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RE:Cassius 40

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Dio Cocceianus Aus Nikaia/Bithynien, Geschichtsschreiber
Band III,2 (1899) S. 16841722
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40) Cassius Dio Cocceianus (über den richtigen Namen vgl. Prosopographia imperii Romani I 313) aus Nikaia in Bithynien (LXXV 15, 3) war der Sohn des römischen Senators (Cassius) Apronianus (Nr. 27), der Kilikien (LXIX 1, 3. LXXII 7, 2), wie es scheint unter Marcus, und zu nicht näher bekannter Zeit Dalmatien (XLIX 36, 4) verwaltete, und in irgend einer Weise, wie der Name zeigt, mit der Familie des berühmten Cocceius Dio von Prusa verwandt. Geboren unter Pius oder im Anfang der Regierung des Marcus, begleitete er seinen Vater nach Kilikien (LXXII 7, 2), kehrte unter Commodus nach Rom zurück (LXXII 4, 2. LXXIII 12, 2) und trat in den Senat ein, sicher mehrere Jahre vor Commodus Tod (LXXII 16, 3). Von Pertinax wurde er für 194 zum Praetor designiert (LXXIII 12, 2); Consul suffectus scheint er noch vor Severus Tod 211 geworden zu sein (LXXVI 16, 4). Villeggiatur hielt er gewöhnlich in Capua (LXXVI 2, 1). Er begleitete den Kaiser Antoninus auf seinem Zug in den Orient 216 und war in seinem Gefolge noch während der Winterquartiere in Nikomedien 216/217 (LXXVII 17. 18. LXXVIII 8, 4 ein Detail aus der damaligen Saturnalienfeier), machte aber den Partherkrieg nicht mit und war weder bei Antoninus Tod 217 noch bei Macrinus Sturz 218 anwesend. Letzterer setzte ihn als curator ad corrigendum statum civitatium über Pergamon und Smyrna (LXXIX 7, 4), offenbar weil in Pergamon starke Sympathien für Antoninus und daher Feindschaft gegen seinen Mörder herrschte (LXXVIII 20, 4). In dieser Stellung verblieb er noch im Winter 218–219, als der falsche Antoninus (Elagabal) in Nikomedien überwinterte, und wahrscheinlich bis ziemlich zur Thronbesteigung des Severus Alexander 222 (LXXIX 18, 3). Unter diesem verwaltete er, nachdem er in Bithynien eine Krankheit überstanden hatte, das Proconsulat von Africa und die kaiserlichen Provinzen Dalmatien und Oberpannonien (LXXX 1. XLIX 36, 4 spätere Einlage). Durch seine Disciplin nicht nur den pannonischen Truppen, sondern auch der hauptstädtischen Garde verdächtig geworden, musste er an sich selbst die Schwäche des ihm persönlich sehr zugethanen Kaisers erfahren, der ihn anwies, sein zweites Consulat – er war 229 Consul ordinarius und College des Kaisers – ausserhalb Roms zu führen (LXXX 5). Dio sah voraus, dass dies kein gutes Ende nehmen würde, wagte es noch, sich den Soldaten als Consul zu zeigen und nahm dann Urlaub für unbestimmte Zeit in die Heimat, wo er sein Werk mit dem Vers schloss Ἕκτορα δ’ ἐκ βελέων ὕπαγε Ζεὺς ἔκ τε κονίης ἔκ τ’ ἀνδροκτασίης ἔκ θ’ αἵματος ἔκ τε κυδοιμοῦ.

Suidas schreibt ihm mit Unrecht Περσικά und Γετικά zu, von denen jene Dion von Kolophon gehören, diese dem Prusaeer Dion. Eine Specialgeschichte Traians (Τὰ κατὰ Τραιανόν) hat Dio schwerlich geschrieben, da sich sonst eine Verweisung [1685] in seinem grossen Werk finden würde; den rätselhaften Titel Ἐνόδια vermag ich nicht zu deuten. Dagegen ist sehr wahrscheinlich, dass die Biographie Arrians, die allerdings nur Suidas nennt, von ihm herrührt; er war sein Landsmann und ihm durch Laufbahn und Charakter nah verwandt. Die beiden hohen Reichsbeamten bithynischer Herkunft sind ein merkwürdiger Beweis dafür, wie viel intensiver das römische Wesen diese spät annectierte Provinz beherrschte, als die alten Centralstätten der griechischen Cultur in Kleinasien. Das Hauptwerk Dios sind die Ῥωμαικά oder Ῥωμαικὴ ἱστορία – beides kommt vor – in 80 Büchern, die nach Suidas – und die Überlieferungsgeschichte bestätigt das – in Dekaden abgeteilt zu werden pflegten.

Eine gute Gesamtdarstellung Dios ist nach Reimarus nicht erschienen; über den jetzigen Stand der Forschung orientiert Wachsmuth Einl. in d. Stud. d. alt. Gesch. 596–601. Nur über sein Leben handeln Wirth Quaestiones Severianae, Diss. Bonn. 1888 und die Prosopographia imperii Romani I 313f. Das v. Gutschmidsche Collegienheft (Kl. Schr. V 547ff.) ist wertvoll durch die Reconstruction der Oekonomie des grossen Geschichtswerks, enthält aber sonst viel Veraltetes und würde von v. Gutschmid so nicht veröffentlicht sein. Unbedeutend sind die über Dio handelnden Abschnitte in H. Peters Buch Die geschichtliche Litteratur über die römische Kaiserzeit I. II. Leipzig 1897. Die monographische Litteratur s. bei Boissevain Praef. CIff.; soweit sie ,quellenforschend‘ ist, ist sie in sehr umsichtiger Weise besprochen von H. Haupt in den Jahresberichten des Philologus XXXIX. XL. XLI. XLIII. XLIV; das Referat ist für die im allgemeinen sehr tief stehenden Arbeiten zu gut.

Für die politischen Anschauungen und die davon nicht zu trennende Schriftstellerei Dios ist von entscheidendem Einfluss gewesen die mächtige, eine neue Aera der römischen Geschichte einleitende Persönlichkeit des Septimius Severus. Gross geworden unter dem guten Kaiser Marcus, sah Dio als Mitglied des Senats das unwürdige Regiment des Commodus, den schwächlichen Reformversuch des Pertinax, die schmachvolle Erhebung des Iulianus auf den Thron des Marcus aus nächster Nähe mit an und erwartete mit allen Verständigen nichts Gutes von der Zukunft, als mit einem Schlage in Severus ein Mann erstand, der durch den märchenhaft glücklichen Zug nach Rom, durch die unblutige Entwaffnung der unerträglich gewordenen Garde, durch die kräftige und doch in der ersten Zeit noch massvolle Art, mit der er die Zügel des Regiments anzog, die Hoffnung erweckte, dass ein neuer Augustus sich den Caesarenthron erobert hatte. Severus lag viel daran, seine Erhebung als eine legitime erscheinen zu lassen, und die Rolle des Rächers des Pertinax, die er zunächst annahm, um Pescennius Niger in der Gunst der Hauptstadt auszustechen, genügte ihm nicht; es zog besser, wenn er den Glauben verbreitete, dass die Götter selbst ihn, wie einst Augustus, zum Herrscher ausersehen hätten. Dio, zeichengläubig wie nur einer seiner Zeitgenossen, übernahm es in einem Büchlein, die Beweise für das Gottesgnadentum des neuen Kaisers zusammenzustellen, die ihm vom Kaiser selbst geliefert [1686] sein müssen, und fügte, durch den Erfolg bei Hofe und im Publicum kühn gemacht, sofort danach eine Erzählung der Ereignisse von Commodus Tod bis zum ersten Einzug des Severus in Rom hinzu (LXXII 23). Beide Flugschriften sind, natürlich stark verkürzt, in das grosse Werk aufgenommen, wie ein eingeschobenes Prooemion ankündigt (LXXII 23); die Zeichen sind an den Schluss gestellt (LXXIV 3). Die für Severus günstige Auffassung schimmert noch überall durch, trotz einiger Zusätze, die Dio später hinzugefügt hat.

Dio hat nicht lange den officiösen Pamphletisten gespielt. Wenn auch der Krieg gegen Niger an und für sich der Begeisterung für den neuen Monarchen nicht entgegenstand, da Niger nichts als ein vom Senat nicht anerkannter Usurpator war, so machte doch die rücksichtslose Bestrafung seiner Anhänger einen sehr üblen Eindruck, und vollends verwandelte sich die anfängliche Hoffnung in zitternde Furcht, als der Bürgerkrieg mit dem legitimen Caesar Clodius Albinus ausbrach und nach seiner Beendigung Severus seine absolutistischen Pläne ohne Scheu enthüllte. Unterdes war in Dio der kühne Plan gereift, das Handwerk eines officiösen Tagesschriftstellers mit dem Beruf des Historikers grossen Stils zu vertauschen. Man darf wohl annehmen, dass die ursprüngliche Absicht die war, die gesamte römische Geschichte in die ruhmvolle neue Aera des zweiten Augustus auslaufen zu lassen, und dass diese Absicht durch Severus veränderte Politik vereitelt wurde. Trotzdem liess sich Dio, als zäher, charakterfester Bithynier, in seinem durch Träume gestärkten Glauben an seinen Beruf als Geschichtschreiber nicht irre machen, wenn ihm auch mit Severus nicht mehr eine neue Glanzzeit begann, sondern die alte mit Marcus aufhörte (LXXI 36, 4); im Gegenteil, sein Werk, für das er zehn Jahr sammelte und an dem er zwölf Jahr schrieb, bis er zu Severus Tod gelangt war, ist ihm in den schweren Zeiten, die über ihn wie über den gesamten Senat hereinbrachen, zum inneren Halt, zur Stütze seiner geistigen Existenz geworden, wie er selbst in den schönen Worten bekennt (LXXII 23): τὴν δὲ δὴ θεὸν ταύτην ἐπιρρωννύουσάν με πρὸς τὴν ἱστορίαν,εὐλαβῶς πρὸς αὐτὴν καὶ ὀκνηρῶς διακείμενον, καὶ πονούμενον ἀπαγορεύοντά τε ἀνακτωμένης δι’ ὀνειράτων καὶ καλὰς ἐλπίδας περὶ τοῦ μέλλοντος χρόνου διδοῦσάν μοι, ὡς ὑπολείψοντος τὴν ἱστορίαν καὶ οὐδαμῶς ἀμαυρώσοντος, ἐπίσκοπον τῆς τοῦ βίου διαγωγῆς ὡς ἔοικεν εἴληχα καὶ διὰ τοῦτο αὐτῇ ἀνάκειμαι.

Jene 22 Jahre werden ungefähr die Zeit von 194–216 umfasst haben; jedenfalls beginnen die zwölf Jahre des Schreibens schon vor dem Tode des Severus 211 (vgl. LXXVI 2. LXXVIII 10, 1). Dio führte die Geschichte seiner Zeit fort bis zur Thronbesteigung des Severus Alexander 222; von da an machte ihm die Abwesenheit von Rom, die erst seine Provincialämter, dann die Beurlaubung und der Verzicht auf die politische Laufbahn zur Folge hatten, eine genaue Beobachtung der Ereignisse unmöglich, und er begnügte sich mit einer Skizze der wichtigsten Ereignisse, um mit seinem zweiten Consulat, 229, endgültig zu schliessen. Ausserdem versteht sich von selbst, dass er an dem mittlerweile schon alt gewordenen Manuscript [1687] vor der Herausgabe noch manches geändert hat; das Gespräch zwischen Agrippa und Maecen (LII) hat nachweislich erst unter Severus Alexander seine abschliessende Form erhalten.

Nach Dio zerfällt sein Werk in drei Teile, deren innere Verschiedenheit dem aufmerksamen Leser auch sofort auffällt. Der erste Abschnitt reicht von der Urzeit bis zur Begründung der Monarchie durch Augustus, 51 Bücher umfassend, der zweite, durch eine sehr ausführliche Schilderung der monarchischen Einrichtungen eingeleitete, bis zum Tod des Marcus, der dritte bis zum Schluss. Dieser letzte ist nach Dios eigener und nicht zu bezweifelnder Angabe (LXXI 4, 2) der Primärbericht eines Augenzeugen und Zeitgenossen, während die beiden anderen aus früheren Geschichtswerken compiliert sind; die sporadischen Mitteilungen aus persönlicher Kunde, die mit der Zeit Hadrians beginnen (LXIX 1. 14. LXXI 33), verändern den Charakter des Ganzen nicht. Als Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Abschnitt hebt Dio hervor, dass er bei der Darstellung der Kaiserzeit nicht in gleichem Masse an den vorliegenden Berichten habe Kritik üben können, da unter dem absoluten Regiment man vieles nur unvollkommen, vieles gar nicht erfahre (LIII 19); er schiebt also hier die Verantwortung für das was er erzählt, in höherem Grade als vorher auf seine Gewährsmänner.

Dio hat nicht historiae, sondern annales geschrieben. Zu den eponymen Consuln, die Dio zu jedem Jahr in der Darstellung genannt hat, treten als Stützen des chronologischen Aufbaus in der Kaiserzeit hinzu die bis auf die Tage berechneten Regierungszeiten der einzelnen Kaiser. Als Anfangspunkt gilt ihm der 2. September 31 v. Chr., das Datum der Schlacht bei Actium, das Dio entgegen seiner Gewohnheit genau angiebt, um die Kaiserregierungen danach berechnen zu können (LI 1, 1). Wo Zweifel entstehen können, wie bei dem Intervall zwischen Nero und Vespasian oder der irregulären Erhebung Elagabals zum Kaiser, klärt er den Leser über die Praemissen der Rechnung auf (LXVI 17, 4. LXXVIII 41, 4) mit dem ausgesprochenen Zweck, einen jeden in den Stand zu setzen, sich nach den von ihm mitgeteilten Summen von Jahren, Monaten und Tagen eine chronologisch zuverlässige Tabelle der Kaiserregierungen selbst anzufertigen. Dio hat nun aber durchweg, und unabhängig von seinen jeweiligen Gewährsmännern, das streng chronologische Princip der annalistischen Geschichtschreibung mit dem pragmatisch-geographischen der historiae – vgl. Dionys. ep. ad Pomp. 3, 13 μετὰ τοῦτο ἔργον ἐστὶν ἱστορικοῦ διελέσθαι τε καὶ τάξαι τῶν δηλουμένων ἕκαστον ἐν ᾧ δεῖ τόπῳ. πῶς οὖν ἑκάτερος διαιρεῖται καὶ τάττει τὰ λεγόμενα; Θουκυδίδης μὲν τοῖς χρόνοις ἀκολουθῶν, Ἡρόδοτος δὲ ταῖς περιοχαῖς τῶν πραγμάτων – insofern auszugleichen versucht, als er nicht nur innerhalb eines Jahres die Erzählung nach sachlichen Gesichtspunkten ordnet, sondern hierbei sehr häufig die Jahresgrenzen erheblich überschreitet. Diese Vereinigung zweier Oekonomien hat nicht nur die Unzuträglichkeit zur Folge gehabt, dass aus der Reihenfolge der constantinischen Excerpte und dem Aufbau der Erzählung bei Zonaras und Xiphilin chronologische Schlüsse [1688] nur mit einer Fehlergrenze von bis zu drei und mehr Jahren gezogen werden dürfen, eine Regel, die so gut wie ausnahmslos nicht befolgt wird, sondern Dio hat auch durch eigene Schuld die chronologische Klarheit und Unzweideutigkeit seiner Erzählung nicht genügend gesichert, trotz aller Verweisungen und Wiederholungen; nur das sah er ein, dass bei seiner Verquickung der pragmatischen und annalistischen Einteilung kein Leser sich aus seinem Werk mühelos die Fastentafel herausschreiben konnte, und that es, da er sie mit Recht für ein unentbehrliches Requisit hielt, daher lieber selbst, indem er jedem Buch eine Liste der Eponymen voranschickte. Das corrigiert aber die Undeutlichkeit der Erzählung nicht, und wenn diese Undeutlichkeit von der modernen Forschung nicht so lästig empfunden wird, so liegt das nur daran, dass für einen grossen Teil der republicanischen Geschichte, für die der vollständige Dio vorliegt, sich die Ereignisse aus anderen Quellen mit einer in der alten Geschichte unerhörten Genauigkeit fixieren lassen, so dass man sich um Dio nicht zu kümmern braucht. Schlimmer noch als die Unbestimmtheit ist die falsche pragmatische Verknüpfung und die Confusion, zu der Dio gelegentlich durch das Bestreben, eine annalistische Darstellung umzuordnen verleitet ist. So concentriert er (XLVII 20ff.) die Erzählung der Revolution des Brutus und Cassius in eine Masse, nachdem er schon bis zu dem Triumvirat und den Proscriptionen, also bis ans Ende des J. 43 gelangt ist; innerhalb dieser Masse werden dann Brutus Eroberung Macedoniens, Cassius Besitznahme der syrischen Legionen, wobei wegen Caecilius Bassus bis auf 46 zurückgegriffen werden muss, und die Geschichte Dolabellas gesondert abgehandelt. Nicht genug, dass unter dieser Zerreissung der Synchronismen die Erkenntnis der historischen Zusammenhänge auf das empfindlichste leidet, so fehlt es auch nicht an Confusionen: unter dem Beschluss, den Dolabella (XLVII 29, 2) in Asien erfährt, kann man nur das Ächtungsdecret verstehen und muss nach Dio annehmen, dass er schon vor Trebonius Tod zum hostis erklärt wurde, was den Thatsachen ebenso widerspricht, wie Dios folgender Darstellung. Weil Dio die Ereignisse nach der Schlacht bei Mutina so anordnet, dass er erst Caesars Thaten bis zum Consulat abhandelt und dann, was über Antonius und Lepidus zu sagen ist, als Nachtrag bringt, passiert es ihm, dass er Caesars Consulwahl vor die Versöhnung zwischen Antonius und Lepidus schiebt (XLVI 51, 5, vgl. 44, 4). Einen Teil der Reflexionen, mit denen er seinen Bericht der Schlacht bei Pharsalos einleitet, hat J. Ziehen (Berichte des Freien Deutschen Hochstifts, Frankfurt 1890, 59) richtig durch Vergleichung mit Lucan auf das Prooemium des Livius zum Bellum civile zurückgeführt. Die Motive des Caesar und Pompeius (XLI 54), deren livianischer Ursprung schon durch Florus (II 13, 14) feststeht, finden sich bei Lucan (I 125ff.) weitaus am passendsten in der Einleitung; und von diesem Gesichtspunkt aus wird auch die sonst rätselhafte Bemerkung Dios verständlich, dass beide über den Frieden mit einander verhandelt hätten; das passt nicht auf die Tage vor Pharsalos, sondern auf den Anfang des Jahres 49. Erwähnt werden, mag als Beispiel [1689] der in falschen Pragmatismus ausartenden Umstellungen Dios noch die Ableitung der Wahl Caesars zum Pontifex Maximus (6. März 63, Ovid. fast. III 415) von seiner Abstimmung über die Catilinarier am 5. December 63 (XXXVII 37).

Verrät schon dieser Versuch einer Anordnung nach sachlichen neben den chronologischen Schemata, dass Dio mit der historiographischen Theorie Fühlung gesucht hat, so wird dies unzweifelhaft durch seine wiederholte Berufung auf die Würde der Geschichte, welcher eine mit reichen Details ausgeschmückte Erzählung widerstrebe und die von den einzelnen Thatsachen nur so viel mitzuteilen habe, als zum materiellen Kern des Raisonnements und der allgemeinen Betrachtung genüge: καὶ γὰρ καὶ παίδευσις ἐν τούτῳ τὰ μάλιστα εἶναί μοι δοκεῖ ὅταν τις τὰ ἔργα τοῖς λογισμοῖς ὑπολέγων τήν τε ἐκείνων φύσιν ἐκ τούτων ἐλέγχῃ καὶ τούτους ἐκ τῆς ἐκείνων ὁμολογίας τεκμηριοῖ (XLVI 35, 1). Sein Glaube an diesen ὄγκος τῆς ἱστορίας ist so unerschütterlich, dass er ihm nicht nur Namen, Zahlen, Tagesdaten fast ohne Auswahl und Ausnahme opfert (vgl. z. B. XLIII 22, 4. XLIV 14, 2. XLVII 10, 1. LI 1, 1. XLII 19, 3. 4. XLIII 24, 2), sondern auch über ihm gänzlich vergisst, die Tugend des Geschichtschreibers zu pflegen, welche die antike Historiographie zu nie wieder erreichter Vollendung entwickelt hat, die der anschaulichen, plastischen Erzählung. Man vergleiche z. B. die dürftigen Trümmer der livianischen Darstellung von dem Kriegsrat der Pompeianer vor Pharsalos (Lucan. VII 45ff. Flor. II 13, 43) oder von der kritischen Lage Caesars bei Munda (Flor. II 13, 83ff. Val. Max. VII 6, 5. Frontin. II 8, 13) mit Dio; obgleich seine Erzählung vollständig vorliegt, so fällt sie doch gegen die Ruinen des Livius entsetzlich ab. Von jenem ungestümen Drängen der Pompeianer zur eigenen Katastrophe ist ein jämmerlicher Flicken übrig geblieben, der in den verborgenen Winkel einer allgemeinen Reflexion über Pompeius Thorheit gesteckt ist (XLII 1, 3), und bei Munda sind die Hauptmotive auf Caesar und Cn. Pompeius verteilt (XLIII 37. 38), wodurch jede dramatische Spannung verloren geht. Aber es ist nicht nötig, Beispiele im einzelnen zu häufen: die gesamte Erzählung vom Untergang der Republik beweist noch viel vernichtender als die Einzelheiten, welche Verwüstungen eine Theorie anrichten kann, wenn sie einem ehrlichen Verstandesfanatiker zum starren, durch Phantasie und Leidenschaft nicht corrigierten Gesetz wird. Auch der nachsichtigste Kritiker, dem die gerade, tüchtige Persönlichkeit des Bithyniers Achtung abnötigt, muss zugeben, dass unter seinen ungeschickten Händen ein unvergleichlicher Stoff, dessen Fülle von dramatischen Motiven auch einem massigen Erzählertalent wohlfeile Lorbeeren bot, zu einer grauen, formlosen Masse zusammengeballt ist, die nicht im mindesten erfreut und mehr verbirgt als belehrt. Mit den Namen, Daten und Zahlen ist auch das unschätzbare geographische Detail gefallen, das Dio z. B. bei Gelegenheit von Pompeius armenischen und kaukasischen Feldzügen oder Antonius Invasion von Atropatene hätte bieten können; es ist hart, aber wahr, dass in dieser Beziehung ihm Scribenten vom Schlage des Theophylaktos Simokatta überlegen sind. Die Schlachtbeschreibungen [1690] Dios sind ausnahmslos rhetorische Schildereien ohne jeden Wert; diplomatische Verhandlungen, auch so wichtige wie die vor dem caesarisch-pompeianischen oder vor dem Krieg des jungen Caesar mit Kleopatra und Antonius sind so verschwommen und unklar wiedergegeben, dass der historische Forscher sie verzweifelt bei seite wirft. Und dabei ist Dio kein dem Staatsleben ferne stehender Declamator gewesen, sondern ein hoher Reichsbeamter von anerkannter Tüchtigkeit, der gefährliche Truppencommandos geführt und wichtige Grenzprovinzen verwaltet hat, ein drastischer Beweis, wie unmöglich es dem im Praktischen verständigen Manne war, als Schriftsteller den Bann der Schultheorie zu durchbrechen. Auch er ist durch den Fluch der Rhetorik oder, wie wir für uns verständlicher zu sagen haben, der allgemeinen Bildung um die Früchte seines Fleisses gebracht, der die ganze decadente Kaiserzeit um den besten Lohn ihrer sehr achtungswerten praktischen Leistungen betrogen hat, den nämlich, geistiges Leben aus ihrem Thun zu schöpfen und ihr Thun wiederum mit geistigem Leben zu durchdringen.

Die Theorie, welcher Dio zum Unheil seines Werkes sich unterordnete, war an und für sich durchaus nicht schlecht. Sie verlangte, dass die Hauptzüge der Ereignisse zu organischen Massen zusammengeschoben wurden, damit der Leser im Dickicht des Details den Ausblick auf das Wesentliche nicht verliere; das populäre Reizmittel der bis ins einzelne lebendigen Erzählung soll durch die politische Reflexion, durch richtig abgewogene Stimmungsbilder ersetzt werden; an Stelle romanhafter, anekdotenmässiger Motivierung hat die scharfe Zeichnung der von den Persönlichkeiten eingenommenen politischen Stellung zu treten. Nach dieser historiographischen Theorie hat Sallust seine Werke geschrieben; aus der Thatsache, dass er Thukydideer sein will und Dio ebenso sich mit der Nachahmung des Thukydides die peinlichste Mühe giebt (vgl. Litsch De Cassio Dione imitatore Thucydidis, Freiburg 1893), ergiebt sich der zwingende Schluss, dass eine aus dem Schoss des Classicismus in der caesarischen Zeit entstandene, aus Thukydides abstrahierte historiographische Theorie noch am Anfang des 3. Jhdts. werbende Kraft besass, was dem Kenner dieser Periode nicht wunderbar erscheinen wird. Aber eine Theorie, die ursprünglich eine sehr gesunde Reaction gegen die in wilde Romanschreiberei ausgeartete Annalistik bedeutete, die die Gattung der künstlerisch abgerundeten historia im Gegensatz zu den in unendlichen Bänden sich fortwälzenden Annalen wenn nicht geschaffen, so doch zu siegreicher Anerkennung gebracht hat, passte nicht für ein universalhistorisches, ein Jahrtausend umfassendes Werk, und dann war Dio nicht Sallust. Ihm geht die Glut der Parteileidenschaft, das politisch-agitatorische Element, all das, was der reflectierten, raisonnierenden Historiographie Leben und Bewegung giebt, ab; der kaiserliche Senator bithynischer Herkunft hat für die oligarchische Republik nicht das mindeste Verständnis, ihre Kämpfe setzen weder seine Phantasie, noch sein Gefühl in irgend welche Bewegung. So vermag er die leitenden Gesichtspunkte, um die Massen zu ordnen, um das Wesentliche vom [1691] Unwesentlichen zu scheiden, nicht zu finden; an Stelle der Ordnung tritt ein öder Schematismus und die Selbstbeschränkung des Meisters wird zur Verschwommenheit, die gerade das Wesentliche unterdrückt. Das Raisonnement selbst ist ein gehaltloses, seichtes Moralisieren mit Allerweltssentenzen; nie kommt ein scharfes Bild der Situation, eine grossartig concipierte Motivierung heraus. Das sallustische Ringen mit dem Ausdruck erzeugt jene eigenartige Spannung der Diction, die den Leser nicht zur Ruhe kommen lässt; Dios geistlose, schwerfällige Nachahmung thukydideischer Sentenzen ärgert nur, weil man Nüsse knacken muss und keinen Kern findet.

Allerdings verlangt die historische Gerechtigkeit das Eingeständnis, dass das Schicksal Dio besonders übel mitgespielt hat, wenn es aus dem ersten Abschnitt seines Werkes sehr viel mehr gerettet hat als aus dem zweiten oder dritten. So wie er zu der Kaiserzeit übergegangen ist, wird das Raisonnement ungleich sachlicher, die Fülle der Erzählung nimmt zu, die Linien der Zeichnung werden bestimmter; Dio befindet sich hier eben auf einem Boden, der ihm aus eigener Anschauung bekannt ist. Der Hauptfehler, dass das Verhältnis der Kaiser zum Senat zum leitenden Gesichtspunkt gemacht ist, ist ihm mit der gesamten kaiserlichen Annalistik gemeinsam, die noch viel weniger als die republicanische ihren Ursprung aus der Stadtgeschichte vergessen konnte und sich durchweg unfähig erwiesen hat, die für die Reichsgeschichte notwendigen neuen Formen zu finden. Indes ist dieser Gesichtspunkt doch wenigstens ein durch die wirklichen Verhältnisse gegebener und nicht so unfruchtbar, wie die Allgemeinheiten im ersten Abschnitt; wohlthuend ist ferner, dass die stoischen Declamationen über libertas und virtus fehlen; als kaiserlicher Beamter will Dio von den Philosophen ebensowenig etwas wissen wie Appian (LXVI 12. 13). Im dritten Abschnitt endlich hat Dio mit vollem Bewusstsein sich von seiner Theorie emancipiert, weil er hier es für richtiger hielt, die eigenen Beobachtungen möglichst reichlich zur Kenntnis zu bringen: καὶ μή μέ τις κηλιδοῦν τὸν τῆς ἱστορίας ὄγκον, ὅτι καὶ τὰ τοιαῦτα συγγράφω, νομίσῃ. ἄλλως μέν γὰρ οὐκ ἂν εἶπον αὐτά· ἐπειδὴ δὲ πρός τε τοῦ αὐτοκράτορος ἐγένετο – da spricht der loyale Beamte –καὶ παρὼν αὐτὸς ἐγὼ καὶ εἶδον ἕκαστα καὶ ἤκουσα καὶ ἐλάλησα, δίκαιον ἡγησάμην μηδὲν αὐτῶν ἀποκρύψασθαι, ἀλλὰ καὶ αὐτὰ ὥσπερ τι ἄλλο [1692] τῶν μεγίστων καὶ ἀναγκαιοτάτων τῇ μνήμῃ τῶν ἐσέπειτα ἐσομένων παραδοῦναι. καὶ μέντοι καὶ τἆλλα πάντα τὰ ἐπ’ ἐμοῦ πραχθέντα καὶ λεπτουργήσω καὶ λεπτολογήσω μᾶλλον ἢ τὰ πρότερα, ὅτι τε συνεγενόμην αὐτοῖς καὶ ὅτι μηδένα ἄλλον οἶδα τῶν τι δυναμένων ἐς συγγραφὴν ἄξιον λόγου καταθέσθαι, διηκριβωκότα αὐτὰ ὁμοίως ἐμοί LXXII 18). Und thatsächlich erhebt sich die Erzählung hier zu einer viel grösseren Frische und Praecision, als irgendwo sonst bei Dio; auch diesen Partien gehen Anmut und Plastik freilich ab – die Reste des LXXVIII. und LXXIX. Buches erlauben ein Urteil über das Original – und die Kriegsgeschichten genügen selbst bescheidenen Anforderungen nicht. Immerhin würde für den Fall, dass nur die letzte Dekade erhalten wäre, das Urteil über Dio, namentlich im Vergleich zu Herodian und der Historia Augusta ein viel günstigeres sein als jetzt, wo wir uns der Gefahr nicht ganz entziehen können, härter als nötig über den Geschichtschreiber zu urteilen, der über eine der wichtigsten Epochen der römischen Geschichte so viel Wertvolles hätte mitteilen können und statt dessen nichtssagende Raisonnements auftischt, weil das Unglück es gefügt hat, dass seine Darstellung die einzige ausführliche Gesamterzählung jener Epoche ist, die wir besitzen.

Ich gehe nunmehr zur Quellenanalyse, zunächst des ersten Teils über. Es liegt auf der Hand, dass eine Darstellung wie die dionische ein so sprödes Material für die Analyse ist wie nur möglich; der Mangel des Detail, die verschwommene Unbestimmtheit der Erzählung berauben die Kritik ihrer besten und sichersten Hebel. So ist über etwas allgemeine Resultate nicht hinauszukommen; doch verspricht eine scharfe historische Interpretation vor allem der erhaltenen Bücher, die wie stets über der Quellengräberei ganz vernachlässigt ist, noch eine reichliche Ausbeute für die Erkenntnis von dem Werden der Tradition, auf die viel mehr ankommt, als auf die Zuweisung an bestimmte Namen.

Die Darstellung der Königszeit (Buch I. II), des Ständekampfes und der Eroberung Italiens bis zum Zug des Pyrrhos (Buch III–VIII) ist bei allen Berührungen von Livius ebenso unabhängig wie von Dionys, zeigt vielmehr eine Mischung der annalistischen Traditionen, die so zwischen beiden steht, dass sie näher an Dionys heranrückt. Die Einzeluntersuchung kann hier nicht vorgelegt werden – ich begnüge mich mit kurzer Angabe der durchschlagenden Beweisstellen. Dio geht mit Dionys gegen Livius z. B. [1691/1692]

  Zon. VII 1, 3      = Dionys. I 64       vgl. Liv. I 2, 3.
Zon. VII 1, 6 = Dionys. I 70 vgl. Liv. I 3, 6.
frg. 5, 8 = Dionys. II 7 vgl. Liv. I 13, 6–8.
Zon. VII 6, 2. frg. 7, 2 = Dionys. III 9ff. vgl. Liv. I 23.
Zon. VII 7, 3. 4 = Dionys. III 39. 40, fehl bei Livius.
Zon. VII 8, 11. 12 = Dionys. III 55. 56. 67, fehlt bei Livius.
Zon. VII 9, 1. 2. = Dionys. IV 1 vgl. Liv. I 39.
Zon. VII 11, 6–8 = Dionys. IV 60. 61 vgl. Liv. I 55.
Zon. VII 12 = Dionys. V 10–12 vgl. Liv. II 2.
frg. 13, 1 = Dionys. V 19 vgl. Liv. II 7, 7.
Zon. VII 13, 9 = Dionys. V 44 vgl. Liv. II 16.
Zon. VII 13, 10 = Dionys. V 49 vgl. Liv. II 17.
Zon. VII 13, 11 = Dionys. V 51. 53–57 vgl. Liv. II 18. 19.
frg. 18, 5 = Dionys. VII 58 vgl. Liv. II 35.
frg. 18, 3 = Dionys. VII 21 (vgl. Liv. II 34, 7. App. Ital. 3).
frg. 18, 4 = Dionys. VII 27, fehlt bei Livius.
Zon. VII 17, 2. 3 = Dionys. IX 1–3 vgl. Liv. II 43;
[1693/1694] er steht Dionys wenigstens näher als Livius:
Zon. VII 1, 8 vgl. Dionys. I 71, fehlt bei Livius.
Zon. VII 10, 6. 7. 12 vgl. Dionys. IV 55. 57. Liv. I 53. 54.
Zon. VII 11, 1–4 vgl. Dionys. IV 62, fehlt bei Livius.
Zon. VII 16, 5 vgl. Dionys. VIII 14, fehlt bei Livius.
Daneben kommen auch Concordanzen mit Livius gegenüber Dionys vor:
Zon. VII 9, 5 = Liv. I 41, 7 vgl. Dionys. IV 5, 3.
Zon. VII 9, 15. 16 = Liv. I 47 vgl. Dionys. IV 30. 38.
Zon. VII 11, 17 = Liv. I 59 vgl. Dionys. IV 85.
Zon. VII 16, 3 = Liv. II 35, 8. 37, 2 vgl. Dionys. VIII 2. 3.
frg. 24, 2 = Liv. V 27 vgl. Dionys. XIII 2.
frg. 24, 6 = Liv. V 32 vgl. Dionys. XIII 5,
oder eine Mischung der bei ihnen vorliegenden Traditionen:
Zon. VII 8, 13. 14 vgl. Liv. I 40 Dionys. III 72. 73.
Zon. VII 11, 9 vgl. Liv. I 56 Dionys. IV 69.
frg. 11, 13–15. 18 vgl. Liv. I 57. 58, 7 Dionys. IV 64. 66.
Zon. VII 17, 6 vgl. Liv. II 61 Dionys. IX 54.
Zon. VII 20, 2–4 vgl. Liv. IV 13. 14 Dionys. XII 1. 2.
Von beiden weicht Dio ab:
Zon. VII 1, 1 vgl. Liv. I 2, 6 Dionys. I 64, 5.
Zon. VII 1, 8 vgl. Liv. I 3, 8 Dionys. I 71.
frg. 7, 5 vgl. Liv. I 31 Dionys. II 70, 1.
Zon. VII 8, 6 vgl. Liv. I 35, 6 Dionys. III 67.
Zon. VII 9, 6. 7 vgl. Liv. I 41, 6. 46, 1 Dionys. IV 12. 22. 23.
frg. 13, 3. 4 vgl. Liv. II 8 Dionys. V 35, 3.
Zon. VII 14, 4, fehlt bei beiden.
Zon. VII 18, 2 vgl. Liv. III 33 Dionys. X 56.
frg. 22, 1, fehlt bei beiden.
Zon. VII 20, 8. 9 vgl. Liv. V 15–17 Dionys. XII 10–12.

[1693] Besonders hervorzuheben ist die bei Livius und Dionys fehlende Etymologie des Namens Ancus, Zon. VII 7, 1, die aus Valerius Antias frg. 10 stammt; um falsche Schlüsse zu verhüten, notiere ich die Discrepanz zwischen Zon. VII 9, 1. 2 und Val. Ant. frg. 12. Nicht selten finden sich in der Erzählung Versionen, die von Livius und Dionys als Varianten bezeichnet werden:

  • frg. 5, 11. 6, 1aa = perobscura fama Liv. I 16, 4; οἱ τὰ πιθανώτερα γράφοντες Dionys. II 56.
  • Zon. VII 9, 3. 6 folgt wie Liv. I 46, 4 der älteren Tradition im Gegensatz zu der rationalistischen Correctur Pisos, Dionys. IV 6.
  • Zon. VII 13, 2 = apud veterrimos auctores Liv. II 18, 5 = Dionys. V 70ff.
  • frg. 18, 12 vgl. Fabius bei Liv. II 40, 10; die andere Alternative bei Dionys. VIII 57ff. App. Ital. 5, 3.
  • Zon. VII 23, 3: Liv. V 39. 41 kennt nur die zweite Alternative.
  • Zon. VII 24, 10–12 ist eine Combination aus Claudius und dem Bericht der übrigen, die sich Dionys. XIV 8 wiederfindet.
  • Zon. VII 25, 9 = invenio apud quosdam Liv. VII 42.
  • Zon. VII 26, 7: Livius kennt nur die eine Version VIII 9.
  • frg. 35, 4 vgl. apud quosdam auctores invenio Liv. VIII 11.
  • frg. 36, 22 = Liv. IX 15 quibusdam in annalibus invenio.
  • Zon. VIII 1, 5 = Liv. X 26 invenio apud quosdam.

Ich merke noch an, dass Zon. VIII 1, 8 mit Liv. X 36 gegen Claudius bei Liv. X 37, frg. 36, 8 mit App. Samn. 4, 1 gegen Liv. VIII 39 stimmt.

[1694] Über die Erzählung des Krieges gegen Pyrrhos (Buch IX. X) und des ersten punischen sowie der darauf folgenden Ereignisse bis zum Beginn des zweiten (Buch XI. XII) lässt sich wenig sagen, ich beschränke mich auf die Beobachtung, dass Zon. VIII 5, 8 mit Claudius frg. 40. 41 gegen Valerius frg. 21 stimmt, und dass die verderbte annalistische Tradition, nicht Polybios zu Grunde liegt, vgl. Zon. VIII 10, 2–5 mit Polyb. I 19, Zon. VIII 10, 8 mit Polyb. I 21, 4. 22, 1, frg. 43, 22 (= Oros. IV 9, 1. Eutrop. II 21, 4) mit Polyb. I 31, Zon. VIII 13, 10 mit Polyb. I 36 (= Oros. IV 9, 4), Zon. VIII 15, 11–13 mit Polyb. I 44 (= Oros. IV 9, 2). Dass Livius benützt ist, ist höchst unwahrscheinlich.

Sicherlich ist es nicht der Fall gewesen in der Darstellung des zweiten punischen Kriegs (Buch XIII–XVII): Hesselbarth (Untersuchungen zur dritten Dekade des Livius) behauptet dies nur um seine, aus vielen Gründen unhaltbare Identification von Dio mit Coelius, von Appian mit Valerius zu retten. Allerdings finden sich einige Concordanzen mit Coelius:

  • Zon. VIII 22, 8. 9 = frg. 11 = Liv. XXI 22.
  • Zon. VIII 24, 1 = frg. 18, vgl. die Polemik bei Liv. XXI 47.
  • Zon. VIII 25, 7 = frg. 20 = Liv. XXII 5, 8.
  • Zon. VIII 25, 11 = frg. 21 = Liv. XXII 8, 6.
  • Zon. IX 1, 16 = frg. 25 = XXII 51.
  • Zon. IX 11, 10, vgl. frg. 33;

aber das ist tralaticisches Gut, das für directe Abhängigkeit nichts beweist. Gerade eine Coelius eigentümliche Geschichte (frg. 17) findet sich bei Dio (Zon. VIII 23, 9) nicht, sondern die Version des Polybios (X 3 = Liv. XXI 46), die in der Annalistik durchgeschlagen hatte, und Hannibals Zug gegen Rom (Zon. IX 6, 2) ist nicht nach [1695] Coelius (frg. 28), sondern nach einem auch bei Livius (XXVI 8) vorliegenden Annalisten erzählt, nicht nach Livius selbst, wie die Discrepanz zwischen Zon. IX 6, 4 und Liv. XXVI 11 beweist. Daraus, dass an der eben angeführten Stelle und Zon. VIII 24, 5 = Polyb. III 74, 11, vgl. Liv. XXI 56. 58, 11 Dio Polybios etwas näher steht, folgt nur, dass in den von Dio benützten Annalisten polybianisches Gut steckte, was nichts Besonderes ist; denn dass ein vorpolybianischer Annalist nicht Dios Gewährsmann gewesen sein kann, steht, von allgemeinen Gründen abgesehen, schon durch die coelianischen Spuren fest, und von den nachpolybianischen Annalisten ist schwerlich auch nur einer frei von polybianischem Einfluss gewesen. Wenn irgend etwas, so ist sicher, dass Dio selbst die Annalen nicht durch directe Benutzung des griechischen Werkes corrigiert hat, da er regelmässig die annalistischen Verfälschungen im Gegensatz zu Polybios bietet, und der kräftigste Beweis dagegen, dass er Livius auch nur partienweise gefolgt ist, liegt darin, dass sich keine Spur der Livius eigentümlichen Mischung von annalistischer Verfälschung und echtem Polybios nachweisen lässt. Das schöne, durch keinen Widerspruch meines Erachtens zu erschütternde Resultat des Hesselbarthschen Buches, dass Livius selbst den echten Polybios mit der annalistischen Tradition verquickt hat, der Grund- und Eckpfeiler für jede Kritik der Überlieferung über den hannibalischen Krieg, lässt sich durch die Vergleichung Dios mit Livius noch viel schärfer herausarbeiten, als Hesselbarth, in seiner Coelius-Valerius-Hypothese befangen, es gethan hat: Dio ist ein gutes Kriterium, um das Polybianische und Nichtpolybianische in Livius dritter Dekade zu scheiden. Richtig ist ferner, im grossen und ganzen wenigstens, Hesselbarths Behauptung, dass die annalistische Tradition bei Dio einen geringeren Grad von Verlogenheit zeigt, als die bei Appian, trotz der häufigen und sehr auffälligen Berührung zwischen beiden, vgl.

  • Zon. VIII 19, 1 = App. Iber. 5.
  • Zon. VIII 21, 4 Sagunt nicht weit vom Ebro; aus dieser wegen des hasdrubalischen Vertrags ersonnenen Topographie ist die monströse Behauptung App. Iber. 7 entwickelt, dass Sagunt nördlich vom Ebro läge.
  • Zon. VIII 24, 8 vgl. App. Hann. 6, es liegen zwei Weiterentwicklungen von Pol. III 78 = Liv. XXII 1 vor, ebenso wie bei
  • Zon. VIII 25, 4–8 vgl. App. Hann. 9 und Pol. III 83, 5 = Liv. XXII 3–6.
  • Zon. VIII 26, 1 = App. Hann. 15.
  • frg. 57, 14 = App. Hann. 16, abweichend von Pol. III 96.
  • Zon. IX 2, 5 = App. Hann. 28 extr.
  • Zon. IX 2, 11. 12. frg. 57, 30. 34 = App. Lib. 63, abweichend von Liv. XXIII 15. 17.
  • Zon. IX 10, 2 = App. Iber. 32, abweichend von Liv. XXVIII 19.
  • Zon. IX 10, 6. 8 vgl. App. Iber. 36, der verwandter ist als Liv. XXVIII 26. 29 = Pol. XI 27. 30.
  • Zon. IX 11, 1. 2. frg. 57, 51, vgl. App. Lib. 10, abweichend von Liv. XXIX 23. 31ff.
  • frg. 57, 65ff. = App. Lib. 14, vgl. die Notiz Liv. XXIX 34 über Coelius und Valerius. [1696]
  • Zon. IX 12, 7 = App. Lib. 17, fehlt bei Polybios und Livius.
  • Zon. IX 12, 8 vgl. App. Lib. 20ff., abweichend von Liv. XXX 6. 7 = Pol. XIV 4. 5. 7.

Aber der Schluss, dass darum der oder die von Dio benutzten Annalisten älter als Valerius Antias sein müssten, rechnet mit der Thatsache nicht, dass die Annalistik sich noch bis in die Kaiserzeit und über Livius hinaus weiter entwickelt hat; die für die appianische Tradition bezeichnende Verfälschung geht zum guten Teil – das einzelne wird sich nie feststellen lassen – auf Appians nächsten Gewährsmann zurück, während bei Dio aller Wahrscheinlichkeit nach zu den Fälschungen der vorlivianischen Annalistik nichts Neues mehr hinzugethan ist.

In den folgenden Büchern (XVIII–XXI), die bis zur Zerstörung von Karthago und Korinth reichen, beherrscht Polybios die Darstellung derartig, dass Dio zu seiner Reconstruction mit Recht herangezogen wird. Nichtsdestoweniger liegt Polybios keineswegs rein vor, und es ist sogar sehr zweifelhaft, ob er direct benützt ist. Allerdings entspricht Zon. IX 15, 2 Pol. XVI 27. 34 (vgl. Liv. XXXI 9) besser als Liv. XXXI 3. 8, der annalistisch verfälscht ist, aber diese Concordanz kehrt Appian. Mac. 4, 2 wieder, und es steht unbedingt fest, dass Appian Polybios nicht direct ausgeschrieben hat. Ferner fehlt es nicht an Stellen, an denen die polybianische Darstellung ersichtlich getrübt oder erweitert ist, und zwar nicht von Dio selbst, vgl.

  • Zon. IX 16, 1 abweichend von Polybios (vgl. Plut. Tit. 4) bei Liv. XXXII 12.
  • Zon. IX 18, 13. 14 = App. Syr. 9. vgl. Claudius bei Liv. XXXV 14.
  • Zon. IX 20, 10 = App. Syr. 39; die Zusätze fehlen Pol. XXI 45. Liv. XXXVIII 38.

Zon. IX 20, 7. 8 und 26, 5 giebt Details, die durch Liv. XXXVII 43 (= Polybios) und Pol. XXXVI 6 nicht gedeckt sind, IX 22, 4 stimmt zu dem annalistischen Bericht Liv. XLII 36, nicht zu der aus Pol. XXVII 6 stammenden Doublette Liv. XLII 48, der achaeische Krieg Zon. IX 32, 2–4 scheint wenigstens nach Oros. V 3, 3 auf Grund der annalistischen, nicht der polybianischen Tradition erzählt zu sein. In den spärlichen Besten der Stadtgeschichte und der Darstellung der spanischen Feldzüge tritt, was sehr zu beachten ist, die Abweichung von Livius scharf hervor; vgl. Zon. IX 17, 1–4 mit Liv. XXXIV 1–7; Zon. IX 17, 5–7 = App. Ib. 40. 41 mit Liv. XXXIV 17. 19. 20; Zon. IX 16, 8 entspricht dem, was bei Liv. XXXII 30 quidam auctores erzählen.

Dio giebt für die ersten sechs Jahrhunderte der Stadt eine Mischung der Annalistik, die trotz aller Berührungen von Livius unabhängig ist; das ist das Gesamtresultat, das als sicher bezeichnet werden darf. Die tiefst greifende Differenz von Livius ist die, dass Dio für die älteste Zeit die jüngere Annalistik, wie auch Dionys, bevorzugt oder, mit anderen Worten, durch ihre Pragmatik sich hat täuschen lassen, und dass er den hannibalischen Krieg nicht einmal partiell wie Livius nach der reinen Überlieferung des Polybios erzählt hat; selbst in der Darstellung des halben Jahrhunderts vor dem Ausbruch der Revolution weist er trotz der überwiegenden Herrschaft des polybianischen [1697] Einflusses eine erheblich grössere Neigung zur Annalistik auf, als jener, der Polybios immer wieder direct consultiert. In überraschender Weise stimmt dies Resultat mit dem für Appian gewonnenen überein, wenn man wie billig die dort erst ganz spät eingetretene weitere Fälschung der annalistischen Fälschung abzieht. Rückschlüsse auf einen bestimmten Annalisten sind falsch und müssen falsch sein, man möge ihn nennen wie man wolle; eine vorurteilslose Forschung hat sich bei der keineswegs gleichgültigen Erkenntnis zu beruhigen, dass für die römische Geschichte der ersten sechs Jahrhunderte noch in der Kaiserzeit trotz Livius die Auffassung und die Form massgebend war, welche die Annalistik der zusammenbrechenden Republik ihr gegeben hatte. Von dieser Erkenntnis aus, nach welcher, nebenbei gesagt, meine Bemerkungen im Artikel Appianus Bd. II S. 221 zu modificieren sind, wird es verständlich, wie sich in die livianische Excerptenlitteratur so manches Unlivianische eingeschlichen hat, wie es nicht gelingen kann, eine Schrift wie de viris illustribus restlos aus Livius abzuleiten; die annalistische Vulgata färbte eben immer wieder durch. Zugleich aber steigt das Verdienst des Pataviners viel höher, als seine analytischen Kritiker uns glauben machen wollen; er ist der einzige Geschichtschreiber Roms, der nicht durch Zufall, sondern mit Bewusstsein, neben der bodenlos verlogenen Annalistik der Revolutionszeit die ältere, bessere und den echten Polybios hat zu Worte kommen lassen. Hier haben die kritisch-gelehrte, geschmackvolle Weise des augusteischen Kreises und die ehrliche Herzensromantik des unverdorbenen Oberitalieners sehr glücklich zusammengewirkt. In welcher Form nun aber diese annalistische, im einzelnen natürlich unendlich variierende Vulgata gelesen und benützt wurde, ist unmöglich zu sagen, da nach dem verschiedenen Bedürfnis auch die Formen gewechselt haben werden; jedenfalls gab es von der ciceronischen Zeit an in Rom gelehrte Handlanger genug, die einem schreiblustigen grossen Herrn nach bewährten Recepten die annalistischen Berichte mit viel oder wenig Varianten, je nach Bedarf, zusammenstellen konnten. Nichts hindert ferner anzunehmen, dass neben solchen Zusammenstellungen auch die Annalenwerke selbst noch, wenigstens partienweise, consultiert wurden; es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass sich für die verschiedenen Epochen ein Kanon von Annalisten herausgebildet hatte, die derjenige, der sich genauer unterrichten wollte, neben- und nacheinander zu lesen hatte, wenn auch vielleicht nicht in der originalen Breite, sondern in epitomierten und modernisierten Überarbeitungen.

Die spärlichen Reste der Bücher XXII–XXXV mit den ebenfalls sehr kümmerlichen übrigen Trümmern anderer Historiker zu vergleichen, um danach auf irgend eine ,Quelle‘ zu raten, ist ein Beginnen, für das ich keine Zeit habe und haben will; das einzige, was sich mit voller Sicherheit eruieren lässt, dass Sallusts Bellum Iugurthinum nicht direct benutzt ist, wird noch zur Sprache kommen.

Dass in den erhaltenen Büchern von XXXVI an Livius in grossen Massen steckt, ist eine weit verbreitete und sehr wahrscheinlich richtige Meinung. [1698] Der Beweis ist nicht ganz leicht zu erbringen, um so weniger, als die Quellenforscher lieber im Leeren gewühlt haben, statt die viel nützlichere Arbeit zu leisten, auf der allein eine gründliche Untersuchung über die Verzweigung der Tradition aufgebaut werden kann, die Reconstruction nämlich des Livius und die Vergleichung dieser Reconstruction mit der sicher als nichtlivianisch erkannten Tradition. Ich muss mich hier darauf beschränken, die loci der Argumentation vorzulegen, wobei ich mir nicht verhehle, dass mit einem gewissen Recht der eine mehr, der andere weniger verlangen wird, da die Beweiskraft der einzelnen Stellen eine ausserordentlich ungleiche ist. Besonders warne ich davor, die Congruenzen zwischen Dio und der in den Periochae, bei Florus, Eutrop und Orosius erhaltenen Epitome allzu hoch einzuschätzen. Wie vorsichtig man mit Schlüssen aus der Epitome sein muss, zeigt folgende, nur aus methodologischen Gründen angestellte Untersuchung über die Frage, ob die Discrepanzen der livianischen Epitome mit Dio hinreichen würden, um zu der Erkenntnis zu gelangen, die der erhaltene Livius mit voller Sicherheit erzwingt, dass nämlich die erste, die dritte, vierte und fünfte Dekade des Livius von Dio nicht benützt sind. Die Untersuchung ergab allerdings eine Anzahl von Discrepanzen, vgl.

  • Zon. VII 8, 6 mit per. I p. 4, 11 (Liv. I 35, 6).
  • Zon. VII 9, 1. 2 mit per. I p. 4, 16 (Liv. I 39).
  • Zon. VII 12 (über die Abdankung des Collatinus) mit Flor. I 3, 3. Eutrop. I 10, 3 (Liv. II 2).
  • Zon. VII 18, 2 mit per. III p. 8, 25. Eutrop. I 18 (Liv. III 33).
  • Zon. VIII 21, 8 mit Oros. IV 14, 2. Eutrop. III 7, 3 (Liv. XXI 9).
  • Zon. VIII 25, 4–8 mit Flor. I 22, 13 (Liv. XXII 3–6).
  • Zon. IX 9, 11 mit Oros. IV 18, 15. Flor. I 22, 53 (Liv. XXVII 51),

aber deren im Verhältnis zu der Masse recht spärliche Anzahl erscheint noch kleiner, wenn man sie mit der grossen Menge von Congruenzen vergleicht, die überall da sich einstellen müssen, wo Dio entweder wirklich mit Livius übereinstimmt oder Schlüsse ex silentio oder aus sehr minutiösen Einzelheiten notwendig werden. Auf der anderen Seite darf nicht verschwiegen werden, dass die Verhältnisse insofern nicht ganz gleich liegen, als hier an Stelle des vollständigen Dio der Auszug des Zonaras treten muss, der mit der Beschränkung des Vergleichungsstoffes auch die Möglichkeit falscher Congruenzen steigert, und dass dieser Probe eine andere Gegenprobe gegenübergehalten werden muss, die nämlich, ob etwa mit der Epitome auch bewiesen werden kann, dass Plutarch und Appian im ganzen Umfange, nicht etwa nur für einzelne Partien, Livius ausgeschrieben haben. Das Experiment ergiebt sofort das Gegenteil, ebenso hört mit Buch LI bei Dio jede irgendwie nähere Berührung mit der Epitome, wie sie sich von XXXVI an massenhaft vorfinden, auf. Am schwersten aber fällt ins Gewicht, dass, wo durch Frontin, Valerius Maximus, vor allem durch Lucan mehr livianisches Gut zur Vergleichung vorliegt, die Congruenzen mit Dio sofort und in reichlichster [1699] Fülle zunehmen. So dürfte eine radicale Skepsis über das richtige Mass hinausschiessen und eher nach bequemer Resignation als nach wissenschaftlicher Methode schmecken.

So möge denn die Liste der Congruenzen, in annalistischer Ordnung, hier folgen, sie giebt zugleich ein Bild von der Manier Dios, den Stoff umzuordnen:

  • a. Chr. 69: per. XCVIII p. 88, 15. 16. Oros. VI 3, 7. Frontin. II 1, 14 (abweichend Plut. Luc. 24. Memn. 57) = XXXVI 1 a. 2, 5.
  • 68: Oros. VI 3, 7. Eutrop. VI 9, 1 = XXXVI 7.
  • 67: Eutrop. VI 9, 2 = XXXVI 9, 1. 2. per. XCVIII p. 88, 18–23 = XXXVI 12, 4. 13, 1. 15, 3. per. XCIX p. 88, 26 vgl. XXXVI 19, 1. per. XCIX p. 88, 26. 27 = XXXVI 42, 1.
  • 67. 66: per. XCIX p. 89, 1–5. Oros. VI 4, 1. Flor. I 41, 1. 2. 8. 13. 14 = XXXVI 20, 2. 4. 21, 2. 3. 23, 2. 37, 3–5. Val. Max. VIII 15, 9 = XXXVI 36 a (aus den Verhandlungen über die lex Manilia – vgl. Cic. de imp. Cn. Pomp. 59 – schon von Sallust – vgl. hist. 5, 24 –, den Livius benützt hat, übertragen). Flor. I 42, 4 = XXXVI 18, 2. 19, 1.
  • 66: per. C p. 89, 11. 12 = XXXVI 42, 4. 43, 1. per. C p. 89, 14. 15. Oros. VI 4, 2. Flor. I 42, 6 = XXXVI 19, 3. per. C p. 89, 16. 17. Flor. I 40, 31 = XXXVI 45, 3. Oros. VI 4, 3 = XXXVI 47, 2. per. C p. 89, 17. 18. Frontin. II 5, 33 = XXXVI 47, 3. 4. per. C p. 89, 18–20 = XXXVI 45, 3. 51, 1. 2. Flor. I 40, 22 = XXXVI 48, 1 (Anaitis liegt südlich vom Euphrat vgl. Strab. XI 532. 521. 527. XII 555). per. CI p. 89, 21. 22. Oros. VI 4, 3. 4. Flor. I 40, 22. 23 (fehlerhaftes Excerpt). Frontin. I 1, 7. II 1, 12 = XXXVI 48, 2–5. 49. 50, 2 (XXXVI 48, 5 = Frontin. II 1, 12 abweichend von Plut. Pomp. 32, wo Mithridat nicht auf dem Marsch, sondern im Lager angegriffen wird). Oros. VI 4, 7 = XXXVI 50, 3. Oros. VI 4, 8. Eutrop. VI 13. Flor. I 40, 27. Val. Max V 1, 9 = XXXVI 52. 53, 2.
  • 65: Obs. 61 = XXXVII 9, 1. 2. per. CI p. 89, 25–27 = XXXVI 44, 3–5. Oros. VI 4, 8. Flor. I 40, 28 = XXXVI 54. XXXVII 1. 2. Frontin. II 3, 14 = XXXVII 4.
  • 64. 63: Flor. I 40, 25 = XXXVII 11, 1. Oros. VI 5, 1 = XXXVII 11, 4.
  • 63: Obs. 61 = XXXVII 25, 1. 2. per. CII p. 90. 7–10. Oros. VI 5, 3–6 = XXXVII 12, 1. 3. 4. 13, 1–3. Oros. VI 6, 1 = XXXVII 15, 1. 2. Oros. VI 2–4. Flor. I 40, 30 = XXXVII 15, 2. 16, 1. 3. 4. Eutrop. VI 16 (ein Jahr zu spät gestellt) = XXXVII 24, 1. per. CII p. 90, 12 (bis repulsam in petitione consulatus passus). 13. 15–17 (urbe pulso). Eutrop. XI 15 = XXXVII 29, 1 (καὶ τότε αἰτήσαντος, obgleich die Bewerbung im J. 64 nicht erzählt ist). 30, 4. 5. 33, 1. Val. Max. V 8, 5 = XXXVII 36, 4.
  • 62: Oros. VI 6, 7 = XXXVII 41, 1. 2. per. CIII p. 90, 20–23 (cum … uxorem Metelli pontificis stuprasset; Caesar ist mit seinem Vorgänger verwechselt) = XXXVII 45, 1. 2 (τὴν γυναῖκα αἰσχύναντος, das stuprum fehlt in den übrigen Berichten, vgl. besonders Plut. Caes. 10; Cic. 28. Cic. ad Att. I 12, 3).
  • 61: per. CIII p. 90, 23. 24. 91, 1 = XXXVII 47. 48. 51, 1. Val. Max. VIII 15, 8 = XXXVII 21, 2. per. CIII p. 91, 13. 14 = XXXVII 21, 3 [1700] (vgl. Plut. Pomp. 13; Sertor. 13. Plin. VII 96; Polemik gegen Livius steckt in App. Mithr. 97).
  • 60: Obs. 62 = XXXVII 58, 3. per CIII p. 91, 2–4. Flor. II 13, 8. 9. 11 = XXXVII 49, 5. 50, 6. 54, 3. 4. 55, 1. 56, 1. 3. 4. 57, 1 (die irrige Verlegung des Triumvirats ins J. 60, vgl. Suet. Iul. 19. Cic. ad Att. II 1, 6. 3, 3. 4, 2, hat Livius aus Asinius Pollio – vgl. Horat. carm. II 1, 1 – entlehnt, andererseits weicht Plut. Pomp. 47; Caes. 13. 14; Crass. 14 von Dio so ab, dass Pollio nicht Dios Gewährsmann sein kann). Lucan. I 85. 86 = XXXVII 58, 1.
  • 59: Val. Max. II 10, 7 = XXXVIII 3, 2. Oros. VI 7, 1 = XXXVIII 8, 5.
  • 58: per. CIII p. 91, 10. 11. Flor. I 45, 2. 3 = XXXVIII 31, 2. 3 (abweichend von Caes. bell. Gall. I 2, wo die Helvetier nicht so sehr durch die Übervölkerung wie durch den Ehrgeiz des Orgetorix veranlasst werden auszuwandern). Flor. I 45, 10. 11 = XXXVIII 45, 1. 34, 4. Frontin. I 11, 3. IV 5, 11 = XXXVIII 46, 3. 4. 47, 1 (rhetorische Übertreibung des von Caes. bell. Gall. I 40, 15 ausgesprochenen Gedankens). Flor. I 45, 13 = XXXVIII 49, 6. 50, 1. 2 (rhetorische Übertreibung von Caes. bell. Gall. I 52, 4. 5).
  • 57: per. CIV p. 91, 22–25. Cassiod. 696 = XXXIX 6, 1. 2. 8, 3. 9, 3. 7, 2–8, 1. per. CIV p. 91, 27 = XXXIX 2, 2 (ungenau nach Caes. bell. Gall. II 12). Flor. I 44, 4. 5 = XXXIX 22, 2. 3. 23, 1.
  • 56: per. CIV p. 92, 6–8 (ob iniurias quas patiebantur, a suis regno ⟨eiectus⟩) = XXXIX 12, 2. 3. Flor. I 45, 5 = XXXIX 40, 5. 42, 4. 43, 2. 4 (abweichend von Caes. bell. Gall. III 13, 8. 14, 4. 8). per. CV p. 92, 11. 12 = XXXIX 28, 2. Val. Max. IV 1, 14. VI 2, 6 = XXXIX 23, 1. 28, 5.
  • 55: per. CV p. 92, 17. 18 = XXXIX 34, 4. Val. Max. IV 6, 4 = XXXIX 32, 2. Flor. I 46, 3 = XXXIX 39, 6.
  • 54: Flor. I 45, 19 = XL 4, 1. per. CVI p. 93, 1. 2 = XXXIX 64. per. CVI p. 93, 8 (inter quae eius qui in Treveris praeerat [Q. Cicero falsche Randnotiz]) = XL 11. Flor. I 46, 5 = XL 16, 3.
  • 53: Obs. 63. Flor. I 46, 4 = XL 17, 1. 2. 18, 3–5. Flor. I 46, 11 = XL 26, 3.
  • 52: per. CVII p. 93, 24–p. 94, 3 (zu lesen cum seditiones inter candidatos consulatus . . essent, qui armis ac vi contendebant, ad comprimendas eas Cn. Pompeio legato et [a senatu consul tertio factus est absens et solus quod nulli alii umquam ** richtige Randnotiz] quaestione decreta de morte P. Clodi Milo iudicio damnatus in exilium actus est). Lucan. II 480 = XL 50, 1. Val. Max. IX 5, 3. VI 2, 5 = XL 53, 2. 55, 1. 2. Flor. II 13, 16 = XL 51, 2. per. CVIII p. 94, 11–13. Oros. VI 13, 5. Frontin. II 5, 35 = XL 28, 4. 3. 29, 3. per. CVIII p. 94, 13. 14 = XL 58, 1–3.
  • 51: per. CVIII p. 94, 16. 17 = XL 59, 1.
  • 50: per. CIX p. 94, 25–p. 95, 1 = XL 61. 62. Oros. VI 15, 1 = XL 66, 1. Lucan. I 125. 126. 131–133. 144–150. Flor. II 13, 14 = XLI 54, 1 (verschoben in die Reflexionen über die Schlacht bei Pharsalos).
  • 49: per. CIX p. 95, 1–6. Oros. VI 15, 2 = XLI 2, 2. 3, 2. 4. Lucan. I 296ff. 351. Oros. VI 15, 3. Eutrop. VI 19, 2 = XLI 4, 1 (Pronunciamento Caesars und Zusammentreffen mit den Tribunen [1701] in Ariminum; das ist livianischer Compromiss zwischen dem Bericht Caes. bell. civ. I 7. 8, der das Pronunciamento nach Ravenna und das Zusammentreffen mit den Tribunen nach Ariminum verlegt, und Pollio – vgl. Plut. Caes. 31; Ant. 5. App. bell. civ. II 33. 34 –, der beides in Ravenna stattfinden lässt). 10, 1 (verstellt). Lucan. I 469–472. 481–484. II 30–33. 68–233 = XLI 6, 6. 8, 6. 9, 2. Lucan. I 527. 528. 533–535. 540–543. 552–554. 558–567 = XLI 14, 2–4. Lucan. II 392–395. 503–506. 526. 527. 598–600. 607–609. 629. 630. 632–648. 650–652. 655 = XLI 6, 1. 10, 2. 9, 7. 10, 3. 11, 1 (abweichend wie Lucan. II 598–600 von Caes. bell. civ. I 24, 1, vgl. Grohs Der Wert d. Geschichtswerks d. C. D. 27). 10, 4. 3. 12, 1. 10, 2. Lucan. II 691–693. 711–713. 726–731. Frontin. I 5, 5. Flor. II 13, 20 = XLI 12, 3. 13 (die Reflexionen stimmen mit Florus und Lucan zusammen, vgl. Grohs 28). Lucan. III 52–70. Oros. VI 15, 7. Flor. II 13, 22 = XLI 41, 1. 18, 1. 16, 1. Lucan. III 97–112 = XLI 15, 3. 2. Lucan. III 114–122. 153–157. Oros. VI 15, 5. Flor. II 13, 21 = XLI 17, 2. Lucan. III 307–315. 330–335. Flor. II 13, 23 = XLI 19, 2 (über die Dio und Lucan gemeinsamen Zusätze zu der von Caes. bell. civ. I 35 überlieferten Antwort der Massalioten vgl. Boettcher Über d. Quellen des C. D., Progr. v. Halberstadt 1872, 8). Lucan. III 553–557. 761 = XLI 21, 3. per. CX p. 95, 16. Lucan. IV 28–97. 143–147. 196–253. 262–266. 271–280. 292–318. 337–340. 356–362. Flor. II 13, 26–28. Frontin. II 1, 11 = XLI 20, 4–6. 21, 1. 4. 22, 1. 2–23, 1 (XLI 22, 3 = Frontin. II 1, 11. Lucan. IV 275–278 ist das Motiv gegen Caes. bell. civ. I 72, 1–3 abgeändert), per. CX p. 95, 18. Flor. II 13, 29 = XLI 24, 1. Oros. VI 15, 7. Flor. II 13, 25 = XLI 25, 3 (über den gemeinsamen Zusatz zu Caes. bell. civ. II 22, 5. 6, vgl. Boettcher 9). per. CX p. 95, 20–24. Lucan. IV 404–573. Oros. VI 15, 8. 9. Flor. II 13, 31–33 = XLI 40, 1. 2. per. CX p. 95, 24–p. 96, 1. Lucan. IV 587–590. 687–694. 713–723. 730–749. 793–798. Oros. VI 15, 9. Flor. II 13, 34. Frontin. II 5, 40 = XLI 41. 42, 1–6 (auf den Lucan. IV 715–722 und Dio XLI 41, 4. 5 gemeinschaftlichen Zusatz zu Caes. bell. civ. II 38, 1 macht Haupt Philol. XLIII 684 aufmerksam). Lucan. V 7–11. 17–22. 30–37. 53. 56. 57 = XLI 18, 5. 43. 19, 3. 42, 7. Lucan. V 262–277. 305–309 (zu Ungunsten Caesars verschoben). 316–318. 369. 370. Frontin. IV 5, 2 = XLI 26. 35, 5.
  • 48: Lucan. V 407. 408. 457. 501. 502. Flor. II 13, 36 = XLI 44, 2–4. 45, 1 (XLI 44, 2 = Flor. Lucan. V 407. 408 ist nach Caes. bell. civ. III 6, 2 wegen des unberichtigten Kalenders die Jahreszeit falsch angegeben). per. CXI p. 96, 5–9. Oros. VI 15, 10 = XLII 22, 4. 23, 1. 3. 24, 1. 2. 25, 1. 3. per. CXI p. 96, 10–12 = XLII 15, 1. 2. Lucan. V 461–463 = XLI 47, 1. Lucan. V 509. 510. 513. 514. 538–540. 564–588. 646–654. 672–676. Flor. II 13, 37. Val. Max. IX 8, 2 = XLI 46, 2–4 (bei Plut. Caes. 38 ist das Schiff grösser, und Caesar kehrt schon auf dem Fluss um; also hat Livius chargiert; das Apophthegma ist wirksam von ihm gekürzt, vgl. Plut. App. bell. civ. II 57; übrigens ist App. bell. civ. II 56–58 eine Combination aus dem Gewährsmann [1702] Plutarchs [Pollio] und Livius, wie oft). Lucan. V 717–721 = XLI 48, 4. Lucan. VI 15–18 = XLI 50, 1 (Caes. bell. civ. III 42, 1 ist bei beiden gleichmässig verdreht). Lucan. VI 29–47. 70–79. 108–117. 268–271. 278–283. Oros. VI 15, 19. Eutrop. VI 20, 3. Flor. II 13, 40 = XLI 50. 51, 1 (verstellt). 52, 1 (Eutrop und Dio weichen beide von Caes. bell. civ. III 75, 1. 76, 3. 77, 3 ab). Lucan. VI 316–332 = XLI 52, 2. 3. Liv. bei Plut. Caes. 47. Obs. 65. Lucan. VII 161. 165–167. 192–196. Flor. II 13, 45. Val. Max. I 6, 12 = XLI 61, 2–5. Lucan. VII 45–57. 92–101. VIII 14. 15. 37. 38. Flor. II 13, 43 = XLII 1, 3. Lucan. VII 131–133. 242–248. 337–341. 264. 265. 299. 300. 303. 344. 348. 369–376. 269–274. 284. 285. 355–366. 460–469. 475–477. 485–488. 510–519. 489–491 = XLI 56, 1. 58, 1. 57, 2. 60, 5. 61, 1. 59, 4 (die Pointe ist verschoben). 55, 3. 60, 2. 58, 2. 59, 1. 2. Flor. II 13, 5. 44. Eutrop. VI 20, 4 = XLI 55, 1. 3. Lucan. VII 545–547. Oros. VI 15, 26. Flor. II 13, 48. Eutrop. VI 21, 2 = XLI 61, 1 (abweichend sowohl von Caes. bell. civ. III 94 als von Plut. Caes. 45; Pomp. 71. App. bell. civ. II 79. 80 verrät wiederum livianische Einflüsse). per. CXI p. 96, 17. 18; vgl. Lucan. VII 311–315 = XLI 62. 63. Lucan. VII 677–697 (die livianische Auffassung ist von dem Dichter zu Gunsten seines Helden umgedreht) = XLII 1. Lucan. VII 712–721. Val. Max. IV 5, 5 = XLII 2, 3. Lucan. VIII 137. 138. = XLII 2, 4. Lucan. VIII 209–240. 289–327. Flor. II 13, 51 = XLII 2, 5. Lucan. VIII 257. 258. 464–466. 470. 471. 539 = XLII 3, 1. 5, 5. per. CXII p. 97, 1. Lucan. VIII 541. 542. 562. 563. 565–567. 610–620 = XLII 4. Lucan. IX 30–33. 41–50. 120–145. 217–293 (die Treue der Pompeianer ist zu Catos Gunsten übertrieben) = XLII 10, 2. 13, 3. 4. Lucan. IX 898–901. 906–908. 931–938 = LI 14, 4. Lucan. IX 951–953. Oros. VI 15, 29 = XLII 6, 1. per. CXII p. 97, 2–5 (zu lesen Caesar .. cum ei Theodotus caput et anulum obtulisset, infensus [vgl. Lucan. IX 1064ff.] sed [illacrimavit richtige Randnotiz] sine periculo [vgl. Lucan. X 9ff.] Alexandriam tumultuantem intravit). Lucan. IX 1007–1013. 1035–1043. 1064–1093. 1104–1108. X 11–14. Oros. VI 15, 29. Eutrop. VI 21, 3. Val. Max. V 1, 10 = XLII 7. 8. Oros. VI 15, 29 = XLII 37, 1. 2. Lucan. X 56–58. 82–85. 104. 105. Flor. II 13, 56. Eutrop. VI 22, 3 = XLII 34, 4–6 (es ist charakteristisch für die livianische Überlieferung, dass die Leidenschaft Caesars für Kleopatra zur Ursache des alexandrinischen Kriegs gemacht wird; der für Caesar günstigeren Version Pollios wird sie bei Plut. Caes. 48 gegenübergestellt). Liv. bei Schol. Lucan. X 471. Lucan. X 349. 350. 353–369. 400. 434–438. 443. 444. 467–474. Oros. VI 15, 30 = XLII 36, 2–4. 37, 1. 2 (abweichend Plut. Caes. 49; dass ferner Dioskorides wie bei Livius am Leben bleibt, beweist XLII 41, 3). Liv. bei Sen. de tranq. an. 9, 5. Lucan. X 491–505. Oros. VI 15, 31. Flor. II 13, 59 = XLII 38, 2. Liv. bei Schol. Lucan. X 521. Lucan. X 515–523 = XLII 39, 1. 2 (abweichend von Caes. bell. civ. III 112, 11). 40, 1. Oros. VI 15, 33. 34. Flor. II 13, 59 = XLII 40, 3. 4. 6.
  • 47: per. CXII p. 97, 9. Oros. VI 16, 1. Flor. [1703] II 13, 60. Eutrop. VI 22, 2 = XLII 42. 43, 1. 4. Oros. VI 16, 2. Eutrop. VI 22, 3 = XLII 44, 1. per. CXIII p. 97, 15–20 = XLII 57, 2–4. per. CXIII p. 97, 23. 24. Flor. II 13, 62. 63 = XLII 45, 5. 48, 1. per. CXIII p. 97, 24–28 = XLII 32, 2. 3. per. CXIII p. 97, 28–p. 98, 1. Frontin. I 9, 4 = XLII 53, 1–3.
  • 46: per. CXIII p. 98, 2. 3 = XLIII 2, 2 (die bell. Afric. 19, 7 verschleierte Niederlage Caesars wird kräftig hervorgehoben), per. CXIV p. 98, 6–8 = XLVII 26 (die Version wird einer anderen gegenübergestellt App. bell. civ. III 77, wo ΛΙΒΩΝΙΔ’ in ΛΙΒΙΩΙΔ’ mit Evidenz emendiert ist). Oros. VI 16, 3. Flor. II 13, 67 = XLIII 8, 2. 3. per. CXIV p. 98, 15. 16. Oros. VI 16, 4. 5. Eutrop. VI 23, 2. Flor. II 13, 90 = XLIII 9, 5. 12, 1. 2. per. CXV p. 98, 20–22. Oros. VI 16, 6 = XLIII 19, 1. 2. Oros. VI 16, 6. Flor. II 13, 88. 89 (verwirrt) = XLIII 25. 26. per. CXV p. 98, 24. 25 = XLIII 25, 2 (während Livius hier den Fehler eines Vorgängers – vgl. Plut. Caes. 55. App. bell. civ. II 102 – nachschreibt, hat er daneben das Richtige gehabt, vgl. XLIII 21, 4 = Suet. Iul. 41). Oros. VI 16, 6 = XLIII 30, 4. Flor. II 13, 75 = XLIII 31, 3.
  • 45: Frontin. III 14, 1 = XLIII 34, 1. 2. Obs. 66 = XLIII 35, 4. Flor. II 13, 83–85. Val. Max. VII 6, 5. Frontin. II 8, 13 = XLIII 37, 4. 38, 2–4. Oros. VI 16. 9 (Cn. und S. Pompeius sind mit einander verwechselt, vgl. die Corruptel von per. CXVI p. 99, 3). Flor. II 13, 86 = XLIII 40, 2. per. CXVI p. 99, 6 = XLIII 42, 1.
  • 44: per. CXVI p. 99, 6–10. Flor. II 13, 91 = XLIV 4, 1. 2, 4. 5, 3. 8, 4. 3, 1–3. 4, 4. 6, 3. 5, 2. per. CXVI p. 99, 10. 11. Eutrop. VI 25, 1 = XLIV 8, 1. 2. per. CXVI p. 99, 13–15. Val. Max. V 7, 2 = XLIV 10, 1. 2. per. CXVI p. 99, 16–18 = XLIV 14, 1–3 (anders ist die Auswahl der Führer bei Suet. Iul. 88. App. bell. civ. II 111. Nikol. 19; dagegen stimmt überein Vell. II 56, 3). Flor. II 13, 94. Val. Max. VIII 11, 2 = XLIV 18, 3. 4. Val. Max. IV 5, 6 = XLIV 19, 5 (= Suet. Iul. 82. während Plut. Caes. 66; Brut. 17. App. bell. civ. II 117 das Motiv der Verhüllung anders gefasst wird), per. CXVI p. 99, 19. 20. Flor. II 17, 2. 3 = XLIV 21, 2. 34, 1. per. CXVI p. 99, 20. 21 = XLIV 34, 6 (abweichend Plut. Brut. 19; Ant. 14 = Cic. Phil. I 2. 31. II 90. App. bell. civ. II 142 folgt Livius). per. CXVI p. 99, 22. 23. Eutrop. VII 1 = XLIV 35, 2. per. CXVI p. 99, 24. 25. Oros. VI 17, 2. 3. Val. Max. IX 9, 1 = XLIV 50, 2. 4. Oros. VI 18, 1. Eutrop. VII 1 = XLV 5, 1. per. CXVII p. 100, 4. Obs. 68. Oros. VI 20, 5 = XLV 4, 4. 3, 2. per. CXVII p. 100, 5. 6 = XLIV 53, 7. Flor. II 15, 2 = XLV 5, 3. per. CXVII p. 100, 7 = XLV 9, 3 (der falsche Gedanke der permutatio provinciarum ist gemeinschaftlich), per. CXVII p. 100, 10–15 = XLV 12, 5. 13, 3. 2. per. CXVIII p. 100, 20–22 = XLVII 21, 1. 6. Obs. 68 = XLV 17. Val. Max. VIII 5, 6 = XLV 16.
  • 43: Obs. 69 = XLVI 35, 4. 33, 1. 2. per. CXVIII p. 100, 25–101, 3. Frontin. III 13, 7 = XLVI 31, 1. 2. 36, 4. per. CXVIII p. 101, 3. 4 = XLVII 21, 7. per. CXIX p. 101, 6. Oros. VI 18, 6 = XLVII 29, 2–4. per. CXIX p. 101, 7–10. 14–16. Oros. VI 18, 4. 5. Frontin. II 5, 39 = XLVI 37, 5–7. 38, 7. 39, 1. per. CIX p. 101, [1704] 17–20. 22–24. Eutrop. VII 2, 1 = XLVI 40, 1. 3–6. 41. 45, 2. 46, 2 (vgl. Augustus bei Plut. Brut. 27). Val. Max. IX 13, 3 = XLVI 53, 3. per. CXX p. 101, 26–p. 102, 1 = XLVI 48, 2. Obs. 69 = XLVII 2, 3. per. CXX p. 102, 7–10. Oros. VI 18, 8 = XLVI 55, 2. 3. 56, 3. per. CXVI p. 102, 10. 11. Oros. VI 18, 10. 12 = XLVII 3, 2. Flor. II 16, 3 = XLVII 3, 2. Flor. II 16, 6 = XLVII 7, 1. 2. Val. Max IX 5, 4 = XLVII 8, 2. Liv. bei Sen. suas. VI 17 (nicht vollständig excerpiert). per. CXX p. 102, 12–15. Oros. VI 18, 11. Flor. II 16, 4. 5. Val. Max. V 3, 4 = XLVIII 6, 3. 11, 1. 8, 3. Val. Max. VI 8, 6. 7 = XLVII 10, 2 (für CΠHLAION zu lesen ΕΠΑΥΛΙΝ). 4. 5. Oros. VI 15, 12 = XLVII 14, 3. per. CXXI p. 102, 23. 24. Oros. VI 18, 13 = XLVII 30, 4. 5. per. CXXI p. 102, 24. 25 = XLVII 24, 4 (Livius kann sehr wohl beide Traditionen gegeben haben).
  • 42: per. CXXII = XLVII 32, 1. 24, 5. Oros. VI 18, 13. Val. Max. I 5, 8 = XLVII 33, 4. per. CXXIII p. 103, 8–13. Oros. VI 18, 19 = XVIII 17, 3–5. 19, 1. 18, 1–3. Obs. 70. Flor. II 17, 7 = XLVII 40, 2–4. XLVI 49, 2. 7. 8. Oros. VI 18, 15. Flor. II 17, 9. Val. Max. I 7, 1 = XLVII 41, 3. 4. per. CXXIV p. 103, 18–21 = XLVII 45, 2. 3. per. CXXIV p. 103, 21–23. Flor. II 17, 12. 13. Val. Max. VI 8, 4. IX 9, 2 = XLVII 46, 3. 4 (im Detail abweichend Plut. Brut. 43). Val. Max. I 4, 7 = XLVII 48, 4. per. CXXIV p. 103, 23–25. Val. Max. V 1, 1. IV 6, 5 = XLVII 49, 2. 3.
  • 41: per. CXXV p. 104, 6–9. Oros. VI 18, 17. Flor. II 16, 2. Val. Max. III 5, 3 = XLVIII 4. 10, 3. per CXXV p. 104, 9. 10 = XLVIII 13, 3.4.
  • 40: per. CXXVI. Flor. II 16, 3 = XLVIII 14, 3. 5. 20, 3. 4. per. CXXVII p. 104, 19–21. Flor. II 19, 4 = XLVIII 24, 5. 6. 8. 25, 1. 3. 26, 1. per. CXXVII p. 104, 21–25 (zu lesen nach NP vgl. Rh. Mus. XLIV 96 M. Antonius cum ad bellum adversus Caesarem gerendum ⟨profectus esset, mortua⟩ uxore Fulvia ne concordiae ducum obstaret u. s. w.) = XLVIII 28. 1–3. 31, 3. 4.
  • 39: per. CXXVII p. 104, 27. 105, 1. Frontin. II 5, 36. 37 = XVIII 40. 41, 4. per. CXXVII p. 105, 1–5. Oros. VI 18, 19. Flor. II 18, 1. 4 = XLVIII 31, 1. 2. 6. 36, 5. 38, 2. 3.
  • 38: per. CXXVIII p. 105, 6–10. Oros. VI 18, 20–22. Flor. II 18, 2. 3 = XLVIII 45, 7. 6. 46, 5. 47, 3. 6. 46, 1. 4. 48, 5. per. CXXVIII p. 105, 11. 12. Oros. VI 18, 23. Eutrop. VII 5, 2. Flor. II 19, 6. 7. Frontin. I 1, 6. II 2, 5 = XLIX 19. 20, 1–4. 21, 1. 2. 22, 1. Val. Max. VI 9, 9. Eutrop. VII 5, 2 = XLIX 21, 3.
  • 37: per. CXXVIII p. 105, 12. Oros. VI 18, 24 (für Ventidius ist Sosius zu setzen) = XLIX 22, 3–6. per. CXXVIII p. 105, 12. 13. Flor. II 18, 6 = XLVIII 49, 2–5. 50, 1–3. Oros. VI 18, 25 = XLVIII 54, 7.
  • 36: per. CXXIX p. 105, 15–19. Oros. VI 18, 25–27. 29. Flor. II 18, 2. 9 = XLIX 1, 3–5. 3. 5, 1–4. 9, 1. 10. 11, 1. 17, 2. per. CXXLX p. 105, 19–23. Oros. VI 18, 28. 30–32 = XLIX 8, 1–3. 11, 3. 4. 2. 12, 2–4. per. CXXIX p. 105, 23. 24 = XLIX 14, 3. Oros. VI 18, 33. 34 = XLIX 13, 1. 2. 14, 1. 12, 4. 5. 15, 1. 5. 6. per. CXXIX p. 105, 26 (so nach den Hss.: M. Antonius dum cum Cleopatra luxuriatur, tarde **). Flor. II 20, 1 = XLIX 23, 1. 24, 5. per. CXXX [1705] p. 106, 2. Oros. VI 19, 1. Flor. II 20, 3. 6. Frontin. II 3, 15 = XLIX 25, 4. 29. Frontin. IV 5, 2 = XLIX 27, 1.
  • 35: per. CXXXI p. 106, 11–13. Oros. VI 19, 2 = XLIX 18, 1–6. per. CXXXI p. 106, 13–15. Oros. VI 19, 3 = XLIX 34. 35, 1. 36, 1 (οἱ ἄλλοι = Dalmati, vgl. 38, 2 (ἐπανέστησαν; die Reihenfolge der Periocha ist also gewahrt).
  • 34: per. CXXXI p. 106, 15–18. Oros. VI 19, 3 = XLIX 39, 4–6. 40, 1. 41, 3. per. CXXXII p. 106, 20 = XLIX 38, 2–4.
  • 32: per. CXXXI p. 106, 23–26. Oros. VI 19, 4. Eutrop. VII 6, 1 = L 3, 2. Flor. II 21, 2. 3. Eutrop. VII 7 = L 5, 2–4.
  • 31: Oros. VI 19, 6–8 = L 11, 3. 14, 3. 15, 3. Oros. VI 19, 9. Flor. II 21, 5 = L 23, 2. Oros. VI 19, 11. Flor. II 21, 6. 8 = L 32, 6. 33, 1–3. 5. 34. Val. Max. I 1, 19 = LI 8, 3.
  • 30: Oros. VI 19, 13. Flor. II 21, 9 = LI 6, 3. 7, 1. 9, 1. 5. Oros. VI 19, 14–16 = LI 9, 5. 1–3. 10, 4. per. CXXXIII p. 107, 2. 3. Oros. VI 19, 17 = LI 10, 6. 7. 9. Liv. bei comm. Cruq. Hor. carm. I 37, 30. Oros. VI 19, 18. Flor. II 21, 9–11 = LI 13, 1. 14, 1. 3. 12, 4–6. 13, 4. 5. Eutrop. VII 7 = LI 17, 1. per. CXXXIII p. 107, 5–7 = LI 21, 7.

Durch diese Concordanzen ist allerdings die Annahme noch nicht ausgeschlossen, dass Dio die livianische Erzählung aus anderen Gewährsmännern ergänzt und verändert hat. Andererseits muss von denjenigen, welche dies behaupten, verlangt werden, dass sie solche Discrepanzen Dios von Livius aufzeigen, welche durch Parallelstellen gedeckt sind oder ihrer ganzen Beschaffenheit nach es verbieten, an eine spontane, von anderen Gewährsmännern unabhängige Kritik Dios zu denken. Einfache Concordanzen genügen darum nicht, weil sie entweder auf Gewährsmänner des Livius selbst oder auf Benutzung seiner Darstellung bei anderen führen können.

Ohne jeden Zweifel muss ein zweiter Gewährsmann für einige Caesar und den späteren Kaiser Augustus angehende Vorzeichen angesetzt werden. Die Abweichungen, welche Dio XLVII 1, 3. XLVI 41, 2 gegen Obs. 69 p. 137, 23–26. 29 – p. 138, 2 aufweist, lassen sich auch bei laxester Deutung nicht beseitigen und kehren ausserdem bei Suet. Aug. 96. 95 wieder. Ferner erzählt Dio XLIV 17, 1 den Traum der Calpurnia, an dessen Stelle Livius (Plut. Caes. 63), wie es scheint, mit ausdrücklicher Polemik, einen anderen gesetzt hatte; mit Dio stimmt wiederum Sueton (Iul. 81) und ausserdem Val. Max. I 7, 2 überein. Ob man aus der eigentümlichen Art, mit der Valerius die Geschichte von diesem Traum mit Augustus zusammenbringt, etwas schliessen darf, ist zweifelhaft, obgleich der Umstand, dass bei sonst durchgehender Concordanz gerade bei den Vorzeichen, die in engerer oder weiterer Beziehung zu Augustus stehen, Livius zu Gunsten eines anderen Autors aufgegeben wird, den Gedanken an die Memoiren des Kaisers sehr nahe legt. Keinenfalls ist Sueton von Dio benutzt; so genau die Vorzeichen XLV 1. 2 mit den von Suet. Aug. 94 aufgeführten übereinstimmen, so fehlt doch bei Dio die für Sueton charakteristische Einlage aus den (Θεολογούμενα des Asklepiades von Mendes. Was die eigentliche Erzählung anbetrifft, [1706] so will ein so glatter und leichter Beweis gegen die ausschliessliche Benutzung des Livius nicht gelingen; wenigstens genügt das, was bis jetzt dafür vorgebracht ist, in keiner Weise.

Ausgeschlossen ist zunächst die Benutzung Sallusts, sowohl in der Geschichte der catilinarischen Verschwörung (vgl. Herm. XXXII 583ff.) als in der vom Ende der Feldzüge Luculls. Nach Sallust (Plut. Lucull. 33) war das Heer Luculls schon vom Sommer 69 an unzuverlässig und neigte wegen der zwei Winterfeldzüge vor Kyzikos und Amisos dazu, zu meutern; bei Dio XXXVI 14, 3 sind die guten Winterquartiere in Nisibis 68/7 ein Hauptgrund der plötzlich ausbrechenden Meuterei; beide Berichte stimmen nicht nur nicht überein, sondern der eine polemisiert gegen den anderen. Nach Sallust (ep. Mithrid. 3) herrscht zwischen Tigranes und dem Partherkönig Verstimmung wegen eines kürzlich geführten Kriegs; bei Dio (XXXVI 1, 1. 2) treten Tigranes und Mithridat dem Partherkönig, um ihn zu gewinnen, ein strittiges Grenzgebiet (vgl. Strab. XI 532) ab. Die dürftigen Reste endlich, die zur Vergleichung mit dem Bellum Iugurthinum zur Verfügung stehen, reichen doch zum Beweis aus, dass dies nicht benutzt ist; frg. 89, 1 u. 4 haben Details, die Sall. bell. Iug. 62. 65 fehlen, und die schliesslichen Verhandlungen mit Bocchus sind total abweichend erzählt. Ferner ist immer wieder versucht nachzuweisen, dass Dio die caesarischen Commentare direct benutzt habe. Jelgersmas Behauptung (De fide et auctoritate Dionis Cassii Cocceiani, Leyden 1879), dass er nur diese ausgeschrieben und verballhornt habe, ist allerdings leicht zu widerlegen und in zu unmethodischer Weise – wer Metello consule Hor. carm. II 1, 1 auf 52 v. Chr. bezieht und glaubt, dass Dio Reden des Hortensius gelesen hat, verdient nicht, ernst genommen zu werden – durchgeführt, um Glauben zu finden; schwerer, wenn überhaupt, ist es, mit der Meinung fertig zu werden, dass Dio Livius und Caesar in einander gearbeitet habe. Die Reste der livianischen Darstellung der Bürgerkriege verraten eine ganz ungemeine Abhängigkeit von Caesar, dessen Commentare überhaupt, ausser dem VIII. Buch des bell. Gall. und dem bell. Hisp. die Tradition viel mehr beherrschen als gewöhnlich angenommen wird; sowohl was Livius als was Pollio hinzugethan haben, gehört meist in das Gebiet des historischen Romanes. Die Scheidung zwischen unmittelbar und mittelbar caesarischem Gut dürfte daher sehr schwer fallen. Historische Irrtümer sprechen keineswegs dagegen, dass die Kenntnis der caesarischen Überlieferung Dio durch Livius vermittelt ist; eine Vergleichung solcher livianischen Berichte, die sich einigermassen reconstruieren lassen, wie z. B. über die Schlacht bei Pharsalos, mit dem caesarischen Original sind nur zu geeignet, etwaige Illusionen über eine neben Caesar brauchbare Nebenüberlieferung auf ein Minimum herabzustimmen. Judeich (Caesar im Orient 20. 21) traut Livius den von Dio XL 11, 11 berichteten Irrtum nicht zu, dass Gabinius statt im Winter 48/7 (Bell. Alex. 42, 5; vgl. Caes. bell. civ. III 9) schon 49/8 nach Illyrien gegangen sei und meint, er sei durch die von Dio ungeschickt vollzogene Verschmelzung caesarischer und livianischer Berichte entstanden. [1707] Aber dieser Irrtum findet sich in der Plutarch (Ant. 7) und Appian (Illyr. 12; bell. civ. II 59) gemeinsamen Überlieferung wieder; so dürfte doch wohl Livius ihn, wie manchen anderen, aus dieser, d. h. sehr wahrscheinlich aus Pollio, entlehnt haben. Die ungenauen Bemerkungen über die Niederlage der Caesarianer vor Gabinius Tod (vgl. bell. Al. 43) und das Eingreifen des Vatinius (vgl. bell. Al. 44–47) mögen auf Rechnung Dios kommen, der aber Livius durch Kürzungen so gut entstellen konnte wie Caesar. Vollends irrig sind Judeichs Schlüsse (S. 28. 29) aus XLII 40, 6: was dort von Dio erzählt wird, ist durch Oros. VI 15, 34 navali certamine pulsatus für Livius gesichert, ganz abgesehen davon, dass Verstellungen eins der beliebtesten technischen Mittel Dios sind und nichts für oder gegen den Gewährsmann beweisen; vgl. o. S. 1688.

Ein richtiges Urteil auch über diese Frage wird erst dann durchdringen, wenn ein Wiederaufbau des Livius vorliegen und zeigen wird, wie stark seine Abhängigkeit von den Commentaren ist; jetzt muss es genügen, darauf hinzuweisen, dass noch keine einzige Concordanz zwischen Dio und Caesar gegen Livius, wohl aber recht viele – vgl. oben die Tabelle – zwischen Dio und Livius gegen Caesar aufgezeigt sind. Dass Livius sich von der gewöhnlichen Unsitte der rhetorischen Historiker, den Originalbericht zu verschieben, auszuschmücken, neu zu stilisieren, nicht frei gehalten hat, ist von vornherein wahrscheinlich und steht zum Überfluss durch eine Reihe von Stellen fest; vgl. Flor. I 45, 13 (= Dio XXXVIII 49, 6. 50, 1. 2) mit Caes. b. G. I 52, 4. 5. per. CIV p. 91, 25–27 (= Dio XXXIX 2, 2) mit Caes. b. G. II 12–15, ebd. p. 92, 3 mit Caes. b. G. II 28, 2. Flor. I 45, 5 (= Dio XXXIX 40, 5. 42, 4. 43, 2. 4) mit Caes. b. G. III 13, 8. 14, 4. 8. Daneben haben sogar die dürftigen Reste des livianischen Geschichtswerkes Spuren davon bewahrt, wie das caesarianische Material in einem für Caesar ungünstigen Sinne verwertet wurde, teils so, dass Livius die gallischen Kämpfe scharf als reinen Eroberungskrieg charakterisierte – vgl. die für die Helvetier viel günstigere Darstellung per. CIII p. 91, 10. 11. Flor. I 45, 2. 3 (= Dio XXXVIII 31, 2. 3) mit Caes. b. G. I 2; auch Flor. I 45, 10 (= Dio XXXVIII 42–44. 45, 1) ist hierhin zu rechnen, da die livianische Epitome zu Gunsten Caesars retouchiert ist –, teils durch Verwandlung unentschiedener oder nur halb gewonnener Treffen in Niederlagen, vgl. per. CXIII 98, 2. 3 (= Dio XLIII 2, 2) mit bell. Afr. 19, 7. Verschiebungen und Ausschmückungen finden sich in der Erzählung des gallischen Kriegs – für eine genaue Erörterung der Darstellung der Bürgerkriege reicht der Raum nicht aus – XXXVIII 33, 4 vgl. b. G. I 25, 5; XXXIX 2, 1 vgl. b. G. II 11, 2; 40, 1 vgl. III 9, 3; 48, 2 vgl. IV 14, 3; 51, 2 vgl. IV 26, 5; 52, 2 vgl. IV 35; XL 3, 1 vgl. V 17; 31, 2 vgl. VI 2, 1; 34, 1. 2 vgl. VII 15. 14; 34, 3 vgl. VII 27; 35, 3 vgl. VII 35; 37, 2 vgl. VII 40. Besonders hebe ich hervor die romanhaften Ausmalungen XL 6, 2. 9 vgl. b. G. V 36. 37. 48; XL 40. 2–4 vgl. VII 78, die rhetorischen Schlachtbeschreibungen XXXIX 42. 43 vgl. III 14. 15; XL 2, 4 vgl. V 16, das Verlegen der Ereignisse in die Nacht [1708] XXXIX 1, 4 vgl. II 10, 1; XL 5, 3. 6, 1. 10, 1 vgl. V 27, 31. 47, 1. 48, 1, das sehr beliebte Motiv des barbarischen Übermuts XXXVIII 48, 2. 4 vgl. I 48. 50. 51; XXXIX 1, 4 vgl. II 9. 7, 2; XXXIX 2, 2 vgl. II 11, 4–6; XXXIX 3, 2 vgl. II 26, 4ff.; XXXIX 4, 4 vgl. II 33, 1; XXXIX 40, 5. 41, 2 vgl. III 13; XXXIX 45, 4 vgl. III 18, 6. 8; XXXIX 46, 3 vgl. III 24, 5; XL 5, 1 vgl. V 26; XL 39, 1. 2 vgl. VII 64, 1–3. 66, 3–6. Seiner Gewohnheit umzustellen, hat Dio freilich auch hier nicht entsagt; vgl. XL 32, 1 mit per. CVII p. 93, 17 = Caes. b. G. VI 30. Eine für Caesar ungünstige Tendenz tritt hervor XXXVIII 31, 4 vgl. b. G. I 7, 6; XXXVIII 32, 1 vgl. I 8, 3; XXXVIII 32, 3 vgl. I 11, 1. 2; XXXVIII 34, 1 vgl. I 30–32; XXXVIII 34, 6 vgl. I 35; XXXVIII 35, 2 vgl. I 39, 7; XXXIX 4, 2 vgl. II 30, 1; XXXIX 5, 3 vgl. III 2, 3; XXXIX 44, 2 vgl. III 28, 4; XXXIX 48, 3 vgl. IV 16; XL 1, 2 vgl. IV 38, 4; XL 32, 5 vgl. VI 44, 3; XL 36, 3. 4 vgl. VII 36, 7. Instructiv auch für Livius ist der Bericht über die Panik im caesarischen Lager vor dem Kampf mit Ariovist. Die rhetorische Übertreibung des Schlusses der caesarischen (b. G. I 40, 15) Rede XXXVIII 46, 3. 4 steht für Livius fest durch Frontin. I 11, 3 = IV 5, 11. Sie findet sich aber auch Plut. Caes. 19 in einem Bericht, der stark von Dio abweicht. Hier ist nämlich Caes. I 39, 2 zu Ungunsten der jungen adeligen Officiere chargiert, während bei Dio (XXXVIII 35, 3; vgl. 36, 4. 7. 37, 2) Caesar den Officieren im Gegensatz zum Heer sein volles Vertrauen schenkt. Mag Dio, der mit unzuverlässigen Truppen selbst sehr schlechte Erfahrungen gemacht hatte, hier der Darstellung eine praktische Spitze gegeben haben, so bleibt doch unverkennbar, dass die ihm vorliegende Darstellung gegen einen ultracaesarischen, der Nobilität feindlichen Bericht polemisierte. Das führt wie von selbst auf Livius und lässt sich im speciellen Falle noch durch eine Parallele belegen. Bei Plutarch (Caes. 42. 44; Pomp. 69) spielen vor und bei Pharsalos die jungen adeligen Ritter, die ihre Gesichter nicht zerhauen lassen wollen, eine sehr üble Rolle; vergleicht man damit bei Livius die gehässige Ausdeutung des faciem feri (Lucan. VII 578f., danach ist Flor. II 13, 50 zu erklären; Oros. VI 15, 26 ist verwirrt) und den Ausfall gegen die Verwendung barbarischer Truppen im Bürgerkrieg (Lucan. VII 525ff. = Flor. II 13, 48), so tritt eine ganz ähnliche Polemik des ,Pompeianers‘ scharf heraus; dass sie Pollio galt, ist höchst wahrscheinlich. Übrigens darf nicht geleugnet werden, dass die livianische Tendenz, an Caesar zu mäkeln, von Dio selbständig erweitert ist; vgl. XL 32, 3 mit per. CVII 93, 18 = Caes. b. G. VI 29, 1.

Es mag schliesslich auch nicht unerwähnt bleiben, dass Dio, der an Unlust und Unfähigkeit, militärische Operationen klar und sachgemäss darzustellen, das Unglaubliche leistet, wahrhaftig keine Ursache hatte, so lediglich kriegsgeschichtlichen Werken, wie es die echten und unechten caesarischen Commentarien sind, ein eingehendes Studium zu widmen. Dieser Beobachtung lässt sich eine andere hinzufügen. Wie Sallust und Caesar, so ist auch, man mag nun über Dios Verhältnis zu Livius denken, wie man [1709] will, der Autor sicher nicht von ihm benutzt, der in sehr eigentümlicher und charakteristischer Weise die Darstellung des Bürgerkriegs zwischen Caesar und Pompeius bei Plutarch und zum Teil wenigstens bei Appian beherrscht und der sehr wahrscheinlich mit Asinius Pollio zu identifizieren ist. Alle diese Werke sind keine Annalen, sondern historische Monographien. Die Annahme liegt nahe, dass Dio sich bei den Vorbereitungen für seine römische Universalgeschichte auf die Lectüre der grossen annalistischen Zusammenfassungen beschränkte, die ihm den Stoff schon so geformt darboten, dass er ihn in seine annalistische Erzählung ohne besondere Schwierigkeiten aufnehmen konnte. Bedenkt man, dass er ausser den recht umfangreichen Annalenwerken noch mindestens Thukydides und die Redner – vgl. LV 12, 5 τῶν Ἑλλήνων τινὲς ὧν τὰ βιβλία ἐπὶ τῷ ἀττικίζειν ἀναγινώσκομεν – um des Stils willen nicht nur lesen, sondern auch gründlich studieren und excerpieren musste, so war seine freie Zeit in der That mehr als reichlich ausgefüllt. Dass er, wie sich noch ergeben wird, neben der Annalistik einzelnes, wie die Memoiren der Kaiser und rhetorische Declamationen herangezogen hat, wiederlegt die eben angestellte Beobachtung nicht, da dieses Material ihm durch besondere Gründe nahe gelegt war.

Zu dieser Beobachtung reimt sich nicht schlecht, dass Dio hier und da Varianten über solche historische Notizen beibringt, die für die Annalistik charakteristisch sind; vgl. XLI 14, 4 (bei Lucan. I 525ff. fehlt das Prodigium, so dass ἕτεροι – φασίν sich auf Livius beziehen kann). XLI 43, 2. XLIII 28, 2. Im übrigen ist mit diesen sehr sporadisch auftretenden Variantenangaben nicht viel anzufangen. Dass sie zum mindesten nicht immer von Dio selbst zusammengestellt sind, wird dadurch bewiesen, dass dieselben Zusammenstellungen bei anderen Geschichtschreibern wiederkehren, ohne dass ein directer Zusammenhang mit Dio angenommen werden kann; vgl. XLI 49, 2 mit App. b. c. II 39. XLIV 19, 5 mit Suet. Iul. 82. LI 14, 1. 2 mit Plut. Ant. 86. Sehr merkwürdig ist das Verhältnis von XLIX 4 zu App. b. c. V 108; das, was Dio ausdrücklich als seine persönliche Vermutung (ὡς μὲν ἐμοὶ δοκεῖ καὶ τὸ εἰκὸς συμβάλλεται) im Gegensatz zur Überlieferung (ὡς δέ τινες λέγουσιν) bezeichnet, erscheint bei Appian als Thatsache ohne jede Variante inmitten der Erzählung. Es bleibt kaum eine andere Annahme übrig, als dass Dio die Vermutung in seinem Gewährsmann gefunden. Appian aber oder richtiger der fälschende Historiker, den er ausschreibt, die Vermutung zur Wirklichkeit gemacht hat. Zu beachten ist ferner, dass Bemerkungen wie ὥς γέ τινές φασι oder ähnliche häufig nichts anderes bezwecken, als bei den Berichten von auffallenden Sachen oder bei genauen Angaben den Schriftsteller von der unmittelbaren Verantwortung zu entlasten und keineswegs latente Varianten bedeuten; vgl. XL 27, 3, wo zweifellos ein Liviuscitat vorliegt; vgl. Flor. I 46, 11. XLI 43, 2. XLIII 24, 2. XLVIII 21, 2. 48, 5. 53, 5. Livius wird ferner citiert XLII 2, 5 (vgl. Lucan. VIII 209ff. Flor. II 13, 51) und XLVI 47, 5 (vgl. XLV 5, 1 = Oros. VI 18, 1. Eutrop. VII 1. per. CXVII); aber nichts spricht dagegen, dass die [1710] auf die Citate folgenden Raisonnements auf von Livius selbst an die Hand gegebenen Praemissen beruhen. Nur was das eine Citat aus den Memoiren des Augustus (XLIV 35, 3) angeht – andere giebt es bei Dio nicht –, bin ich entschieden der Meinung, dass Dio die Memoiren dieses Kaisers so gut eingesehen hat, wie die des Hadrian (LXIX 11, 2. LXVI 17, 1) und Severus (LXXV 7, 3); die Discrepanz zwischen dem Citat und dem mit der übrigen Überlieferung (Suet. Iul. 83. Nikol. 17. Plut. Caes. 68; Ant. 16; Brut. 20. App. b. c. II 143) übereinstimmenden Mon. Ancyr. (XV) ist allerdings noch nicht aufgeklärt. Sehr zu beachten ist, dass Dio nur bei jenen drei Kaisern eine Ausnahme von der sonst streng befolgten Regel macht, seine Gewährsmänner nicht mit Namen zu nennen. Schon aus diesem Grunde müssen ihm die beiden Citate Plutarchs frg. 40, 5 und 107 abgesprochen und dem Excerptor zugewiesen werden.

Aus der Liste der zwischen Dio und Livius obwaltenden Discrepanzen sind zunächst auszuscheiden diejenigen Stellen, an denen über den livianischen Bericht nicht zu voller Klarheit zu kommen ist, wie die über den Tod des Iuba und Petreius (per. CXIV p. 98, 12. 13. Oros. VI 16, 4. Flor. II 13, 69. Dio XLIII 8, 4); die livianische Version lässt sich aus den verschiedenen Brechungen so zusammensetzen, dass sie Dio nicht widerspricht, und die Congruenz Dios mit den beiden Seneca (suas. VII 14; de provid. 2) und Appian (b. c. II 100. 101) spricht eher für als gegen Livius. Beim Tode Catos (XLIII 11, 5) steht die sehr kurze Angabe per. CXIV p. 98, 11 inter ipsam curationem allerdings dem bell. Afr. 88, 4 näher als Dio, aber dieser stimmt mit Flor. II 13, 72 überein. Die sonderbare Version über den berühmten Vorfall an der Lupercalienfeier 44, welche die Periocha CXVI zu bieten scheint: a M. Antonio consule collega suo inter Lupercos currente diadema capiti suo impositum in sella reposuit, widerspricht nicht nur Dio CXLIV 11, 3, sondern auch der gesamten übrigen Tradition (Suet. Iul. 79. Nikol. 21. Plut. Caes. 61; Anton. 12. Appian. b. c. II 109), die den Thatsachen entsprechend (Cic. Phil. II 84–87) einstimmig bezeugt, dass Caesar das angebotene Diadem zurückwies. Dass die Periocha verdorben ist, dürfte sich ausserdem aus Cassiodors Notiz zu diesem Jahr ergeben, deren Ursprung aus Livius sicher steht: C. Iulius Caesar V et M. Antonius. his consulibus M. Antonius Lupercalibus sella aurea sedenti Caesari diadema renuenti imposuit. Nach Oros. VI 7, 1 wurden Caesar für den gallischen Feldzug sieben, nach Eutrop. VI 17, 1 zehn Legionen bewilligt; Dio (XXXVIII 8, 5) giebt wie Plut. Caes. 14. App. b. c. II 13 vier an. In der livianischen Epitome werden Additionen der von Caesar neu ausgehobenen zu den ursprünglichen stecken; die Zahlen der Epitome fordern überhaupt eine Specialuntersuchung.

Ferner muss mit Dios stillschweigender Kritik gerechnet werden – dahin gehört die Streichung der berühmten livianischen Episode über den Zug Catos durch die libysche Wüste; vgl. per. CXII p. 97, 10. Lucan. IX 300f. mit XLII 13, 4 –; ebenso aber auch mit Flüchtigkeitsfehlern, wie der Verwechslung des ager Gallicus mit Gallien [1711] XXXVII 33, 4 (vgl. Herm. XXXII 587) oder der Vertauschung von Cassius und Brutus XLVII 20, 2; ein sehr ergötzliches Beispiel führt auch Grohs Der Wert des Geschichtswerks des Cassius Dio 69 an. Viel Aufhebens ist von der Stelle XXXVI 1b gemacht, die bei der Schlacht von Tigranokerta nur Tigranes, nicht wie Livius (Oros. VI 3, 6. Front. II 1, 14. 2, 4) Tigranes und Mithridat nennt; man soll aber nicht vergessen, dass hier nur Xiphilin, nicht der vollständige Dio vorliegt, dass ferner Eutrop. VI 9, 1 auch nur Tigranes nennt und es in der per. XCVIII heisst L. Lucullus in Armenia Mithridaten et Tigranen et ingentes utriusque regis copias pluribus proeliis fudit, in Übereinstimmung mit dem Anfang des xiphilinischen Excerpts Λούκουλλος δὲ Λούκιος κατὰ τοὺς καιροὺς τούτους τοὺς τῆς Ἀσίας δυνάστας Μιθριδάτην τε καὶ Τιγράνην τὸν Ἀρμένιον πολέμῳ νικήσας καὶ φυγομαχεῖν ἀναγκάσας … Mag man aber auch daran festhalten, dass eine wirkliche Abweichung von Livius vorliegt, so ist damit noch lange nicht gesagt, dass Dio Sallust gefolgt ist; denn ob Sallust Mithridat an der Schlacht hat teilnehmen lassen oder nicht, ist aus der einzigen ernsthaft in Betracht kommenden Stelle epist. Mithrid. 15 imprudentiam Tigranis pro victoria ostentant nicht zu sehen.

Dagegen ist unleugbar, dass die Geschichte des jungen Caesar nicht allein nach Livius erzählt sein kann, wie ja auch schon das Citat der Memoiren des Augustus, falls es ein directes ist, dagegen spricht. Ich lege weniger Gewicht darauf, dass im Gegensatz zu der sehr tendenziösen Darstellung des Livius (Oros. VI 18, 14. Flor. II 17, 10) der Anteil des Antonius an dem Sieg bei Philippi so energisch hervorgehoben wird, wie es Dio (XLVII 45, 2) bei seinem verschwommenen Schlachtbericht überhaupt möglich war; das kann eigene εἰκασία sein, ebenso wie die Streichung des von Livius (per. CXXIX p. 106, 8. 9) angegebenen Motivs für den Wintermarsch des Antonius durch Armenien im J. 36/5, vgl. XLIX 31, 1. Aber wenn Dio mehrfach behauptet, dass Caesar, der Sohn, sich zuerst mit Antonius und dann erst mit Lepidus versöhnt hätte (XLVI 52, 1. 43, 6), so steht das mit der unzweideutigen Angabe der livianischen Epitome (per. CXIX p. 101, 22. 23. Eutrop. VII 2, 1. Oros. VI 18, 8), nach der Lepidus den Vermittler zwischen Antonius und Caesar spielt, in einem nicht wegzubringenden Widerspruch. Ferner ist bei Dio sicher das Verhalten Kleopatras gegen Antonius bei der Schlusskatastrophe, wahrscheinlich auch das Caesars viel ungünstiger dargestellt, als es bei Livius der Fall gewesen sein kann; vgl. LI 10, 5. 6. 9, 5. 6 mit per. CXXXIII p. 107, 2. 3. Oros. VI 19, 17. Die merkwürdigste Discrepanz fällt in die Senatsbeschlüsse vom Anfang des J. 43 zu Gunsten Caesars. Nach Livius (per. CXVIII p. 100, 23–25) – und Appian (b. c. III 51) – erhielt dieser mit dem propraetorischen Imperium zusammen die ornamenta consularia, nach Dio (XLVI 29. 41) zunächst die ornamenta quaestoria, dann das imperium pro praetore und erst nach der Schlacht bei Mutina als Abschlagszahlung auf seine Forderung des Consulats die ornamenta consularia. Die Abweichung von Livius springt in die Augen. Wenn wir nun auch die Beschlüsse des 4. Januar [1712] 43 nicht absolut genau kennen, so geht doch daraus, dass Cicero, den Plutarch (Cic. 45 = Ant. 17) genau wiedergiebt, schon die ornamenta praetoria beantragte (Phil. V 45. 46), und über diesen Antrag nach seinem eigenen Zeugnis (ep. ad Brut. I 15, 7) hinausgegangen wurde, ferner aus dem Monumentum Ancyranum (I) mit Sicherheit hervor, dass Dios Überlieferung zu ihrem Schaden von der livianischen abweicht. Bezeichnenderweise häufen sich gerade an dieser Stelle bei Dio die historischen Fehler. Er führt (XLVI 29. 31) drei SC auf: nach dem ersten wird die Gesandtschaft an Antonius geschickt, nach dem zweiten, noch vor der Rückkehr der Gesandten, der tumultus erklärt und die Kriegführung Caesar und den Consuln übertragen, nach dem dritten, als die Gesandten zurückgekehrt sind, der Krieg noch einmal erklärt, die saga angelegt und den Consuln das Notstandscommando übertragen. Daran ist falsch die Teilung des SC, das Caesar und den Consuln den Krieg übertrug und zugleich die Gesandtschaft an Antonius bestimmte (Cic. Phil. V 45. 46. VI 3. Mon. Anc. I), in zwei; ferner ist das decretum tumultus nicht vor, sondern nach der Rückkehr der Gesandten erlassen (Cic. Phil. VIII 3: 3. Februar; am 4. legte Cicero das Kriegskleid an, ep. ad Oct. p. 41, 16 Baiter), und umgekehrt das Notstandscommando nicht erst nach der Rückkehr der Gesandten, sondern zugleich mit ihrer Absendung den Consuln und Caesar gegeben (Mon. Anc. I).

Sodann ist es meines Erachtens nicht geraten, den dionischen Bericht von Crassus Partherfeldzug restlos auf Livius zurückzuführen. Zwar wenn Dio es zweifelhaft lässt, ob Crassus von einem der Seinigen oder von den Parthern getötet wurde (XL 27, 2), so kann dies auf eine schon bei Livius vorhandene Doppeltradition zurückgeführt werden, da in den Brechungen der Epitome (per. CVI p. 93, 14. 15. Oros. VI 13, 4. Flor. I 46, 9) beide Nachrichten erscheinen, auch darauf, dass Oros. VI 13, 4 Surenas .. Crassum … frustra eius colloquium petentem interfecit der dionischen (XL 27, 1) Erzählung nicht genau entspricht, würde ich nicht sehr viel geben, da Orosius der Epitome eine schlechtere Fassung gegeben haben kann als die Periocha CVI (evocatus in colloquium ab hostibus velut de pace acturis) und Flor. I 46, 9 (in colloquium sollicitatus), deren Worte zu Dios Darstellung vortrefflich passen, in scharfem Gegensatz zu Plut. Crass. 30. 31. Aber schwer ins Gewicht fällt, dass Flor. I 46, 6 den Verrat dem Syrer Mazzaras, Dio (XL 20) dem Abgar von Edessa zuschreibt, und bei dieser Discrepanz bleibt es nicht; bei Livius (Oros. VI 13, 2. Flor. I 46, 4) traf die parthische Gesandtschaft Crassus schon auf dem linken Euphratufer und nach Beginn des Feldzugs von 53, bei Dio (XL 16. 17) erheblich früher, als er nach der ersten Invasion von 54 in die Winterquartiere nach Syrien zurückgekehrt war. Hier stimmt Dio also einmal mit Plutarch (Crass. 18) überein, während sonst seine Erzählung deutlich die Polemik gegen die, welcher Plutarch gefolgt ist, durchschimmern lässt; vgl. XL 22 mit Plut. 26. 27 und XL 24, 2 mit Plut. 27.

In sehr sonderbarer Weise hat endlich Dio sich bei dem Bericht über den Rechtsstreit zwischen [1713] Caesar und Pompeius nicht nur mit der historischen Wahrheit, sondern auch mit Livius in Widerspruch gesetzt. So wenig leider von der livianischen Darstellung der Controverse erhalten ist, das eine steht unbedingt fest, dass nach ihm der Consul M. Marcellus im J. 51 den Versuch machte, Caesar um das ihm durch das Plebiscit der 10 Tribunen von 52 gewährte Privileg zu bringen, nach welchem er sich, ohne nach Rom zurückzukehren, 49 um das Consulat für 48 bewerben durfte:

per. CVIII:
contentiones inter consules de successore C. Caesari mittendo agente in senatu M. Marcello consule ut Caesar ad petitionem consulatus veniret, cum is lege lata in tempus consulatus provincias obtinere deberet.
Flor. II 13, 15. 16:
de successione Caesaris senatus, id est Pompeius, agitabat nec ille abnuebat, si ratio sui proximis comitiis haberetur. consulatus absenti, quem decem tribuni favente Pompeio nuper decreverant, tum dissimulante eodem negabatur: veniret et peteret more maiorum.
Oros. VI 15, 1:
Nam rediens Caesar victor ex Gallia (d. i. 51) decerni sibi absenti alterum consulatum poposcit. contradictum est a Marcello consule adnitente Pompeio.
Eutrop. VI 19, 2:
Caesar enim rediens ex Gallia victor coepit poscere alterum consulatum atque ita ut sine dubietate aliqua ei deferretur. contradictum est a Marcello consule, a Bibulo, a Pompeio, a Catone;

vgl. Sueton. Iul. 28: M. Claudius Marcellus consul … rettulit ad senatum, ut ei succederetur ante tempus … et ne absentis ratio comitiis haberetur quando lege (nec codd., ei Mommsen Staatsrecht I 504) plebiscito Pompeius postea abrogasset. Marcellus verlangte also, dass gemäss der lex Sempronia die 49 frei werdenden Provinzen 51 einem anderen zugewiesen würden. Nach Dio aber (XL 59) wollte Marcellus Caesar sofort einen Nachfolger schicken, obgleich im folgenden Jahr, 50, Caesar ohnehin kein legitimes Imperium mehr besass. Einer solchen Entstellung der Controverse hat sich Livius nach Ausweis der Epitome nicht schuldig gemacht; sie wird erst voll verständlich, wenn man die andere, noch viel monströsere hinzuzieht, dass Caesar 55 das proconsularische Imperium statt auf noch einmal fünf nur auf drei Jahre – gemeint sind nach XL 59 die Jahre 53, 52, 51, indem die erste Frist von 58–54 gezählt wird – verlängert sei (XXXIX 33). Dio gesteht indirect selbst zu, dass er die Überlieferung corrigiert hat durch den Zusatz (XXXIX 33, 3) ὥς γε τἀληθὲς εὑρίσκεται. Ob ers aber von sich aus oder nach irgend einer schlechten Überlieferung gethan hat, ist nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden; jedenfalls ist nicht zu übersehen, dass das ganze zweite Consulat des Pompeius und Crassus und namentlich ihr Verhältnis zu Caesar in einer die Thatsachen geradezu umdrehenden Weise erzählt ist. Es dürfte sich überhaupt empfehlen, dem Gesichtspunkt der historischen Treue auch für die Analyse mehr Einfluss [1714] einzuräumen, als es die Quellenforscher thun. So wenig ich geneigt bin, Livius, z. B. im Vergleich mit den Commentaren Caesars, irgendwie zu überschätzen, so sauer kommt es mich an, so vortreffliche Berichte bei Dio, wie den über die catilinarische Verschwörung, über Ciceros Rückkehr, über den milonischen Process, auf denselben Gewährsmann zurückzuführen, wie z. B. den elend entstellten über Ciceros Verbannung, und nimmt man hinzu, dass Dio auf Cicero sehr übel zu sprechen ist, so wächst der Verdacht, dass auch hier in den Strom der livianischen Überlieferung irgend welche trüben Nebenwässer gelaufen sind.

Um das Schlussresultat der Untersuchung kurz zusammenzufassen, so hat die hergebrachte Identification von Dio und Livius der Analyse am besten standgehalten für die Erzählung des caesarisch-pompeianischen Bürgerkriegs. Für die übrige Zeit ist und bleibt es unleugbar, dass die dionische Darstellung in viel höherem Masse unter dem Einfluss der livianischen steht, als irgend eine andere uns erhaltene, doch nimmt dieser Einfluss ab, je mehr sich die Erzählung von Caesars Tod entfernt, und ist auch sonst, namentlich beim Partherkrieg des Crassus, zwar deutlich und reichlich, aber nicht ausschliesslich vorhanden. Wie weit er durch directe, wie weit durch indirecte Benutzung zur Wirkung gekommen ist, ist völlig unmöglich festzustellen. Die Meinungen, dass Sallust oder Caesar accessorisch herangezogen seien, sind Einfälle, die eine energische Prüfung nicht vertragen; dasselbe gilt von Asinius Pollio.

Die Analyse der dionischen Kaiserannalen hat zunächst die Frage zu beantworten, ob Tacitus oder Sueton direct benutzt sind. Jenes dürfte heutzutage wohl einstimmig von den Urteilsfähigen verneint werden, dagegen taucht immer noch hin und wieder der Glaube an eine unmittelbare Abhängigkeit Dios von Sueton auf. Sie lässt sich nicht beweisen. Ein sehr gewichtiges Argument gegen sie ist schon angeführt: die Vorzeichen des Augustus sind von Dio trotz sehr grosser Übereinstimmung nicht aus Sueton entlehnt. Sodann ist sehr zu erwägen, dass Dio, wenn er Sueton compilieren wollte, sich der ungemein mühseligen Arbeit unterziehen musste, alle die Einzelheiten, aus denen Suetons βίοι wie in musivischer Arbeit zusammengesetzt sind, herauszubrechen und chronologisch neu zu ordnen. Nur ein einzigesmal muss eine Beziehung zwischen Sueton und Dio statuiert werden, in der unmittelbar vor Othos Tod spielenden Anekdote, die Suet. Otho 10 nach seinem Vater, der den Krieg mitgemacht hatte, erzählt. Dio (LXIV 12) stimmt, im Gegensatz zu Plutarch (Otho 15) – Tacitus verschmäht dies Detail – so gut mit jenem überein, dass ein zufälliges Zusammentreffen ausgeschlossen sein dürfte: gegen generalisierende Schlüsse aus dieser einen Congruenz muss aber eingewandt werden erstens, dass die Übereinstimmung im Detail nicht haarscharf ist, und zweitens, dass solche persönlichen Mitteilungen vor allen anderen dazu ausersehen sind, tralaticisches Gut zu werden. Es wird also dabei bleiben müssen, dass Congruenzen zwischen Dio und Sueton so gut wie die zwischen Dio, Tacitus und Plutarch auf frühere Gewährsmänner – ich setze ausdrücklich den Plural – zurücklaufen. Oder: eine [1715] genaue Analyse Dios muss die gesamte sog. Tacitusfrage aufrollen. Das kann im Rahmen dieses Artikels nicht geschehen, und ich muss mich auf wenige, für das Ganze wichtige Beobachtungen und Bemerkungen beschränken.

Die Grundlage, auf der allein sicher weiter gebaut werden kann, ist auch hier über dem Jagen nach mehr oder minder phantastischen Combinationen zu legen versäumt; es giebt noch keine brauchbare, vollständige und alles, sonderlich Tacitus schriftstellerische, um nicht zu sagen poetische Technik umsichtig berücksichtigende Reconstruction des Plutarch, Tacitus, Sueton und Dio gemeinsamen Fundaments. Es ist, da wir von der Annalistik des 1. Jhdts. keine unmittelbare Kenntnis besitzen, durchaus unmethodisch, dieser Reconstruction einen bestimmten Namen beizulegen, und im Gegenteil die Hypothese nicht zu vermeiden, dass allen, sei es Compilationen, sei es ein fester Kanon von Annalen, vorlagen. Anders ist die auch von anderen schon hervorgehobene Thatsache nicht zu erklären, dass Variantenzusammenstellungen sich an mehreren Stellen in merkwürdig starker Übereinstimmung wiederfinden oder bald bei dem einen das als Erzählung gegeben wird, was ein anderer als Variante anmerkt und umgekehrt. Vgl. z. B.

  Dio LVI 31, 1 mit Tac. ann. I 5.
Dio LVII 3, 3. 4   mit Tac. ann. I 7.
Dio LVII 3, 6 mit Suet. Tib. 22.
Dio LVII 4, 5 mit Tac. ann. I 30.
Dio LVII 12, 6 mit Suet. Tib. 51.
Dio LVII 22 mit Tac. ann. IV 10. 11.
Dio LVIII 11, 5 mit Tac. ann. V 9. Suet. Tib. 61.
Dio LVIII 13, 1 mit Tac. ann. VI 24. Suet. Tib. 65.
Dio LVIII 27 mit Suet. Tib. 62.
Dio LVIII 28 mit Tac. ann. VI 50. Suet. Tib. 73.
Dio LX 34 mit Tac. ann. XII 66. 67. Suet. Claud. 44.
Dio LXI 11 mit Tac. ann. XIV 2. Suet. Ner. 28.
Dio LXI 12 mit Tac. ann. XIV 7. 11.
Dio LXI 14 mit Tac. ann. XIV 9. Suet. Ner. 34.
Dio LXII 13 mit Tac. ann. XIV 51. Suet. Ner. 35.
Dio LXII 16 mit Tac. ann. XV 38. Suet. Ner. 38.
Dio LXIV 6 mit Plut. Galb. 17. Tac. hist. I 41. Suet. Galb. 20.
Dio LXIV 8, 2 mit Plut. Oth. 3. Suet. Ner. 7.
Dio LXVI 26 mit Suet. Tit. 26.
Dio LXVII 17 mit Suet. Dom. 17.

Ausserdem ist anzumerken die Übereinstimmung im Urteil oder in der Polemik zwischen LVIII 17 und Tac. ann. VI 2. LVIII 16, 4 und Suet. Tib. 61. LIX 24, 2 und Suet. Gaius 17. Wie abhängig Dio trotz des scheinbar selbständigen Colorits, das er seiner Darstellung zu geben sich mit angestrengtem Fleiss abgemüht hat, im letzten Grunde von seinen Vorlagen geblieben ist, verrät eine auffallende, formale Differenz zwischen dem ersten und zweiten Abschnitt seines Werks. Während er in jenem, unbeschadet allerlei Geredes über psychologische Motive, fast jeden Versuch – [1716] eine Ausnahme bilden die Charakteristiken Hannibals frg. 54 und des jüngeren Scipio frg. 70 –, die Hauptpersonen latent oder unmittelbar zu charakterisieren, vermissen lässt, fehlt in jenem so gut wie nie – und dann schwerlich durch Dios Schuld – die Charakteristik des Kaisers, die meist am Anfang, nur bei Marcus, wo ein Abschnitt zu Ende ist, und bei Severus, der zu Marcus das Gegenstück bilden soll, am Schluss steht. Es lässt sich hieran noch deutlich erkennen, wie die Kaiserannalistik die Formen des βίος auf die Geschichte grossen Stils zu übertragen dadurch verführt wurde, dass sie, und zwar am meisten wo sie mit der grössten Erbitterung einen toten Kaiser bekämpfte, die Person des Monarchen durchaus in den Mittelpunkt rückte, sehr zum Schaden der Überlieferung. Suetons Caesares bedeuten keineswegs den Anfang einer nach Tacitus neu einsetzenden Entwicklung, sondern ziehen nur die Summe aus längst vorhandenen Posten. Wie weit der Schematismus der biographischen Form auch in der Annalistik um sich frass, kann man daran sehen, dass Dios Annalen, der chronologischen Anordnung zum Trotz, bei Gaius und Claudius – allerdings, worauf zu achten ist, nur hier – die guten Handlungen beider voraufschicken (LIX 9. LX 3–5).

Unter allen Kaisercharakteristiken Dios ragt nur eine einzige durch feine psychologische Ausführung hervor, die des Tiberius (LVII 1). Sie kann schon aus diesem einen Grunde nicht Dios eigenes Werk sein, findet sich aber auch tatsächlich bei Sueton und Tacitus wieder: dieser hat allerdings das vorgefundene Gesamtbild in kleinere Stücke zerschlagen, die er mit grossem Effect an passender Stelle anzubringen versteht. Das leuchtende Gegenstück zu dem düsteren Typus des verschlossenen Alleinherrschers ist die im Glanz der Volksgunst strahlende Lichtgestalt des Kronprinzen Germanicus (LVII 18): hier ist die Congruenz mit Tacitus (ann. II 72) und Sueton (Gaius 3) mit Händen zu greifen. Jeder erfährt an sich die starke Wirkung des doppelgesichtigen Nekrologs auf Augustus, mit dem Tacitus die Geschichte des Tiberius eröffnet (ann. I 9ff.): aber seine sprachliche Kunst darf nicht darüber täuschen, dass er dieses eigenartige Prooemion nicht selber erfunden hat. Denn es findet sich bei Dio wieder (LVI 43–45), der als loyaler Anhänger der Monarchie das beabsichtigte Schwanken des Bildes zwischen gut und schlecht beseitigt hat bis auf ein paar Reste, die genügen (LVI 44, 1. 45, 3), um auch die dunkle Seite der taciteischen Charakteristik als überkommen zu erweisen; sogar das Meisterstück, die Charakteristik als Totengericht einzuführen, das die öffentliche Meinung über den vom Senat consecrierten Kaiser abzuhalten sich nicht abschrecken lässt, kann nach Dios beweisendem Zeugnis Tacitus nicht belassen werden. Augenscheinlich ist Dios Doppelbild des ersten Kaisers ein Reflex des Urteils über den zweiten Kaiser auf das über den ersten, was bei Dio, der seinem Gewährsmann nicht an Kunst ebenbürtig war, viel schärfer hervortritt, als bei dem mit dem Original rivalisierenden Tacitus. Es gehört also dies Totengericht des Augustus mit den Charakterbildern des Tiberius und Germanicus zusammen; und diese drei Schöpfungen, die nur aus einer [1717] Hand im letzten Grunde entsprungen sein können, reichen aus, um im Verein mit der Thatsache, dass nach Tiberius etwas von auch nur annähernd gleicher Kunst nicht zu finden ist, das fest umrissene Bild eines Schriftstellers von seltener Genialität hervorzurufen, der dem stolzen, alle Opposition mit knochiger Hand niederzwingenden Claudier ein entsetzlicher und vielleicht nur zu siegreicher Gegner geworden ist. Unmittelbar nach dem Tode des Tiberius, als noch alle Gaius Curs für einen Curs hielten und ihm mit Jubel folgten, muss diesem Schriftsteller es gelungen sein, die Erinnerung der höchststehenden Kreise an das vergangene Regiment zu einem Gemälde zusammenzufassen von so stahlharter Linienführung, von so lastender Wucht der Schatten, wie sie nur die in unmittelbarer Erfahrung herangereifte Leidenschaft im Bunde mit sicherster Berechnung des Effects hervorbringt. Die Grundstimmung der lauernden, tückischen Fronde des Senats gegen die Caesaren, die von dem geschmeidigen alten Kaiser mehr und mehr eingelullt, unter dem unliebenswürdigen, schroff correcten und den Senat durch den Senat demütigenden Regiment des zweiten Fürsten in immer giftigerem, weil ohnmächtigen Hass sich niederschlug; die Rückwirkung dieses Hasses auf das Urteil über den Gründer der Monarchie; seine, für das im Grunde monarchische Empfinden der Zeit bezeichnende Umkehr in schrankenlose Sympathie mit dem gegen den Hof frondierenden Kronprinzen mit samt seiner Dynastie: das sind die Elemente, aus denen der genialste Annalist der Kaiserzeit seine Schöpfung aufgebaut hat, die den Vergleich mit den kraftvollen Producten der ältesten, geschriebenen und ungeschriebenen, Annalistik des Ständekampfes nicht zu scheuen brauchte. Ihn und sein Verhältnis zu Tacitus im einzelnen zu zeichnen, muss ich anderen überlassen, nur rate ich, alles Raten auf Aufidius Bassus, Servilius Nonianus u. s. w. u. s. w. als aussichtslos von vornherein aufzugeben und nicht zu vergessen, dass zwar die Grundlinien dieser Schöpfung der Zeit getrotzt haben, aber im einzelnen die nachfolgenden Annalisten schon vor Tacitus manches modificiert haben werden.

Eigentümlich ist die scharfe Beurteilung Senecas LXI 10, bei der Dios Abneigung gegen die stoischen Philosophen ohne Frage eine Rolle gespielt hat. Aber selbständig erfunden ist sie darum doch nicht; denn die Vorwürfe kehren zum Teil wenigstens bei Tacitus (ann. XIII 42) und zwar bei Gelegenheit desselben Processes wieder. Sie erhalten hier aber eine ganz andere Farbe dadurch, dass sie nicht als selbständige Charakteristik aufgeführt, sondern einem Delator in den Mund gelegt werden. Dies Verhältnis entspricht dem diametral entgegengesetzten Standpunkt, den Tacitus und Dio der stoischen Opposition gegenüber einnehmen, und macht es wahrscheinlich, dass die Abweichungen ihrer Berichte über Senecas Tod (Dio LXII 65. Tac. ann. XV 63) zum grösseren Teil auf Tacitus schriftstellerischer Kunst, zum kleineren auf Retouchen Dios in peius beruhen.

Besonders zu stellen sind die Reden, die oft und in grosser Länge von Dio in die Erzählung eingelegt sind. Es ist nicht ohne Nutzen, ein [1718] Verzeichnis aufzustellen, das für die verlorenen Bücher natürlich nicht vollständig sein kann:

  • frg. 12 Disputation gegen und für die Republik,
  • frg. 30, 2 Rede des M. Curtius, vgl. Liv. VII 6. Dionys. XIV 11.
  • frg. 36, 1–5 Rede des Fabius Rullus des Älteren, vgl. Liv. VIII 33.
  • frg. 36, 11–14 Rede des Herennius Pontius, vgl. Liv. IX 3.
  • frg. 36, 17. 18 a. Zon. VII 26, 14. 15 Rede des Postumius, vgl. Liv. IX 9.
  • frg. 40, 14–16. Zon. VIII 3, 6 Rede des Laevinus.
  • frg. 40, 33–38 Gespräch zwischen Fabricius und Pyrrhos.
  • frg. 43, 13–15 nicht näher zu bestimmen,
  • frg. 43, 32 d. e. 31 Rede des Regulus.
  • frg. 55, 1–9. 57, 12 Debatte zwischen Fabius und Lentulus im Senat, vgl. Pol. III 20 und Liv. XXI 6 mit den richtigen Bemerkungen Hesselbarths S. 127ff.
  • frg. 56, 5 Rede Hannibals, vgl. Liv. XXI 43. Pol. III 63.
  • frg. 56, 6 b Rede Scipios?, vgl. Liv. XXI 40. 41. Pol. III 64.
  • frg. 56, 11 Rede des Fabius Cunctator, vgl. Liv. XXII 25, 12.
  • frg. 57, 47. Zon. IX 10, 7 Rede Scipios, vgl. Liv. XXVIII 27. Pol. XI 28. 29.
  • frg. 62, 1 a nicht näher zu bestimmen.
  • frg. 70, 2. 3 Rede für den jüngeren Scipio.

Es lassen sich also jetzt noch 16 Reden für die ersten 21 Bücher nachweisen.

  • frg. 107, 2. 3 nicht sicher zu bestimmen.
  • XXXVI 25–36 Reden des Pompeius, Catulus und Gabinius über die Lex Gabinia.
  • XXXVIII 18–29 Gespräch zwischen Cicero und Philiskos.
  • XXXVIII 36–46 Caesars Rede vor dem Feldzug gegen Ariovist, vgl. Liv. per. CIV.
  • XLI 27–35 Rede Caesars an die meuternden Truppen in Placentia, vgl. Lucan. V 319ff.
  • XLIII 15–18 Rede Caesars im Senat.
  • XLIV 23–33 Rede Ciceros für die Amnestie, vgl. Cic. Phil. I 1. Liv. per. CXVI. Flor. II 17, 4.
  • XLV 18–47. XL VI 1–28 Ciceros und Calenus Reden für und gegen Antonius; zu beachten ist, dass auch Appian. b. c. III 52ff. die Hauptdebatte in den Anfang des J. 43 verlegt, während thatsächlich Antonius und Ciceros Pamphlete vom September und October 44 den Höhepunkt des Streites bildeten.
  • L 16–22. 24–30 Reden des Antonius und Caesar vor der Schlacht bei Actium.

Rechnet man die zu Gruppen vereinigten Reden als einzelne, so kommen auf die 16 Bücher von XXXVI–LI 15 Reden, also ungefähr eine auf ein Buch, das gleiche Verhältnis wie in den ersten 21 Büchern. In den Kaiserannalen scheint Dio, vom Anfang abgesehen, sehr viel sparsamer mit den Producten seiner rhetorischen Kunst gewesen zu sein:

  • LII 2–40 Gespräch zwischen Agrippa und Maecenas über die Monarchie.
  • LIII 3–10 Rede des Augustus im Senat bei Übernahme des Principats. [1719]
  • LV 14–21 Gespräch zwischen Augustus und Livia, vgl. Sen. de clem. I 9.
  • LVI 2–9 Rede des Augustus über die Ehegesetze.
  • LVI 35–41 Leichenrede des Tiberius für Augustus, vgl. Suet. Aug. 100.
  • LXI 3–6. 8–11 Reden der Boudicca und des Suetonius Paulinus, vgl. Tac. ann. XIV 35ff.
  • LXIII 22 Rede des Vindex.
  • LXIV 13 Rede Othos vor seinem Tode.
  • LXXI 24–26 Rede des Marcus beim Aufstand des Avidius Cassius.

Es ergiebt sich aus dieser Übersicht, dass Dio eine besondere Vorliebe für die ἅμιλλαι λόγων hatte, und was noch wichtiger ist, dass er nur da Reden eingelegt hat, wo er in der Überlieferung die Nachricht fand, dass wirklich solche gehalten waren; denn die wenigen Fälle, in denen der Nachweis nicht zu erbringen ist, kommen gegen die überwiegende Mehrzahl nicht auf. Für die Beurteilung der Gespräche zwischen Cicero und Philiskos und zwischen Agrippa und Maecenas ist das von Wichtigkeit. Offenbar haben wir es hier mit einem Satz aus der oben entwickelten historiographischen Theorie zu thun.

Das stoffliche Material zu diesen Reden – über das sprachliche Muster vgl. Kyhnitzsch De contionibus quas Cassius Dio historiae suae intexuit, cum Thucydide comparatis, Lpzg. 1894 – entnahm Dio zum Teil wenigstens seinem jeweiligen historischen Gewährsmann; Spuren des Livius in Caesars Reden an seine Officiere vor dem Krieg mit Ariovist und an seine Truppen bei der Meuterei in Placentia sind oben nachgewiesen. Aber dies darf unter keinen Umständen auf alle ausgedehnt werden. Die Debatte zwischen Cicero und Calenus setzt voraus, dass die sog. permutatio provinciarum im Senat und unter Anwesenheit Ciceros beschlossen ist. Das widerspricht zunächst Livius (per. CXVII) nach dem dies durch ein Gesetz geschah; Dio, der in der Erzählung (XLV 9) höchst wahrscheinlich Livius folgt, hat den Widerspruch durch unbestimmte Ausdrucksweise vertuscht. Ferner aber liegt ein crasser Widerspruch zu den Philippiken vor. Da nun aber nicht nur diese – vgl. die sorgfältigen Zusammenstellungen von J. W. Fischer De fontibus et auctoritate Cassii Dionis in enarrandis a Cicerone post Caesaris mortem a. d. XVI Kal. Apr. de pace et Kal. Ian. anni a. Chr. n. 43 habitis orationibus, Lpzg. 1870 –, sondern auch die Gegenpamphlete des Antonius (vgl. die in der zweiten Philippika angeführten Vorwürfe des Antonius und das Citat Plut. Cic. 41 = Dio XLVI 18, 3) benutzt und zwar reichlich benutzt sind, so muss Dio rhetorische μελέται, welche Ciceros und Antonius Pamphlete reproducierten, vor sich gehabt haben, eine Beobachtung, die auch für die Beurteilung des Gesprächs zwischen Cicero und Philiskos und die Rede Ciceros über die Amnestie den richtigen Gesichtspunkt liefern dürfte; unhaltbar ist der Gedanke, dass letztere Rede die echte ciceronische wiedergäbe, die nie publiciert ist.

Von allen Reden erregt nur eine, die des Maecenas für die Monarchie, ein wirkliches Interesse, diese allerdings ein sehr lebhaftes. Denn in ihr hat Dio seine eigenen Reformgedanken niedergelegt, [1720] die merkwürdigerweise auf eine straffe Centralisation der Regierung in der Hand des Kaisers und auf eine Schwächung der übermächtigen Stellung des Gardepraefecten und der Macht der Provincialstatthalter hinauslaufen: in manchen Punkten kündigt sich schon die grosse Reform des Diocletian an. Für das einzelne verweise ich auf die vortreffliche Arbeit von Paul Meyer De Maecenatis oratione a Dione ficta, Berlin 1891, das Beste, das nach Reimarus über Dio geschrieben ist. Meyer hat zugleich auch nachgewiesen, dass diese Gedanken ihre Spitze gegen das unklare, romantische Experimentieren des Severus Alexander mit der Dyarchie kehren, woraus sich ohne weiteres ergiebt, dass das ganz unvermittelt an der Spitze des zweiten Abschnittes eingeführte Gespräch eine nachträgliche Einlage ist. Man darf wohl noch weiter gehen und vermuten, dass Dio in reiferen Jahren und nach den Erfahrungen, die er unter Severus Alexander gemacht hatte, sein Urteil über Septimius Severus modificierte und manches richtiger schätzte, als zu der Zeit, wo der gewaltthätige Kaiser seine Hoffnungen enttäuschte; wie weit das auf seine Darstellung zurückwirkte, ist bei der unvollständigen Erhaltung nicht zu beurteilen.

Dio hat zunächst keine Wirkung ausgeübt – Herodian und die Historia Augusta ignorieren ihn –, ist aber für die Byzantiner zum kanonischen Darsteller der römischen Geschichte geworden. Diesem Umstande ist es zu verdanken, dass von den verlorenen Büchern verhältnismässig sehr viel erhalten ist. Bis zum 12. Jhdt. sind noch die ersten 21 und die Bücher von 36–80, mit Ausnahme einer Lücke von zwei Büchern, nach v. Gutschmid (Kl. Schr. V 548) 70 und 71, vorhanden gewesen; die Bücher 22–35 scheinen sehr früh untergegangen zu sein. Buch 36–80 sind von Ioannes Xiphilinos zu einer Geschichte der römischen Monarchien verarbeitet, die bezeichnenderweise mit Pompeius anfängt. Das, wenn ich nicht irre, 1592 zuletzt vollständig gedruckte Werk führt den Titel Ἐπιτομὴ τῆς Δίωνος τοῦ Νικαέως Ῥωμαϊκῆς ἱστορίας ἣν συνέτεμεν Ἰωάννης ὁ Ξιφιλῖνος περιέχουσα μοναρχίας Καισάρων εἴκοσι πέντε ἀπὸ Πομπηίου Μάγνου μέχρις Ἀλεξάνδρου τοῦ Μαμαίας und ist unter Ignorierung der dionischen Bucheinteilung nach ,Monarchen‘ angeordnet. Xiphilin selbst schreibt von sich p. 68f. der Pariser Ausgabe von 1551: λέγω γὰρ τοῦτο οὐκέτι ὡς ὁ Δίων ὁ Προυσαεὺς (so) ὁ ἐπὶ τοῦ Σευήρου καὶ Ἀλεξάνδρου τῶν αὐτοκρατόρων γενόμενος, ἀλλ’ ὡς Ἰωάννης ὁ Ξιφιλῖνος, ἀδελφόπαις ὢν Ἰωάννου τοῦ πατριάρχου, ἐπὶ δὲ Μιχαὴλ αὐτοκράτορος τοῦ Δούκα (1071–1078) τὴν ἐπιτομὴν ταύτην τῶν πολλῶν βιβλίων τοῦ Δίωνος συνταττόμενος. Die schon erwähnte Lücke, die nach seiner Angabe (LXX 2) die Regierung des Pius und den Anfang von der des Marcus umfasste, war mit allerhand Excerpten ausgefüllt, darunter einem aus Asinius Quadratus, ein Beweis, dass der Verlust bis in frühbyzantinische Zeit hinaufreicht.

Der zweite Excerptor Dios war der etwa ein halbes Jahrhundert später als Xiphilin schreibende Mönch Ioannes Zonaras, der in Buch VII–XII einer Ἐπιτομὴ Ἱστοριῶν die römische Geschichte in Excerpten aus Dio I–XXI und XLIV–LXXX erzählte. Er behauptet, die fehlenden Bücher [1721] sich nicht haben verschaffen zu können, was für XXII–XXXV sicher richtig ist; für die Lücke bei Pius und Marcus benutzt er die gleichen Ergänzungen wie Xiphilin, dem er von Traian (XI 21) an überhaupt folgt. Die Excerpte Dios müssen von denen aus Plutarch, Eusebios und Josephus getrennt werden; wo er die Citate aus Appian (XI 16 p. 50. 21 p. 65) gefunden hat, weiss ich nicht, keinenfalls bei Dio selbst, der ausser den drei Kaisern keinen Gewährsmann mit Namen und niemals eine Buchzahl citiert.

Direct in Hss. erhalten sind die Bücher 36–60 oder 5 Pentaden; die Verzweigung der Überlieferung ist von Boissevain (Praef. LIXff.) klargelegt, auf den ich für alles einzelne verweise. Sie beruht auf zwei alten, sehr nah verwandten Hss., Laur. XXX 8 und Marc. 395, jener enthielt XXXVI–LIV, dieser – wahrscheinlich – XLI–LX. Beide sind durch zahlreiche Ausfälle von Blättern übel zugerichtet, die nur zum Teil aus jüngeren Abschriften ergänzt werden können; so XXXVI 1–17 (nach Boissevains Zählung) durch den Vaticanus 144 und den Parisinus 1690, L–LIV, von verschiedenen Lücken abgesehen, für den Laurentianus durch jenen Vaticanus und den Laurentianus LXX 10; die Ausfälle im Marcianus werden nur für zwei kleine Lücken LX 17, 7–20, 2 und 22, 3–26, 2 durch den Laurentianus LXX 10 gedeckt. Dagegen sind die anderen Lücken des Marcianus in den sechs letzten Büchern, für welche der alte Laurentianus versagte, im Laur. LXX 10 und den von diesem abhängigen jüngeren Hss. aus Xiphilinos ausgefüllt; daraus ist die Meinung entstanden, dass LV–LX nicht vollständig, sondern nur in einer Epitome überliefert seien.

Ausserdem sind Reste des 78. und 79. Buches im Cod. Vat. 1288 erhalten; endlich Fetzen von acht Blättern, wahrscheinlich aus XVII, mit denen die Pariser (1397) Strabon-Hs. geflickt ist, vgl. über diese Boissevain Praef. XXXV.

Für die verlorenen Bücher liefern ausser Xiphilin und Zonaras die zahlreichsten Bruchstücke die constantinischen Excerpte; einige sind aus Florilegien von Mai ediert. Bei den Citaten des Tzetzes ist die grösste Vorsicht geboten. Wichtig sind endlich die Citate des Lexicon Coislinianum Περὶ συντάξεως, weil sie einigermassen gestatten, für die verlorenen Partien die Bucheinteilung zu reconstruiren; vgl. v. Gutschmid Kl. Schr. V 561 und Boissevain Praef. LIVff. Die jetzige Einteilung der Bücher LXI–LXXX rührt von Leunclav her und ist nicht durchweg richtig.

Die sog. planudeischen Excerpte (vgl. Boissevain p. CXI) haben für die republicanische Zeit mit Dio nichts zu thun, der grössere, die Kaiserzeit betreffende Teil bietet nicht mehr als Xiphilin. Über den sog. Continuator Dionis vgl. Petrus Patricius.

Kritisch ediert sind bis jetzt nur die Fragmente von I–XXXV und XXXVI–XL in dem ersten Band der grossen Ausgabe von Boissevain (Berlin 1895); diese aber in so musterhafter Weise, wie nur wenige griechische Schriftsteller; von den früheren Ausgaben sind die des Reimarus durch ihren vortrefflichen Commentar und die I. Bekkers die besten, doch ist bei dieser wegen des Ineinanderarbeitens der Fragmente mit Xiphilin und Zonaras und der Unklarheit über [1722] die Überlieferung der sechs letzten Bücher Vorsicht in der Benutzung ratsam; die chronologischen Randnotizen sind nicht selten falsch.

Anmerkungen (Wikisource)