RE:Papirius 40

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Carbo Arvina, C. Volkstribun 90 v. Chr.
Band XVIII,3 (1949) S. 10311034
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40) C. Papirius Carbo Arvina war Sohn des C. Carbo Nr. 33 und wird von seinem gleichnamigen Vetter C. Carbo Cn. f. Nr. 38 bei Cicero durch Hinzufügung des Vatersnamens unterschieden [1032] (or. 213: C. Carbo C. f.; Brut. 221: C. Carbo illius eloquentissimi viri filius, d. h. des gleichnamigen vorher [96. 103ff. 159] geschilderten) und bei Val. Max. IX 2, 3 durch einen zweiten, individuellen Beinamen Arvina. Dieser Beiname (in älterer Zeit dem A. Cornelius Cossus und seinem Sohne P. Cornelius beigelegt, o. Bd. IV S. 1260. 1294) ist von M. Haupt (Opusc. III 325) aus dem Spottvers über Carbo, der crassus wurde (s. u.), und auch aus der höhnischen Schaustellung seines truncum corpus (Val. Max. s. u.) überzeugend auf seine Feistigkeit gedeutet worden (s. für arvina Thes. L. L. II 729). Als Carbo 635 = 119 seinen Vater im Alter von einigen vierzig Jahren verlor, war er selbst noch ein Kind und wuchs als der bitterste Feind (inimicissimus Cic. de or. III 10) des L. Crassus heran, der den Vater als Feind (inimicus ebd. I 154) verfolgt und gestürzt hatte. Er wollte an ihm Vergeltung üben, wie sie z. B. 654 = 100 die zwei jungen Söhne des L. Lucullus an dem Ankläger ihres Vaters übten (o. Bd. XIII S. 375f. u. ö.) oder wie sie später einer seiner eigenen Verwandten durch den jungen Sohn seines Opfers M. Cotta erlitt (Nr. 35). Deshalb begleitete er 660 = 94 – ungefähr im quaestorischen Alter – den Crassus als Proconsul in seine Provinz Gallien und wurde von ihm zu seinem Consilium herangezogen, konnte aber bei der Makellosigkeit des Statthalters nichts finden, was ihn zu der Erhebung einer Anklage wegen Repetunden oder dgl. berechtigt hätte (Val. Max. III 7, 6. Anspielung des Crassus darauf Cic. Verr. III 3. s. Häpke o. Bd. XIII S. 255, 2ff. 259, 43ff.). Als Redner mußte er Crassus anerkennen und von ihm lernen, als Politiker bekämpfte er ihn und den ihm nahestehenden M. Livius Drusus in dessen Tribunatsjahr 663 = 91 (Cic. or. 213 s. u.). Sein Ausehen stieg nach dem im Herbst des Jahres erfolgten Tode beider, und es kam der witzige, mit seinem und des Crassus Beinamen spielende Vers in Umlauf: Postquam Crassus carbo factus, Carbo crassus factus est (FPR 276 Bährens = 44 Morel aus Sacerdos [GL VI 461, 27ff.], der crassus = ante obscurus florere coepit nur im übertragenen Sinne verstanden hat, nicht auch in dem eigentlichen s. o.). Vor allem betätigte er sich in dieser erregten Zeit des Bundesgenossenkrieges als Volkstribun. Cic. Brut. 305 sagt vom J. 664 = 90, daß er selbst die damals als Magistrate wirkenden Redner fast täglich in Volksversammlungen sprechen gehört habe, und zählt von ihnen auf: Erat enim tribunus plebis tum C. Curio (u. Bd. II A S. 862) ..... Q. Metellus Celer non ille quindem orator, sed tamen non infans; diserti autem Q. Varius, C. Carbo, Cn. Pomponius, et hi quindem habitabany in rostris. Der Zusammenhang führt hier entschieden darauf, daß Carbo Tribun im J. 664 = 90 war. Das bestätigt Cic. or. 213: Mw stante C. Carbo C. f. tribunus plebis in contione dixit .....; denn im J. 664 = 90 nahm er regelmäßig an den Contionen teil, aber im J. 665 = 89 stand er fern von Rom im Felde. Das Stück aus Carbos Rede, das er als Beispiel des Prosarythmus erläutert (dazu Norden Kunstprosa I 173), paßt inhaltlich auch am besten in die Zeit unmittelbar nach dem noch Ende 663 = 91 erfolgten Ausbruch [1033] des Bundesgenossenkrieges: O Marce Druse – patrem appello – (vielleicht absichtlicher Anklang Cic. Phil. III 27: O C. Caesar – adulescentem appello –) tu dicere solebas, sacram esse rem publicam, quicumque eam violassent, ab omnibus ei poenas persolutas. Patris dictum sapiens temeritas filii comprobavit. Gegen diese Ansetzung des Tribunats Carbos ins J. 664 = 90 ist meistens die ins folgende J. 665 = 89 angenommen worden, weil in diesem Jahre die tribunicische Gesetzgebung eines Papirius Carbo gesichert ist. Doch muß dann bei Cic. Brut. 305 mit einer Ungenauigkeit gerechnet werden, wie man sie ihm in der Darstellung der eigenen Jugendgeschichte kaum zutrauen darf; der einfachere Ausweg ist daher, falls man nich etwa Iteration des Tribunats 664 = 90 und 665 = 89 vermuten will, mit Niccolini (Fasti dei tribuni della plebe [Mailand 1934] 222f.) zwei gleichnamige Tribunen als Vorgänger und Nachfolger anzusetzen, C. Carbo C. f. 664 = 90 und seinen Vetter C. Carbo Cn. f. Nr. 38 665 = 89, wobei jener freilich den Ruhm des Redners behält und den des Gesetzgebers dem andern abtreten muß. Das bedeutsame Gesetz, das seinen Namen mit dem vorangehenden eines seiner Kollegen trägt, ist das über die Aufnahme der Italiker ins Bürgerrecht, nach dem Hauptzeugnis Cic. Arch. 7: (M. Plautii) Silvani lex et Carbonis: si qui foederatis civitatibus adscripti fuissent, si tum, cum lex ferebatur, in Italia domicilium habuissent et si sexaginta diebus apud praetorem essent professi. Die Urheber nennt sonst nur Schol. Bob. Arch. 353 Or. = 175 Stangl: Silanus et Carbo cos. legem tulerunt mit falschem, leicht zu verbesserndem Cognomen des ersten und mit falscher Angabe des Amtes; über die Bedeuting des Gesetzes ist hier nicht zu handeln (s. z. B. Kornemann o. Bd. XVI S. 587f., auch Weiss o. Bd. XII S. 2402. Niccolini 226ff.). Ebensowenig über eine zweite Lex Papiria, die meistens demselben J. 665 = 89 und folglich demselben Tribunen zugeteilt wird (so von Regling o. Bd. XVI S. 479. Bedenken z. B. bei Weiss 2400. Niccolini 404); für sie ist das einzige literarische Zeugnis Plin. n. h. XXXIII 46: Lege Papiria semunciarii asses facti, das es ermöglicht, die Abkürzungen auf damals geprägten Sesterzen des L. Piso Frugi (o. Bd. III S. 1395f.) und des D. Iunius Silanus (o. Bd. X S. 1089f.) aufzulösen: E l(ege) P(apiria) und: L(ege) P(apiria) d(e) a(ere) p(ublico) (CIL2 app. 249. 262f. mit der älteren Literatur, darunter Willers Gesch. d. röm Kupferprägung [Lepizig 1909] 53. 56. 77ff. 85f). Die beiden C. Carbones, die das Tribunat nacheinander 664 = 90 und 665 = 89 bekleideten, sind in der Folgezeit zur Praetur gelangt. Den Redner nennt Vell. II 26, 2 bei seinem Tode 672 = 82 C. Carbonem praetorium, consulis fratrem, wo fratrem = fratrem patruelem ist; die Praetur dieses Vetters wird in das erste oder das zweite Consulat des damals schon das dritte verwaltenden Cn. Nr. 39 zu setzen sein, 669 = 85 oder 670 = 84. Er war in diesen Jahren der Herrschaft Cinnas einer der wenigen angeseheneren Anwälte, die von dem jungen Cicero gehört werden konnten, trat aber nur selten vor Gericht auf (Brut. 227. 308). Mit solcher Zurückhaltung zeigte [1034] er, daß er klein unbedingter Anhänger der herrschenden Partei war, und während des Sullanischen Bürgerkrieges wurde er dieser so verdächtig, daß er schließlich einer von denen war, die 676 = 82 während der Schlacht bei Sacriportus auf Geheiß des jüngern Marius von dem Praetor L. Brutus Damasippus (o. Bd. X S. 1025) grausam hingerichtet und noch im Tode mißhandelt wurden (Cic. de or. III 10; Brut. 311; fam. IX 21, 3. Vell. II 26, 2 [s. o.]. Val. Max. IX 2, 3. Oros. V 20, 4. Appian. bell. civ. I 403). Dieser sein Ausgang hat ihm vor allem die Anerkennung Ciceros verschafft, daß er allein von seiner ganzen Familie ein civis e re publica gewesen sei (fam. IX 21, 3); als Redner war er nach dem Urteil desselben non satis acutus orator; sed tamen orator numeratus est. Erat in verbis gravitas, et facile dicebat, et autocritatem naturalem quandam habebat oratio (Brut. 221 vgl. 311, auch 227. 308).