorher trieb noch der Ehrgeiz und die Eifersucht auf die Macht und das Ansehen des Titus den Domitian, gegen den Rat von Freunden seines Vaters in den gallisch-germanischen Krieg (s. u. S. 2645) einzugreifen (Suet. 2,1). Mucian hielt es zwar in einem kritischen Augenblick für erforderlich, selbst zum Kriegsschauplatz zu gehen; doch wollte er Domitian nicht in der Hauptstadt als Herrscher oder vielmehr unter dem Einfluß von seinen Gegnern und Domitians Günstlingen, Antonius Primus und Arrius Varus, zurücklassen: diesem hatte er schon die Stellung eines Praefectus praetorio zu Gunsten des ungefährlichen, Domitian verwandten und befreundeten Arretinus Clemens genommen; den Antonius Primus ließ er nicht einmal im Gefolge Domitians mitziehen (Tac. hist. IV 68. 80). Während Domitian sich mit feurigem Ungestüm zum Feldzug rüstete, traf Mucian die Vorbereitungen absichtlich bedächtig, weil er befürchtete, der junge Caesar könne, überschäumend und schlecht beraten, beim Heere Unheil stiften (Tac. hist. IV 68). Vor dem 21. Juni verließen Domitian und Mucian Rom (sie fehlen bei der Weihung des Bauplatzes des capitolinischen Tempels, Tac. hist. IV 53). Als sie schon in der Nähe der Alpen waren, bekamen sie Nachricht von den Erfolgen des Petilius Cerealis im Trevererlande; auch der gefangene Feldherr Valentinus wurde ihnen vorgeführt. Mucian ergriff die Gelegenheit, um dem Caesar vorzureden, es sei seiner unwürdig, jetzt noch, wo der Ruhm schon von Cerealis eingeheimst sei, am Rhein zu erscheinen. Obwohl Domitian Mucians Absichten durchschaute, willigte er ein, daß er zu Lugudunum vim fortunamque principatus e proximo ostentaret (Tac. hist. IV 85). Es scheint immerhin, daß sich einige Volksstämme auf die Nachricht von seinem Anrücken unterwarfen; von den Lingonen ist dies bezeugt (Frontin. strat. IV 3, 14; vgl. Sil. Ital. III 607. Martial. II 2, 4. VII 7, 3 und den Panegyricus Joseph. bell. VII 85ff.). Daß er, von Mucian nicht für voll angesehen, sich heimlich an Cerealis wandte mit der Frage, ob er ihm, wenn er zum Rhein komme, Heer und Imperium übergeben wolle, ist glaubhaft. Ob dieser Plan gegen das Imperium Vespasians gerichtet war oder nur ein Gleichgewicht gegenüber dem bevorzugten Bruder schaffen sollte, war schon für Tacitus dunkel. Jedenfalls nahm Cerealis ähnlich wie Mucian salubri temperamento den Plan nicht ernst. Verstimmt zog sich Domitian nun ganz von den Reichsgeschäften zurück (Tac. hist. IV 85f.). Er lebte jetzt wie später meist auf seiner albanischen Villa (Dio XVI 3, 9). Er erschien nach dem Feldzug anspruchslos und gemäßigt und legte Eifer für Wissenschaft und Dichtkunst an den Tag (Suet. 2, 2; vgl. Quintil. inst. X 1, 91f.): nach Tacitus nur eine Maske, um der Mißgunst des (mißverstandenen) Bruders zu entgehen (hist. IV 86). Ein anderer Bericht läßt ihn sogar Verrücktheit simulieren, um bei Vespasian der Verantwortung für seine Sprünge überhoben zu sein (Dio LXVI 9). Als Vespasian Sommer 70 (s. u. S. 2647f.) nach Italien kam, merkte man die Spannung zwischen Vater und Sohn daran, daß Mucian und [2547] andere Vornehme jenem bis Brundisium, Domitian aber nur bis Benevent entgegenkamen. Vespasian demütigte ihn (Dio LXVI 9. 10) und tadelte ihn wegen des Zuges nach Gallien; er sollte von jetzt an bei ihm wohnen, damit sein Betragen sich seinem Stand und Alter anpasse (Suet. 2, 1),

Immerhin wurden Domitian unter Vespasians Regierung eine Reihe von außerordentlichen Ehrungen zuteil, offenbar mit Rücksicht auf die Möglichkeit, daß er einmal Princeps würde (vgl. Suet. Vesp. 25). Er wird oft als drittes Glied des Herrscherhauses neben Vater und Bruder genannt (auf Münzen; Cohen I Vespasien 46ff. u. ö.; bes. 423ff.; auf Inschriften: z. B. CIL 932 = Dessau 246 = Newton 28. CIL III 11 194ff. = Newton 106. CIL III 6052 = Newton 29. CIL VIII 10 116 = Newton 140). Aber von Regierungsgeschäften wurde er im allgemeinen ferngehalten. Nur von Vespasians Botschaften an den Senat wird berichtet, daß sie auch von Domitian dort vorgetragen wurden (Dio LXVI 9). Die andern Ehrungen, die er empfing, gehen offenbar nicht über das hinaus, was man als unumgänglich für den Sohn des Vespasian und den Bruder des Titus betrachtete.

Domitian hat wie den Titel Caesar, so auch den Titel princeps iuventutis schon auf Gold- und Silbermünzen Vespasians, die wahrscheinlich noch aus dem J. 69 stammen (Cohen Vespasien 538–546), dann auf Kupfermünzen vom J. 70 (Cohen Vesp. 534f.; zu 394f. vgl Pick Ztschr. f. Numism. XIV 359); endlich auf eigenen Münzen (die frühesten Cohen 374 vom J. 75 [Gold], 375 vom J. 75 [Silber], 400 vom J. 73 [Bronze]); ebenso auf Inschriften (CIL VI 932 = Dessau 246 = Newton 28, zweite Hälfte des J. 72. CIL IX 4955 = Dessau 267 = Newton 221 [vom J. 73?]. CIL III 318 = Dessau 263 = Newton 146, aus der zweiten Jahreshälfte 80 oder der ersten von 81, ferner CIL XI 1172 = Newton 222). Wie Titus wurde er sacerdos collegiorum omnium (CIL IX 4955 = Dessau 267 = Newton 221; nicht vor 72 gesetzt); deshalb erscheint er im Arvalcollegium (CIL VI 3054 [vom J. 75]. 2057 = Newton 153–157) und ist pontifex (CIL VIII 10116 = Newton 140) und aug(ur) (auf den ephesischen Münzen Cohen 38. 336). Er bekam, wie Titus, das Münzrecht; die frühesten Bronzemünzen sind vom J. 72 (Cohen 404. 476. 533. 616. 635f.), die frühesten Silber- und Goldmünzen aus Domitians zweitem Consulat im J. 73 74 (Cohen 44 ist verdächtig, s. Anm. bei Cohen und Pick Ztschr. f. Numism. XIV 371), und zwar wahrscheinlich aus dem J. 74, da 73 Titus das Recht, wie es scheint, noch nicht hat (s. u. S. 2714) und Domitian es gewiß kaum früher als er bekam (vgl. Chambalu De mag. Flav. 12. Gsell 16, 2. 3). Ferner durfte er den Lorbeerkranz tragen (vgl. die Münzbeschreibungen bei Cohen. Pick Ztschr. f. Numism. XIII 356ff.).

Vor seiner Thronbesteigung bekleidete er sechs Consulate (Suet. 2, 1; vgl. Chambalu De magistratibus Flaviorum 10ff.; Philol. XLIV 106ff. und dazu Schiller Jahresber. XLVIII [1886] 272ff. Pick Zeitschr. f. Numism. XIII 856ff. Asbach Bonn. Jahrb. LXXLX 110ff. 131ff. Gsell 17ff., (ferner u. S. 2649ff. bei den einzelnen [2548] Jahren Vespasians). Als designiert erscheint Domitian zuerst auf einer allerdings unsicheren Münze, die auch Vespasian cos. II d(esign.) III nennt (Cohen Vesp. Tite Dom. 13; vgl. Sallet Ztschr. f. Numism. V 248. Pick ebd. XIV 364). So wurde Domitian im J. 71, erst 19 Jahre alt, zum erstenmal Consul und zwar, nachdem die ordinarii, Vespasian und M. Cocceius Nerva, abgetreten waren, suffectus, vom 1. März bis 30. Juni sein Kollege war zwei Monate lang Cn. Pedius Cascus, dann Calpetanus 2C. Calpetanus Rantius Quirinalis Valerius Festus (s. u. S. 2649) und CIL VI 201 & = Newton 169. IG XIV 750 = CIG III 5838- Newton 291). Als Consul ritt Domitian bei dem großen Triumph über die Juden auf einem Schimmel neben Vespasian und Titus einher (Suet. 2, 1. Joseph. bell. VII 152. Zonar. XI 17). Sonst erschienen Vespasian und Titus öffentlich in einer sella, während Domitian in einer lectica folgte (Suet. a. a. O.). Im Jahre 71 und zwar auf Münzen, die wahrscheinlich zwischen 1. März und 30. Juni geschlagen sind, also seit den Frühjahrscomitien, erscheint Domitian auch als consul designatus iterum (Cohen Vesp. 46-51. 204. 536; s. u. S. 2649). Da nun Vespasian sicher im Frühjahr und Titus spätestens im Herbst zu Ordinarii des folgenden Jahres designiert waren (s. u. S. 2649 und 2713), so kann es sich nur um ein suffiziertes Consulat handeln. Domitian trat aber in der Tat ein ordentliches Consulat an, jedoch erst am 1. Januar 73, 21 Jahre alt (s. u. S. 2655). Von dem einen ordentlichen Consulat des Caesar Domitian sagt nun Sueton ausdrücklich, er habe es geführt cedente et suffragante fratre (2, 1). Das gibt wirklich die einzig mögliche Erklärung der Designation seit 71. Der Verzicht des Titus, dessen Gründe dunkel sind, kann nur zur Zeit der Frühjahrscomitien 72, ehe noch Domitian Consul suffectus war, stattgefunden haben; hierauf verzichtete Domitian auf das ursprünglich ihm zugedachte Consulat von 72 und war noch in diesem ganzen Jahre Consul designatus (Cohen Vesp. 537; Titus 26 [vgl. Pick Ztschr. f. Numism. XIV 365]. 27–29. CIL VI 932 = Dessau 246 = Newton 28 [aus der zweiten Jahreshälfte]; anders Chambalu Philol. XLIV 106ff. F. J. Hoffmann Quomodo quando Titus imperator factus sit 45f. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 131; dagegen Pick Ztschr. f. Numism. XIII 360ff. Gsell 19. Schiller Jahresber. XLVIII 1886, 272ff. LII 1887, 25ff.). Genannt wird Domitian in diesem Jahre neben Vespasian und Titus auf der Bauinschrift des Carnunter Lagers (CIL III 11 194ff. = Newton 106).

Dann war Domitian wieder Consul (III) suffectus im J. 75 (im J. 74 war er noch cos. II; vgl. Chambalu De mag. Flav. 11ff.) und wurde wahrscheinlich in den Frühjahrscomitien zu einem weiteren Consulate designiert; denn auf einer Inschrift aus der Nähe von Tiflis heißt er in der zweiten Jahreshälfte ὕπατος τὸ [γ’], ἀποδεδειγμένος τὸ δ’, (CIL III 6052 = Newton 29 = Dessau 8795; vgl. Chambalu Philol. XLVIII 766). Also war er Consul suffectus im J. 76: cos. IIII nennen ihn zwei afrikanische Inschriften aus dem ersten Halbjahr zusammen mit Vespasian und Titus; da diese nicht als designierte Consuln bezeichnet werden, sind die Inschriften und das Consulat des Domitian [2549] wahrscheinlich vor den Frühjahrscomitien anzusetzen (CIL VIII 10 116. 10 119 = Newton 140. 139; vgl. Chambalu De mag. Flav. 13).

In einem dieser Jahre (s. u. S. 2666) bemühte er sich vergebens, seine erzwungene Muße durch kriegerische Tätigkeit zu unterbrechen: als der Partherkönig Vologesos Vespasian um Hilfstruppen gegen die Alanen unter dem Kommando eines Prinzen bat, wollte Domitian dieser Prinz sein. Als Vespasian das Gesuch des Vologesos wie des Sohnes ablehnte, bemühte sich dieser, andere Fürsten des Ostens durch Versprechen und Geschenke zu ähnlichen Gesuchen an den Princeps zu bestimmen (Suet. 2, 1. Dio LXVI 15).

Consul V war Domitian im J. 77: Ordinarii waren Vespasian und Titus. Domitian trat bald, wahrscheinlich an den Iden des Januar, an die Stelle des Titus, denn er war noch neben Vespasian Consul und wird geradezu neben diesem wie der zweite Consul ordinarius genannt (vom Chronogr. v. 354 [Chron. min. ed. Mommsen] und auf den griechischen Marmorblöcken, Ann. d. Inst. 1870, 106ff.: vgl. u. S. 2669. Chambalu De mag. Flav. 11; Philol. XLIV 109ff. und Gsell 21, 3; vgl. Chambalu De mag. Flav. 11f.). 78 war niemand aus der Herrscherfamilie Consul. Auf einer Inschrift aus der ersten Jahreshälfte ist Domitian noch cos. V und zugleich desig[natus] VI (CIL III 6993 = Dessau 253 = Newton 145). Da er schwerlich das sechste Consulat noch im Laufe von 78, nachdem Private als Ordinarii fungiert hatten, ausübte, so war er also im J. 79, als Vespasian und Titus, die Consules ordinarii, zurückgetreten waren, consul (suffectus) VI, und höchst wahrscheinlich noch vor Vespasians Tod (23. Juni) cos. des. VII (Inschr. von Gordium bei Perrot Explor. arch. de la Galatie 209, vgl. Pick Ztschr. f. Num. XIII 360, 1. 365, 4. Gsell 22, 2).

Beim Tode Vespasians erwartete Domitian offenbar, particeps imperii zu werden. Er soll auch den Gedanken gehabt haben, die Soldaten durch doppeltes donativum zu gewinnen. Das imperium bekam er aber nicht; doch erklärte Titus ihn vom ersten Tag seiner Regierung an als consors und successor (Suet. 2, 3; Titus 9, 3. Aur. Vict. epit. 10). Domitian soll den Bruder öfters der Unterschlagung des Testaments, das ihn zum Mitregenten bestimmt habe, beschuldigt und heimlich und offen gegen ihn gearbeitet haben: er habe, heißt es, mit den Heeren konspiriert und sei schon zur Flucht bereit gewesen (Suet. 2, 3; Tit. 9, 3. Dio LXVI 26). Domitian war gegen Titus argwöhnisch (daher Iulius Bassus Titum timuit ut Domitiani amicus Plin. ep. IV 9, 2, vgl. Dessau Prosop. II 171 nr. 134). Doch gab sich Titus nachsichtig und weich gegen ihn (Suet. Tit. 9, 3). Er war sogar bereit, ihm seine Tochter Iulia zur Frau zu geben: Domitian schlug sie der Domitia wegen aus, doch verführte er sie noch zu Titus’ Lebzeiten, obschon sie inzwischen seinen Vetter T. Flavius Sabinus geheiratet hatte (Suet. 22; vgl. Philostrat. vit. Apoll. VII 7. Dessau Prosopogr. II 82 nr. 281; 74 nr. 234). Man erzählte sich auch, daß Titus mit Domitians Gemahlin verkehrt habe; doch diese leugnete das unter Eid (Suet. Tit. 10, 2). Die Ehren des Domitian verringerte Titus nicht: [2550] Domitian erscheint als Divi filius, als consul und princeps iuventutis (CIL III 318 = Newton 146). Consul wurde er zum achten Male am 1. Januar 80 an der Seite des Bruders, der sein siebentes Consulat antrat (s. u. S. 2719). Die Vota der Arvalbrüder wurden am 3. Januar 81 auch für ihn ausgesprochen (CIL VI 2059 = Dessau 5033 = Newton 159). Im J. 81 war das Consulat Privaten überlassen (s. u. S. 2721). Von einer Designation des Domitian für das J. 82 ist nichts bekannt (vgl. Pick Ztschr. f. Numism. XIII 383). Den Tod des Titus durch Gift veranlaßt oder doch den Tod seines schwerkranken Bruders absichtlich beschleunigt zu haben, gab man ihm Schuld: doch starb Titus in der Tat am Fieber (s. u. S. 2722). Domitian verließ den sterbenden Bruder (13. September 81, s. u. S. 2722), um nach Rom ins Praetorianerlager zu reiten und sich dort als Imperator begrüßen zu lassen; den Truppen gab er ein gleiches Donativum wie sie von Titus bekommen hatten (Dio LXVI 26).

III. Regierung. a) Name und Titel. Der volle Name lautet z. B. auf der lex vom 19. September 82: Imp(erator) Caesar divi Vespasiani f(ilius) Domitianus, Augustus, pontifex maximus, tribunic(ia) potestat(e) II, imp(erator) II, p(ater) p(atriae), co(n)sul VIII, designat(us) VIIII; dazu tritt später (z. B. CIL II 4721 = Dessau 269) Germanicus hinter Augustus, censoria potestate und censor perpetuus hinter das Consulat. Die gebräuchliche Reihenfolge der Namen ist: Imperator Caesar Domitianus Augustus. Daneben kommt häufig Imp. Dom. Caes. Aug. vor. Die Auslassung von Caesar oder gar Domitianus (CIL VI 541) ist selten (s. CIL Indices, Cohen, Mionnet und die englischen Münzkataloge. Frontin. strat. I 1, 8. 3, 10. II 3, 23. 11, 7. Martial. VIII prooem. Titelzusammenstellung bei Gsell 44, 3). Dazu tritt der Beiname Germanicus vor September 84, vielleicht schon Ende 83 (s. S. 2559; daher einfach Germanicus Caesar genannt CIL VI 8500 = XI 1753 = Dessau 1490, nach O. Hirschfeld; über die Beinamen Dacicus s. S. 2572, Sarmaticus s. S. 2576).

Die Imperatorakklamationen beginnen mit dem dies imperii und steigen bis auf 22 (Chambalu De mag. Flav. 25ff.; s. bei den einzelnen Jahren); drei (oder vier) Akklamationen waren mit einem Triumph verbunden (s. z. J. 83/84 δ, 85/87 β, 89 θ).

Domitian war als Princeps Consul VIII-XVII, nämlich im J. 82–88, 90, 92, 95, eine Zahl, wie sie kein früherer Kaiser erreichte (Suet, 13, 3). Im J. 84 ließ er sich zum Consul auf zehn Jahre machen, ohne dies aber durchzuführen (s. z. J. 84 δ; 89 δ). Deshalb werden Designationen nur bis zum J. 83 einschließlich erwähnt (Mommsen St.-R. II 1043, 3). Die Tendenz dieser häufigen Eponymie (oft wird er auf Inschriften nur Consul genannt, s. Gsell 43) ist offenbar monarchisch: in der Tat waren diese kurzfristigen Consulate dem Princeps nicht mehr als eine Dekoration (omnes autem paene titulo tenus gessit nec quemquam ultra Kal. Mai., plerosque ad Idus usque Ianuarias Suet. 13, 3; vgl. Plin. pan. 65. Auson. gratiar. act. 6, 27).

Domitian bekam, wahrscheinlich zugleich mit [2551] der zehnjährigen Designation zum Consul (Herzog Staatsverf. II 301) die Censorengewalt, die er bald darauf ständig und ohne Kollegen ausüben sollte (s. z. J. 85 ε). Die Benennung (erst censoria potestate, dann censor perpetuus) steht meist hinter, seltener vor dem Consulat (über die Bezeichnungen dominus, rex, deus usw. s. u. S. 2582).

Als Imperator begrüßten ihn die Praetorianercohorten am Todestag des Titus (13. September 81), das imperium, den Augustustitel und die tribunicia potestas gab ihm der Senat offenbar am 14. September 81, der also wohl als dies imperii zu betrachten ist; die Comitia tribunicia fanden am 30. September statt (s. b. J. 81 a). Den Oberpontificat und den Titel pater patriae bekam er etwas später, jedenfalls noch im Spätherbst 81 (s. d.). Dieser Titel steht nur auf einigen Inschriften und Münzen aus der ersten Regierungszeit vor dem Consulat, sonst am Ende der Titelreihe (vgl. Gsell 44, 3).

b) Die einzelnen Regierungsjahre. 81: pontifex maximus tribunicia potestate imperator I–II p(ater) p(atriae) cos. VII design. VIII.

α) Nachdem Titus am 13. September 81 gestorben und Domitian noch an demselben Tage von den Praetorianern als imperator begrüßt war, begann Domitians Regierung am 14. September (denn er starb am 18. September 96 [Suet. 17, 3] nach einer Regierung von 15 Jahren 5 Tagen [Dio 18]): denn an diesem Tage (vgl. Chambalu De mag. Flav. 10) trat der Senat priusquam edicto convocaretur, obseratis adhuc foribus zu einem Trauerakte für Titus zusammen (Suet. Tit. 11) und übertrug Domitian das imperium und den Titel Augustus (das Collegium der Arvalbrüder opferte XV[III Kal. Octobr.] in Capitolio ob imperium Caes[ari]s divi f. Domitiani Aug.: CIL VI 2060. Henzen S. 64) sowie die tribunicia potestas (am 19. September 82 ist Domitian schon tribunic[ia] potestat[e] II: CIL III p. 1960 = Dessau 1995); diese fand am 30. September die Bestätigung durch die Comitien (die Arvalbrüder feierten K. Oct. in Capitoli[o ob co]mitia tribunicia Caesaris Divi f. Dom[itia]ni Aug., wie sie auch am 1. Oktober vota darbrachten pro salute et incolumitate des Domitian: CIL VI 2060, vgl. Mommsen St.-R. II 815).

ß) Die Designation zum Consul VIII geschah erst nach Antritt seiner Regierung (Cohen 54–63. 370–372. 555–579; vgl. 33. 172. 344. 409. 551–554; wahrscheinlich an Stelle eines schon früher Designierten, Plin. pan. 57. Chambalu De mag. Flav. 18, 2). Pontifex maximus wurde Domitian jedenfalls noch 81, doch nicht sofort nach dem Regierungsantritt; denn einige Münzen nennen ihn noch nach der Designation zum Consul VIII einfach pontifex (Cohen 56–59. 370–372. 565); einige nennen allerdings selbst den Pontificat nicht (Cohen 172, noch ohne Aug. cos. des. VIII p. p.; 551–554. 631 ohne cos. des. VIII p. p.; 579 mit cos. VII des. VIII p. p.), wogegen weniger in Betracht kommt, daß p. m. ohne die achte Consulatsdesignation vorkommt (Cohen 33. 344. 409; vgl. auch Chambalu De mag. Flav. 21). Auch der Titel pater patriae fehlt noch auf ein paar Münzen des Jahres [2552] (Cohen 54f. mit p. m. cos. VII des. VIII, 56 mit pont. cos. VII des. VIII, 172 ohne Aug. p. m. cos. des. VIII, 551–554 ohne p. m. cos. des. VIII, 631 ohne imp. p. m. cos. des. VIII), doch kann Domitian ihn schon am dies imperii bekommen haben (vgl. die Anspielung Plin. pan. 21).

Domitians Gemahlin Domitia führt den Titel Augusta in den Arvalakten seit 1. Oktober 81 (CIL VI 2060); sie hat ihn also gleich beim Regierungsantritt bekommen (Euseb. chron. p. 160f. Schoene z. J. Abr. 2097; vgl. die verstümmelte Stelle Suet. 3, 1).

γ) In einem Edikt bestätigte Domitian die von Vespasian und Titus und den früheren Kaisern verliehenen Privilegien (Dio 2; vgl. aber Herzog I 301, 3). Die Konsekration des Titus nahm er bald vor (Dio 2. Suet. 2, 3; wahrscheinlich noch im September, vgl. Euseb. chron. a. a. O.; allerdings findet sich die Benennung Divus nicht in den Arvalakten vom 1. Oktober CIL VI 2060); ferner hielt er eine Trauerrede auf ihn, bei der er sich unter Tränen in Lob erging (Dio 2). Die Erbauung des berühmten Titusbogens auf der Velia, an dem der Triumph des Titus über die Juden und seine Apotheose dargestellt ist, den der senatus populusque Romanus Divo Tito weihte (s. u. S. 2706), wurde wahrscheinlich gleichzeitig beschlossen. Von diesen konventionellen Handlungen abgesehen (die Apotheose des Titus schrieb man in Senatskreisen sogar der Überhebung und Selbstsucht des Kaisers zu, Plin. pan. 11), trat (wie es scheint, sogleich, doch fehlen sichere Zeitpunkte) eine Reaktion gegen Vespasians und Titus’ Regierung ein. Die Freunde seines Vaters und Bruders behandelte er geringschätzig und hart. Sein Wort, daß ein Fürst, der nicht viel strafe, kein guter, sondern nur ein glücklicher Regent sei, zeigt einen absichtlichen Gegensatz gegen Titus’ passives Verhalten und den Willen zu tätiger Regierung und entschiedener Haltung gegenüber den Senatoren: der Senat suchte mehrfach, zuerst wohl beim Regierungsantritt, vergebens den Gesetzantrag durchzubringen, wonach der Princeps keinen aus dem Senatorenstande mit dem Tod bestrafen dürfe (Mommsen St.-R. II³ 961): mit der Ablehnung dieses Antrags brach Domitian grundsätzlich mit der unter Titus herrschenden Gewöhnung (Dio 2). Daß Domitian sogar Gehässigkeit gegen das Andenken von Vespasian und Titus zeigte (saepe etiam carpsit [sc. Titum] obliquis orationibus et edictis Suet. 2, 3; die Lobrede des Domitian auf seinen Bruder wird für Heuchelei gehalten: Dio 2), ist bei den schon früher hervorgetretenen Differenzen glaublich, obwohl nicht entschieden werden kann, was in diesen Zügen von senatorischer Seite etwa aufgebauscht oder mißdeutet oder auch erdichtet wurde. Auch daß Domitian die circensischen Spiele, die man an Titus’ Geburtstage zu feiern pflegte, aufhob, deutete man als Mißachtung des vorigen Princeps, ebenso das Verbot der Entmannung als eine Verhöhnung des toten Titus, da dieser für die Eunuchen Neigung besaß (Dio 2; der Zusammenhang bei Dio macht wahrscheinlich, daß dies Verbot ganz in den Anfang der Regierung Domitians zu setzen ist und Euseb. chron. es richtig ins J. Abr. 2098 = 1. Okt. 81 bis 30. Sept. 82 verlegt; zum Verbot, das die castratio und die θλῖψις umfaßte [2553] und den Preis der bei den Händlern noch vorhandenen Eunuchen herabsetzte, vgl. Suet. 7, 1. Stat. silv. III 4, 65ff. IV 3, 13, dazu Vollmer 426. 453. Martial. II 60. VI 2. Ammian. Marc. XVIII 4, 5. Philostr. vit. Apoll. VI 42; Gsell 84, 3). Vom Anfang seiner Regierung weiß eine ihm wenig freundliche Nachrede zu erzählen, daß er täglich eine Stunde lang Fliegen aufspießte (Suet. 3, 1), eine Geschichte, die auch von ihm als untätigem Reichsverweser erzählt wurde (Dio LXVI 9; vgl. u. S. 2594). Sicher ging er mit Eifer an die Verwaltung, mixtura aequabili vitiorum atque virtutum, donec virtutes quoque in vitia deflexit (wie Suetons Urteil 3, 2 lautet; vgl. Aurel. Vict. Caes. 11, 3; Epit. 11. Eutrop. 23). Diese in der ersten Zeit also noch nicht vorherrschenden vitia sind cupiditas und saevitia (vgl. Suet. Vesp. 1); doch gerade Sueton deutet an, daß diese vitia durch die Schwierigkeiten der inneren Regierung hervorgerufen waren, durch die Finanznot und den Kampf mit der senatorischen Opposition (quantum coniectare licet, super ingenii naturam inopia rapax, metu saevus Suet. 2, 2).

Bezüglich der äußeren Angelegenheiten weist die noch in das Jahr fallende zweite Imperatorenakklamation (Cohen I² 520, 1 [?]) am ehesten auf Agricolas Tätigkeit in Britannien; dieser sicherte, wie es scheint, in diesem Jahre das Land bis zur Landenge zwischen Clyde und Forth durch Kastelle (Tac. Agr. 23).

82: pont. max. trib. pot. (vom 14. Sept. an II) imp. II (III ? p. p. cos, VIII desig. VIIII.

α) Erstes Consulpaar des Jahres: Domitianus VIII und T. Flavius Sabinus (CIL VI 3828 = Dessau 6105. CIL VI 20; weiteres bei Asbach, der wohl mit Recht zweimonatliche Dauer der Consulate vermutet, Bonn. Jahrb. LXXI 117. 134). Das Consulat und die Designation zum folgenden ist noch bezeugt auf Münzen (Cohen 581ff. 607ff.) und Inschriften (CIL II 862. III 4176. 4177 und p. 1960. IX 5420). Von einzelnen Ereignissen, mit verschiedener Wahrscheinlichkeit diesem Jahre zuzuweisen, sind folgende bekannt.

β) Für das J. 82 bezeugt eine in Asien geschlagene Münze mit der Aufschrift: Capit(olium) restit(utum) (Cohen 23) die Vollendung des 80 wieder abgebrannten Tempels des Iuppiter auf dem Capitol, dessen vierten Wiederaufbau Titus begonnen hatte (s. u. S. 2719), vgl. Dio 24. Suet. 8. Martial. IX 1, 5. 3, 7. XIII 74, 2. Stat. silv. I 6, 102. III 4, 105. IV 1, 20. 3, 16. 160. Sil. Ital. III 623. [Lactant.] de mort. persecut. 3). Der ursprüngliche Tempelgrundriß erlitt keine Veränderung; es war wieder, wie der im J. 70 errichtete (s. u. S. 2648f.), ein korinthischer Hexastylos, doch war der von Domitian verwandte Tempelschmuck außerordentlich (Plutarch. Public. 15). Über Nachbildungen (auf Münzen Domitians: Cohen 23, 85–90; vgl. Abb. bei E. Rodocanachi Le Capitole Romain, Paris 1904 XXXIV; auf drei Basreliefs: eins in Rom, Konservatorenpalast Mon. d. Inst. V 36; eins im Louvre Clarac Musée de Sculpt. II Taf. 101, 300; eins in Zeichnungen erhalten; vgl. Schultze Arch. Ztg. 1872, 57) und Reste s. Gsell 92f. Jordan Topogr. I 2, 29. 88f. 96f. Richter Topogr.² 126, 2. Rodocanachi a. a. O. [2554]

γ) Domitian entschied einen Streitfall, der die Subseciva betraf (vgl. S. 2686). Das Urteil, auf einer zu Fallerone (Falerio in Picenum) gefundenen Bronzetafel bewahrt, ist datiert vom 19. Juli des J. 82. Ein Teil der von Augustus nach der Schlacht bei Actium zur Koloniegründung nach Falerio gewiesenen Veteranen wurde im nahen Firmium angesiedelt; die Firmianer bekamen subseciva, die später in die Hände von Erben jener Kolonisten kamen. Als nun die Firmianer die Stücke wieder für sich beanspruchten, stellte Domitian fest, daß Augustus ihnen den Verkauf der Stücke angeraten und diese zu Recht in die Hände ihrer jetzigen Besitzer gekommen seien (CIL IX 5420 und p. 519. Gsell 133).

δ) Aus den Provinzen ist bekannt zunächst eine für die Zeit zwischen den Frühjahrscomitien und dem 14. September des Jahres bezeugte bedeutende Herstellung von Straßen: per A. Caesennium Gallum leg. pr. pr. vias provinciarum Galatiae Cappadociae Ponti Pisidiae Paphlagoniae Lycaoniae Armeniae Minoris stravit (aus Ancyra, CIL, III 312 vgl. p. 975 = Dessau 268). Eine Konstitution vom 19. September (CIL III p. 1960 = Dessau 1995) bezeugt die Verleihung der Civität an Veteranen von Alen und Cohorten des moesischen Heeres und ihre Entlassung. In Britannien unternahm Agricola den fünften Feldzug, über den von Tacitus nur mit wenigen unbestimmten Wendungen berichtet wird: nave prima (?) transgressus habe er bis dahin unbekannte Stämme unterworfen und die Irland gegenüberliegende Küste mit Truppen belegt; aus dem weiteren Bericht läßt sich schließen, daß dies die Vorbereitung der Eroberung Irlands sein sollte (Tac. Agr. 24). Ein Beispiel der Fixierung des Verfassungszustandes der spanischen Gemeinden, denen Vespasian das ius Latii verliehen, hatte (vgl. S. 2659), sind die auf mehreren 1851 gefundenen Bronzetafeln zum Teil erhaltenen Stadtrechte der municipia Flavium Malacitanum (Malaga) und Flavium Salpensanum (Salpensa); erlassen ist die Konstitution frühestens 82 (denn vorhergehende Erlasse Domitians werden erwähnt im Gesetz von Malaga 22f.) und vor September 84 (denn Domitian nennt sich noch nicht Germanicus, s. beim J. 84 δ). Die lex sieht die Selbstregierung und -kontrolle der Gemeinden ohne Eingreifen auch nur der Provinzbehörden vor. Der Text bei Mommsen Abh. Sächs. Ges. d. Wissensch. II 398ff. CIL II 1963f. = Dessau 6088f. Bruns Fontes iur. Rom.5 136ff.; vgl. Gsell 143f. Liebenam Städteverwaltung 209. Krüger Gesch. d. Quellen u. Lit. d. Röm. Rechts 229. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 625. H. Dessau Wiener Studien XXIV 1902, 240ff.

83: p. m. trib. pot. II (vom 14. September an III) imp. III–V p. p. cos. VIIII design. X.

84: p. m. trib. pot. III (vom 14. September an IIII) imp. V–VII p. p. cos. X (censoria potestate am Ende des Jahres?).

α) Am 1. Januar 83 trat Domitian sein 9. Consulat an mit Q. Petillius Rafas, der so zum zweitenmal Consul wurde (CIG II 3173 B. Bruzza Ann. d. Inst. 1870, 184 nr. 193. Phleg. mirab. 24). Abgelöst wurde er am 1. März von Vibius Crispus cos. II und A. Fabricius Veiento cos. III (s. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 118. 135. [2555] Mommsen Westd. Korresp. XII 1893, 64. Gsell 58, 7). Am 1. Januar 84 wurde Domitian cos. X mit C. Oppius Sabinus (Bruzza a. a. O. nr. 194; Fasti s. Asbach a. a. O. 119). Während Domitian noch im J. 83 als cos. des. X erscheint (am 9. Juni, CIL III p. 1962. VI 449 = Dessau 3617. Cohen 601ff.), wird danach keine Designation mehr erwähnt; das hängt zusammen mit der Annahme des Consulats auf zehn Jahre (s. unter δ). Es ist möglich, daß Domitian schon Ende 84 die censoria potestas annahm (s. darüber beim J. 85 a).

β) Einige Äußerungen von Domitians strengem Regiment werden durch Eusebius in das J. Abr. 2099 = Oktober 82 bis September 83 gelegt, womit übereinstimmt, daß Dio (3) sie vor dem Chattenkrieg erwähnt. Die gleich beim Regierungsantritt dem Senat gegenüber angenommene überlegene Haltung scheint bald zu Konflikten geführt zu haben (vgl. z. J. 81 γ und u. S. 2584). Viele Senatoren verbannte er, oder er ließ sie töten, oder er zwang sie zum Selbstmord (Dio 3). Herb war auch im Gegensatz zu der Auffassung des Vespasian und Titus das Verhalten des Kaisers gegen Vestalinnen, die mit Männern verkehrt haben sollten: das erstemal milderte er die Todesart der für schuldig befundenen drei Vestalinnen, der sorores Oculatae und der Varonilla; sie durften sich, statt lebendig begraben zu werden, ihre Todesart selbst wählen. Die Art der Untersuchung war streng und grausam. Viele wurden als Verführer angeklagt und mit Verbannung oder Tod bestraft. Der Pontifex Helvius Agrippa soll unter dem Eindruck des harten Vorgehens im Senat tot umgesunken sein (Dio 3. Suet. 8, 4). Schon vorher hatte Domitian seine eigene Gemahlin Domitia wegen Ehebruchs hinrichten lassen wollen; auf die Fürsprache eines gewissen Ursus (Dessau Prosop. III 491 nr. 688) ließ er sich nur von ihr scheiden, aber den Schauspieler Paris, ihren Liebhaber, ließ er mitten auf der Straße niederhauen; ebenso mußten die sterben, die diese Stelle mit Blumen und Salböl verehrten. Nach der Scheidung verkehrte Domitian ungenierter mit seiner Nichte Iulia, auch dann noch, als er nach kurzer Zeit, angeblich auf Bitten des Volks, die Domitia wieder aufgenommen hatte (Dio 3. Zonar. XI 19. Suet. 3, 1. Schol. Iuven. 6, 87). Sie hatte Domitian im J. 73 einen Sohn geboren (Suet. 3, 1); es ist wohl derselbe, der in einem der beiden ersten Regierungsjahre Domitians starb (Münzen der Domitia Aug. Imp. Caes. Divi f. Domitiani Aug. [noch ohne den Namen Germanicus, also wohl vor Ende 83, s. δ], Divi Caes. mater S. c. Cohen p. 535 nr. 5–11).

γ) Durch die epigraphische und archäologische Forschung der letzten Jahrzehnte ist ein Kriegszug des Domitian und eine Erweiterung des Reiches, die von den Domitian wenig geneigten Schriftstellern bis auf Frontin verdunkelt wurde, in helleres Licht gerückt worden: der Chattenkrieg, die Erwerbung rechtsrheinischen Landes im Gebiet von Taunus und Wetterau und sein Schutz durch Limesanlagen (vgl. zum folgenden besonders Zwanziger Der Chattenkrieg des Kaisers Domitian, 1885. Asbach Westd. Ztschr. III 1884, 5ff.; Bonn. Jahrb. LXXXI 1886, 27ff; Röm. Kaisertum 89ff. Mommsen R. G. V 200ff. [2556] Chambalu Philol. XLVII 1888, 571f. A. Riese Ber. d. Fr. deutsch. Hochstiftes Frankfurt a. M. XII 1896, 67ff. G. Wolff Archiv f. Frankfurter Gesch. u. Kunst III 1893, 212ff.; Westd. Ztschr. XVI 1897, 1ff.; Nassauer Annal. XXXII 1901, lff. Gsell 176ff. Statius silv. erkl. von Vollmer 1898, 44ff. Herzog Bonn. Jahrb. 1900, 67 Vieze Domitians Chattenkrieg im Lichte der Limesforschung, Beilage z. Jahresb. d. 8. Städt. Realschule Berlin 1902. Fabricius Westd. Ztschr. XX 1901, 177ff.; Besitznahme Badens 47ff. Cohausen D. röm. Grenzwall in Deutschl. 1884. 1886 [veraltet]. Limesblatt, Trier 1892ff. Liebenam Jahresber. CXVIII 1903, 75ff. O. v. Sarwey und F. Hettner [von Heft XVIII an E. Fabricius] Der Obergermanisch-Raetische Limes 1894ff., bis 1907 29 Lieferungen der Abteil. B: Hauptkastelle).

Am 9. Juni 83 ist Domitian noch imperator III (CIL III p. 1962), am 8. September 84 ist er imp. VII mit dem Beinamen Germanicus (CIL III p. 1963), ein Name, der sich schon auf vor dem 28. August 84 geprägten alexandrinischen Münzen (Mionnet VI 392f.) und auf allen römischen Münzen vom J. 84 findet (auch auf einer vom J. 83 [Cohen 602] und einem Papyrus δευτέρου ἔτους, also vor 28. August 83, doch kann hier Übertragung späterer Titulatur vorliegen: Corp. Pap. Raineri II, Pap. I 1, 17). Also lagen allein vom Sommer 83 bis Herbst 84 vier Ereignisse vor, die eine acclamatio veranlaßten (und zwar fällt imp. V vielleicht noch ins J. 83, s. u. ζ). Der neue Beiname Germanicus weist an die Rheingrenze, und zwar bekam Domitian den Namen durch einen Krieg victis hostibus (Frontin. strat. II 11, 7) nach einem Triumph (Suet. 13, 3) und mit andern Ehren (s. u.; von diesen fällt die Annahme von zehn Consulaten ebenfalls vor den 3. September 84, vgl. δ). Auch lehrt eine Inschrift aus Tlos in Lykien, daß ein P. Baebius Italicus, 85 Statthalter dort, vorher als Legat der Legio XIV Gemina Martia Victrix in [κατὰ Γερ]μανίαν πολέμῳ von Domitian eine Auszeichnung erhielt (Ritterling Westd. Ztschr. XVI 1907 Korr. 60ff.). Nun war in Moesien noch am 19. September 82 eine Veteranenentlassung vorgenommen worden (CIL III p. 1966 = Dessau 1995); also war damals ein Krieg schwerlich in Aussicht. Der Krieg wird also kaum vor Frühling 83 begonnen haben. Daß die Chatten unter Waffen standen, wurde in Rom bekannt (in armis erant sc. Germani = Chatti, Frontin. strat. I 1, 8, vgl. II 3, 23), und Domitian beschloß gegen sie einen Feldzug. Vielleicht wurde er beraten und sodann begleitet von Frontin, den Consuln A. Didius Gallus, Fabricius Veiento (vgl. die Votivtafel CIL XIII 7253 = Dessau 1010), Vibius Crispus und einem M'. Acilius Glabrio (vgl. Schol. z. Iuv. IV 94. Bücheler Rh. Mus. XXXIX 283. Asbach Westd. Ztschr. V 370. Mommsen Westd. Ztschr. Korr. XII 54). Es handelte sich wohl bei jener gerüsteten Haltung der Chatten nur um ihre ständige kriegerische Haltung gegen die römischen Nachbarn (vgl. die Charakterisierung immanium ferocia nationum Frontin. strat. 11, 8, sowie unter Claudius zum J. 41, 50, Vespasian zum J. 70 β); denn ihre Rüstungen waren noch nicht auf einen großen Krieg gerichtet: Domitian erwartete, daß sie auf [2557] die Nachricht von seinem Auszug größere Anstrengungen machen würden (maiore bellum molitione inituros braucht keine Schmeichelei zu sein, wie Vollmer 44 meint). Um sie irre zu führen, begab sich Domitian nach Gallien, indem er tat, als ob er dort einen Census vornehmen wolle. Die Täuschung gelang: von dort aus überfiel er die Chatten plötzlich inopinato bello (Frontin. strat. 11, 8, deshalb expeditionem sponte in Chattos fecit Suet. 6, 1). Er hatte eine oder mehrere Praetorianercohorten bei sich (CIL V 3356) und vier obergermanische Legionen (I Adiutrix und XIV Martia Gemina Victrix aus Mainz, VIII Augusta aus Straßburg, XI Claudia aus Vindonissa) zusammengezogen und die XXI Rapax aus Germania inferior hinzugefügt (s. u.): auch wurde aus Britannien mindestens eine Vexillation der IX Hispana (vgl. unter ε), kaum als einzige, wahrscheinlich zu diesem Kriege herbeigerufen (CIL XIV 3612); ferner nahmen viele Cohorten und Alen an dem Zug teil (vgl. die Konstitutionen vom J. 74, 82 und 90 [CIL III p. 852. 1960. 1965 = Dessau 1992. 1995] und etwa Vieze Domitians Chattenkrieg 9ff.). Es gelang ihm, die Chatten zu schlagen (contusa immanium ferocia nationum Frontin. a. a. O., victis hostibus ebd. II 11, 7 vgl. II 3, 23; vgl. varia post proelia Suet. 6, 1, barbari, quos fugiebat Plin. Paneg. 20), allerdings zunächst wohl nur den zufällig angetroffenen Teil (worauf Dacis et Chattorum manu devictis Aurel. Vict. Caes. 11, 4 gehen kann). Denn nun mußten einerseits die römischen Reiter erst an Waldgefechte gewöhnt werden (Domitian errang Erfolge, indem er die Reiter an der Waldgrenze absitzen und zu Fuß auf die zurückgewichenen Chatten eindringen ließ, Frontin. strat. II 3, 23), andererseits hatten die Chatten Rückhalt im Kampfe saltibus et obscuris latebris und den weiten Wäldern. Einen Umschwung im status belli konnte Domitian erst herbeiführen, als er limites in einer Länge von 120 Meilen hatte ausführen lassen, eine Arbeit und eine Kriegsführung, die auf jeden Fall ausgedehnte Zeit beanspruchte (a. a. O. I 3. 10; über den Begriff des Limes vgl. Oxé Bonn. Jahrb. CXIV/V 1906, 101ff.; S. 109 ändert er aber limitibus per centum viginti milia passuum actis etwas kühn in limitibus ped. CXX actis und versteht darunter Yortreibung von 120 Fuß breiten Angriffsstraßen).

Die Nachricht von der Anlegung der Limites ist bestätigt und geklärt worden durch die Forschungen der Reichslimeskommission. Es hat sich durch vergleichende Beobachtung der Anlagen und der Einzelfunde, besonders an Ziegeln und an Gefäßscherben, herausgestellt, daß ein Teil des obergermanischen Limes, und zwar der fundamentale, in die Zeit Domitians fällt. Bewiesen wird dies vor allem durch Anlagen solcher Legionen, die nach Domitians Zeit nicht mehr in Obergermanien standen. Daß sie alle zugleich der oberrheinischen Armee angehörten, beweist das Vorkommen ihrer Ziegel bei den Anlagen am unteren Main, verglichen mit Ziegeln, die zu Mirebeau bei Dijon gefunden worden sind und vexil(a) legionum I. VIII. XI. XIIII. XXI (Mommsen Herm. XIX 439. Dessau 2285 mit Anmerkung) zugleich tätig zeigen. Von ihnen war [2558] die XXI erst zum Chattenkrieg aus Untergermanien gerufen worden (gegenüber Bergks Vermutung [Rh. Mus. LVIII 1876, 144], Sosius Senecio, Frontins Schwiegersohn, habe als Miliärtribun der Legion den Feldzug mitgemacht, vgl. Dessau Prosopogr. III 255 nr. 560), während die I schon 86 aus der Provinz schied, die XIV und XXI nur bis etwa 89 dort standen (Plin. paneg. 14. Ritterling Westd. Ztschr. XII 108ff.; De leg. X Gem. 12ff.). Während Mainz den Hauptstützpunkt der militärischen Macht bildete und von Legionstruppen besetzt war, wurde von damals an schrittweise eine Reihe von affiliierten Kastellen – Wiesbaden nordwestlich, Hofheim, Heddernheim, Okarben, Friedberg nordöstlich, (Frankfurt?), Kesselstadt östlich – angelegt und mit Cohorten und Alen belegt. Von diesen Ausgangs- und Rückhaltspunkten aus liefen Wege zu einer Reihe kleinerer Erdkastelle und Blockhäuschen, die wiederum unter sich durch eine Grenzstraße (limes) verbunden waren; diese umzog vom Einfluß der Kinzig in den Main bis (wahrscheinlich noch unter Domitian) zum Einfluß des Vinxtbaches, der Grenze der obergermanischen Provinz gegen die untergermanische, das Gebiet des unteren Mains, der Wetterau, der nördlichen Taunusabhänge, der unteren Lahn und des Neuwieder Beckens.

So konnte Domitian die Refugia der Chatten entblößen und die Feinde unterwerfen (subiecit dicioni suae hostes a. a. O. 13, 10). Daher Germania capta oder entsprechende Darstellungen auf Münzen seit dem J. 85 (Cohen 135f. 176ff. 469. 472. 483. 488. 491. 496. 503). Es kam offenbar zu einem Friedensvertrag, und zwar waren die Bedingungen für die Unterwerfung nicht hart (victis parcentia foedera Chattis a. a. O. III 3, 108). So befreite er die römischen Provinzen von dem Druck [provinciis consuluit a. a. O. I 1 , 8). Diesen Ergebnissen gegenüber ist die Nachricht μηδ’ ἑωρακώς που πόλεμον ἐπανῆκεν (Dio 4), die ohnehin nach Hohn aussieht, von keinem Wert. Wie einerseits Statius den Krieg in einem Epos verherrlichte (Stat. silv. IV 2, 66, Iuven. 4. 94 m. Schol., vgl. Bücheler Rh. Mus. XXXIX 283. Vollmer 13f.), so setzte andererseits eine einschränkende Kritik über Domitians Erfolge schon sogleich in Rom ein; ein (Flavius?) Ursus, der ihr freimütig Ausdruck zu geben sich erlaubte, hätte beinahe das Leben eingebüßt, hatte aber in Iulia, der Tochter des Titus, eine einflußreiche Fürbitterin; sie erbat ihm sogar das Consulat [für 84 ?). Diese negierende Auffassung stützte sich wahrscheinlich darauf, daß in dem Kriege, der durch ein Netzsystem den Feinden beikam, seiner Natur nach die großen entscheidenden Schlachten fehlten (vgl. Lord Kitcheners Vorgehen im Burenkrieg), und daß Domitian naturgemäß (wie im Dakerkrieg, s. J. 85 β) in einem Hauptquartier hinter der Okkupationslinie zurückblieb (Herzog Röm. Staatsverfassung II 314, 2). Das λεηλατήσας τινὰ τῶν πέραν Ῥήνου τῶν ἐνσπόνδων (Zonar. XI 19, vgl. Plin. paneg. 20) ist noch nicht hinreichend geklärt; möglich ist, daß damit der Druck gemeint ist, der infolge der großen Truppenansammlung auf den Stämmen im rechtsrheinischen Vorterrain von Mainz lastete. Den Cubiern zahlte Domitian für Ackergebiet, das sie zur Errichtung von Kastellen [2559] abtraten, Entschädigung (Frontin. strat. II 11, 7; sie wohnten in der Gegend von Obernburg am Main nach der Vermutung v. Domaszewskis Westd. Ztschr. XXI 1902, 204; vgl. Fabricius Besitznahme Badens 52).

δ) Da so der Erfolg der Domitianischen Expedition trotz der absprechenden Zeugnisse bestätigt erscheint, so wird man auch das Urteil des Tacitus und Plinius über den bloß fingierten Triumph für hinfällig halten müssen. Diese Urteile gehen von einer abschwächenden Wertung des Erfolgs [triumphati magis quam victi sunt Tac. Germ. 37) bis zur Behauptung, aufgekaufte Germanen seien als Gefangene maskiert worden (Tac. Agr. 39. Plin. paneg. 16), eine Wiederholung einer über Caligula erzählten Geschichte (Suet. Caligula 47). Gegenüber dem Triumph über Judäa war dieser gewiß kümmerlich (die Tatsache des Triumphs ist auch durch Dio 4. Martial. I 4, 3. II 2, 3, vgl. VI 42. Stat. silv. III 3, 117 bezeugt; Suet. 6, 1 wird durch 13, 3 ergänzt). Zur Feier des gewonnenen Sieges veranstaltete Domitian große Festspiele (Dio 4. Martial. I 5, 6, 11. 26 u. ö.).

Dem Senat gab Domitian über die ihm zuerkannten Ehrenbezeugungen seine Befriedigung zu erkennen (Dio 4). Unter den Ehren war die Verleihung des Beinamens Germanicus (Frontin. strat. II 11, 7. Martial. II 2, 3. XIV 170; und oben γ). Er ließ sich aber auch noch zum Consul auf zehn Jahre hintereinander ernennen (Dio 4; ebenfalls vor September 84, da trib. pot. IΙΙI nicht mit einer Designation zusammen genannt wird). Ferner ließ er sich die censoria potestas, bald sogar auf Lebenszeit, zuerkennen (vgl. darüber beim J. 85 α). Der Senat gewährte ihm eine Begleitung von 24 Lictoren und dekretierte, daß er in der Triumphaltoga in der Curie erscheinen könne (Dio 4; vgl. Mommsen St.-R. I 417). Nach diesem Krieg erhöhte Domitian den Sold der Soldaten von 75 Denaren auf 100 (Zonar. XI 19. Suet. 7, 3. 12, 1; vgl. v. Domaszewski Neue Heidelberger Jahrb. X 218. 226. v. Premerstein Klio III 1903, 6, 10). Es läßt sich nicht feststellen, welche von diesen Ereignissen, die Dio mit der Erzählung des Chattenkriegs verbindet, auch wirklich unmittelbar auf diesen folgten (vgl. Vollmer 46), ja nicht einmal, ob auch nur der eigentliche Krieg wirklich im J. 83 zu Ende ging. Die Münzen des J. 85 mit der Aufschrift Germania capta, zahlreich und doch nur von diesem Jahre erhalten (vgl. beim J. 85 δ) sprechen für einen Abschluß erst im J. 85. Sicher datiert die Bezeichnung Germanicus und die Consulatsdesignation auf zehn Jahre noch aus dem J. 84 (s. o.). Vielleicht hat er auch die Censur schon Ende 84 (auf Lebenszeit sicher Ende 85, s. beim J. 85 α) übernommen. Die doch sicher mit dem germanischen Erfolge zusammenhängende Umnennung des September in Germanicus ist nach Eusebius (Hieronymus) gar erst im J. Abr. 2103, d. h. Oktober 86–September 87, vollzogen und demnach 87 zum erstenmal angewandt worden.

ε) In Britannien eroberte Agricola im sechsten Kriegsjahre, 83, ein Gebiet jenseits Bodotria, wobei er die Flotte mitwirken ließ. Die Kaledonier griffen darauf ein Drittel des römischen Heeres, nämlich die neunte Legion ut maxime invalidam [2560] (sie hatte Truppen für den Chattenkrieg abgeben müssen, s. o. γ) an. Agricola konnte mit dem übrigen Heere noch zur rechten Zeit anrücken, um zu siegen, ohne allerdings die Feinde zu vernichten (Tac. Agr. 25–27). In diesem Heere rebellierte eine in Germanien ausgehobene cohors Usiporum und desertierte unter abenteuerlichen Umständen (a. a. O. 28; vgl. Dio LXVI 20). Im folgenden Jahre, 84, griff Agricola die durch verbündete Stämme verstärkten Kaledonier am Berge Graupius an und schlug sie unter völliger Schonung seiner Legionen, exacta iam aestate (Tac. Agr. 38). Den sachgemäßen Bericht des Agricola nahm Domitian mindestens äußerlich freundlich auf; er ließ ihm im Senat die ornamenta triumphalia, die Ehrensäule und die sonstigen Ehren an Triumphes Statt mit ehrenden Worten zuerkennen. Indessen soll nach Tacitus’ Behauptung Domitian innerlich beklommen gewesen sein durch den Vergleich mit dem letzthin gefeierten gefälschten Triumph über Germanien, und auch eifersüchtig. Er rief Agricola nach einiger Zeit ab, und dieser verließ Britannien als ein beruhigtes und gesichertes Land. Nachts eingetroffen und in den Palast befohlen, wurde er, der auf die erledigte Statthalterschaft Syriens Hoffnung hegte, durch Domitians kühlen Empfang bitter enttäuscht (Tac. Agr. 39f.). – Straßenbau in Sardinien vom J. 83: Dessau 5350; Aquaedukt zu Lilybaeum (vom J. 84: CIL X 7227 = Dessau 5753.

ζ) Von Imperatorakklamationen sind für die J. 83 und 84 fünf bezeugt: die dritte fällt zwischen 19. September 82 (CIL III p. 1960 = Dessau 1995) und 9. Juni 83 (CIL III p. 1962); die vierte und fünfte zwischen 9. Juni und Ende 83 (Cohen 590 mit imp. V zwischen 14. September und Jahresende geprägt, aber nicht aufs beste bezeugt; imp. V noch im J. 84 Cohen 355ff.). Die dritte und vierte Akklamation waren wohl bald überholt, denn sie sind auf keiner Münze genannt. Die sechste und siebente Begrüßung fand 84 statt (die sechste: Cohen 351 ff.; für den 3. September ist die siebente bezeugt CIL III p. 1963). Imp. VIII ist erst auf Münzen von 85 bezeugt (Cohen 360f.), könnte aber noch zwischen 3. September und Jahresende 84 fallen. Also fallen mindestens vier Akklamationen in die J. 84/85. Daß eine mit dem Triumph über die Chatten, eine zweite mit der Auszeichnung des Agricola Ende 84 zusammenhängt, kann nicht bezweifelt werden. Auch der Sieg des Agricola von 83 mag eine herbeigeführt haben.

85: p. m. trib. pot. IIII (vom 14. Sept. an V) imp. VIII–XI cos. XI censoria potestate (Jahresende: censor perpetuus) p. p.

86: p. m. trib. pot. V (seit 14. Sept. VI) imp. XI–XIIII cens. perp. cos. XII p. p.

87: p. m. trib. pot. VI (seit 14. Sept. VII) imp. XIIII cens. perp. cos. XIII p. p.

α) Sein 11. Consulat trat Domitian zusammen mit T. Aurelius Fulvus am 1. Januar 85 an (Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 119f.), sein 12. am 1. Januar 86, mit Ser. Cornelius Dolabella Petronianus (CIL VI 398. Hist. aug. Ant. Pius 1. Censorin. 18, 15 und Asbach a. a. O. 120); Domitian führte es schon nicht mehr am 22. Januar, während Dolabella das Amt mit C. Secius Campanus weiter bekleidete (Acta Arv. CIL VI 2064). [2561]

Über die Zeit der Aufnahme der Censur ergeben die Konstitutionen folgende Anhaltspunkte: am 3. September 84 (CIL III p. 1963 = Dessau 1997): keine Erwähnung; am 5. September 85 (CIL III p. 855): censoria potestate, am 22. Januar 86 (CIL VI 2064): censor perpetuus. Die Münzen Cohen 360–368 mit tr. pot. IIII imp. VIII cos. XI (zwischen 1. Jan. und 5. Sept. 85, an welchem Tage Domitian imp. VIIII ist, geprägt) erwähnen die Censur nicht; nur Cohen 176 mit denselben Bezeichnungen zeigt cens(oria) potes(tate), ebenso Cohen 178–183 (vgl. 24. 28) mit trib. pot. IIII imp. IX cos. XI. Noch im J. 85 tritt auch schon die Lesung censor perpetuus auf; mehrere Münzen mit trib. pot. V und cos. XI, also von 14. September bis 31. Dezember geschlagen, weisen auch noch cens. pot. auf (Cohen 177. 184–188. 189f. haben cens. p.); aber mehrere sicher noch 85 geschlagene Münzen nennen den Princeps schon censor perpetuus (Cohen 13. 18. 119. 308. 419. 431. 470. 509. 642). Also war Domitian censor perpetuus seit Ende 85 und hatte die censoria potestas sicher vor dem 5. September. Wenn nun Chambalu (De mag. Flav. 19; ähnlich Gsell 54, 6) nach der Zahl der Münztypen von 85 ohne und mit cens. pot. vermutet, daß Domitian im April 85 die censoria potestas annahm, so ist dabei die Münze Eckhel VI 379 vom J. 84 wohl zu Unrecht beiseite geschoben, deren Legende imp. VII cos. X cens. pot. p. p. durch die richtige Zusammenstellung von imp. VII und cos. X gesichert erscheint. Domitian hat die censoria potestas also wahrscheinlich schon Ende 84 (mit der Designation auf zehn Consulate, vgl. Dio 4) übernommen und wurde ein Jahr später censor perpetuus.

β) Domitian unternahm persönlich nach Suetons Zeugnis zwei Feldzüge gegen die Daker, den ersten, als die Feinde den Consular Oppius Sabinus, und den zweiten, als sie den Cornelius Fuscus überwältigt hatten (Suet. 6; vgl. CIL VIII 1026. Martial. IX 101, 17, wo an dritter Stelle der suebisch-sarmatische Krieg von 92 gemeint sein wird). Die Zeit des ersten Zugs fällt, da Oppius Sabinus als consularis bezeichnet wird, später als sein Consulat (in den ersten Monaten von 84); ferner, da ein bellum Dacicum vor einem bellum Germanicum (womit nicht der Chattenkrieg von 83, sondern der Saturninuskrieg von 88/89 gemeint ist) mehrfach auf Inschriften mit dona ausgezeichneter Soldaten genannt wird (CIL III 7397. VIII 1026], vor 88/89 (bestätigt durch Martial. I 22 verglichen mit IV 11), endlich, da von Ende des J. 86 bis zu Beginn des J. 88 keine Imperatorbegrüßung und 88 bis 14. September nur eine stattfand, dazu Domitian Sommer 88 wahrscheinlich in Rom war (s. z. J. 88) und da auch die vollständig erhaltenen Arvalakten von 87 nicht auf einen Krieg Domitians hinweisen (CIL VI 2065), mit größter Wahrscheinlichkeit vor Ende 86. Daß aber das J. 86 zahlreiche kriegerische Ereignisse brachte, zeigt auch die große Anzahl der Akklamationen (zwischen 5. September 85 und 13. September 86 fünf neue, X–XIIII). Endlich fällt nach Euseb. chron. die Besiegung der Daker ins J. Abr. 2102 = Oktober 85 bis September 86. Der Beginn des [2562] sich offenbar länger hinziehenden Krieges fällt also wahrscheinlich noch ins J. 85, aber nicht vor September. Denn bei der Truppenentlassung im pannonischen Heere vom 3. September 84 (CIL III p. 1963), während die Veteranen von 25 Dienstjahren nicht die Entlassung bekamen, also wohl Gefahr bestand, wurden am 5. September 85 Veteranen entlassen (CIL III p. 855, vgl. Gsell 209ff.); also schien keine Gefahr nahe. Der Krieg wurde offenbar von den Dakern gerüstet und eingeleitet (Dio 6). Als Kriegsgrund wird angegeben: eius (sc. Domitiani) avaritiam metuentes foedus quod dudum cum aliis principibus pepigerant Gothi solventes (Iordan. Get. XIII 76): das weist auf Widerstand gegen die Ausdehnung des römischen Interessengebietes hin (vgl. v. Domaszewski Rh. Mus. XLVIII 240f.). Die Daker, zunächst geführt vom König Diurpaneus (Oros. VII 10, 3; Dorpaneus Iordan. a. a. O. = Duras bei Dio 6: vgl. Brandis o. Bd. IV S. 2248) gingen über die Donau (wahrscheinlich im Winter, vgl. Plin. paneg. 1.2. 82) und fielen in Mösien ein; Oppius Sabinus, der Legat von Mösien, trat ihnen entgegen, wurde aber geschlagen und getötet. Darauf plünderten und raubten die Sieger auf dem rechten Donauufer und zerstörten Siedelungen und Kastelle (Suet. 6. Eutrop. VII 23, 4. Iordan. a. a. O.). Auf die Nachricht von dem Unglück der römischen Waffen zog Domitian selbst ins Feld (Suet. G, 1. Dio 6; etwa Ende Januar 86, denn Anfang Januar ist er noch in Rom, s. Acta Arv. CIL VI 2064), begleitet vom Praefectus Praetorio Cornelius Fuscus, mit großer Truppenzahl (cum totius paene reipublicae militibus Iordan. a. a. O.). Man kann annehmen, daß die Praetorianer mit Domitian und ihrem Praefectus zu Feld zogen; von Legionen waren wahrscheinlich beteiligt: I Italica, V Alauda, V Macedonica, VII Claudia, wohl erst später die IV Flavia, und die I(?) und II Adiutrix (vgl. Gsell 212, 6. Ritterling Österr. Jahrh. VII 1904 Beibl. 36. Filow Klio I Ergänzungsbd. 6. Beih. 1906, 39). Wahrscheinlich war das Anrücken Domitians der Grund dafür, daß Duras seinen Befehl niederlegte und ihn dem Dakerkönig Dekebalos überließ (Dio 6, vgl. Brandis a. a. O.). Von dem ganzen Kriege sind nur kümmerliche Züge überliefert, am ausführlichsten bei Dio, doch ist bei diesen nicht zu unterscheiden, auf welche Jahre des langwierigen Kriegs sie genauen Bezug haben; was die Römer oder Domitian insbesondere dabei an Mißerfolgen oder Minderbe wertbarem eingeheimst, wird ausdrücklich erzählt, was Domitian wirklich geleistet, läßt sich nur zwischen den Zeilen lesen. Der Krieg scheint sich zunächst etwa so abgespielt zu haben: Domitian war nicht bei den einzelnen Kämpfen anwesend, wenn er auch selbst Anordnungen traf; er blieb dabei in einer Stadt in Moesien und unterhielt dort ein kaiserliches Hoflager (nach Dio lebte er dort in Ausschweifungen). Dekebalos war lange ein gefährlicher Gegner der Römer: er verstand es, sie in Fallen zu locken, er scheint sie wenigstens einmal in einer förmlichen Schlacht besiegt und diesen Sieg benutzt zu haben; er machte auch Gefangene. Doch er wurde geschlagen, wenn er auch die Folgen der Niederlage hat abschwächen können (vgl. Dio 6, auch Dio LXVIII 8ff. und s. Bd. IV S. 2247ff.). [2563]

Auf römischer Seite gab es Schlappen, deren Schuld Domitian, wie es heißt, den Befehlshabern beimaß, auch wenn sie nur seine Weisungen ausgeführt hatten. Das Verdienst der Siege nahm er für sich in Anspruch: nur die Siege, nicht die Niederlagen wurden ex auctoritate Augusti ausgeführt. Jedenfalls wurden zunächst die Daker besiegt und aus Moesien über die Donau zurückgedrängt (Iordan. a. a. O.; vgl. Euseb. zum J. Abr. 2102 Daci .. victi). In diese Zeit wird der erste von Domitian abgelehnte Friedensvorschlag des Dekebalos fallen, der einen Erfolg des Domitian voraussetzt. Er übertrug jetzt den Krieg völlig dem Fuscus (Petrus Patricius, FHG IV 185, vgl. Dio 7. Suet. 6, 1). Nun ist es wahrscheinlich, daß Moesien gerade im J. 86 zur besseren Grenzverteidigung in zwei consularische Provinzen geteilt wurde (CIL III 4013 = Dessau 1005 wird L. Funisulanus Vettonianus genannt leg. pro pr. provinc. Dalmatiae item provinc. Pannoniae [in den J. 84. 85, CIL III p. 855. 1963] item Moesiae superioris [also nach 85], donato [ab imp. Domitiano Aug. Germanico] bello Dacico coronis IIII cet.; vgl. Gsell 136, 6. Filow Klio Ergänzungsbd. I Beih. 6, 3. 46). Domitian wird diese Neueinrichtung noch bei seinem Aufenthalt an der Donau vorgenommen haben (vgl. Ritterling Österr. Jahresh. VII 1904 Beibl. 32f.), Dann kehrte er nach Rom zurück; dort feierte er einen Triumph über die Daker (Stat. silv. III 3, 118. 169) und große Festspiele. Damals, im Sommer 86, veranstaltete er zum erstenmal die capitolinischen Spiele zu Ehren des Iuppiter Capitolinus (Censor. de die nat. XVIII 15. Friedlaender Sittengesch.6 II 481. 630, III 356).

Indessen wurde der Krieg fortgesetzt von Cornelius Fuscus, einem Mann, der bei anderer Gelegenheit als militärischer Draufgänger und Doktrinär geschildert wird (Tac. hist. II 86, vgl. Agr. 41 exercitus .., temeritate ... ducum amissi. Iuven. 4, 112). Mit großer Truppenmacht ging er auf einer Schiffbrücke über die Donau, wahrscheinlich bei Drobeta, und zog dann an der Aluta hinauf (vgl. Brandis o. Bd. IV S. 1966. v. Domaszewski Rh. Mus. XLIII 1893, 240f. Patsch Österr. Jahresh. VII 1904, 70f.) in das dakische Gebiet hinein (Petr. Patr. a. a. O. Iordan. Get. XIII 77). Irgendeinmal machte Dekebalos nochmals einen Friedensvorschlag (daß die Römer ihm nach ihrer Kopfzahl je zwei Obolen im Jahre zahlen sollten, wird als seine Bedingung von Petr. Patr. a. a. O. genannt). Fuscus erlitt im Verlaufe des Krieges eine große Niederlage (primo conflictu nach Iordan. a. a. O.; von mehreren proelia und clades spricht Oros. VII 10, 4) und fiel selbst (Iordan. a. a. O. 78. Suet. 6, 1. Martial. VI 76. Iuven. 4, 111 und Schol.). Die Schlacht war sehr verlustreich (Tac. Agr. 41. Oros. VII 10 nach Tac. hist. Eutrop. VII 15). Der Ort der Schlacht war Adamklissi (Cichorius Die röm. Denkmäler der Dobrudscha, Berlin 1904 bringt mit Recht den Grabaltar mit der Niederlage in Verbindung. Brandis o. Bd. IV S. 1966 vermutet, die Katastrophe sei eingetreten beim Versuch, den Rotenturmpaß zu gewinnen; vgl. noch Gsell 214. v. Domaszewski Rh. Mus. LX 1905, 158f. Filow Klio I Beih. 6, 1906, 38). Das römische Lager wurde geplündert (Iordan. a. a. O.), die Kriegsmaschinen [2564] und τὸ σημεῖον (= ein Legionsadler, vgl. Filow a. a. O. 38, 7) fielen den Siegern in die Hände (Dio LXVIII, 9). Ob dieser Verlust eines Legionsadlers mit der Aufreibung einer Legion (vgl. [Sabinus et Fuscus] cum magnis exercitibus occisi sunt Eutrop. VII 15) zusammenhängt oder doch die Auflösung der Legion nach sich zog, ist nicht mit voller Sicherheit zu sagen, ist aber wahrscheinlich, und zwar wird dies Schicksal die V Alauda getroffen haben (vgl. Ritterling Westd. Ztschr. XII 1893, 233f. Schilling De leg. Rom. I Min. et XXX Ulp. Diss. 1894, 2Off. v. Domaszewski Arch.-epigr. Mitt. XIV 1892, 189. Trommsdorff Quaestion. duae ad hist. leg. Rom. spectantes, Diss. Leipz, 1896, 72ff. Mommsen S.-Ber. Akad. Berl. 1903, 823f. Filow a. a. O. 36f. bes. 46). Die Zeit der einzelnen kriegerischen Ereignisse genauer festzustellen, ist vorläufig nicht möglich. Doch läßt das Fehlen jeder Imperatorbegrüßung im J. 87, nachdem 85, 86 mindestens sechs Akklamationen, die IX–XIV (s. unter ζ), davon die XIV zwischen 14. September und Ende 86, erfolgten, vermuten, daß frühestens um die Jahreswende 86/87 ein Stillstand oder Rückschlag eintrat, der durch die große Niederlage des Fuscus am ehesten zu erklären ist.

γ) Von anderen kriegerischen Ereignissen in den J. 85–87 gibt es nur einzelne Spuren. Die Nasamonen an der afrikanischen Küste rebellierten (nach Euseb. im J. Abr. 2102 = 1. Okt. 85 – 30. Sept 86) wegen des schwer auf ihnen lastenden Tributs. Sie erschlugen die Steuerbeamten, besiegten den gegen sie anrückenden Statthalter von Numidien, Flaccus (ein C. Calpurnius Flaccus, der nach diesem Siege Anfang 87 Consul wurde?, so Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 121; Cn. Suellius Fl(accus) nach Dessau zu CIL VIII 16 499. Gsell 258), plünderten dann das römische Lager, berauschten sich aber am erbeuteten Wein; den günstigen Augenblick benützte Flaccus zu einem Überfall und ließ alles, auch die Kampfunfähigen, niederhauen. Dem Senat teilte Domitian mit: Νασαμῶνας ἐκώλυσα εἶναι (Zonar. XI 19; concisi sunt Euseb. a. a. O., s. auch Dionys. perieg. 208, Geogr. gr. min. II 112. Stat. silv. IV 8, 12, dazu Vollmer 488; vgl. Pallu de Lessert Fastes des prov. Afric. I, Paris 1896, 335. Gsell 234f. Cagnat L’armée Rom. d’Afrique 35). Einen Krieg ad nationes, quae sunt in Mauretania, comprimendas aus den ersten Jahren Domitians nennt eine Inschrift aus Baalbek (S.-Ber. Akad. Berlin 1903, 817ff.; dazu v. Domaszewski Philol. LXVI 1907, 168).

δ) Aus dem J. 85 stammen Münzen mit der Aufschrift Germania capta oder de Ger(manis) und entsprechendem Bilde (Cohen 135. 469f. vgl. 503f.). Ob dadurch das Ende des 83 begonnenen Chattenkriegs oder der Abschluß neuerer Kämpfe angedeutet wird, läßt sich nicht feststellen; ebensowenig, ob ein anderes Münzbild (Cohen 496f., vgl. Gsell 197) auf den Abschluß eines Vertrags und gerade mit den Chatten geprägt ist. Daß die Chatten nicht oder nicht in ihrer ganzen Ausdehnung von den Römern abhängig waren, zeigt die Nachricht, daß sie den Cherukerkönig Chariomer wegen seiner Römerfreundschaft aus seinem Lande vertrieben (Dio 5). Jene römerfreundliche [2565] Haltung der Cherusker (cum quis aeternum discordant sc. Chatti, Tac. ann. XII 28) mag durch Domitians Erfolge gegen die Chatten veranlaßt gewesen sein. Chariomer sammelte Truppen, kehrte zurück, siegte, wurde aber von seinen Leuten verlassen und sandte dann an Domitian Geiseln mit dringender Bitte um Hilfe. Daß Domitian darauf ihm statt Mannschaft Geld sandte, wird seinen Grund darin haben, daß damals zuviel Truppen anderswo, also wohl an der Donau, nötig waren. Den Einfluß Roms bis tief in Germanien hinein zeigt auch die Reise des Marsyos, König der Sennonen, und der Ganna, der weissagenden Nachfolgerin der Velleda (s. u. S. 2671) zu Domitian (nach Mainz während des Chattenkriegs oder an die Donau?). Domitian empfing und entließ beide mit Ehren (Dio 5).

ε) Noch weniger als über die Kriege ist von der inneren Regierung Domitians für diese Jahre überliefert, aber das wenige ist charakteristisch. Das gesteigerte Selbstherrschergefühl des Domitian erkennt man aus der Annahme des Titels censor perpetuus und der Nachricht, daß er sich jetzt dominus und deus nennen ließ (Euseb. [Hieron.] zum J. Abr. 2102 = Okt. 85 – Sept. 86, vgl. unten S. 2582). Sodann änderte er den Namen des Monats September, weil er in ihm seine Regierung angetreten hatte, in Germanicus und des Oktober, seines Geburtsmonats, in Domitianus (nach zwei Triumphen, also nach dem über die Daker Suet. 13, 2; im J. Abr. 2103 = Okt. 86 - Sept. 87 Euseb.-Hieron.; zu Dio 4, der nur die Oktoberumnennung und zwar anscheinend gleich nach dem Chattenkrieg berichtet, vgl. Vollmer Stat. silv. 46. Plut. Numa 19. Macrob. Sat. I 12, 36. Plin. paneg. 54. Martial. IX 1. Stat. silv. IV 1, 42. Gsell 45, 4). Sein Streben nach Autokratie brachte ihn zum antimonarchischen Teile der Senatoren in Gegensatz. Wohl beschloß der Senat Ehren für den vom Chattenkrieg heimkehrenden Imperator (s. o. z. J. 84 δ) und in konventioneller Weise Vota der Fratres Arvales (im J. 86 war Domitian übrigens Magister des Collegiums) für Domitian und das Reich (Acta vom 22. Jan. 86 CIL VI 2064, vgl. Plin. paneg. 67); doch der Kampf gegen einzelne, der schon in den ersten Jahren seiner Regierung begonnen hatte, wurde nach dem Chattenkrieg fortgesetzt. Viele ließ er hinrichten, nachdem er sie hatte vor den Senat stellen oder in ihrer Abwesenheit anklagen lassen; man sagte ihm nach, er tue es, um den durch die Siegesfeierlichkeiten geschwächten Finanzen aufzuhelfen; es wurde auch erzählt, daß er manche heimlich vergiften ließ (Dio 4). Wie ernst bereits der Konflikt war, zeigt die Begründung des Opfers der Arvalbrüder vom 22. September 87 ob detecta scelera nefariorum (CIL VI 2065). Also eine Verschwörung gegen den Kaiser war aufgedeckt worden; denn mit ähnlichen Worten werden auch bei den J. 39 und 66 Dankopfer für die Entdeckung von Verschwörungen berichtet (CIL VI 2029. 2044). Gewiß ging Domitian jetzt ebenso scharf vor wie etwa ein Jahr vorher nach dem Waffenunglück an der Donau (vgl. senatum laniat Oros. VII 10; auch der eben erwähnte Bericht bei Dio 4 kann dieses Ereignis betreffen). Zu den in ihrer Abwesenheit Angeklagten und dann Umgebrachten [2566] wird C. Vettulenus Civica Cerialis, der Proconsul von Asien, zu rechnen sein (Tac. Agr. 42; quasi molitores rerum novarum Suet. 10, 2, vgl. Waddington Fastes Asiat, nr. 104. Dessau Prosop. III 416 nr. 352; Vermutung über den Zusammenhang der Verschwörung mit dem erneuten Auftreten des falschen Nero bei Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 138; vgl. u. J. 88/89κ).

ζ) Akklamationen: imp. VII war Domitian am 3. September 84 (CIL III p. 1963 = Dessau 1997). Imp. VIII erscheint nicht auf Münzen von 84, sondern erst 85 (Cohen 176. 360ff.). Imp. VIIII ist Domitian am 5. September 85 (CIL III p. 855; vgl. Cohen 178ff.) und noch eine Zeitlang nach dem 14. September 85 (Cohen 184ff.); doch ist er schon auf zwei Münzen von 85 imp. XI (Cohen 189f.). So nennen ihn auch noch eine Urkunde vom 17. Februar 86 (CIL III p. 855) und Münzen dieses Jahres (Cohen 191ff.). Am 13. Mai 86 ist Domitian imp. XII (CIL III p. 857, vgl. Cohen 200ff.) und schon vor Ablauf des fünften Regierungsjahres, vor dem 14. September 86 imp. XIII (Cohen 207), ebenso noch einige Zeit nach dem 14. September (Cohen 209f.). Die 14. Akklamation ist noch im J. 86 nachweisbar (Cohen 208. 211), ist bezeugt für das J. 87 (Cohen 212ff.) und noch im J. 88 (CIL III p. 1964). Über die Anlässe der Akklamationen läßt sich nicht mehr sagen, als daß eine nach der Niederwerfung der Nasamonen, mehrere nach Erfolgen an der Donau, möglicherweise auch eine im J. 85 nach Abschluß der germanischen Kämpfe erfolgt sein können.

88: pont. max. trib. pot. VII (vom 14. Sept. an VIII) imp. XIIII XV(-XVIII?) cos. XIIII cens. perp. p. p.

89: pont. max. trib. pot. VIII (vom 14. Sept. an IX) imp. (XVI-XVIII?) XIX–XXI cos. XIIII cens. perp. p. p.

α) Sein 14. Consulat trat Domitian am 1. Januar an mit Minicius 23L. Minicius Rufus (CIL VI 541. Censorin. XVII 11); doch trat Domitian, dem Brauch nach wahrscheinlich schon am 13. Januar, zurück. Darauf amtierte L. Plotius Gryphus mit Rufus weiter (CIL VI 2065 II 65; vgl. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 121f. Dessau Prosop. II 380 nr. 443). Im J. 89 war Domitian trotz der im J. 83 angenommenen Consulatsdesignation auf zehn Jahre nicht Consul (Ordinarii waren Atratinus und Aurelius Fulvus, Fasti bei Asbach a. a. O. 122, vgl. Klebs Prosop. I 205f. nr. 1254f.). Über den wahrscheinlichen Grund s. u. S. 2569.

β) Aus der Gegend von Tibur ist für das J. 88 eine von Domitian veranlaßte Herstellung eines Aquädukts bezeugt, durch eine Inschrift vom 3. Juli, in der ein redemptor operum Caesar(is) et publicorum der Bona Dea dankt, daß er unter ihrem Schutze einen Ergänzungsbau (rivus) der Aqua Claudia vollendet habe (CIL XIV 3530 = Dessau 3512; vgl. Hirschfeld Die Kaiserl. Verwaltungsbeamten 266).

γ) Ludi saeculares (nova saecula Stat. silv. I 4, 17) feierte Domitian im J. 88 (Censorin. XVII 11. Fasti Capitolini CIL I p. 423. 442). Die zahlreichen Münzen, die sich auf die Spiele beziehen, zeigen alle cos. XIIII (bis auf die irrige Cohen 73 mit cos. XIII) und meist trib. pot. VIII sind also vom 14. September an geprägt [2567] (Cohen 71ff.); nur zwei mit trib. pot. VII sind davor geprägt (Cohen 69. 70?, vgl. Gsell 77, 3). Demnach fanden die Spiele wahrscheinlich kurz vor Mitte September statt (im Sommer nach Zosim. II 5). Domitian folgte nicht der Rechnung des Claudius (der sie im J. 47 feiern ließ, s. Bd. III S. 2802), sondern der des Augustus vom J. 17 v. Chr. (Suet. 4, 2). Dabei ist aber unklar, warum er die Spiele nicht erst nach 110 Jahren, sondern sechs Jahre vorher feiern ließ (die Gründe hatte Tacitus, der den Spielen sacerdotio quindecimvirali praeditus ac tunc praetor beiwohnte, in den Historien dargelegt: ann. XI 11). Eine Reihe von Festhandlungen haben die Münzen im Bilde bewahrt (einige bei Cohen p. 476ff. abgebildet). Am Tage der Cirkusspiele ließ Domitian die Rennstrecke der Wagen um zwei Siebentel verkürzen, um es bis auf 100 Rennen bringen zu können (Suet. 4. 2; vgl. Dressel Eph. epigr. VIII p. 310ff. Gsell 77ff. Vollmer 285; über O. Basiner Ludi saeculares s. Jahresb. f. Geschichtsw. XXV 1902, 143).

δ) Im J. 88 ist Domitian zunächst noch imperator XIIII (CIL III p. 1964), dann vor dem 14. September imp. XV (Cohen 242); jetzt steigern sich die Akklamationen so, daß er ein Jahr später Imperator XIX (Cohen 250ff.) und noch vor Ende 89 imperator XXI ist (Cohen 255f.); also sieben Akklamationen in zwei Jahren, von Mitte September 88 bis Ende 89 allein sechs. Das weist auf eine Häufung kriegerischer Ereignisse hin. Nun fällt ein Triumph des Domitian über die Germanen und Daker wahrscheinlich Ende 89 (s. u. ε). An diesen zwei Kriegen vor Ende 89 nahm Domitian persönlich teil (Stat. silv, I 1, 6); der eine war der Krieg gegen L. Antonius Saturninus, Ende 88 und Anfang 89, der andere ein zweiter Zug Domitians an die Donau.

L. Antonius Saturninus (Klebs Prosop. I 104 nr. 694) suchte als Statthalter von Germania superior (Suet. 6, 2. Aur. Vict. Epit. 11) Domitian zu stürzen (res novas moliens Suet. 7, 3). Antonius’ Tat war ein Gegenschlag gegen die grausame Behandlung des Senatorenstandes durch Domitian, aber auch veranlaßt durch eine schwere Beleidigung, die ihm persönlich von Domitian zugefügt war (Aur. Vict. a. a. O.) Er hatte mit den Unzufriedenen in Rom Verbindungen (Dio 11) und ging daran, seinen Plan zu verwirklichen, als das Donauheer durch die Dakerkämpfe festgehalten war, nämlich im Winter (hiberna Suet. 7, 3), vor dem 12., vielleicht auch schon vor dem 1. Januar 89 (s. u.; bei der üblichen Eidesleistung am 1. Januar, wie Ritterling Westd. Ztschr. XII 1893, 226, der Tac. hist. I 55, Vitelliusaufstand des J. 69, vergleichend heranzieht, vermutet, doch s. u. S. 2569). Der Aufstand brach aus im Winterlager zweier Legionen, womit nur die Provinzhauptstadt Mainz und ihre Garnison, die XIV Gemina Martia Victrix und die XXI Rapax. gemeint sein kann (vgl. Bergk Zur Gesch. und Topogr. d. Rheinl. 72ff. Ritterling a. a. O. 218f.; anders noch Vollmer: 46 mit Mommsen Herm. III 119: Vindonissa). Die Legionskassen, in die die Soldaten jener beiden Legionen ihre Spargelder deponiert hatten, mußten die nötigen Mittel zur Verfügung stellen (Suet. 7, 8). Antonius wurde als Imperator proklamiert (Aur. Vict. Ep. a. a. O. Hist. aug. Pescenn. Nig. 9, 2; Alex. [2568] Sev. 1, 7; Firm. 1,1. Pol. Silv. in Chron. min. I 520 Mommsen). Ob die beiden anderen obergermanischen Legionen, die VIII Augusta (Straßburg) und die XI Claudia (Vindonissa) sich anschlossen, ist unsicher. Als Bundesgenossen warb Antonius die Germanen auf dem rechten Rheinufer (Suet. 6, 2), nämlich die Chatten (s. u. ε). Die Nachricht vom Aufstande rief in Rom Aufregung hervor, man erwartete einen großen Krieg (Plutarch. Aemil. Paull. 25: vgl. Dio 11). Von drei Seiten sollten Truppen gegen das rebellische Heer ziehen. Die Schriftsteller berichten, daß L. Appius Maximus Norbanus dem Kaiser treu blieb und den Antonius besiegte, gerade als plötzlich auf dem Rhein Eisgang eintrat und den Übergang der copiae barbarorum, die zu Antonius stoßen wollten, verhinderte (Martial. IX 84, 1f. Dio 11. Aur. Vict. epit. 11. Suet. 6, 2). Dieser Sieg wurde verhältnismäßig bald nach dem Beginn der Empörung erfochten, denn der auf die Nachricht von dem Aufstand schnell aus Rom aufgebrochene Domitian bekam schon unterwegs die Botschaft (s. u.), und der aus Spanien herbeigerufene Legatus Traian kam trotz eines Gewaltmarsches über die Pyrenäen und Alpen (d. h. über Vindonissa, um sich mit Domitian zu vereinigen oder, wenn nötig, Antonius den Weg nach Rom zu verlegen ?) zu spät an (Plin. paneg. 14; mit zwei Legionen, die eine sicher VII Gemina, die zweite unsicher; s. Mommsen Herm. III 119f. v. Domaszewski Rh. Mus. XLV 1890, 6. Ritterling Westd. Ztschr. XII 1893, 227; den Marsch Traians will nicht auf diesen Krieg beziehen Pichlmayr T. Flavius Domitianus 92). Damit hatte er den Krieg beendet (confector belli Germanici CIL VI 1347 = Dessau 1006, vgl. CIL VIII 1026 = Dessau 2127). Von den Ansichten über die Stellung und Provinz des Appius und über das Heer, das er zum Siege führte (vgl. Gsell 245. 249ff. Vollmer 47. v. Rohden o. Bd. II S. 244), können wohl nur mehr in Betracht kommen entweder, daß er als legatus Aug. pr. pr. Pannoniae von Rätien aus anrückte, oder daß er als Legat der VIII Augusta diese von Straßburg nach Vindonissa führte und mit der XI Claudia vereinigte (so vermutet v. Rohden a. a. O.); einen dieser Schlüsse muß man ziehen, wenn man, was nicht unbedingt nötig ist, me tibi Vindelicis Raetus narrabat in oris Martial. IX 84, 5 auf diese Tat des Norbanus bezieht (so Mommsen Herm. III 119; R. G. V 137, 1. Vollmer 47); oder drittens daß er Statthalter von Germania inferior war. Es ist nun von vornherein nicht wahrscheinlich, daß Domitian damals die Donaugrenze von Truppen entblößte (wenn auch Vexillationen von dort kamen: ein centurio der XV Apollinaris, bis donis donatus bello Dacic[o] et bello Germanico CIL III 7397, vgl. v. Domaszewski Westd. Ztschr. XI 1892 Korr. 73, dagegen auf den suebisch-sarmatischen Krieg vom J. 92 bezogen von Mommsen S.-Ber. Akad. Berl. 1903, 821, 7). Ferner ist kaum denkbar, daß Antonius den Kollegen und das starke Heer in der rheinischen Nachbarprovinz ignorieren konnte; blieb jener treu, so mußte es bald und zwar am Rhein zum Kampfe kommen. Daß Appius Norbanus als Statthalter von Germania inferior siegte (Roulez Mém. de l’acad. de Belg. XLI 2 1876, [2569] 28), wird sehr wahrscheinlich gemacht durch die einwandfreie Beobachtung, daß die damals in Untergermanien stehenden Truppen den Beinamen p(ia) f(idelis) erhielten (Ritterling Westd. Ztschr. XII 1893, 202ff.). Domitian selbst hatte Rom mit den Praetorianern verlassen (CIL VIII 1026 = Dessau 2127 ein centurio coh. XIII urb. von Domitian ob bellum Germanicum ausgezeichnet; CIL V 3536 = Dessau 2710 ein praef. coh. II pr[aetoriae] im germanischen Krieg dekoriert), offenbar bald nach der Nachricht von der Empörung (Plut. Aemil. 25): sie traf in Rom wahrscheinlich Ende 88 ein (nach dem 24. Oktober Martial. IV 1, vgl. IV 88, auch IV 2. 3. 46. Friedländer 56. 61); da er seine zehnjährige Consulatsreihe gerade 89 unterbrach, so ist es wahrscheinlich, daß er am 1. Januar 89 Rom schon verlassen hatte; wenn aber Domitian noch am Tage des Siegs des Norbanus in Rom gewesen sein soll (Plut. Aemil. 25), so würde der Sieg vor den 1. Januar fallen, was nicht mit den Angaben der Arvalakten in Einklang zu bringen ist. Denn außerordentliche Gelübde und Opfer der Arvalbrüder im Januar 89 spiegeln die Ereignisse des Kriegs; es werden Vota abgelegt am 12. Januar, in Capitolio ex s(enatus) c(onsulto) pro salute et vict[oria et reditu] imp. Domitiani; dort kam man am 17. zusammen ob vota adsuscipienda e[x ed]icto cos. et ex s(enatus) c(onsulto) pro salute et redit[u e]t victoria imp.; dann wurden am 22. die gewöhnlichen Gelübde erneuert: ex s(enatus) c(onsulto) [pro salute] imp.; am 24. Januar senatus turae et vino sup(plicavit]; am 25. opferten die Fratres ob laetitiam publicam; am 29. kamen sie wieder zusammen ad vota solvenda et nuncupanda pro salute et re[ditu] imp. und legten den Göttern Gelübde ab, darunter Victoriae reduci (CIL VI 2066; zuerst auf diesen Krieg bezogen von Bergk Z. Gesch. u. Topogr. d. Rheinlande 61ff.). Daraus geht hervor, daß Domitian am 12. Januar von Rom fortgezogen war, daß am 17. der Sieg noch nicht in der Hauptstadt bekannt war; die Siegesnachricht veranlaßte wohl das feierliche Dankfest des Senats am 24. und die laetitia publica; am 29. wird nicht mehr um Sieg, sondern um Rückkehr des Kaisers gebetet.

Daß Domitian, als er auf seinem Marsche die Nachricht vom schnell erfochtenen Siege bekam (Plutarch. Aemil. 25), doch weiter bis zum Rhein zog, ist wahrscheinlich (Stat. silv. I 1, 6). Ferner legt es auch die Erzählung Dio 11 von der Umkehr des alten Senators nach der Siegesmeldung nahe, daß Norbanus noch gegen die mit Antonius verbündeten Chatten kämpfte (belli Germanici confector CIL VI 1347 = Dessau 1006; vgl. Stat. silv. I 1, 6. 51. Martial. VII 7, 3; darauf wahrscheinlich neue Verträge mit den Chatten geschlossen, s. Stat. silv. I 1, 27. III 3, 168). Die Briefschaften des in der Schlacht gefallenen Antonius hatte Norbanus verbrannt, damit sie nicht zu Anklagen benützt würden. Aber auch ohne diesen Anhalt traf Domitian vielleicht schon in Mainz, sicher nach seiner Rückkehr in Rom die Verdächtigen und Schuldigen; sie wurden grausam gepeinigt und hingerichtet, in großer Zahl, doch gab Domitian diese dem Senat nicht bekannt (Dio 11. Suet. 10, 5; vgl. Euseb.-Hieron. zum [2570] J. Abr. 2105 = Okt. 88 – Sept. 89: Domitianus plurimos nobilium in exilium mittit atque occidit). Daß damals Domitian eine Legion kassierte (die XXI Rapax, so Bergk Z. Gesch. u. Topogr. d. röm. Rheinlande 67ff. Asbach Westd. Ztschr. III 1884, 10. Vollmer 48), ist nicht beweisbar (vgl. Gsell 259ff. Ritterling Westd. Ztschr. XII 1893, 232). Doch sollten, um eine Empörung zu erschweren, künftig nicht mehr zwei Legionen zusammen ein Winterquartier beziehen und die Soldaten Gelder nur bis zu 1000 Sesterzen in den Fahnensparkassen hinterlegen, damit kein abtrünniger Führer daran einen finanziellen Rückhalt haben konnte (Suet. 7). Daher wurde Mainz nur mehr mit der XXII Primigenia belegt, die XIV und XXI verlegt (Näheres Ritterling a. a. O. 230ff.). Möglich ist, daß erst damals die beiden germanischen Militärbezirke in Provinzen umgewandelt wurden (Asbach Westd. Ztschr. III 1884, 11), was jedenfalls vor 90 geschah (CIL III 9960 und p. 1965), doch wird die Trennung eher mit der Gebietserweiterung um das J. 83 zusammenhängen (vgl. Gsell 139f.).

ε) Mit der Überleitung κατὰ τοῦτον τὸν χρόνον erzählt Dio den Aufstand des Saturninus nach neuen Kämpfen gegen die Daker (10); hier berichtet er, und zwar, wie es scheint, außerhalb der chronologischen Reihenfolge nachholend, daß (Tettius? s. Gsell 218f.) Ιulianus von Domitian mit der Führung des Kriegs an der Donau betraut war. Ιulianus schuf treffliche Einrichtungen, suchte die Disziplin der Soldaten zu heben, kämpfte mit den Dakern bei Tapae und rieb sie fast ganz auf. Dekebalos war sogar in Besorgnis, daß die Römer gegen seine Residenz (Sarmizegethusa) vorgingen. Das geschah allerdings nicht, vielleicht weil Dekebalos die Römer über die Stärke seiner Truppen zu täuschen wußte. Dekebalos bat wohl auch jetzt Domitian um Frieden (Dio 7). Bei diesen Ereignissen war aber Domitian offenbar nicht anwesend. Nun fand aber seine zweite Expedition gegen die Daker nach Sueton (6, 1) nach der Niederlage des Fuscus statt; auf diesen zweiten Aufenthalt Domitians, den er auch zum Kampf gegen die Quaden und Markomannen benützte, bezieht sich ohne Zweifel ein anderer Bericht Dios (7). Zwischen der Niederlage des Fuscus und dem Kampf mit den Quaden und Markomannen liegt aber, wie aus dem Zusammenhang klar wird, eine Niederwerfung der Daker. Denn Domitian wendet sich gegen die Quaden und Markomannen, um sie zu bestrafen, weil sie keine Hilfstruppen gegen die Daker gestellt hatten, und Dekebalos war in die Enge getrieben (δεινῶς γὰρ ἐτεταλαιπώρητο Dio a. a. O.), und nahm deshalb den von Domitian angebotenen Frieden an. Dies alles führt dazu, den Feldzug des Iulian vor dem zweiten Eintreffen Domitians an der Donau anzusetzen. Daß die kriegerischen Operationen von Iulian nicht vor 88 aufgenommen wurden, wird durch dies Fehlen neuer Imperatorakklamationen bis ins J. 88 hinein bezeugt. Doch im J. 88 kann der Feldzug des Iulian stattgefunden haben (die Aufzählung bellum Dacium ... Germanicum ... Dacicum CIL VIII 1026, vgl III 7397 würde dann die Kriege nach Domitians Anwesenheit auf den Kriegsschauplätzen richtig gruppieren). [2571]

Jene zweite Anwesenheit Domitians fällt aber in das J. 89. Denn Mitte des J. 90 betrachtet man die Rache für Fuscus als vollzogen (Martial. VI 76, vgl. Friedländer 58); die letzte Akklamation vorher (XXI) wurde aber von Domitian schon Ende 89 angenommen (s. oben δ). Die sieben Akklamationen der J. 88 und 89 müssen mit den Triumphen über Daker und Germanen zusammenhängen; diese fallen nach Eusebius ins J. Abr. 2106 = Oktober 89 – September 90, also, wenn man die Akklamationen und die Nichterwähnung in den von Anfang Januar bis Ende April 90 vollständig erhaltenen Arvalakten in Betracht zieht, Ende 89 (noch genauere Datierung versuchen Gsell 200 [November] und Vollmer 51, 2 [nach 5. Dezember 89]). Die zeitliche Abfolge (Aufstand des Saturnin – Domitian an der Donau – Triumph) wird festgelegt durch die Anspielungen des Martial (Saturninaufstand: IV 11; Sendung des Diegis: V 3; Triumphe: V 19, 3. VI 4, 2. 10, 8) und des Statius (qualem modo frena tenentem Rhenus et attoniti vidit domus ardua Daci silv. I 1, 6; das Chattis Dacisque fidem ebd. 27; tu bella Iovis [im J. 69], tu proelia Rheni [im J. 83], tu civile nefas [Saturninusaufstand], tu tardum in foedera montem [= Dacos, vgl. I 1, 7. III 3, 169] longo Marte domas ebd. 79ff.; vgl. CIL VIII 1026).

ζ) Es ist nicht klar, ob Domitian vom Zug gegen Antonius erst nach Rom zurückkehrte oder sofort an die Donau ging (Gsell 218 vermutet dies nach den erwähnten Versen Stat. silv. I 1, 6; ebenso Vollmer 50). Dort zog er durch das Gebiet der Daker gegen die Quaden, Markomannen und Sarmaten, die Verbündeten der Daker (vgl. Inschr. des Velius Rufus, S.-Ber. Akad. Berl. 1903, 817, dazu v. Domaszewski Philol. LXVI 107, 169). Ihr Verhalten zeigt, daß die Niederlage des Fuscus schon durch Iulian (und Domitian?) ausgeglichen war: sie schickten zweimal Gesandte mit der Bitte um Frieden; die zweite Gesandtschaft ließ Domitian töten. Doch die Markomannen besiegten den Domitian und warfen ihn in die Flucht (Dio 7; vgl. Plin. paneg. 11). Jetzt sah sich der Kaiser doch genötigt, eiligst den von Dekebalos längst angebotenen Frieden anzunehmen. Dekebalos erschien zwar nicht persönlich zur Friedensverhandlung, schickte aber den Diegis (Dio a. a. O.; Bruder des Dekebalos? vgl. Martial. V 3) mit Gefolge. Es scheint ein für beide Teile ehrenvoller Friede geschlossen worden zu sein (Dio 7; vgl. Stat. silv. III 3, 169): Domitian wurde als Sieger anerkannt, indem nicht nur die Gesandtschaft zu ihm kam, sondern auch gefangene Römer und erbeutete römische Waffen ausgeliefert wurden, und indem er den Diegis mit einem Diadem krönte, wodurch das Abhängigkeitsverhältnis ausgedrückt war (Dio 7; vgl. Martial. VI 10, 7. 76, 5); an Dekebalos schickte Domitian große Summen und tüchtige römische Hilfskräfte zur Neugestaltung des dakischen Landes in Bezug auf Krieg und Frieden, Heer und Verwaltung (vgl v. Domaszewski Rh. Mus. XLVIII 1893, 241, 3); er verhieß ihm anch Geschenke von Geräten aus seinem Palaste (Dio a. a. O. Plin. paneg. 11f.). Es scheint durchaus, daß Domitian das [2572] Gebiet der Daker in vasallstaatliche Abhängigkeit von Rom brachte und durch kluge Politik einen weiteren Schritt zur Romanisierung des Gebiets tat (vgl. Brandis o. Bd. IV Art. Dacia, bes. S. 1965ff.; über die Anlage eines Grenzwalls durch Domitian und die Errichtung eines Grabmals für Cornelius Fuscus vgl. Martial. VI 70 und o. S. 2563; s. Cichorius Die röm. Denkmäler in der Dobrudscha, Berlin 1904).

η) Domitian belohnte seine Soldaten für den Erfolg gegen die Daker mit Dienstauszeichnungen und Geldgeschenken (Dio a. a. O.; dona wegen des Dakischen Krieges s. bei Steiner Bonn. Jahrb. CXIV/V 1906, 53ff. nr. 49. 62ff.). Nach Rom schickte er Gesandte des Dekebalos und einen Brief von ihm, dessen Echtheit von Dio (7) wohl unnötigerweise bezweifelt wird.

θ) In Rom triumphierte Domitian Ende 89 (s. o. ε) über die Daker und gleichzeitig über die Chatten. Im Zug wurde viel Prunkgerät getragen, das allerdings nicht mit Sicherheit als Beute bezeichnet werden kann (Dio 7; vgl. Gsell 223, 3). Den Beinamen Dacicus nahm Domitian nicht offiziell an (er findet sich nur als Adresse bei Martial. VIII praef.). Doch wurden ihm (nach Dio 8) soviel Ehrenbezeugungen zuerkannt, daß das ganze Reich voll war von ,goldenen und silbernen’ Bildsäulen des Kaisers. Der Senat beschloß, eine Kolossalstatue des Kaisers in Bronze mitten auf dem Forum zu errichten (s. beim J. 91 β). Prachtvolle Triumphalspiele mit außerordentlichen Darbietungen wurden gefeiert (vgl. Martial. IV 19, 3); erwähnt werden: Wettlauf von Mädchen, Kämpfe von Berittenen und Unberittenen, Kämpfe von Zwergen mit Weibern; nächtliche Wettkämpfe, Naumachien in einem dazu neuangelegten Becken, nahe am Tiber; bei diesem Fest hielt Domitian in strömendem Regen aus; als viele erkrankten und starben, gab er, wie es heißt, zum Trost ein nächtliches Festmahl (Dio 8; vgl. Suet. 4). Die Spitzen des Senatorenstandes und der Ritterschaft lud er zu einer mysteriösen Trauerfeier – man sagte wohl, für die in Dacien Gefallenen und die in Rom Hingerichteten; wie Dio (9) die Sache erzählt, sieht sie aus wie ein grausames Vexierspiel.

ι) Als diesen Festen gleichzeitig wird wieder die Hinrichtung von Vornehmen erwähnt. Das Vermögen eines Mannes wurde eingezogen, weil er einen von ihnen, der auf seinem Landgute starb, hatte begraben lassen (Dio 9). Das ist die zweite Nachricht von Hinrichtungen in diesem Jahre; sie zeigen, wie die Verschwörungen und der Aufstand des Antonius auf Domitian wirkten: aliquanto post civilis belli victoriam saevior (Suet. 10, 5; vgl. metu saevus 3. 2. Aur. Vict. Epit. 11). Auch eine erste Verfolgung der Mathematiker und Philosophen ist aus dieser Zeit bekannt (Euseb. zum J. Abr. 2105 = Okt. 88 – Sept. 89); sie gehörten wohl zu der Oppositionspartei der republikanisch gesinnten Stoiker (vgl. u. S. 2677. Gsell 275ff. und beim J. 93 δ). Er ließ sogar seinen Vetter T. Flavius Sabinus (der seinen autokratischen Sinn schon vor der Thronbesteigung verletzt hatte, da er seine Diener weiß gekleidet gehen ließ, Suet 12, 3) hinrichten, weil ihn allerdings recht sonderbarer Weise der Herold statt zum Consul zum Imperator ausgerufen [2573] hatte (Suet. 10, 4). Es geschah dies einige Zeit vor dem Tod der Gattin des Sabinus und heißgeliebten Nichte des Domitian, der Iulia (Suet. 22. Philostr. Apoll. VII 7. Schol. zu Iuven. 2, 29). Da diese, den Folgen eines Abortus, zu dem Domitian sie genötigt hatte, erlegen, im fünfzehnten Consulat Domitians (90/1) als diva auf Münzen erscheint (Cohen 1. 9f. 19) und bei den vota der Arvalbrüder zwar am 3. Januar 87, aber nicht am 3. Januar 90 erwähnt wird (CIL VI 2065. 2067), so erfolgte ihr Tod zwischen diesen Daten, aber eher im J. 88 als 89, das Domitian zu großem Teil fern von Rom verbrachte (vgl. Gsell 240, 3. Vollmer 50): die Hinrichtung des Sabinus also wird vor 90 oder gar 89 stattgefunden haben.

κ) Zwanzig Jahre nach Neros Tode (9. Juni 68) soll ein falscher Nero aufgetreten sein und bei den Parthern solche Unterstützung gefunden haben, daß man ihn kaum ausliefern wollte (Suet. Nero 57, 2). Man erwartete Kämpfe im Osten, wenn die Stelle mota probe etiam arma falsi Neronis ludibrio (Tac. hist. 12; Gsell 233, 3 denkt auch an Stat. silv. IV 3, 110. V 1, 89) darauf anspielt und nicht auf das Auftreten eines falschen Nero unter Titus (s. u. S. 2721). Da gewiß nach dem J. 69 mehr als ein Pseudo-Nero auftrat (vgl. ceterorum casus conatusque in contextu operis dicemus Tac. hist. II 8), so ist kaum daran zu denken, daß jener Prätendent aus der Regierungszeit des Titus jetzt wieder auftauchte (Mommsen R. G. V 396f. Gsell 153f. 233). Über die Imperatorenakklamationen s. o. δ.

90: pont. max. trib. pol. VIIII (vom 14. Sept. an X) imp. XXI cos. XV cens. perp. p. p. Am 1. Januar wurde Domitian Consul XV zusammen mit M. Cocceius Nerva, der sein zweites Consulat antrat (CIL VI 621 = Dessau 3532. CIL VI 2067, vgl. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 123); wie lange er das Consulat führte, ist ungewiß, da danach erst die im Oktober fungierenden Consuln bezeugt sind (CIL III p. 1965 = Dessau 1998). Domitians 21. Begrüßung als Imperator wird am 27. Oktober erwähnt (a. a. O.); sie datiert noch von Ende 89 und ist noch am 14. Juni 92 bezeugt. Also waren die Kriege an Donau und Rhein mit Ende 89 abgeschlossen. Erhalten ist eine Konstitution, durch die eine Truppenentlassung in Germania superior (unter dem Statthalter L. Iavolenus Priscus) bezeugt wird: es ist das erste Diplom, das als Anschlagstelle des Originals nicht das Capitol, sondern die Mauer post templum divi Aug. ad Minervam (a. a. O.; vgl. Jordan Topogr. d. Stadt Rom I 3, 81) hat. Eine Inschrift bezeugt Arbeiten in der Provinz Baetica an der Via Augusta ab arcu, unde incipit Baetica (CIL II 4721 = Dessau 269). Über innere Ereignisse fehlen datierbare Nachrichten (vgl. beim J. 89 ι). Domitians Gemahlin Domitia ging in diesem Jahre mit einem Kinde schwanger (dessen nur an einer Stelle gedacht wird: Martial VI 3).

91: pont. max. trib. pot. X (vom 14. Sept. an XI) imp. XXI cos. XV cens. perp. p. p.

α) Domitian unterbrach (wie im J. 89) auch in diesem Jahre die Reihe seiner Consulate; der Grund ist unbekannt. Ordinarii des Jahres waren [2574] M’ Acilius Glabrio und M. Ulpius Traianus (CIL VI 2067, 63, vgl. 1988. Dio 12. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 123f.).

β) Einige Ereignisse werden durch Eusebius (Hieronymus) dem J. Abr. 2107, der Zeit von Oktober 90 bis September 91, zugewiesen. Die oberste Vestalin, Cornelia, die schon einmal freigesprochen worden war, wurde angeklagt und, trotzdem sie ihre Unschuld beteuerte, von Domitian, der das Gericht auf die Albanervilla berief, zu der harten Strafe verurteilt, lebendig begraben zu werden. Der mitschuldige Ritter Celer wurde trotz seiner Unschuldsbeteuerungen auf dem Comitium totgepeitscht, der frühere Praetor Valerius Licinianus, der eine offenbar beteiligte Freigelassene versteckt hatte, wurde nach einem Geständnis verbannt (Suet. 8. Plin. ep. IV 11). Anspielungen u. a. auf das civile nefas des Antonius (v. 80) und auf einen Vestalinnenprozeß enthält ein Gedicht des Statius (silv. I 1; doch kann sich die Anspielung atque exploratas iam laudet Vesta ministras Stat. silv. I 1, 33ff. auch auf den Tod der drei Vestalinnen im J. 83 beziehen; vgl. Gsell 81; anders Vollmer 222). Der Verfasser überreichte das Gedicht dem Kaiser auf seinen Wunsch am Tage nach der Weihung eines großen Reiterstandbildes, das auf dem Forum seit dem Doppeltriumph von 89 erbaut worden war und zwar mit großer Schnelligkeit (v. 61ff.), so daß es kaum später als 91 geweiht wurde (Vollmer 4. 215; wenige Wochen nach November 89 geweiht: Gsell 104; vgl. noch Jordan Topogr. I 2, 178ff. Hülsen Forum Romanum 119). In dem Gedicht heißt Domitian auch genitor deorum (v. 74), was wohl auf das Martial. VI 3 erwähnte Kind zu beziehen ist (s. beim J. 90). Daß sich Domitian auf dem Capitol ,goldene und silberne’ Statuen setzen ließ, wird in diese Zeit gesetzt von Eusebius (Hieron.) z. J. Abr. 2107 = Oktober 90 – September 91.

92: pont. max. trib. pot. XI (vom 14. Sept. an XII) imp. XXI (XXIII) cos. XVI cens. perp. p. p.

α) Im J. 92 nahm Domitian wieder das Consulat an; sein Kollege war Q. Volusius Saturninus (vgl. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 124. CIL VI 525. XIV 245 = Dessau 6126). Seit den Iden des Januar amtierte dieser mit L. Venuleius Apronianus. Die 21. Imperatorbegrüßung ist für dieses Jahr noch durch eine Konstitution vom 14. Juni bezeugt, in der altgedienten und ehrenvoll entlassenen Soldaten der classis Flavia Moesica Bürger- und Eherecht gegeben wird (CIL III p. 858). Die erst für den 13. Juli 93 bezeugte 22. Akklamation stammt wahrscheinlich schon aus diesem Jahre (s. J. 93 α).

β) Eine eigenartige Verwaltungsmaßregel wird aus der Zeit vom Oktober 91 bis September 92 berichtet (Euseb. zum J. Abr. 2108). Ein Jahr mit sehr schlechter Getreide- und guter Weinernte brachte Domitian zu der Anschauung, daß der Ackerbau zu sehr wegen des Weinbaues vernachlässigt werde. Er verordnete deshalb, es sollten in Italien keine neuen Weinberge angelegt and die Weinstöcke der Provinzen auf die Hälfte reduziert werden. Die Maßregel ließ er aber nicht strenge durchführen, wie es scheint, weil aus der Provinz Klagen kamen (Suet 7, 2; vgl 14, 2. [2575] Stat. silv. IV 3, 11. Philostr. v. Apoll. VI 42; vita soph. I 6 p. 221 Kayser. Mommsen R. G. V 98f. Gsell 152f. Vollmer 452. P. Weise Röm. Weinbau in Gallien u. a. d. Mosel, Progr. Hamburg 1901).

γ) Eine äußerst dürftig überlieferte Expedition Domitians an die Donau gegen die Sarmaten fällt in das Jahr 92. Die Inschriften nennen 1. ein bellum Marcomannorum und ein bellum Quadorum Sarmatarum, gegen die eine Expedition durch das Gebiet des Dekebalos zog (S.-Ber. Akad. Berl. 1903, 817); 2. ein bellum Germa(nicum) et Sarmatic(um) (CIL XI 5992); ferner wurde 3. ein Tribunus militum ausgezeichnet bello Suebico i[tem Sar]matico (CIL X 135 = Dessau 2719); 4. eine expeditio Suebic(a) et Sarm(atica) (CIL III 291 = 6818 = Dessau 1017; gehört aber nach v. Domaszewski Rh. Mus. XLVIII 1893, 244 in die Zeit Traians). Die Schriftsteller erwähnen 1. einen Krieg gegen die Quaden und Markomannen, in dem Domitian geschlagen wurde (Dio 7); 2. Kämpfe (horrida bella) gegen die Markomannen und Sarmaten, über die zu triumphieren Domitian verzichtet habe, nach dem Chatten- und dem Dakerkrieg (Stat. silv. III 3, 167ff.); 3. einen Pannonischen Krieg, offenbar identisch mit einem Krieg gegen die Sarmaten; nachher für Domitian Lorbeerkranz und Ovation (Martial. VII 2, 1. 6. 30. VIII 11. 15. 26. IX 101); 4. eine Expedition des Domitian gegen die Sarmaten, die Domitian necessario . . legione cum legato simul caesa unternahm und nach der er dem Iuppiter Capitolinus einen Lorbeerkranz darbrachte (Suet. 6, 1); 5. coortae in nos Sarmatarum ac Sueborum gentes (Tac hist. I 2) gehört wahrscheinlich auch hierhin.

Von diesen Kriegen ist der in der Inschrift 1 und bei Dio genannte Krieg sicher der von 89, in dem Domitian durch das Gebiet der Daker zog, von den Markomannen besiegt wurde und mit den Dakern den endgültigen Frieden schloß. Die übrigen Nachrichten gehören zusammen und fügen sich etwa so zu einem Ganzen: eine Legion wurde samt ihrem Legaten von den Sarmaten niedergehauen, Domitian zog nach Pannonien, kämpfte gegen die Sarmaten und ihre Verbündeten, die Markomannen und Sueben, und brachte nach der Rückkehr dem Iuppiter einen Lorbeerkranz als Siegeszeichen dar. Dieser Zug bildet eine neue Stufe der Kämpfe, die im J. 89 gegen die Markomannen, Quaden und Sarmaten mit wenig Glück begonnen wurden; er war also veranlaßt legione cum legato simul caesa, was ungezwungen bedeutet, daß eine Legion vernichtet wurde (so berichtet es auch Eutrop. VII 23, was Filow 45 ohne Grund als bloße Auslegung faßt; ältere Literatur bei Gsell 225, 6ff., neuere bei Filow Klio I Ergänz. I 6, 36f.); welche, ist nicht sicher (am ehesten ist an die V Alauda und XXI Rapax zu denken, s. o. S. 2564; vgl. Ritterling Österr. I Jahresh. VII 1904 Beibl. 32ff.). Wie diese Niederlage vor sich ging, ist nicht überliefert (an einen Verrat der Barbaren denkt Vollmer 51, 5 nach Stat. Theb. III 351). Auch von Domitians Feldzug ist nichts Wesentliches bekannt. Er ließ sich einen mit Eberklauen verzierten Brustharnisch nachschicken (Martial. VII 1, 2; die Stimmung in Rom VII 6ff.). Die Zeit des Zuges des Domitian [2576] ist bestimmt einerseits dadurch, daß er die 22. Akklamation, seine letzte, vor dem 13. Juli 92 annahm (CIL III p. 859), andrerseits durch die Nachricht, daß er nach achtmonatlichem Feldzug im Januar nach Rom zurückkehrte (Martial. VIII 8. IX 31, vgl. Friedländer S. 58). Also zog Domitian im Mai 92 von Rom fort. Daß der Krieg für Domitian nicht ungünstig endete, macht die 22. Akklamation, die Weihung des Lorbeerkranzes (s. J. 93 β), die Auszeichnung von Teilnehmern (vgl. die erwähnten Inschriften) und die Äußerungen von Schriftstellern (Martial. VII 80, vgl. dazu Friedländer. Stat. silv. III 3, 167ff. IV 3, 153. refugis amaram Sarmatis legem dederit IV 7, 49), wenn sie nicht stark übertrieben sind, wahrscheinlich.

93: pont. max. trib. pot. XII (vom 14. Sept. an XIII) imp. XXII cos. XVI cens. perp. p. p.

α) Für dieses Jahr verzichtete Domitian wieder auf das Consulat (wegen der Abwesenheit am 1. Januar?); Eponyme wurden Pompeius Collega und Priscus oder Priscinus (s. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 125). Da die 22. Imperatorakklamation höchstwahrscheinlich vom Sarmatenkrieg herrührt, so kann sie noch vom Ende des J. 92 sein; sie ist die letzte bei Domitian bezeugte (zuerst auf dem Diplom vom 13. Juli 93, dann während des 13. Tribunats: Dessau 8798, zuletzt auf einer Münze nach dem 14. September 96, Cohen 297; vgl. Chambalu De mag. Flav. 27).

β) Als Domitian am 1. oder 2. Januar nach Rom zurückkehrte (Martial. VII 8. VIII 2. 4. 8. Friedländer S. 60) legte er, anstatt einen Triumph zu feiern, wie man wohl erwartet hatte (Martial, VII 2, 7, 6, 7. 8, 7), nur einen Lorbeerkranz im Tempel des capitolinischen Iuppiter nieder (Suet. 6; vgl. Gsell 228, 5). Doch wurde seine Ankunft gefeiert mit Festen (Martial. VIII 11. 15. 26. 30. 50. 54f.), Opfern (Mart. VIII 4. 15) und der Errichtung eines Triumphbogens (Mart. VIII 65; vgl. Gsell 113). Der Name Sarmaticus war, falls er ihn führte (Martial. IX 93, 7. 101, 19; vgl. Gsell 229, 2) so wenig offiziell wie Dacicus (s. J. 89 θ). Dem Volke gab Domitian das dritte Congiarium (Martial. VIII 15; vgl. Suet. 4, 5, Chronograph von 354 in Chron. min. I 146 Mommsen).

γ) Während nach dem Sarmatenkrieg kein äußeres Ereignis den Frieden mehr stört (vgl. Stat. silv. IV 1, 12. Sil Ital. XIV 686. Martial. IX 101, 21), gärt im Innern der Unfriede weiter, verschärft seit dem Saturninusaufstand (Suet. 10; vgl. o. J. 88/89 ι). Der Bericht multos nobilium perdidit, quosdam et in exilium mittit (Eusebius zum J. Abr. 2109 = Oktober 92 bis September 93) wird durch einzelne Angaben ergänzt. Charaktere wie der vorsichtige Agricola ließen es nicht zu einem offenen Gegensatze kommen; Domitians Anteilnahme an dessen Krankheit und Tod (am 23. August 93) wird indessen von Tacitus verdächtigt; er sagt auch nicht, daß das Gerücht, Domitian habe dem Agricola Gift geben lassen, falsch sei (Tac. Agr. 42f.). Doch erst nach dem Tode des Agricola begann die Zeit einer dauernden Schreckensherrschaft, postremum illud tempus, quo Domitianus non tam per intervalla ac spiramenta temporum, sed continuo et velut uno ictu rem publicam exhausit (a. a. O. 44), [2577] so daß Tacitus sich opportunitate mortis des Agricola erfreut zeigt (a. a. O. 45). Dazu stimmt, daß Plinius, der wohl 93 Praetor wurde (vgl. v. Rohden Prosop. III 49), mit dieser seiner Beförderung diese Periode beginnen läßt (Plin. paneg. 95; vgl. ep. III 11, 2f.). Eine Kette von Ereignissen tritt zunächst deutlicher hervor: Baebius Massa, ein Günstling des Domitian und bekannter Angeber (Tac. hist. IV 50. Schol. Iuven. I 35. Gsell 142) hatte sich als Proconsul von Baetica Erpressungen zu Schulden kommen lassen. Domitian ließ dem Prozesse gegen ihn, in dem Plinius und Herennius Senecio (Dessau Prosop. II 138 nr. 92) vom Senate als Sachwalter der Spanier bestellt wurden, freien Lauf (Mitte 93, Tac. Agr. 45). Baebius wurde verurteilt, sein Vermögen konfisziert (Plin. ep. III 4, 4ff. VI 29, 8. VII 33). Doch Senecio, der selbst aus Baetica war und vor allem wohl in dem verhaßten Angeber den Kaiser zu treffen gedachte, wollte sich damit nicht zufrieden geben. Da erklärte Baebius in offener Senatssitzung sein Vorgehen für persönlich gehässig und beschuldigte ihn des Majestätsverbrechens. Diese Anschuldigung stützte sich auf die von Senecio verfaßte Biographie des älteren, unter Vespasian hingerichteten Helvidius Priscus, ferner darauf, daß jener nach der Quaestur sich um kein weiteres Amt beworben, worin man eine Verachtung des Domitian sah (Plin. ep. VII 19, 5. Dio 13; vgl. Tac. Agr. 2. 45). Die Anklage wurde bald darauf von Metius Carus erhoben und das Buch öffentlich verbrannt, Senecio selbst hingerichtet (a. a. O.). Fannia, die Gattin des Helvidius und Tochter des Thrasea Paetus, und ihre Mutter Arria wurden, da jene die Biographie veranlaßt und das Material geliefert hatte, verhaftet und verbannt (Plin. VII 19, 4ff. 11111,3). Helvidius, der Sohn jenes Helvidius Priscus, ein im allgemeinen vorsichtiger, zurückhaltender Mann, hatte nur einmal über Domitian einen unvorsichtigen Vergleich angestellt: er wurde jetzt angeklagt und zum Tode verurteilt (Suet. 10, 4. Plin. ep. III 11, 3. IX 13, 2f. Tac. Agr. 45; vgl. Dessau Prosop. II 130 nr. 38). Aus dem Freundeskreise des Stoikers wurde dann Iunius Arulenus Busticus (Dessau Prosop. II 233 nr. 471) belangt, weil er eine verehrungsvolle Biographie des Thrasea geschrieben hatte; auch sein Buch wurde verbrannt, er hingerichtet (Plin. III 11, 3. V 1, 8. I 5, 2. 14. Tac. Agr. 2. Dio 13. Suet. 10, 3), obwohl er zu dem Kaiser in näherer Beziehung gestanden zu haben scheint (Plut. de curios. 15 p. 522 D). Wahrscheinlich wurde Gratilla, seine Gattin, zugleich verbannt (Plin. III 11, 3. V 1, 8). Verbannung traf auch den Iunius Mauricus, den Bruder des Rusticus (Plin. ep. III 11, 3. I 5, 10. Tac. Agr. 45; vgl. Dessau Prosop. II 240 nr. 504). Von den Vorgängen bei diesen Prozessen ist ganz allgemein überliefert: die Curie wurde belagert, der Senat von Bewaffneten eingeschlossen; in einem Gemetzel wurden mehrere Consulare getötet; viele vornehme Frauen wurden verbannt oder flohen. Domitian war zum Schrecken seiner Gegner in den Senatssitzungen selbst anwesend (Tac. Agr. 45; vgl. Plin. paneg. 76; ausführliche Darlegungen s. Imhof 108ff. Gsell 275ff.).

δ) Bei dieser Gelegenheit, wo oppositionelle [2578] Stoiker wegen Majestätsverbrechen verurteilt wurden, ließ Domitian viele Philosophen töten (Dio 13), ferner alle Philosophen aus Rom und (einige Zeit darauf?) aus Italien vertreiben (Suet 10, 3 beweist den Zusammenhang. Dio 13. Tac. Agr. 2; vgl. Gell. XV 11, 5; demnach setzt die armenische Übersetzung des Eusebius [p. 160 Schöne] die Vertreibung richtig ins J. Abr. 2109 = Okt. 92 bis Sept. 93, Hieronymus zwei Jahre zu spät; vgl. Plin. ep. III 11, 3, wo Plinius als Praetor den aus Rom entwichenen Schwiegersohn des Musonius Rufus, Artemidor, aufsucht). Ebenso wurden die Mathematiker (Astrologen) damals vertrieben (Euseb. a. a. O.).

94: pont. max. trib. pot. XIII (vom 14. Sept. an XIIII) imp. XXII cos. XVI censor perp. p. p.

95: pont. max. trib. pot. XIIII (vom 14. Sept. an XV) imp. XXII cos. XVII cens. perp. p. p.

α) Auch im J. 94 übernahm Domitian nicht das Consulat (Ordinarii waren L. Nonius Torquatus Asprenas und T. Sextius Magius Lateranus, CIL VI 1988. 25527. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 125). Im J. 95 war Domitian cos. XVII zusammen mit T. Flavius Clemens (CIL III 37. Dio 14; vgl. Asbach a. a. O. 126). Zum Antritt des Consulats verfaßte Statius das Gedicht IV 1, aus dem hervorgeht, daß sich Domitian vom Senat um Übernahme des Consulats bitten ließ (v. 9).

β) Auf das J. Abr. 2110 = Okt. 93 bis Sept. 94 (Hieronymus; die armenische Übersetzung nennt J. 2109) bezieht sich die Notiz des Eusebius (p. 160 Schöne): Secundus post Neronem Domitianus Christianos persequitur et sub eo apostolus Iohannes in Pathmum insulam relegatus Apocalypsin vidit. Mit dieser Nachricht hat man außer einer Reihe später Notizen den Bericht des Dio (14) in Zusammenhang gebracht, daß im J. 95 Domitian unter vielen anderen auch seinen Vetter, den Consul Flavius Clemens (Nr. 62) hinrichten ließ, wie auch dessen mit Domitian verwandte Gemahlin Domitilla (Nr. 227); beide wurden der ἀθεότης beschuldigt, deretwegen auch andere zu den jüdischen Sitten neigende mit dem Tode oder Güterkonfiskation bestraft wurden: Domitilla wurde nach Pandateria verbannt. Ergänzt wird diese Nachricht von Sueton (15, 1): Flavius Clemens sei ein Mann gewesen contemptissimae inertiae (dessen Kinder habe Domitian schon damals unter den Namen Vespasian und Domitian als seine Nachfolger bezeichnet); Domitian habe ihn töten lassen repente ex tenuissima suspicione tantum non in ipso eius consulatu. Diese Nachrichten enthalten keine Andeutung irgend einer allgemeinen Verfolgung von Juden oder gar Christen; sie lassen zwar die Möglichkeit offen, daß auch des Flavius Clemens und seiner Gemahlin ἀθεότης verknüpft war mit Hinneigung zum Judentum, und daß darunter wieder das Christentum als jüdische Sekte zu verstehen sei. Die ἀθεότης braucht indessen nichts weiter zu sein als impietas, das Majestätsverbrechen gegen den Gottkaiser (vgl. Suet. 12, 1). Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß sich unter diesen von Domitian wegen Majestätsverbrechen Verfolgten Christen befanden. Auch wenn die Juden sich den ihnen auferlegten harten, besonders scharf eingetriebenen Abgaben durch Unterlassung der [2579] Steuererklärung oder Verschleierung ihrer Abstammung zu entziehen suchten und nun durch Angeber aufgestöbert wurden (Suet. 12, 2), wird dies Schicksal auch Christen getroffen haben. Nach einer späten Nachricht ließ sich Domitian sogar zwei Nachkommen Davids vorführen und entließ sie wieder, als sie ihn von ihrer Dürftigkeit und harten Bauernarbeit überzeugt hatten (Hegesipp bei Euseb. hist. eccl. III 19f.). Nach Eusebius (Hieronym. zum J. Abr. 2112 = Okt. 95 bis Sept. 96) hatte Domitian den Tod der Nachkommen Davids befohlen. Die Nachrichten von Verfolgungen gerade der Christen (wie die des Bruttius bei Euseb. a. a. O.: viele Christen hätten unter Domitian das Martyrium erduldet; von ihnen sei die Nichte des Consuls Flavius Clemens, Flavia Domitilla, nach Pontiana verbannt worden – offenbar eine Verwechslung mit der Gemahlin des Clemens) kommen erst spät zum Vorschein und haben geringen Wert. Am weitesten geht Orosius VII 10, der von datis ubique crudelissimis edictis spricht (die Frage der Verfolgung, die hier nicht näher behandelt werden kann, ist am gründlichsten mit allem Material und ausgedehnten Literaturangaben kritisch untersucht von Gsell 287–316; kürzer V. Schultze in Herzogs Realencykl. f. prot. Theol. u. Kirche IV 787f.; vgl. noch K. J. Neumann D. röm. Staat u. d. allg. Kirche I 7ff. P. Schmidt Ztschr. f. wissensch. Theol. L 1907, 29ff.). Auch der Consul von 91, Acilius Glabrio, mußte als molitor rerum novarum in die Verbannung gehen (Dio 14. Suet. 10, 2; über ihn vgl. Gsell 294ff.).

Alle diese Gewalttaten weckten nur immer mehr das Mißtrauen der Senatspartei und der Umgebung am Hofe gegen Domitian und umgekehrt. Er glaubte sich nicht mehr auf seine Freigelassenen und die Praefecti praetorio verlassen zu können: beide zog er vor Gericht, noch ehe ihr Amt abgelaufen war. Bezeichnend ist auch, daß er an Neros Freigelassenem Epaphroditus ein Exempel statuierte, weil er seinem Herrn nicht beigestanden habe (Dio 14). Er zeigte offenbar Verfolgungswahn (pavidus semper et anxius, minimis etiam suspicionibus praeter modum commovebatur Suet. 14; vgl. Dio 14). Die Senatskreise verloren nun schon jahrelang levissima de causa ein Mitglied nach dem andern (Suet. 10. Dio 15; vgl. Tac. Agr. 1; hist. I 1f. Plin. paneg. 48; ep. V 1, 8 u. ö.; die Liste der Opfer s. u. S. 2584f.; vgl. Gsell 317f.); doch die Hinrichtung des Flavius Clemens rüttelte die Gefährdeten auf und beschleunigte Domitians Untergang (Suet, 15, 1).

γ) In das Jahr, in dem Flavius Clemens getötet wurde, fällt vor Sommer die Vollendung der Via Domitiana zwischen Sinuessa und Puteoli, die dem Bedürfnis des schnelleren Verkehrs von Rom nach dem Golf von Neapel diente (Dio 13; vgl. die Beschreibung Stat. silv. IV 3 und dazu Vollmer 455).

96: pont. max. trib. pot. XV (vom 14.–18. Sept. XVI) imp. XXII cos. XVII cens. perp. p. p. α) Domitian verzichtete wieder auf das Consulat. Eponyme Consuln waren C. Antistius Vetus and T. Manlius Valens (CIL VI 17707; vgl. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 126).

[2580] β) Überall ein Mann des Schreckens und des Hasses, fiel Domitian in diesem Jahre durch die Verschwörung seiner eigenen Freunde, seiner vertrauten Freigelassenen und seiner Gattin (Suet. 14, 1. Dio 15). Nach einem Thronfolger wurde vorher Ausschau gehalten, bis sich Nerva bereit fand (Dio 15; vgl. Stein o. Bd. IV S. 135f.). Die Verschworenen (genannt werden: Parthenius und Sigerius, a cubiculo; Entellus, a libellis; Stephanus, ein procurator der Domitilla u. a.; sie wurden unterstützt von Norbanus und Petronius Secundus, Praefecti praetorio) überlegten die Todesart. Stephanus, der gerade unter der Anklage der Unterschlagung von Geldern stand, übernahm die Ausführung. Er heuchelte eine Verwundung des linken Armes, um an ihm einen Dolch verstecken zu können, ließ sich am 18. September zu fünfter Stunde, in der Domitian nach einer im Verfolgungswahn schlecht verbrachten Nacht und selbstquälerischem Tag gerade wieder innere Ruhe gewonnen hatte, durch den verbündeten Parthenius, a cubiculo Domitians, der des Princeps Waffe unter dessen Kopfkissen entfernt hatte, melden, überreichte dem Kaiser eine Schrift, und als er las, stieß er ihm den Dolch in den Unterleib. Domitian warf sich auf Stephanus, stürzte mit ihm zu Boden, suchte ihm den Dolch zu entreißen und ihm mit blutigen Fingern die Augen auszustechen. Als er sich noch wehrte, fielen mitverschworene Hofbeamte über ihn her und töteten ihn mit sieben Wunden (Suet. 16f. Dio 15ff. Philostr. vit. Apoll. VIII 25. Suidas; vgl. Gsell 326ff. Stein o. Bd. IV S. 135f.).

So wurde Domitian am 18. September 96 ermordet. Seine Leiche wurde auf einer gewöhnlichen Bahre, so wie es bei den Gladiatoren geschah, von Totengräbern fortgeschafft; seine Amme Phyllis verbrannte die Leiche auf seiner Villa an der Via Latina und setzte seine Asche, vermischt mit der Iulias, der Tochter des Titus, heimlich im Templum gentis Flaviae bei (Suet. 17, 3; vgl. Dio 18f. Aur. Vict. Caes. 11, 8. Eutrop. VII 15).

γ) Bei Domitians Tode blieb das Volk gleichgültig, aber die Soldaten gerieten in Erregung und wollten ihn sogleich konsekriert wissen; auch wollten sie den Tod des Kaisers rächen, und bald nachher mußten auf ihr Drängen die Mörder bestraft werden. Doch die Aristokratie atmete erleichtert auf und ließ ihren Haß walten: die Senatsversammlung stieß Schmähreden gegen den Ermordeten aus und ließ Leitern bringen, um von den Wänden und Postamenten zu reißen, was an ihn erinnerte; schließlich faßte man den Beschluß eradendos ubique titulos abolendamque omnem memoriam (Suet. 23. Aur. Vict. Caes. 11,9; vgl. Gsell 330ff. Zedler De memoriae damnatione, Darmstadt 1886, 29. Mowat Revue Numism. 4. série L 443ff.). Daher fehlt die seiner Regierungszeit entsprechende Zahl von Inschriften (s. o. S. 2542), und wenn man auch nicht überall die Weisung des Senats befolgte (vgl. CIL Indices), so wurde doch meist der Name Domitianus ausgemeißelt (z. B. CIL II 2349. 2477. 4838 = Dessau 5973. 254. 5833. CIL III 312 = Dessau 268. CIL VI 20. 398. 621. 932 = Dessau 2092. 3673. 3532. 246. CIL X 7227 = Dessau 5753. CIL XIV 3612 = Dessau 1025. IG XII 1, 59, 2 [Rhodos]).

[2581]

IV. Übersicht über die Verwaltung. a) Allgemeines. Die Regierung Domitians ist nicht einheitlich verlaufen. Sie begann, wie es scheint, mit einer Reaktion, die ihren Grund zum Teil in dem persönlichen Gegensatz zu Vespasian haben mag (er bestand seit der Praetur und Reichsverwesung Domitians im J. 70, in der sich dieser nach Vespasians Meinung zu viel herausnahm, worauf er von dem Vater gedemütigt und zurückgesetzt wurde oder sich doch so fühlte, s. o. S. 2547), und auch in der Spannung mit Titus, auf den er neidisch war (Suet. 2, 1), an dessen Eifersucht er glaubte (Tac. hist. IV 86), und den er der Testamentsunterschlagung zieh (s. o. S. 2549). Während Vespasian ihn als Caesar auf Bauwerken als Miturheber genannt hatte (s. o. S. 2547; vgl. Mommsen St.-R. II 774), erwähnte Domitian auf Restitutionen frühere Bauherren überhaupt nicht (Suet. 5), trotzdem er gerade die Bautätigkeit des Vespasian und Titus fortführte (Aur. Vict. Caes. 11,4). Er betrachtete das Imperium als ein ihm von Vespasian und Titus zurückerstattetes Gut (Suet. 13, 1). Aus Reden und Edikten Domitians fühlte man Spitzen gegen Titus heraus (Suet. 2, 3). Man fand ihn dem Nero, Caligula und Tiberius (in dessen Commentarii und Acta er eifrig studierte, Suet. 20) ähnlicher als seinem Vater und Bruder (Eutrop. VII 15). Doch darf man den Gegensatz gegen die bisherige Regierung nicht ausschließlich in Persönlichem suchen. Es ist bezeichnend, daß dieser Gegensatz am deutlichsten in seiner von Anfang an entschiedenen Stellung über oder gegenüber der andern höchsten Gewalt, dem Senat (s. u. S. 2584ff.), hervortrat: die Entstehung eines Konflikts und seine Entwicklung zu den gewaltsamsten Formen ist der Grundzug der Regierung Domitians. Das letzte Stadium bestimmte dann meist das Gesamturteil über seine Regierungshandlungen. Doch wurde zuweilen auch die Entwicklung berücksichtigt: die administratio imperii, heißt es, verriet zuerst eine Mischung der vitia und virtutes des Princeps und zeigte Mäßigung (Suet. 3, 2. 9, 1. Vict, Caes. 11, 3. Eutrop. VII I 5). Doch allmählich brachten zwei große Probleme seiner Regierung, die Stellung des Princeps zum Senat und die Beschaffung der Deckungsmittel, einen Wandel in seine Maßregeln. Domitian kam (übrigens gegen seine Natur, Suet. 3, 2) allmählich dazu, die Lösungen zu verquicken: die Besorgnis um sein Imperium, namentlich nach den Verschwörungen und dem Aufstand des Antonius Saturninus, Ende der achtziger Jahre, brachte ihn zu grausamen Maßregeln, wobei die Güterkonfiskation nebenher ging, doch sie und ähnliche Manipulationen wurden, wie es scheint, schließlich Zweck, um wieder Mittel zur Balancierung der Finanzen zu sein (Suet. 11, 1. 10,1). Diese Seite der Regierungstätigkeit Domitians ist so hervorstechend, daß man im Altertum beim Gesamturteil andere hervorragende Züge, wie die energische Beaufsichtigung der Verwaltungsbehörden, die Strenge in der Rechtspflege, zu Unrecht außer acht ließ.

b) Die beiden höchsten Gewalten, α) Der Kaiser mit seiner Umgebung. Domitians Regierung war ein Versuch, in dem von Augustus begründeten Reich monarchisch zu regieren. Daß er einen ähnlichen Vertrag mit dem Senat schloß, [2582] wie die lex de imperio Vespasians ihn darstellt, ist nicht überliefert, aber doch anzunehmen (s. J. 81 α). Jedenfalls war Domitian von großem Selbstbewußtsein als Herrscher erfüllt. Schon als er mit 19 Jahren Praetor war,, setzte er seinen Namen an den Kopf der Episteln und Edikte (Tac. hist. IV 39), und aus dem damaligen Mißbrauch der Gewalt zog man den Schluß für die Zukunft (Suet. 1, 3). Zum Absolutistischen drängten ihn Charakterzüge, die hier zusammengefaßt sein mögen: persönlicher Ehrgeiz trieb schon den Caesar zum Zug nach Gallien und Germanien, ließ ihn ein Kommando bei den Parthern erbitten, gab ihm später den Gedanken ein, die Soldaten bei Vespasians Tode durch ein reiches Donativum zu gewinnen (s. o. II c); doch wurde Domitian durch Vespasians Verhalten zur modestia gebracht und pflegte nun die Dichtkunst als Surrogat (Suet. 2, 2). Zum Selbstherrscher bestimmte ihn ferner selbstbewußtes Pathos: die consecratio des Titus machte ihn zum Bruder des Vergötterten (s. o. beim J. 81 γ); er ließ sich selbst gern dominus und deus nennen (Suet. 13, 1. Martial. V 8, vgl. X 72 und Index bei Friedländer. Plin. paneg. 2, vgl. 45. 55. Vict. Caes. 11, 2; Epit. 11. Bull. hell. XI 1887, 163; vgl. Mommsen St.-R. II² 738. Gsell 49ff. Vollmer 6); er stiftete das Collegium der Sodales Flaviales (Suet. 4,4), verwandelte sein Geburtshaus in einen Flavischen Familientempel (Suet. 1,1): bei allem half ihm die Schmeichelei (vgl. Gsell 47). Der selbstherrliche Zug wurde unterstützt durch die Lust am Dekorativen: daher ließ er Spiele assidue magnifica et sumptuosa (Suet. 4,1) geben, triumphierte viermal (s. o. J. 83 δ. 85 β. 89 θ), zog mit großer Prachtentfaltung im capitolinischen Agon auf (Suet. 4, 4), steigerte die Herrscherinsignien nach dem Chattenkriege (s. J. 83 δ), ließ die Monate seiner Geburt und seines Regierungsantrittes, September 1 und Oktober, in Germanicus und Domitianus umnennen (s. J. 85 ε), ließ sich Bögen und Statuen, diese auf dem Capitol nur in Gold und Silber, errichten (vgl. S. 2591 und Gsell 88). Zum Absolutistischen drängte ihn aber gewiß auch Energie (neque adeo iners domi bellique Vict. Caes. 11, 3) und das Gefühl der Überlegenheit.

Domitian suchte seine Macht als Princeps zu erweitern. Wird auch in der bis dahin unerhörten Häufung der Consulate mehr die Absicht, die Eponymie mit seinem Namen zu verknüpfen (vgl. Plin. paneg. 58. Auson. gratiar. act. 6, 27), als die Absicht, sich als Consul zu betätigen, liegen (denn die Consulate führte er nur titulo tenus, nie über den 1. Mai hinaus, oft nur bis zum 13. Januar, Suet. 13, 3, vgl. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 117ff., bes. 136ff. und oben am Anfange der einzelnen Jahre; dabei verdrängte er im J. 82 wahrscheinlich einen designierten Consul, s. d.), so zeigt die Übernahme der Censur auf Lebenszeit deutlich den Willen, den Staat monarchisch zu gestalten. Dadurch ging die Censur in der kaiserlichen Kompetenz auf (Mommsen St.-R. II 1098 III 466); nach dem diskretionären Ermessen des Princeps konnte nun ungefähr alles gestaltet werden, vor allem der Senat und seine Betätigung. Diese Gestaltung nach seinem Willen nahm Domitian mit großer Energie auf. Doch ist auch eine Reihe censorischer Maßnahmen, [2583] die insbesondere die Sittenverbesserung bezweckten, bekannt (vgl. Martial. VI 4. Plin. paneg. 45. Quintil. inst. or. IV prooem.). Einen gewesenen Quaestor stieß er wegen seiner Leidenschaft für Tanz und Pantomimik aus dem Senat; Pamphlete gegen vornehme Männer und Frauen unterdrückte er und brandmarkte den Verfasser; Frauen mit anstößigem Lebenswandel nahm er das Recht, eine Sänfte zu benützen, und erklärte sie für erbunfähig; er strich einen Ritter aus dem Richteramte, weil er seine wegen Ehebruchs geschiedene Frau wieder aufgenommen hatte; die Lex Scantinia wurde gegen beide Stände angewandt (Suet. 8, 3); die Kastration verbot er (s. o. J. 81 γ); die gefallenen Vestalinnen bestrafte er wieder (s. o. J. 83 β. 91 β) und war überhaupt besorgt, ne qua religio impune contaminaretur (Suet. 8, 5). Auch die Theaterordnung schärfte er wieder ein: es durfte kein Unberechtigter zwischen den Rittern sitzen (Suet. 8, 3); die Pantomimen mußten von den öffentlichen Bühnen verschwinden (s. u. S. 2592f.).

Die Schattenseite seiner monarchischen Energie zeigen die Maßregeln, die er wegen Majestätsverletzung ergriff. Im Kampfe gegen die molitores rerum novarum von dem republikanischen Flügel der Senatspartei verschärfte sich die Empfindlichkeit des Princeps so, daß alle, die nach dem Thron zu schielen schienen, brutal beseitigt wurden (s. S. 2584). Der Name eines Privaten durfte den des Kaisers nicht überstrahlen (Tac. Agr. 39, doch wendet es Tacitus vielleicht zu Unrecht auf Domitians Verhältnis zu Agricola an). Iunius Rusticus starb schon, weil er die antikaiserlichen Senatoren Thrasea Paetus und Helvidius Priscus sanctissimos viros genannt hatte (Suet. 10, 3; s. o. J. 93 γ), Hermogenes von Tarsos starb propter quasdam in historia figuras, die Schreiber des Buches wurden gekreuzigt (Suet. 10, 3); im Circus wurde ein Anhänger der von Domitian nicht begünstigten thrakischen Fechter vor die Hunde geworfen (Suet. 10, 1. Plin. pan. 33, 3).

Als Gehilfe stand Domitian zunächst der Staatsrat zur Seite (ein Zerrbild bei Iuven. 4; die beiden Praefecti praetorio und acht Senatoren nehmen teil [vgl. CIL IX 5420]; einer dieser Freunde war Vibius Crispus, s. Dessau Prosop. III 420 nr. 379; einen andern, Arretinum Clementem, unum e familiaribus et emissariis, ließ Domitian hinrichten [Suet. 11, 1, vgl. consobrinos suos interfecit Eutrop. VII 15]; ein Bronzetäfelchen mit der Aufschrift ex comitatu imp. Domitiani Aug. Germanici, ab aquis Statiellis CIL V 7506 – Dessau 270). Delatoren wies er zu Anfang seiner Regierung von sich: für falsche Anklagen beim Fiskus bestrafte er sie, denn der Princeps, der die Angeber nicht bestrafe, sporne sie an (Suet. 9, 3). Später brauchte er sie doch, wenn er auch den als delator mit ihm vertrauten Palfurnius Sura, den Vespasian aus dem Senat gestoßen hatte, trotz der Bitten des Volks nicht in die Curie zurückkehren ließ (Suet. 13, 1).

Was dem Senat an Einfluß genommen wurde, gewann das kaiserliche Kabinett. Ritter und Freigelassene erhielten unter Domitian quaedam ex maximis officiis (Suet. 7, 2) und hatten auch Einfluß auf die Regierung (Plin. paneg. 42. 49. 88, vgl. Tac. hist. I 76; Agr. 41. Hirschfeld [2584] Kaiserl. Verwaltungsb.² 476); doch diktierte Domitian selbst Briefe für die Procuratoren (Suet. 13, 2). Zu den Hofbeamten, von denen aber keiner entfernt den Einfluß eines Seian gewonnen hat, gehörten Claudius Etruscus, a rationibus, in den Ritterstand erhoben (Stat. silv. III 3, 143ff.; über diese Seite der Verwaltung unter Domitian belehrt das ganze Gedicht, vgl. Hirschfeld a. a. O. 30, 4. Friedländer Sitteng. I6 153ff.), Entellus, a libellis, Sextus, a studiis, Euphemus, Sigerius, Parthenius, cubiculo praepositus (Suet. 16, 2. CIL VI 8761 = Dessau 1736; über diese vgl. Friedländer Martial Index. Gsell 60), ein Syracusius (als Δομετιανοῦ νοῦς καὶ γλῶττα bezeichnet bei Philostr. v. Apoll. VII 35), Clodianus, cornicularius (Suet. 17, 2) u. a. (z. B. CIL VI 8831. 8628. 8921. 8895 = Dessau 1657. 1679. 1804. 1842). Mit einem Zwerg unterhielt sich Domitian über ernste Dinge (Suet. 4, 2); ein mimus Latinus wird als Tafelgast erwähnt (Suet. 15, 3).

β) Der Senat. Bei den monarchischen Tendenzen Domitians mußte seine Zeit den dem Senat freundlichen Schriftstellern als eine Zeit der Knechtschaft erscheinen (Tac. Agr. 2f. Plin. ep. VIII 14, 2; pan. 2. 55. 66. 68. 72). Doch zeigte sich Domitian auch freundlich (oder herablassend) gegen den Senat (Suet. 4, 5). Wie die adlectio des Domitian als Censor im Senat wirkte, ist nicht festzustellen (s. Gsell 72). Indem er den Caecilius Rufus aus unpolitischem Grunde ausstieß, Schmähschriften gegen primores viri et feminae ahndete und gegen Senatoren die Lex Scantinia anwandte (Suet. 8, 3), trat er für die Würde des Senats ein, auch indem er nicht das Legat des Rusticus Caepio gestattete, wonach dessen Erbe jedes Jahr jedem in die Curie eintretenden Senator eine Summe zahlen sollte (Suet. 9, 2). Gegen die absolutistischen Bestrebungen Domitians (vgl. plus quam superbe utens patribus Vict. Caes. 11, 2) gab es bald eine Opposition im Senat, die von Domitian jedesmal, wenn sie auftrat, herb bekämpft wurde (s. J. 81 δ. 83 β. 85 ε. 88/89 δ.ι. 93 γ. δ. 94 β). Er wurde metu saevus (Suet. 3, 2) und post civilis belli victoriam saevior (Suet. 10, 5). Aus der Liste der Opfer sind, abgesehen von Antonius Saturninus und Flavius Sabinus (J. 88/891) drei bekannt, die quasi molitores rerum novarum starben, 1) C. Vettulenus Civica Cerealis in ipso Asiae proconsulatu (Suet. 10, 2. Tac. Agr. 42, vgl. Dessau Prosop. III 416 nr. 352); 2) Salvidienus Orfitus (a. a. O. III 163 nr. 88); 3) M’. Acilius Glabrioin⟩ exilio (Suet. 10, 2. Dio 14. Klebs Prosop. I 7 Nr. 54, o. Bd. I S. 257). Die andern ließ Domitian angeblich levissima quemque de causa töten (Suet. 10, 2); sie waren Domitian wohl meist anderweitig verdächtig; es werden genannt: 4) L. Aelius Plautius Lamia Aelianus, der erste Gemahl der Domitia, wegen längst bekannter und verhältnismäßig harmloser Scherze über seinen ,Verzicht’ auf Domitia (Suet. 10, 2, vgl. Iuven. 4, 154, s. o. Bd. I S. 522f.); 5) L. Salvius Otho Cocceianus hatte den Geburtstag seines Oheims, des Imperator Otho, gefeiert (Suet 10, 3. Dessau Prosop. III 169 nr. 110); 6) Mettius Pompusianus; ihm war seine Geburtskonstellation in den Kopf gestiegen; er träumte sich als Herrscher, hatte eine Erdkarte in seinem Schlafzimmer und schleppte [2585] gern die Königs- und Feldherrnreden aus Livius umher; er wurde um 91 nach Corsica verbannt und getötet (Suet. 10, 3. Dio 12. v. Rohden Prosop. III 82 nr. 586); 7) Sallustius Lucullus, Statthalter von Britannien (also nach Agricola = nach 85), hatte gestattet, daß eine neue Lanzenform nach ihm benannt wurde (Suet. 10, 3) und ließ den Princeps wohl einen neuen Militäraufstand fürchten; 8) Iunius Rusticus; 9) der jüngere Helvidius (s. beim J. 93 γ); 10) Arrecinus Clemens (Suet. 11); 11) sein Oheim Flavius Clemens (s. beim J. 94/95 β). Das Schreckensregiment des Domitian im Senat schildert Tac. Agr. 45. Der Senat duckte sich (Suet. 11, 2); doch als der Verhaßte ermordet war, rächte er sich durch Schmähungen und den Beschluß, den Ermordeten nach Gladiatorenart zu begraben und sein Andenken zu vertilgen (Suet. 23. Vict. Caes. 11, 9, s. beim J. 96 γ).

c) Die andern Stände, α) Ritter bekamen quaedam ex maximis officiis (Suet. 7, 9) und wurden von Domitian in den Staatsrat gezogen (CIL IX 5420). Gegen sie benahm sich Domitian freundlich bei den epula des Septimontium (Suet. 4, 5); auch durfte auf ihren Plätzen im Theater kein Unbefugter mehr Platz nehmen (Suet. 8, 3). Einen Ritter strich Domitian von der Richterliste (s. S. 2583), die Lex Scantinia wurde auch gegen Ritter angewandt (Suet. 8, 3). Claudius Etruscus, a rationibus, wurde in den Ritterstand erhoben (Stat. silv. VII 3, 143ff.). Ein ritterlicher Procurator provinciae Asiae fungierte im Auftrag Domitians als Vertreter des verstorbenen Proconsuls (Civica Cerealis?) (s. u. S. 2587).

β) Dem Volk tat Domitian allerlei zuliebe: außer den Spielen gab er Epula und drei Congiarien (s. u. S. 2592), doch blieb er dem Volke gleichgültig (Suet. 23, 1).

d) Beamte. Die städtischen und provinzialen Verwaltungsbeamten beaufsichtigte Domitian streng (Suet. 8, 2. Stat. silv. V 1, 79) und erreichte bei ihnen (gegen ihre Natur, wie sich nach seinem Tode zeigte) einen unerhörten Grad von Maßhaltung und Gerechtigkeit. So ließ er einen schmutzigen Aedil wegen Erpressung verklagen (Suet. 8, 2); die scribae quaestorii, die gegen die Lex Clodia Geschäfte trieben, ließ er wegen des Vergangenen straffrei (Suet. 9, 3), schärfte aber offenbar die Lex neu ein. In sein Regierungssystem paßte keine Vermehrung der senatorischen Beamten; die Bildung und weitere Verwendung eines geschulten kaiserlichen Beamtenstandes machte gerade unter diesem monarchisch veranlagten Kaiser Fortschritte; quaedam ex maximis officiis verteilte er an Freigelassene (s. S. 2583): so machte er einen Praefectus praetorio zum Heereskommandanten (s. beim J. 85 β). Ein Ritter Cn. Octavius Titinius Capito war unter Domitian proc(urator) ab epistulis et a patrimonio (CIL VI 798; vgl. Hirschfeld Verwaltungsbeamte 479). Ritterliche Procuratoren und weitere Beamte setzte Domitian mindestens für den neueingerichteten ludus magnus und matutinus ein (Nachweise bei Hirschfeld Verwaltungsbeamte 289, 4). Ein Domitius Lemnus erscheint als procur(ator) patrimoni et heredita(atium) Germanici Caesaris = Domitiani (CIL VI 8499f vgl. Hirschfeld a. a. O. 40).

[2586] e) Das Reich, α) Rom. Die größte Fürsorge im Reich erfuhr von Domitian die Hauptstadt. Er bemühte sich, das Bild der zum Teil noch infolge des Brandes von 80 verwüsteten Hauptstadt durch eine ausgedehnte Bautätigkeit zu verschönern (Suet. 5; vgl. u. S. 2590L). Außerdem kennzeichneten zahlreiche Bildsäulen des Kaisers (auf dem Capitol nur in Gold und Silber, Suet. 13, 2), ferner Iani und Bögen, in großer Zahl per regiones urbis errichtet, das Rom des Domitian.

Die in Rom von Domitian gefeierten, zum Teil neu eingesetzten Spiele waren ebenfalls zahlreich (s. u. S. 2592). Er richtete auch vier Gladiatorenschulen ein (ebd.), wobei die privaten wahrscheinlich aufgehoben wurden (Hirschfeld Verwaltungsb.² 290, 1). Domitian gab dreimal Congiarien (Suet. 4, 5. Martial. VIII 15, 4, vgl. J. 93 β) und speiste das Volk mehrfach reichlich (beim Septimontium, Suet. 4, 5; bei Siegesfeiern Dio 4. 8. Martial. I 11. 26. V 49, 8. VIII 50. Stat. silv. I 6; vgl. Gsell 126f.). Er setzte auch Alimentarstiftungen ein, wenigstens in Rom (Asbach Kaisertum und Verf. 188ff., gestützt auf Plin. ep. I 8 und pan. 26ff.; eingeschränkt von Hirschfeld Verwaltungsb.² 212, vgl. o. Bd. I Art. Alimentatio). Die städtischen Verwaltungsbeamten beaufsichtigte Domitian scharf (Suet. 8, 2). Die Philosophen, d. h. die antikaiserlichen Stoiker, vertrieb er aus Rom (s. beim J. 88/89 ι. 95 δ).

β) Italien. Auch in Italien beaufsichtigte Domitian die Behörden gut. Das Edikt über die Philosophenvertreibung wurde auch auf Italien ausgedehnt. Domitian verbot die Anlage neuer Weinberge, bestand aber nicht auf strenger Durchführung des Edikts (Suet. 7, 2. 14, 2). Die subseciva von Militärkolonien wurden den bisherigen Besitzern als ersessen gelassen (Suet. 9, 3. Hygin. de gener. controv. p. 133, vgl. Siculus Flaccus de condic. agr. p. 163; vielleicht infolge eines Prozesses vom J. 82; s. dort γ). Dadurch zerstreute er manche Beunruhigung (Frontin. de contr. agr. p. 54). Große Lasten scheinen der italischen Bevölkerung unter Domitian aus der vehiculatio, der Reichspost, entstanden zu sein; Nerva befreite sie davon (Eckhel VI 108. Plin. pan. 20, 3. Hirschfeld Verwaltungsb.² 191). Durch die Via Domitiana schuf er eine bessere Verbindung der Hauptstadt mit Italien (s. J. 95 γ). Die Via Latina stellte er wieder her, gegen Ende seiner Regierung (Stat. silv. IV 4, 60). Eine Wasserleitungs- oder Bachregulierung wurde in seinem Auftrag in Rimini ausgeführt (CIL XI 368, vgl. 428).

γ) Provinzen. Domitian sorgte für tüchtige, maßvolle und gerechte Verwaltung der Provinzen (Suet. 8); fing er selbst doch seine Regierung mit abstinentia an und wollte nichts sordide getan wissen (Suet. 9). Das Edikt über die subseciva galt auch für die Provinzen; durch das Weinbauedikt wurde die Zahl der Weinstöcke in den Provinzen auf die Hälfte beschränkt, doch bestand Domitian nicht auf strenge Durchführung (Suet. 7, 2. 14, 2, vgl. Gsell 136ff.). Über die Verwaltung der Provinzen ist sonst nur weniges Sichere bekannt; die Namen Flavii bei Gemeinwesen wie bei Personen können auf Vespasian und Titus zurückgehen; von Domitian verliehene [2587] wurden möglicherweise bei der damnatio memoriae wieder abgelegt. Von Änderungen und anderen wichtigen Vorgängen sind folgende bekannt.

Moesien wurde in zwei Provinzen geteilt, superior und inferior, und beide unter Consulare gestellt (Marquardt St.-V. I² 303, s. beim J. 86 β). Zur Teilung zwangen wohl die Dakerkämpfe und die Notwendigkeit eines besseren Grenzschutzes für die vorschreitende römische Besiedelung (vgl. Brandis o. Bd. IV S. 1948ff.). Pannonien und Dalmatien wurden unter Domitian ausnahmsweise gleichzeitig von einem Finanzprocurator verwaltet (Inschr. von Baalbeck S.-Ber. Akad. Berl. 1903, 817, vgl. Hirschfeld Verwaltungsb.² 379). Die Athener ehrte Domitian durch Annahme der Würde eines ἄρχων ἐπώνυμος (IG III 461 a. 654. 1091; nicht vor 85, da der Princeps schon Γερμ(ανικός) heißt). Ein zu Delphi gefundenes Fragment eines Briefes des Domitian betrifft die Feier der Pythischen Spiele den Amphiktionengesetzen entsprechend (Bull. hell. VI 1882, 451). Der Proconsul von Asien, Civica Cerealis, wurde während seiner Amtszeit getötet; vielleicht trat an seine Stelle ein ritterlicher procurator provinciae Asiae (s. o. J. 85/87 ε. CIL V875, vgl. Gsell 57). Galatien und Kappadokien wurden vereint von einem consularischen Statthalter verwaltet, doch wurden die beiden kappadokischen Legionen von einem jenem unterstehenden, zugleich sein Gebiet verwaltenden legatus Aug. provinciae Cappadociae befehligt (gegenüber den älteren Ansichten, z. B. Marquardt St.-V I² 861f. Gsell 137f., diese einfachste Lösung der Schwierigkeiten bei v. Domaszewski Rh. Mus. XLVIII 1893, 244ff.; dagegen Gsell 370). Das Königreich Chalkis wurde mit der Provinz Syrien vereint; seine Aera datiert von 92 (Marquardt St.-V. I² 401, s. o. Bd. III S. 2091f.). Wahrscheinlich wurden auch die kleinen Reiche Arethusa und Emesa angegliedert (Marquardt St.-V. I² 404; o. Bd. V S. 2496f.).

Ob Domitian in Gallien die für den Chattenkrieg von 83 vorgeschützte Schätzung ausgeführt hat (s. beim J. 83 γ), ist nicht überliefert. Die Militärbezirke Germanien wurden in Provinzen verwandelt; dies hängt wohl mit den Eroberungen auf der linken Rheinseite und der Erweiterung der militärischen Aufgaben durch Anlage des Limes zusammen (s. o. beim J. 83 γ. 85 δ; vgl. A. Riese Westd. Ztschr. XIV 1895 Korr. 65. Gsell 139f.).

In Britannien wurde bis 84 gekämpft (s. beim J. 84 ε); Agricola verließ das Land, wie es heißt, beruhigt und gesichert (Tac. Agr. 40). Einer seiner Nachfolger, Sallustius Lucullus, fiel als Opfer Domitians (s. o. S. 2585). Hier wurde, wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Abzug der Legio II Adiutrix unter Domitian, die Stelle eines iuridicus provinciae Britanniae geschaffen (CIL III 9960. v. Domaszewski Rh. Mus. XLVI 1891, 599ff., vgl. Dessau Prosop. II 428 nr. 40; Gsell 140f. setzt die Neuerung unter Vespasian oder Titus). Auch das Amt eines iuridicus per Asturiam et Callaeciam stammt nach einer Vermutung v. Domaszewskis (Rh. Mus. XLV 1890, 10) aus Domitians Zeit, seit dem Abzug einer der beiden spanischen Legionen (zum Aufstand des Antonius Saturninus s. beim J. 89 δ). Den Baebius Massa, [2588] früher Statthalter von Baetica, ließ Domitian wegen Erpressungen anklagen (s. beim J. 93 γ). Den Flavischen Municipien Malaga und Salpensa verlieh Domitian Konstitutionen (s. beim J. 82 δ).

In Afrika wurden die Nasamonen bekämpft und besiegt (s. beim J. 85 γ; vgl. Cagnat L'armée Rom. d’Afrique 35).

Als auswärtige Unternehmungen kann man die Kämpfe um Erweiterung der Reichsgrenze in Britannien, am unteren Main und an der mittleren Donau betrachten. Auf die weitere Eroberung Britanniens wird Domitian wohl aus anderen Gründen als denen der Eifersucht auf Agricola verzichtet haben. Die Eroberung war weniger lohnend als die Gewinnung weiteren Gebiets am Rhein und vor allem an der Donau. Die Kämpfe an den Grenzen waren im einzelnen nicht immer glücklich (Tac. Agr. 41. Suet. 6), was Veränderungen im Einfluß Roms brachte (so im Bosporus (nach dem Dakerkrieg, vgl. Rostowzew Klio II 1902, 80ff.). Die Verminderung der römischen Truppen (aus Geldnot) erwies sich als Fehlgriff (Suet. 12, 1).

f) Rechtswesen. Die Rechtspflege Domitians wird besonders gelobt (Suet. 8). Er richtete selbst gern im Appellationsverfahren auf eigene Wahrnehmung (Suet. 8, 1, vgl. 14, 4). Parteiische Urteile der in Erbschaftssachen zuständigen Centumviri hob er auf; die Recuperatoren ermahnte er wiederholt, sich nicht auf verwirrende Freisprechungen einzulassen. Bestochenen Richtern samt ihrem Richtercollegium erteilte er die censorische Rüge (8, 1). Er veranlaßte, daß ein Volkstribun einen käuflichen (sordidus) Aedilen wegen Erpressung anklagte und vom Senat Richter gegen ihn forderte (8, 2). Fälle strenger Rechtspflege werden häufig berichtet: Totpeitschen der stupratores einer Vestalin (Suet. 8, 4); Wahl der Todesart den Vestalinnen freigestellt (a. a. O.); Tod oder Verbannung wegen Majestätsverletzung verurteilter Senatoren (11, 2); Kreuzigungen (Suet. 10, 1. 11, 1). Die Folterung achtete er erst gering (Suet. 8, 4), später wurde sie grausam angewandt (10, 5). Willkürliche Justiz beweist die Tötung eines dem Tänzer Paris ähnlichen Knaben (Suet. 10, 1) und die Hinrichtungen angeblich levissima de causa (Suet. 10, 2); einer wurde wegen angeblicher Majestätsbeleidigung den Hunden vorgeworfen (Suet. 10. 1). Mit den Prozessen des Aerarium räumte er energisch auf (9, 2), falsche Anklagen beim Fiskus wurden streng bestraft; denn wer die Angeber nicht bestrafe, sporne sie an (Suet. 9, 3). Zu Anfang der Regierung nahm Domitian keine Erbschaft an, wenn noch Kinder vorhanden waren; ähnlich erklärte er ein Legat für neueintretende Senatoren für ungültig (9, 2). Später allerdings, mit der Finanznot, kamen die Erbschaftserpressungen; die einseitigste Bezeugung einer Erbschaftserklärung für Domitian genügte zur Einziehung, die geringste Beschuldigung eines Majestätsverbrechens genügte xur Konfiskation (Suet. 12, 1. 2. Plin. paneg. 43, vgl. Hirschfeld Verwaltungsb. 111f.). Dadurch wurde die Rechtslage in den letzten Jahren seiner Regierung unsicher.

Von Domitian sind eine Reihe von leges datae, Edikten und Reskriptes bezeugt (vgl. Haenel Corpus legum, bei den einzelnen Jahren). Von [2589] Gesetzen Domitians sind die leges municipales von Salpensa und Malaga (s. beim J. 82 δ) und die Militärkonstitutionen (CIL III p. 855ff. 1960ff. Dessau 1995ff.) bekannt, die Lex Scantinia (gegen die Knabenschändung, Suet. 8, 3) und die Lex Clodia (die scribae quaestorii dürfen keine Geschäfte treiben, Suet. 9, 3) frischte er auf. Diese Erneuerungen werden mit der Censur zusammenhängen, die eine Reihe von Vorschriften zur Hebung der Sittlichkeit brachten (s. o. S. 2583), so z. B. daß liederliche Frauen erbunfähig wurden (Suet. 8, 3), daß die θλῖψις nicht vorgenommen werden durfte (vgl. J. 81 γ). Ein Edikt erließ er über den Weinbau (vgl. J. 92 β). Ein Edikt zeigt Strenge gegen die Sklaven (Dig. XLVIII 3, 2, 1. 16, 16; vgl. auch Dig. XL 16, 1). Eine Epistula über die Stellung der θρεπτοί wird Plin. ad Trai. 65. 66. 72 erwähnt. Von Reskripten ist bekannt das an die Falerienses (s. beim J. 82 γ).

g) Finanzen. Zu Anfang der Regierung scheint noch keine Finanznot bestanden zu haben, denn es zeigt sich bei Domitian noch keine Spur von cupiditas und avaritia, oft aber Züge von abstinentia und liberalitas (Suet. 9, 1). Er selbst, großartig veranlagt (vgl. o. S. 2582), verschwendete in der ersten Zeit. Erbschaften nahm er anfangs nicht an, wenn der Erblasser Kinder hatte. Die vor mehr als fünf Jahren anhängig gemachten Prozesse wegen Schulden an das Aerar hob er auf (Suet. 9, 2). Dann trat Erschöpfung ein: die Gründe waren die Kostspieligkeit der Bauten, der Spiele und des Heeres, dem der Sold erhöht worden war (vgl. J. 88/89 η und S. 2590). Darauf suchte Domitian zuerst am Heer zu sparen durch Verminderung der Kopfzahl, doch das Heer wurde nur geschwächt, die Finanzen nicht gebessert: jetzt schritt er zu Güterkonfiskationen wegen geringfügigen Majestätsbeleidigungen und zur Einziehung von angeblichen Erbschaften (Suet. 12. Plin. pan. 43. 50. Tac. Agr. 43; vgl. Hirschfeld Klio II 1902, 52; Verwaltungsb.² 111, 3). Über die Gelder des Aerars hat Domitian frei verfügt (Frontin. de aquis II 118. Hirschfeld Verwaltungsb.² 14; vgl. 275f.).

h) Heerwesen. Domitian besaß kriegerischen Ehrgeiz (Vict. Caes. 11, 3): wie er als junger Praetor durchaus nach Gallien und Germanien und nach einigen Jahren den Parthern zu Hilfe ziehen wollte, so führte er als Princeps so viel Kriege, daß er vier Triumphe und 22 Imperatorakklamationen zu feiern sich veranlaßt fühlte. Auch als Kaiser unternahm er einen Feldzug gegen die Chatten ohne äußere Nötigung (J. 83 γ). Wenn auch die Feldzüge Domitians an die Donau, wenn man ihren nächsten Anlaß ins Auge faßt, von ihm necessario (Suet. 6,1), zur Herstellung der römischen Waffenehre, unternommen wurden, so war doch gewiß nur das kriegerische Vordringen der Römer die Veranlassung der Gegenschläge. Dabei ging eine Legion sicher, eine zweite wahrscheinlich unter; es kann sich nur um die V Alauda und die XXI Rapax handeln (s. o. J. 85/7 β). Wenn nun Domitian eine neue Legion, die I Flavia Minervia (Dio LV 24) des niedergermanischen Heeres (vgl. Ritterling Westd. Ztschr. XII 1893, 203ff. Gsell 158), errichtete, so wird man als Veranlassung entweder Ersatz für den Untergang einer andern oder das größere militärische Bedürfnis an nehmen [2590] müssen. In ersterem Falle kann man das J. 87 als Gründungsjahr für annehmbar halten (vgl. Schilling De leg. Rom. I Min., Diss. Leipzig 1893), im anderen mit größerer Wahrscheinlichkeit 83, das Jahr des Beginns des Krieges am Rhein, in dem die XXI Rapax zum obergermanischen Heere abging (s. beim J. 83) und im niedergermanischen Heere einer neuen Legion Platz ließ.

Domitian hatte stets zwei Praefecti praetorio (Dio 15). An der im J. 88/89 ausgebrochenen Militärrevolte des Antonius Saturninuss waren auch Offiziere beteiligt (Suet. 10, 5). Sie war die Veranlassung von Auszeichnungen der treugebliebenen niedergermanischen Truppenteile (sie bekamen den Beinamen P(ia) F(idelis), auch wohl D(omitiana), vgl. beim J. 89 δ), ferner von Prohibitivmaßregeln: zwei Legionen durften nicht mehr zusammen garnisonieren und die Soldaten nur noch eine gewisse Summe bei der Fahnenkasse deponieren (vgl. v. Premerstein Klio III 1903, 12f. und beim J. 89). Die Soldaten suchte Domitian (nach diesem Aufstand?) zu gewinnen, indem er den Sold um drei Aurei erhöhte (Suet. 7. Zonar. XI 19; vgl. v. Domaszewski Neue Heidelb. Jahrb. 1901, 218ff.). Die Maßregel führte zu finanzieller Erschöpfung, der Domitian durch Verminderung der Truppenzahl abzuhelfen suchte; doch wurden dadurch die Schwierigkeiten mit den Barbaren gesteigert (Suet. 12, 1). Er hatte sich aber durch die Solderhöhung beim Heere beliebt gemacht, was sich bei seinem Tode zeigte (s. beim J. 96 γ; vgl. Vict. Caes. 11, 9. 11). Die Militärkonstitutionen (CIL III p. 855ff. 1960ff. Dessau 1995ff.) tragen seit 90 nicht mehr die Subskription in Capitolio, sondern post templum divi Aug. ad Minervam (vgl. Dessau 1998, 6. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 81).

i) Bauten. Domitians ausgedehnte Bautätigkeit war veranlaßt durch den großen Brand vom J. 80: plurima et amplissima opera restituit; er setzte aber nur seine Inschrift auf sie ohne Erwähnung der früheren Bauherren (Suet. 5; vgl. Vict. Caes. 11, 4. Eutrop. VII 15, vgl. o. S. 2581). Die Aufzählung (vgl. überhaupt Suet. 5. Chronogr. v. 354, Chron. min. I 146 Mommsen) und Zusammenstellung der Nachrichten über Domitians Bauten und Nachweise der Literatur über die Überreste am ausführlichsten bei Gsell 90-119; die Tempel auch bei Aust Die stadtrömischen Tempelgründungen der Kaiserzeit, Progr. d. Kaiser-Friedrich-Gymnasiums Frankfurt a. M. 1898; vgl. auch die Topographien der Stadt Rom von Jordan (I³ von Hülsen bearbeitet) und Richter. Unter den wichtigsten Restitutionen ist wiederum die des Tempels des capitolinischen Iuppiter, im J. 82 vollendet (s. beim J. 82 β). An der Stelle, wo im J. 69 das Haus des Tempelhüters ihn geschützt hatte, hatte Domitian schon als Caesar ein kleines Heiligtum zu Ehren des Iuppiter Conservator erbauen lassen, das er als Princeps durch einen großen, dem Iuppiter Custos geweihten Tempel ersetzte (Tac. hist. III 74. Martial. VI 10, 3. Münzen vom J. 84: Iovi Conservatori, vom J. 86: Iuppiter Custos bei Cohen, vgl. Gsell 94. Aust nr. 16. Jordan I 2, 50). Einen großen Palast auf dem Palatin ließ er sich von dem Baumeister Rabirius erbauen; vollendet wurde [2591] er um 92 (Stat. silv. I 1, 33f. Martial. VII 56, vgl. Gsell 95. Jordan-Hülsen I 3, 87ff.; Rekonstruktion in Ztschr. f. Gesch. d. Architektur I, Heidelberg 1907, 116). Der palatinische Palast des Augustus wurde, wie es scheint, einbezogen. Von andern durch den Brand vom J. 80 zerstörten Bauten wurden das templum Divi Augusti und die Bibliothek restauriert und ein Minervaheiligtum angebaut (Plin. n. h. Sil 94. Martial. IV 53, 1. XII 3, 7. Gsell 102–130. Aust nr. 18. Hülsen Forum 136ff. Jordan-Hülsen I 3, 81f.). Auch von dem gegen Ende der Regierung erbauten sog. Stadium sind Ruinen erhalten (Gsell 99). Am Forum baute er den Tempel des Castor wieder auf (Martial. IX 3, 11. Chronogr. v. 354 a. a. O. Gsell 101). Seit dem J. 87 wird dort der Tempel des Vespasian und Titus erwähnt, derselbe, von dem noch drei Säulen stehen (Chronogr. v. 354 a. a. O. Acta Arval. vom J. 87 [CIL VI 2165]. Gsell 102. Aust nr. 15. Jordan I 2, 192. 271. 366. 411. Hülsen Forum 77). Ferner ließ er die Curie erneuern (senatum Chronogr. v. 354 a. a. O. Gsell 103, 4. Jordan I 1, 258f.) und wahrscheinlich auch das daneben gelegene Chalcidicum oder Atrium Minervae (Gsell 103; vgl. Hülsen Forum Rom. 99). Auf dem Forum ließ der Senat eine große Bronzestatue errichten (s. beim J. 91 β). Erst unter Nerva wurde das von Domitian (schon 86 oder früher) begonnene, nach jenem benannte Forum geweiht, gleichzeitig mit dem von Domitian dort begonnenen Tempel der Minerva (Suet. 5. Martial. I 2, 8. Stat. silv. IV 1, 14. 3. 9f. 9, 15. Eutrop. VII 23, 5. Gsell 105. Aust nr. 21. Jordan I 2, 449ff.). Der Titusbogen entstand unter Domitian (s. J. 81 γ und u. S. 2722f.), das Flavische Amphitheater, schon 80 geweiht, fand erst unter ihm seine Vollendung (Chronogr. v. 354 a. a. O. Gsell 108. Jordan-Hülsen I 3, 283). Daneben wurden Gladiatorenschulen und wahrscheinlich das summum choragium erbaut (Chronogr. v. 354 a. a. O.; vgl. S. 2592. Gsell 108, 6. 109, 1). Die Vollendung oder Wiederherstellung der meta sudans, einer Wasserkunst, rührt auch von ihm her (Chronogr. a. a. O., vgl. Cohen Tite 400. Gsell 109. Jordan-Hülsen I 3, 24f.). ebenso die Vollendung der Titusthermen (Chronogr. a. a. O. Gsell 109. Jordan-Hülsen I 3, 307fF.).

Groß war die Bautätigkeit Domitians auf dem Marsfelde: es entstand oder wurde vollendet der Isis- und Serapistempel (Chronogr. a. a. O. [ebenso zum folgenden]. Eutrop. VII 23. Hieron. zum J. 2105. Gsell 110. Jordan-Hülsen I 3, 568), der Tempel der Minerva Chalcidica (Chronogr. und Hieron. a. a. O. Gsell 111. Aust nr. 26. Jordan-Hülsen I 3. 573), ein Divorum porticus (Gsell 112. Aust nr. 25. Jordan-Hülsen 564. Kornemann Klio I 117). ein Odeum und ein Stadium (Gsell 112. Jordan-Hülsen I 3, 594. 592), sodann nach der Rückkehr von einem Feldzug ein Tempel der Fortuna Redux (Gsell 113. Aust nr. 20. Jordan-Hülsen I 3, 501). Auch das Pantheon wurde wiederhergestellt (Gsell 111. Jordan-Hülsen I 3, 581ff.). Aus anderen Gegenden der Stadt seien genannt das templum gentis Flaviae (Suet. 1. Martial. IX 1, 8. 3, 12. 20. 34. Stat. silv. IV 3, 18f. V 1, 240. Vollmer 449. Gsell 114. Aust nr. 22. Jordan-Hülsen [2592] I 3, 425f.) und die sog. Trophäen des Marius (Gsell 115. E. Maass Tagesgötter in Rom u. d. Provinz. 64f. Durm Baukunst 475. Helbig Führer I² 259f. Jordan-Hülsen I 3, 348ff.).

k) Sakralwesen und Spiele. Domitian war, wie es scheint, religiös; wenigstens empfahl er sich zu Jahresanfang stets der Fortuna von Praeneste (Suet. 15, 2); er sah auch auf Innehaltung der religiösen Bräuche und bestrafte Übertretungen streng (Vestalinnenprozeß s. beim J. 83 β. 91 β); ein Grabmal, das einer seiner Freigelassenen für seinen Sohn aus Steinen, die für den Tempel des capitolinischen Iuppiter bestimmt waren, errichtet hatte, ließ er von Soldaten zerstören und die beigesetzten Gebeine ins Meer werfen (Suet. 8, 5). Sodann errichtete Domitian eine Menge Tempel (s. o. S. 2590f.) und stiftete mehrere Collegien und Spiele. Er richtete zu Ehren des Iuppiter Capitolinus ein alle fünf Jahre wiederkehrendes Fest ein, quinquennale certamen (Suet. 4, 4); er selbst präsidierte. Das Fest hatte drei Teile: 1. Musische Wettkämpfe, nämlich prosa oratione (vgl. Suet. 13, 1) graece et latine, ferner Auftreten von citharoedi (sich selbst begleitenden Sängern), choro-citharistae (Chöre mit Zitherbegleitung) und psilo-citharistae (Spieler ohne Gesang); 2. Wettrennen zu Pferde; 3. Leibesübungen (im Stadium liefen auch Jungfrauen). Dem Iuppiter weihte Domitian auch einen Lorbeerkranz nach dem Sarmatenkrieg I (s. beim J. 92); das Bild des Iuppiter, der Iuno und Minerva trug er auf seinem Diadem (Suet. 4, 4); er baute einen Tempel für Iuppiter Custos auf dem Capitol (vgl. unter i). Ferner stiftete er die Quinquatria Minervae, quam superstitiose colebat (Suet. 15, 3). Zu diesem Zwecke gründete er ein Collegium, dessen durchs Los gewählter Magister die Spiele zu veranstalten hatte. Sie umfaßten Jagdfeste, Schauspiele und Wettkämpfe von Dichtern und Rednern. Zum Kultus seiner Familie baute er das templum gentis Flaviae an seiner Geburtsstätte und ließ die Priester, die Sodales Flaviales, ein Diadem mit Bildern des Iuppiter, der Iuno, der Minerva und seiner selbst tragen (Suet. 1, 1. 4. 5; über den im Kaiserkult hervortretenden Einfluß des Orients vgl. Kornemann Klio I 115). Er ließ auch die ludi saeculares begehen (s. beim J. 88 γ).

Domitian feierte spectacula assidue magnifica et sumptuosa im Amphitheater, im Circus und fast der Wirklichkeit gleichkommende Naumachien auf einem von ihm angelegten See am Tiber; er selbst hielt bei dem größten Regen aus (Suet. 4, 2). Die munera legte er wieder den designierten Quaestoren auf (vgl. Vollmer Stat. silv. S. 253. Hirschfeld Verwaltungsb.² 286). Im Circus nahm er Partei für die Myrmillonen (Suet. 10, 1. Plin. pan. 33, 3). Außer dem Stadium, dem Odeum und einer Naumachie erbaute er vier Gladiatorenschulen, vielleicht auch das summum choragium (s. S. 2591). Für die Circusspiele fügte er zu den vier älteren Parteifarben zwei neue hinzu, die goldene und die purpurne (Suet. 7), die aber Domitian nicht überdauert zu haben scheinen (Marquardt St.-V. III 518, 4). Beim septimontiale sacrum ließ er alle Festteilnehmer bewirten (Suet. 4, 5). Die Anordnung der Plätze wurde von ihm neu eingeschärft (Suet. 8, 3. Martial. V 8. 14. 25. 27). Die Pantomimen verbannte [2593] er von den öffentlichen Bühnen (Suet. 7, 1; wegen Theatertumulten ? vgl. Friedländer II(sup|6) 476f.).

V. Persönliches. a) Äußeres. Domitians Gestalt war hoch, seine Augen groß, aber kurzsichtig, sein Gesicht war immer wie von der Röte der Schüchternheit bedeckt, auf die er eitel war (Suet. 19. Tac. hist. IV 40; Agr. 45; übertrieben Stat. silv. IV 2, 40ff.); nur einmal wird, einer vielleicht nur rhetorischen Ausschmückung zuliebe, ihm Blässe nachgesagt (Plin. pan. 88). In seiner Jugend war er gut in der Haltung und schon bis auf die zu kurzen Füße. Später hatte er eine Glatze (was ihm sehr empfindlich war, wenn er sich auch philosophisch darüber in einer Schrift zu trösten suchte: Suet. 18; daher Nero calvus Iuven. 4, 38. 137. Auson. Caes. 17; die Glatze sieht man auch auf den Münzen), zu dicken Bauch und infolge einer Krankheit abgemagerte Schenkel (Suet. 18).

Denkmäler von ihm waren unter seiner Regierung häufig (Dio 8. Suet. 13, vgl. auch 4), verfielen aber wohl meist der damnatio memoriae (s. beim J. 96). Nur eine Statue soll noch zur Zeit des Prokop (hist. arcan. 8 p. 55 Dind.) in Rom gestanden haben. Die Münzen zeigen ihn dem Vater und Bruder sehr ähnlich, doch ist sein Gesicht weniger fleischig, daher ausgeprägter als das des Titus; einen eigenartigen stolzen Zug gibt ihm die aufgeworfene Oberlippe (vgl. Bernoulli Röm. Ikonogr. II 52ff.; Münztafel II 9f. Hunterian Collection pl. LXXXVI 6; einige Münzen auch bei Cohen abgebildet). Die erhaltenen, wahrscheinlich Domitian darstellenden Denkmäler s. bei Bernoulli a. a. O. 55ff. Am bekanntesten ist die Panzerstatue im Vatikan (Helbig Führer I² 35. Bernoulli Taf. XIX), die völlig dem Flavischen Familientypus und dem aus den Schriftstellern gewonnenen Bilde entspricht. Ein gut gearbeiteter Porträtkopf aus Rom Bernoulli Taf. XVIII. Brunn-Arndt Porträts 735.

b) Sitten. Domitian war bequem; er brauchte selbst im Felde meist eine Sänfte. Er war ein hervorragender Pfeilschütze; ausschließlich pflegte er diese Übung und zwar in der mit Vorliebe von ihm bewohnten albanischen Villa (Suet. 19; über die andern Villen Domitians vgl. Hirschfeld Klio II 1902, 661). Er spielte morgens gern, badete gegen Mittag, aß dann viel; abends genoß er aber nur einen Apfel und etwas Wein. Oft gab er große und reichliche Tafel, entfernte sich aber gegen Abend, wohnte keinem Trinkgelage bei, sondern ging einsam spazieren. So war also seine Lebensweise im ganzen mäßig (Suet. 21. Plin. pan. 49. Martial. IV 8, 10). Er war aber von heißer Leidenschaft gegen das weibliche Geschlecht erfüllt und in diesem Punkte ausschweifend (Suet. 22; libidines Vict. Caes. 11, 2. Eutrop. VII 15; über sein Verhältnis zu Domitia und Iulia s. S. 2549 und z. J. 83/84 β. 88/89 θ).

c) Geistige Interessen. Als Caesar hatte er offenbar passive und aktive Freude an der Dichtkunst, wenn man sein Verhalten auch als Verstellung bezeichnete. Neigung zur griechischen Bildung zeigen seine Homerzitate (Suet. 9. 12. 18), auch daß er Archon von Athen wurde (o. S. 2587). Seine Verehrung für Minerva und die Einrichtung [2594] musischer Agone sind mit dieser Neigung verknüpft. Nach seinem Regierungsantritt scheint die Freude am Studium ganz zurückgetreten zu sein; bezeichnend ist, daß die Tagebücher und die Geschichte des Tiberius seine einzige Lektüre waren (Suet. 20). Er ließ aber die im J. 80 verbrannten Bibliotheken mit großen Kosten und Mühen ergänzen; selbst nach Alexandria schickte er Leute zum Abschreiben von Büchern. Doch warfen ihm seine Gegner vor, er habe studia fori et civilium artium decus zum Schweigen gebracht (Tac. Agr. 39). Briefe, Edikte und Reden ließ er sich von seinen Gehilfen aufsetzen. Er konnte gut sprechen (Suet. 20; vgl. Tac. hist. IV 40) und mit Witz plaudern, und zwar, wie es scheint, etwas ironisch. Die Fürsten erklärte er für die unglücklichsten, denen man die Entdeckung von Verschwörungen erst nach ihrer Ermordung glaube (Suet, 20).

d) Charaktereigenschaften. Die Nachrichten über Domitian lassen die Entwicklung seines Charakters ahnen, doch sind sie zu dürftig, um den Schleier von seiner Persönlichkeit gänzlich zu heben.

Domitian scheint in Verwahrlosung aufgewachsen zu sein, wenigstens in sittlicher (Suet. 1), was wohl mit dem Vermögensverfall Vespasians und seiner und des Titus langer Abwesenheit in Zusammenhang gebracht werden darf. Als er plötzlich mit 19 Jahren Caesar und Stellvertreter des Princeps wurde, mißbrauchte er seine Stellung: er verführte Frauen und entführte die Domitia, er benahm sich ganz wie ein αὐτοκράτωρ, vergab leichtsinnig Ämter, zwanzig an einem Tag (Mucian war wohl ein guter Lehrmeister), unternahm einen unnötigen Feldzug und hatte hochstrebende Pläne, wobei er mißgünstig auf des Titus Ruhm schielte (Suet. 1f. Dio LXVI 2. Tac. hist. IV 2. 39. 51; Agr. 7). Dieser Leidenschaft und diesem Ehrgeiz folgte die Demütigung von seiten Vespasians (auch Cerialis hält ihn für vana pueriliter cupientem Tac. hist. IV 86); diese führte zu der Verbitterung gegen Titus (der bei Vespasians Tod das Testament unterschlagen haben sollte; Vespasian und Titus hätten ihm bei seinem Regierungsantritt das Imperium nur zurückgegeben: Suet. 13. Martial. IX 101, 15. Quint. X 1, 91) und zu einer scheinbaren Mäßigung (Tac. hist. IV 86 simplicitas und modestia): er trieb in der Zurückgezogenheit der Albaner Villa faute de mieux Dichtkunst, aber auch sonderbare Dinge. Er vergnügte sich damit, Fliegen aufzuspießen: die Geschichte tritt in den Einzelheiten zu bestimmt auf (am ausführlichsten Suet. 3. Vict. Caes. 11, 5), um als Anekdote beiseite geschoben zu werden; sie ist aber gerade für den grausamen Zug seines Wesens charakteristisch (Aur. Vict. a. a. O. deutet sie wohl richtig als sadistisch). Und doch hatte er auch selbst gegenüber dem Schlachten der Tiere sentimentale Anwandlungen (Suet. 9, 1). Der wieder erwachende Ehrgeiz wurde von Vespasian zurückgedämmt, als Domitian zu den Parthern reisen wollte, erschien wieder bei Vespasians Tod in dem Gedanken, die Soldaten für sich zu gewinnen. Der verbitterte Haß gegen Titus zeigt sich in dessen Sterbestunde und in Domitians Reden und Edikten nach dessen Tod (Suet. 2, Dio LXVI 2. 3. 9. 10. 26).

[2595] Die hervorstechenden Züge des Selbstbewußtseins, des Ehrgeizes, des Mißtrauens (Dio 1. Plin. paneg. 49) und der Zurückhaltung, auch noch eine Zeitlang das Unausgeglichene des Charakters (Suet. 3, 2) behält Domitian als Princeps. An erster Stelle ist für Domitian wohl sein leidenschaftlicher Ehrgeiz und sein souveränes Selbstgefühl (immodicus, confidens Suet. 12, 3) bezeichnend, durch das er sich zum Monarchen bestimmt fühlte und durch das er den Konflikt mit der republikanischen Seite des Senats herbeiführte (s. darüber oben S. 2581ff.). Domitian war aber auch empfindlich (daher auch eifersüchtig auf große Begabungen, Tac. Agr. 41; vgl. Plin. pan. 14. 18; ep. VIII 14, 7); er hatte ein lebhaftes Gefühl der Ungewißheit seiner Stellung, das er immer mehr in brutalem Niederschlagen der Gegner wegschaffen wollte (quantum coniectare licet, super ingenii naturam . . metu saevus Suet. 3, 2; vgl. Vict. Caes. 11, 7). Wenn auch die Anlässe zu den Hinrichtungen im allgemeinen als geringfügig hingestellt werden, so sagt Sueton bei den drei molitores verum novarum andrerseits auch nicht, daß die Ansicht Domitians unrichtig war: gewiß lag für den um seine Herrscherstellung kämpfenden Domitian oft, wenn nicht gar immer, das Gefühl vor, in Notwehr zu handeln (vgl. seinen Ausspruch über Verschwörungen [o. S. 2594]; die detecta scelera nefariorium, vor allem die Militärrevolte des Saturnin waren ernst genug). Die Reizbarkeit Domitians steigerte sich abnorm in den letzten Regierungsjahren; er scheint geradezu von Verfolgungswahn befallen gewesen zu sein (s. J. 94/95 β; schon Titus gegenüber? Suet 2, 3). Dabei kann auch sein ausschweifendes Liebesleben zerrüttend eingewirkt haben (s. o. S. 2593). Im Anfange seiner Regierung wurde diese Reizbarkeit im Gleichgewicht gehalten durch das Bestrehen, das Beste zu leisten (Suet. 9, 1); er hatte Gefühl für Ordnung in der Verwaltung des Staats, in der Rechtspflege und in den Sitten der Bürger (s. o. S. 2582ff.). Mit diesem Gerechtigkeitssinn (auf der Folter erpreßte Aussage war ihm gleichgültig, Suet. 8, 4; er nahm anfangs keine Erbschaften an, wenn Kinder da waren, 9, 2; den im Agon siegenden Palfurnius Sura ließ er trotz aller Bitten des Volks nicht wieder in den Senat, 13, 1) verband er ursprünglich Milde (primo clementiam simulans Vict. Caes. 11, 2); doch später ist damit eine kühle und manchmal erbarmungslose Durchführung des für richtig Erachteten verknüpft (vgl. Vestalinnen- und Senatorenprozesse; Gebeine, die in einem Grabmal aus entwendeten Tempelsteinen geborgen sind, werden ins Meer geworfen, Suet. 8, 5). Grausamkeit beweist wie die Fliegenspießerei z. B. die Hinrichtung eines dem Paris, dem Verführer der Domitia, ähnlichen Knaben (Suet. 10, 1), ferner die Folterungen nach dem Bürgerkriege (10, 5). Domitian war offenbar zielbewußt und ließ sich nicht leicht auf Kompromisse ein. Er handelte temperamentvoll (praeceps in iram Tac. Agr. 42. Dio 1), doch konnte er auch kühlen Erwägungen Raum geben und den Moment, der ihm für eine Handlung passend schien, abwarten (callidae inopinataeque saevitiae Suet. 11, 1; vgl. Dio 1. Tac. Agr. 39; paratus simulatione 42). Seine Opfer quälte er geradezu; er lud den zur Tafel, der am andern Tag hingerichtet werden [2596] sollte (Suet. 11, 1; vor dem Todesurteil eine praefatio clementiae: 11, 2; vgl. die ,Totenfeier’ Dio 9). Die Verhältnisse konnten ihn bezwingen; ursprünglich war er auch freigebig veranlagt (Suet. 9f.), doch die Finanznot zwang ihn zur cupiditas; damit hatte er zugleich eine Waffe gegen die fanatischen Republikaner (vgl. Suet. 3, 2. 10, 1. 12. Plin. pan. 50).

Feldherrntüchtigkeit wird Domitian wohl nicht mit Recht abgesprochen (Tac. Agr. 39). Als Herrscher war Domitian ein Mann von Tatkraft (neque adeo iners domi bellique Vict. Caes. 11, 3): seine Initiative zeigen die Neuerungen (Suet. 7), die Kriege (6), die Rechtsprechung (7), ferner die Übernahme der Censur, in der er sich als corrector morum betätigt (s. o. S. 2582f.). Seine Macht über die Menschen zeigt der Zwang, den er mit Erfolg auf die Verwaltungsbeamten ausübte, sodaß sie auch gegen ihre Anlage mäßig und gerecht sein mußten (Suet. 8, 2); aber auch der Senat als solcher wagte nicht, sich gegen ihn aufzulehnen (Suet. 11, 2). Seine Art hat unleugbar etwas Großzügiges, selbst wenn es egoistische Herrschsucht war, die ihn zu dem scharfen Regiment brachte, und nicht etwa die Erkenntnis von der Notwendigkeit, den Kompromiß des Augustus, die Dyarchie des Princeps und Senats, durch einheitliche Staatsleitung abzulösen (οὐκ ἀγαθὸν πολυκοιρανίη zitierte er schon als Caesar, Suet. 12, 3).

Die naturgemäß von Domitians letzter Zeit beeinflußte Bilanz seiner Regierung lautet in der Überlieferung ungünstig (auch bei Suet. 23, 3; vgl. Vesp. 1, 1; die Bitterkeit der letzten Zeit bei Tac. Agr. 1–3; malus princeps 42; velut uno ictu rempublicam exhausit 44; immanissima belua Plin. paneg. 48; Haß zog er sich zu, ut merita et patris et fratris abolerent Eutrop. VII 15). Aber dies Urteil ist eben von der Gegenpartei diktiert, die unter ihm um ihr Dasein rang. Domitian hat den Haß ebensowenig verdient wie Tiberius (mit dem wie mit Nero und Caligula ihn Eutrop. VII 15 vergleicht). Er wollte das Beste; seine Anlagen und sein Temperament brachten ihn zum Kampf für die Monarchie gegen die aristokratische Republik. Sein Unglück war, daß die Zeit für die endgültige Entscheidung noch lange nicht reif war.