Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Wolkenburg

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Textdaten
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Autor: O. M.
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Titel: Wolkenburg
Untertitel:
aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 65–69
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Wolkenburg.


Wolkenburg liegt in geringer Entfernung von der Altenburgischen Grenze, eine Stunde südwestlich von Penig und anderthalb Stunden nordöstlich von Waldenburg, in einer sehr coupirten Gegend, die gleich der von Wechselburg zu den schönsten des Muldenthales gehört. Die Mulde, welche hier überbrückt ist, kommt aus südwestlicher Richtung an, beschreibt um den Schlossberg einen engen langhingedehnten Bogen, windet sich in einem kesselartigen, später sich verengenden von hohen Bergen gebildeten Thalgrunde hin und nimmt alsdann ihren Lauf nach Norden. In die Windungen dieses engen Thales münden mehrere kleine Seitenthäler mit ihren Bächen. Auf hohem Granitfelsen erhebt sich hier das gewaltige Schloss und nicht weit davon die neuerbaute prachtvolle Kirche. Von dem Altane der Wolkenburg (250 Par. Fuss über der Mulde und 914 Fuss über dem Meere) überschaut man das ganze herrliche Muldenthal mit seinen Ausläufern und angrenzenden Höhen. Die einzelnen Theile dieses Panoramas erscheinen als ebenso viele schöne Landschaftsbilder, wenn man durch die Fenster eines nach Morgen gelegenen Eckzimmers oder die Rundfenster schaut, welche in der Kuppel des Altans angebracht sind. Man blickt hinab auf den Holzmühlengrund, mit dem Kirchlein von Niederfrohna, weiterhin erhebt sich das Stammschloss des Prinzenräubers Kunz von Kaufungen, am Kaufunger Grunde, begrenzt von dem Höhensteiner Berge; in anderer Richtung zeigt sich der Herrensdorfer Grund mit stattlichen Fabrikgebäuden; das Muldenthal mit den waldigen Höhen von Waldenburg; der Grund des Frankener und des Siebenwinkelbaches mit der Frankener Kirche; eine Ebene mit der alterthümlichen Pfarre und ältern Kirche Wolkenburgs und endlich die im engen Thale sich hinwindende Mulde. Im Hintergrunde erblickt man Penig und fern am Horizonte den hohen Rochlitzer Berg.

Der Pegauische Mönch, Biograph des berühmten Wieprecht von Groitzsch, sagt in seiner Chronik: „Anno 1103 liess Graf Wieprecht von Groitzsch im Bisthum Merseburg einen neuen Landacker zurichten, begab sich hierauf in Franken, allwo seine Mutter Sigena sich verheirathet hatte, und erhielt dass von dannen viele Bauern mit ihm zogen. Denen gab er von genannter Pflege ein, befahl den ganzen Wald auszurotten, mit der Verheissung, was ein jeder einbekäme, das solle er erblich besitzen. Und damit sie noch williger würden ordnete er ferner, dass ein Jeder den Ort, welchen er mit seinem Gesinde aufbauen und bewohnen würde auch nach seinem Namen nennen solle. Als nun an der Mulde und Wyhra viele Dörfer angebaut worden u. s. w. – in diesen Worten liegt die Erzählung von dem Ursprunge Wolkenburgs. Der tapfre Wieprecht hatte für seine wichtigen Dienste vom Kaiser Heinrich IV. im Jahre 1081 das Schloss Leissnig mit vielen umliegenden Ländereien erhalten, wozu auch Colditz und die Gegend von Wolkenburg gehörte. Der kriegerische, schlaue und thätige Graf fand hier ein weites Feld diese Eigenschaften zur Geltung zu bringen. Ueber die vom Kaiser Heinrich I. bezwungenen Slaven herrschten die kaiserlichen Voigte des Voigtlandes, dessen äusserste Grenze sich bis Waldenburg erstreckte; auch das Pleissnerland gehorchte kaiserlichen Statthaltern und die Deutschen, welche siegreich bis in die Lausitz vorgedrungen waren, hatten bereits zur Verbreitung des Christenthums und Befestigung ihrer Herrschaft die Bisthümer Zeitz, Naumburg und Meissen gegründet. Der äusserste Punkt des Bisthums Merseburg war Kohren, bis hierher erstreckte sich der Wald Miriquidi, und vorzüglich in den wilden Schluchten und Thälern der Mulde und Zschopau hausten noch Sorbenstämme, die furchtbarer Hass gegen die Unterdrücker ihres einst so mächtigen Volkes oft aus den Schlupfwinkeln hinaustrieb in das flache Land, um Rache zu nehmen an den übermüthigen Siegern. Noch jetzt heisst ein Ueberrest jener finstern Waldungen über Thierbach „der Räuber“ in dem man noch Spuren eines uralten Raubschlosses erblickt, die in die Spitze eines schroffen Berggipfels auslaufen, der die Schanze genannt wird, und durch eine Furth über die Mulde nach dem vormals so gefürchteten Raubschlosse Zinnberg führen, das einst Umizi hiess und der Sitz eines sorbischen Häuptlings war. Diese Nachbarschaft hatte bisher die Deutschen ungemein gehindert den fruchtbaren Landstrich zwischen der Mulde und Wyhra anzubauen, Graf Wieprecht von Groitzsch aber machte diesen feindlichen Einfällen ein baldiges Ende, indem er in die fast unzugänglichen Schlupfwinkel eindrang, die Raubnester zerstörte und die Sorben vertrieb oder als Leibeigne verschenkte. Während die aus Franken herbeigerufenen Deutschen das Land anbauten und die finstern Waldungen niederschlugen baute Wieprecht zu deren Schutze feste Schlösser und nahe dabei Capellen, wo ein Geistlicher Gottesdienst hielt und sich zugleich mit der Bekehrung gefangner leibeigner Sorben beschäftigte.

[66] In dieser Zeit entstand auch die Wolkenburg, welche die hier befindliche Furth bewachte und zugleich die Raubnester im „Räuber und im Zinnberg“ bedrohte. Das Schloss war lediglich zum Schutze der deutschen Ansiedelungen, wie Biensdorf, Markensdorf, Wermsdorf, Uhlmannsdorf, Frohnsdorf und Gersdorf erbaut, wie es denn auch bald die über den Strom vorrückenden Colonien Kaufungen und Chursdorf schirmte, deshalb blieb es lange ohne Grundbesitz. Die gleichzeitig entstandene Kirche wurde mit Holz, Feld und Wiesen dotirt, hatte eine Capelle in Franken und wahrscheinlich auch eine in Langenchursdorf. Die Aufsicht über das Schloss vertraute Graf Wieprecht einem seiner geprüften Krieger, der unter dem Befehle des Herrn auf Colditz stand; dem Ritter von Kaufungen aber übergab er das jenseits der Mulde zu erobernde Land und die Bewachung der Muldenfurth an dem Wolkenburg gegenüberliegenden Ufer. Die Ansiedler hatten, wie schon erwähnt, die bezwungenen Sorben zu ihren Knechten gemacht und verwendeten sie bei dem Anbau des Landes; anders aber war es in Wolkenburg. Hier siedelten sich nur diejenigen Leibeignen an, welche dem Herrn der Burg gehörten und jeden Augenblick bereit sein mussten dessen Rufe zu gehorchen, und zwar mussten sie ihre Hütten zunächst der Kirche und Pfarre auf einer Stelle errichten die noch heute das Dorf genannt wird. – Graf Wieprecht von Groitzsch starb 1124 im Kloster Pegau als Mönch und ihm folgte sein Sohn Heinrich, der 1136 als der Letzte seines berühmten Stammes, mit umgekehrtem Wappenschilde begraben wurde. Das Stammschloss Groitzsch erbte Wieprechts Tochter, Bertha, Gemahlin Graf Dedos von Wettin, deren Tochter mit Radbod zu Pleissen vermählt war und ihrem Ehegemahl die von der Mutter ererbten Groitzscher Güter, zubrachte, darunter auch Colditz und das dazu gehörige Wolkenburg. Radbod von Pleissen verkaufte Leissnig mit dem Lehn Burggraf Heinrichs und das Schloss Colditz mit seinen Lehen, die aus zwanzig Dörfern bestanden, an den Kaiser Friedrich I. dieser aber vereinigte 1157 solche Besitzungen mit dem Reiche und somit wurde Wolkenburg reichsunmittelbar.

Die älteste Urkunde, welche Wolkenburgs erwähnt, ist vom Jahre 1244, wo bei der Dotation des Marienklosters zu Altenburg gesagt wird: „tres mansi in villa Ziscove superiori; quos nunc Johannes ab Hugone de Wolkenburg in foedo habet“. Ulrich III. kommt 1245 vor dessen fünf Söhne sich Herren von Colditz und Wolkenburg schrieben. In vielen Urkunden werden die Herren von Colditz ebenfalls als Herren von Wolkenburg aufgeführt. Im Jahre 1308 schlossen die Gebrüder Unarc und Donin, Herren in Wolkenburg, einen Tauschcontract mit der Pfarrkirche St. Georg und St. Mauritius und Genossen in Wolkenburg über einen an das Pfarrlehn daselbst angrenzenden Lehnsacker für siebenundzwanzig Solidis und sechs Denare jährlichen Zinses in Cunradsdorf unter Vermittelung Vollraths und Otto’s von Colditz, ihrer Collatoren, und Beistimmung Bischofs Ulrich von Naumburg, der auch ein Herr von Colditz war. Dieselben drei Herren und leiblichen Brüder von Colditz, auch Herren auf Wolkenburg, schenkten der Wolkenburger Kirche V solidos denariorum et IV messores jährlichen Zins durch zwei Zinsleute, Hermann Hausmann und seine gegenüberwohnende Schwester Tholmut im Dorfe Bemesdorf, mit allem Rechte so sie vom Reiche innehaben. 1421 schenkten Ulrich und Otto, Söhne Heinrichs von Colditz, weiland Herren auf Penig zum Seelenheil ihrer Mutter Sophie dem Pleban zu Wolkenburg, Johann, und seinen Nachfolgern einen Garten in Buscha. Die Schenkungsurkunde siegelten sie mit des Ohms, Vollraths auf Wolkenburg, Siegel, weil sie eines eignen ermangelten. Vollrath und Busso von Colditz, Herren auf Wolkenburg, überlassen der dasigen Pfarrkirche 1354 „ein Holz, das da liegt an der Muldawe an der Furt, da man geht gen Kaufungen zu unsern Wydeme zu Wolkenburg eigen“ wie es ihr Vater besessen. Als Zeugen sind genannt: Vollrath und Busso, ihre Schwester Sophia „unsere Frau zu Wolkenburg“ Hermann von Lichtenstein unser Pfarrer, und Hermann sein Vater und Nikol sein Bruder, und Kunze von Kaufungen und Hannes von Thierbach und andre ehrbare Leute. Vollrath von Colditz, Herr zu Wolkenburg und alle seine Erben verpflichten sich durch eine Urkunde von 1371 zu einem ewigen Seelgeräthe und zum ewigen Gedächtniss ihrer Eltern, bestehend in einem Werth da man nach Waldenburg geht, einer Mark Geldes, halb im Dorfe Gerolsdorf, zwölf Groschen in Fromelsdorf und zwei Hühnern. Als Zeugen fungirten Diether von Czadras, Hermann Pfarr zu Wolkenburg, Conrad von Leisnig, vormals Caplan zu Wolkenburg, Hermann von Wesinbach und Hans Staupitz. Endlich schenken in einer Urkunde von 1371 die Gebrüder Vollrath und Busso der Pfarre zu Wolkenburg zwei Mark breiter Groschen zu einer ewigen Messe „die man soll in dem Hause Wolkenburg halten“ und zwar ein Schock in Oberbickenhain, ein halb Pfund breites Geldes in Niedergräfenhain und eine halbe Mark Geldes zu Fromelsdorf. Diese Messe gründeten sie zum Troste und zur Seligkeit aller ihrer Eltern und ihrer lieben Schwestern Agathe von Königsfeld und Sophien. Zeuge war abermals Ritter Diether von Zschaderas, sowie Conrad von Ulrichsdorf, der Pfarr zu Königsfeld, Hermann von Lichtenstein der Pfarr zu Wolkenburg, Hans Staupitz und Hermann Kuntzsche, ehemals Voigt zu Königsfeld.

Diese Urkunden beweisen, dass die Herrschaft Wolkenburg während des Besitzes der Herren von Colditz ein reichsunmittelbares Lehn war. Im Jahre 1404 verkauften Georg und Albrecht von Colditz Schloss und Stadt Colditz nebst zweiundfünfzig Dörfern an Wilhelm den Aeltern, Markgrafen von Meissen, nach dessen 1407 erfolgtem Tode Wolkenburg, das sich unter den genannten Besitzungen befand, an die Markgrafen Friedrich den Streitbaren und Wilhelm kam, von denen dieser 1425 starb, worauf Friedrich, der 1423 Churfürst geworden war, alle diese Güter, darunter auch Wolkenburg, erlangte. Während jener Zeit (1430) wurde die hiesige Gegend von den Hussiten heimgesucht, die mit ihrer bekannten Brutalität das Land weit und breit abscheulich verwüsteten, und namentlich das Oberdorf von Wolkenburg und Biensdorf dergestalt vernichteten, dass letzteres gar nicht wieder aufgebaut, sondern aus seinen Fluren ein mit dem Schlosse Wolkenburg verbundenes Rittergut gebildet wurde, weshalb auch dieses seit jener Zeit die Verpflichtungen der im Jahre 1309 geschenkten Güter an die Pfarre überkam, und bis 1840 deren Zehnten leistete. Die Bewohner des zerstörten Oberdorfes siedelten sich zu besserer Sicherheit in der Nähe der Burg und unter derselben bis zu der Galgenschenke an, die an der Strasse zwischen Penig und Waldenburg stand.

Als Friedrich der Streitbare 1428 mit Tode abgegangen war, kam das Land in Besitz seiner vier Söhne, von denen Friedrich der Sanftmüthige und Wilhelm der Stolze endlich eine Theilung vornahmen und von 1445 bis 1550 [67] in den blutigen Bruderkrieg geriethen. Die Wolkenburg gehörte damals dem alten reichen Geschlecht der Kaufungen, und wurde ihnen höchst wahrscheinlich theils wegen ihrer Lage, dem Stammsitze der Familie gegenüber, theils als Entschädigung für die Güter gegeben, welche im Hussitenkriege sowie in dem Bruderkriege den Kaufungen durch Verwüstung verloren gingen. Conrad und Heinrich von Kaufungen verkauften 1443 den Nonnen Margarethe und Elisabeth von Kayn fünf Gulden Zins in Waldsachsen für sechszig Schock; unter den Zeugen befand sich Jost von Kaufungen, auf Wolkenburg gesessen. Als der Pfarrer zu Wolkenburg 1449 wegen der hiesigen Pfarre Obmänner zu wählen hatte, befand sich unter diesen auch Hans von Kaufungen, der Burgherr; nach der Hinrichtung des unglücklichen Prinzenräubers Kunz von Kaufungen aber und dessen Bruders (?) Dietrich zog Churfürst Friedrich der Sanftmüthige mit andern Gütern der Familie Kaufungen auch Wolkenburg ein, das 1485 bei der Landestheilung seiner Söhne an den Churfürsten Ernst fiel. Nach Ernsts Tode kam Wolkenburg in Besitz Friedrichs des Weisen und seines Bruders Johann des Beständigen und gehörte unter das Amt Altenburg.

Von jetzt an finden wir im Besitze Wolkenburgs die alte Osterländische Familie von Ende, welche wahrscheinlich einstmals zu den deutschen Eroberern gehörte und in frühester Zeit den Namen Wolfersberg führte, weshalb sie auch den Wolf im Wappen trägt. Der erste dieses Geschlechts auf Wolkenburg war Gottfried von Ende, Herr auf Rochsburg, Wolkenburg, Königsfeld, Püchau, Gete, Laussnig und Kayn, ein vertrauter Freund seines Landesfürsten, Churfürst Johanns des Beständigen. Es wird behauptet, ist aber historisch nicht nachzuweisen, dass der Churfürst Gottfrieden von Ende, der sein Rath und Landvoigt war, zur Belohnung treuer Dienste mit Wolkenburg beschenkt habe und diese Sage hat insofern eine ziemliche Wahrscheinlichkeit als die Familien Ende und Kaufungen in verwandtschaftlichen Beziehungen standen. Er starb 1527 und hinterliess ausser seiner Wittwe Katharina von Schleinitz († 1530) elf Söhne, von denen zwei, Georg und Heinrich, bei der Belagerung der Insel Rhodus durch die Türken ihren Tod fanden, und der jüngste, Gottfried, von seinem Diener erschossen wurde. Gottfrieds von Ende Nachfolger im Besitze der Wolkenburg war Ehrenfried von Ende, der auf dem hiesigen Schlosse seinen Wohnsitz hatte und 1550 mit Tode abging. Gottfried von Ende wird als ein milder, gütiger und gottesfürchtiger Herr geschildert, der 1557 starb und das Schloss dem Reichsrath, Kammergerichtsassessor und churfürstlichen Geheimrath Dr. Nikolaus von Ende hinterliess, welcher 1567 in der Kirche zu Königsfeld begraben wurde. Schon 1565 werden Abel und Hiob von Ende als Mitbelehnte genannt, von denen Ersterer 1570 mit Tode abging, Letzterer aber den Oberdorfer Theil von Wolkenburg an Abraham von Thumshirn veräusserte, der 1595 nebst Hiob von Ende als Lehnsherr aufgeführt wird, den erkauften Theil aber bald wieder an den Besitzer des unteren Theiles von Wolkenburg, Georg Utz von Ende abtrat. Die Gebrüder Utz und Georg von Ende und die Vettern Quirin und Utz von Ende auf Püchau, Königsfeld und Wolkenburg werden 1595 als Lehnsherren des Schlosses genannt und 1596 ist Quirin von Ende dessen alleiniger Besitzer. Seine Gemahlin war Marie von Einsiedel, eine Schwester Abrahams von Einsiedel auf Scharfenstein, die ihm einen Sohn, Haubold, und eine Tochter, Christina, gebar. Haubold erscheint als Herr auf Wolkenburg zuerst im Jahre 1607; er wurde Vater von acht Kindern, von denen ihn jedoch nur vier überlebten, darunter Georg Haubold, geboren 1631. Als der alte Haubold von Ende 1631 mit Tode abging, hinterliess er den Ruf eines „wohlfrommen Lehns- und Gerichtsherrn“. Und in der That scheint Haubold ein sehr wohlwollender, guter Mann und dem Protestantismus sehr eifrig ergeben gewesen zu sein, denn als für die Pfarre ein Concordienbuch angekauft wurde, fügte er dem Verzeichniss der Unterschriften eigenhändig seinen Namen bei.

Verschiedene Unglücksfälle und Verluste und endlich das damals herrschende berüchtigte Kipper- und Wipperwesen schadeten dem bisherigen Wohlstande der Familie von Ende dergestalt, dass Georg Haubold von Ende nicht im Stande war, die Wolkenburg zu behaupten. Anfänglich wurde das Schloss unterpfändlich auf drei Jahre Heinrich Hildebrand von Einsiedel, churfürstlich Sächsischem Geheimrathe und Viceoberhofrichter, Obersteuereinnehmer und Landschaftsdirector des Fürstenthums Altenburg, Herrn auf Scharfenstein und Löbichau, überlassen und diesem Herrn 1632 die Huldigung geleistet; 1635 kam es aber völlig in seinen Besitz, worauf er das Gut seinem Sohne Rudolf Haubold verpachtete. Dieser folgte dem Vater 1651, starb aber schon 1654 und hinterliess einen Sohn, Hans Haubold, der zur Vormünderin seine fromme Mutter, Agnes geborne von Schönberg hatte. Der Tod dieses Herrn erfolgte im Jahre 1700, zu welcher Zeit er die Standesherrschaft Seidenberg besass, Geheimrath, Obersthofmeister der Churfürstin und Herr auf Wolkenburg, Gersdorf, Böhrigen und Ehrenberg war. Sein Sohn Hans Georg stand ebenfalls mehrere Jahre unter Vormundschaft seiner Mutter Anna Sophie geborne von Rumohr auf Oppurg, Oberhofmeisterin der Churfürstin. König August ernannte ihn wegen seiner treuen Dienste zum ersten Hofmarschall und während des Reichsvicariats 1745 zum Reichsgrafen. Er starb 1760 und im Besitze Wolkenburgs folgte Detlev Carl, geboren 1737, der zu den von seinem Vater ererbten Gütern 1766 Kaufungen und 1801 Niederfrohna hinzukaufte, Mückenberg mit dem Eisenwerke Lauchhammer ererbte und 1790 durch Kauf auch den Burghammer erwarb. Graf Detlev Carl von Einsiedel verschied 1810 als königlich Sächsischer Conferenzminister und Landschaftsdirector des Herzogthums Altenburg und hinterliess im gemeinschaftlichen Besitz des Mannslehns Wolkenburg die Grafen: Carl, gestorben als Geheimrath 1841; Detlev, Cabinetsminister und Staatssecretair; Ferdinand, Berghauptmann in Schlesien, gestorben 1833 und Adolf, gestorben als königlich Preussischer Oberst 1821. Dem Grafen Carl folgten in seinem Antheile dessen Söhne Carl, Oesterreichischer Major, und Maximilian, dem Grafen Adolf seine Söhne Clemens und Detlev.

Das Dorf Wolkenburg scheint ursprünglich zunächst der alten Kirche, an der Strasse hinaus, gelegen zu haben, es wurde, wie bereits erwähnt, nebst dem nahen Biensdorf 1430 von den Hussiten zerstört, und man baute späterhin nur die Schenke, die Wirthschaftsgebäude des Rittergutes und auf der Stelle wo einst Biensdorf stand, die herrschaftliche Schäferei wieder auf. Die übrigen Häuser entstanden[WS 1] unter dem Schlossberge, an der schon im sechszehnten Jahrhundert vorhandenen Mühle, und so bildete sich ein Ober- und Niederdorf. Nachdem jedoch Abraham von Thumshirn die Brücke über die Mulde erbaut hatte, zu welcher man am 30. April 1585 den ersten Pfahl einschlug, entstanden auch verschiedene Wohnungen auf dem jenseitigen Muldenufer und zwar auf Grund und Boden eines Bauergutes, das schon die Herren von Ende mit [68] dem Rittergute vereinigt hatten. Als Graf Carl Detlev an dem Hernsdorfer Bache verschiedene Fabrikanlagen errichtete, vertheilte er einen Theil der Grundstücken dieses Bauergutes an die Einwohner Wolkenburgs und so entstanden die sogenannten Brückenhäuser im Brückenthale, welche, wie alle von dem Bauergute abgerissenen Grundstücken, zum Kirchspiel Wolkenburg gehören, obschon Hernsdorff, auf dessen Territorium das Bauergut liegt, in die Kirche zu Kaufungen eingepfarrt ist. Im Brückenthale befindet sich auch eine grosse Baumwollenspinnerei, welche aus den Fabrikanlagen des Grafen Carl Detlev hervorging. Fast alle Bewohner Wolkenburgs nähren sich von Fabrikarbeit und Handarbeit; sie bestehen aus mehr als fünfhundert Seelen.

Die Schicksale Wolkenburgs betreffend haben wir bereits erwähnt, dass durch einen Einfall der Hussiten das Oberdorf und Biensdorf vernichtet wurden, das Schloss aber widerstand den Angriffen der Feinde, da es mit einer grossen Zahl bewaffneter Flüchtlinge besetzt war. Auch im dreissigjährigen Kriege diente die Burg häufig als Zufluchtsort der Umwohner, doch finden wir sie 1632 wie auch 1640 in Schwedischem Besitz. Die Russen verbrannten 1813 die hiesige Muldenbrücke. Häufig wurde das Niederdorf Wolkenburg von Ueberschwemmungen heimgesucht, wie im Jahre 1700, wo der Strom Gümpels und Hammers Häuser, hinter der Mühle gelegen, mit fortnahm und 1771, wo das Wasser bis an das erste Stockwerk der Mühle reichte. Die Pest herrschte in den Jahren 1585, 1624, 1633 und 1642. Nach Wolkenburg brachte 1633 die Seuche ein fremder Kutscher, worauf in wenigen Tagen einige Häuser ausstarben. Im 16. und 17. Jahrhundert trieb man hier auch Bergbau und zwar in den Stollen St. Thomas, St. Georg, die drei Brüder, der Schanzberger Stollen und der Pfeifer. Das Erz schmolz man im „Räuber“, wo man auch noch Schlackenhaufen findet, und die vom Räuber nach Thierbach zu liegenden Teiche scheinen zum Bergwerksbetriebe gehört zu haben. – Uebrigens hauste in den Jahren 1615 und 1617 in hiesiger Pfarre ein Gespenst, denn in der damaligen Kirchrechnung finden sich verausgabt: 12 Groschen dem Notario des ehrwürdigen Consistorii zu Leipzig wegen gethaner Resolution des Gespenstes halber allhier in der Pfarre. Später sind 36 Groschen angesetzt, als von Ihren Gestrengen bewilligt und dem Pfarrer ausgezahlt für die Lichter, so in der Pfarre bei nächtlichem Tumult des Gespenstes in die sechsundzwanzig Wochen aufgegangen sind.

Die ältere Kirche zu Wolkenburg, umgeben von dem Friedhofe, dient jetzt als Erbbegräbniss der Schlossherren und ist ein uraltes Gebäude, dessen Rundbögen der beiden äusseren Fenster und der Uebergang in den gothischen Styl als Erbauungszeit auf das zwölfte Jahrhundert schliessen lassen, so dass es gar nicht unwahrscheinlich ist, es sei diese Kirche dieselbe, welche Graf Wieprecht von Groitzsch erbauen liess. Ausser den Grüften der Familien von Ende und von Einsiedel enthält das alte Gebäu auch einen künstlich gearbeiteten Altar aus Alabaster, den Agnes von Einsiedel dem Andenken ihres Gemahls Haubold von Einsiedel († 1654) widmete. Ein hier befindlicher Kelch von Silber mit dazu gehöriger Patene ist ebenfalls ein Geschenk dieses Ehepaars, das es aus dem Pathengelde eines verstorbenen Sohnes, Heinrich Hildebrand, anfertigen liess. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts war die alte Kirche für die vermehrte Bevölkerung so unausreichend geworden, dass Abhilfe getroffen werden musste und man beschloss ein neues Gotteshaus zu erbauen, wozu der damalige Kirchenpatron, Detlev Carl Graf von Einsiedel, königlich Sächsischer Conferenzminister, nicht nur seine Zustimmung ertheilte, sondern sogar die Kirche auf eigene Kosten erbaute, denn die aus dem Kirchenvermögen entnommenen 800 Thaler dürften wohl bei dem kostbaren Baue nicht zu erwähnen sein, da dessen Herstellungskosten an 80000 Thaler betragen mögen. Am 12. April 1794 geschah die Grundsteinlegung und am 29. October 1804 wurde die neue Kirche eingeweiht. Die neue Kirche zu Wolkenburg ist ohne Zweifel die kostbarste Dorfkirche Sachsens, ja vielleicht des ganzen protestantischen Deutschlands. Das Aeussere derselben gleicht – freilich mit Ausnahme des Thurmes – einem griechischen Tempel, zu dessen auf Säulen ruhendem Hauptportale unter dem Thurme eine Freitreppe führt. Ueber den drei mit Säulen decorirten Hauptkirchthüren befinden sich vortreffliche Basreliefs in Eisenguss, biblische Scenen darstellend, Kunstwerke (des Lauchhammers) vom ersten Range. Auch der Taufstein ist von Gusseisen und steht in einer besonderen Halle. Auf dem marmornen Altar erblickt man ein alabasternes Crucifix, dessen Fuss aus den vorzüglichsten Mineralien des Erzgebirges zusammengesetzt ist, sowie sehr schön geformte silberne Abendmahlgefässe und zwei vom Grafen Carl von Einsiedel hierher geschenkte zierliche Altarleuchter. Zu beiden Seiten des Altars befinden sich zwei aus Eisen gegossene Engel, die durch Rauchfass und Opferschale den Altardienst darstellen. Die Emporen im Kirchenschiff ruhen auf Säulen, zwischen dem Schiff und Chor aber sind die verschiedenen Capellen für die Herrschaft und einige Andere dergestalt angebracht, dass sie von Aussen als zur Kirche gehörend erscheinen, von Innen gesehen aber gänzlich in die Wand zurücktreten. Aus der herrschaftlichen Capelle führt eine steinerne, kunstvoll erbaute Schneckentreppe nach einer eisernen Brücke, welche die Verbindung mit dem Schlosse vermittelt. Dem Hauptportale der Kirche gegenüber befindet sich die Büste des Erbauers. – Im hohen Chor unter der Kuppel ist ein Gemälde, Christus die Kinder segnend, das von dem berühmten Oeser begonnen, von Menzel fortgesetzt und nach dessen Tode von Veit Schnorr beendigt wurde.

Steigt man von der Brücke den steilen Schlossberg hinauf, über welchen hinweg eine kleine Brücke beide Berge verbindet, so hat man, ziemlich oben angelangt, zur Linken den sehr ausgebreiteten Nutzgarten, rechts aber die Parkanlagen, die das Schloss fast von allen Seiten umgeben und nirgends eingeschlossen sind, mit Ausnahme des Thiergartens, wo sonst weisse Hirsche gehalten wurden. Trotz des geringen Umfangs zeigt der Park in Folge seiner Lage und verschiedenen Höhe viel Abwechselung und namentlich erwähnenswerth sind: die Hauptallee, die Grotte mit Büsten berühmter Gelehrten, eine Einsiedelei, mehrere kunstvolle Felsenparthieen und endlich das Bowlinggreen mit der Copie des Belvederischen Apolls, eines Werkes des Lauchhammers, welches zu dessen vorzüglichsten Kunstwerken gehört. Das Gewächshaus ist gleichfalls bemerkenswerth. Alle diese Anlagen krönt das Schloss. Unter einem starken, jedoch in neuerer Zeit modernisirten, siebzig Ellen hohen Thurme hinweg gelangt man in den von drei Flügeln und einigen hohen Mauern umschlossenen Hof. Das Gebäude hat fast überall drei Etagen und auf der südöstlichen Seite eine bedeutende Fronte. Das Innere des Schlosses ist ebenso geschmackvoll als modern eingerichtet und birgt einige sehenswerthe Sammlungen, sowie eine sehr hübsche Bibliothek, deren Gründer Rudolf Haubold [69] von Einsiedel († 1604) namentlich seltene Manuscripte an sich brachte. Im obersten Theile des Schlosses befindet sich die schon erwähnte, durch zwei Etagen gehende, rundum mit einer Gallerie versehene Rotonde, in welcher die namentlich in den Fächern der Geschichte, Geographie, Statistik u. s. w. wohlvertretene Bibliothek aufbewahrt wird und deren Fenster überraschende Aussichten auf die herrliche Gegend gestatten. Ein Erdbeben, welches 1552 hier bemerkt wurde, soll den Gebäuden des Schlosses einigen Schaden zugefügt haben.

Eingepfarrt in die Kirche zu Wolkenburg sind die Dorfschaften Wasseruhlsdorf, Gerbisdorf und Wolkenburg, auch war das nahe Schlagwitz früher mit der Pfarrei Wolkenburg verbunden, doch nicht als Filial, sondern als Schwesterkirche. Unter den Pfarrern zu Wolkenburg zeichnen sich zwei durch ihren tragischen Tod aus. Johannes Rabe (um 1460) fuhr mit einigen Freunden auf einem Kahne über die Mulde, um in Kaufungen zu zechen, der Kahn aber schlug um und Rabe ertrank. Peter Gruber, ein Astrolog, wurde wegen Irrlehren seines Amtes entsetzt, ging mit dem Obersten Berbisdorf (1585) als Feldprediger nach Frankreich und hatte das Unglück bei einem Gefechte gefangen zu werden, worauf ihn die feindlichen Soldaten in einem nahen Gewässer ersäuften.

O. M.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: enstanden