| II.
23. Januar.
Emerentiana,
Jungfrau, Märtyrin.
Unter den Heiligen, die im Kalender an und aufgeführt werden, gibt es Familien, und zwar ebensowohl leibliche, als geistliche, obwohl in diesem Falle auch die leiblichen geistliche werden. Wir werden auf diesen Punkt in diesen Blättern vielleicht noch ein und das andere Mal zu reden kommen. Um jedoch zu zeigen, was wir meinen, können wir gleich auf Agnes und
Emerentiana weisen.
Emerentiana war eine Milchschwester der heiligen Agnes; sie war aber auch ihre Glaubensschwester und ihre Leidensschwester. So wenig man von ihr weiß, ist dennoch die Wißenschaft, die wir haben, so groß, daß wir den Namen Emerentiana gerne an den Namen Agnes ketten und ihrer zwei Tage nach dem Gedächtnistage der frommen Agnes am 23ten Januar gedenken.
Emerentiana war noch unter den Catechumenen, als die heilige Agnes starb; also noch nicht getauft; aber ihr
| Glaube und ihre Liebe zu Christo waren bereits so groß, daß sie sich mit lauter Stimme wider all die Ungerechtigkeiten aussprach, die den Christen von den Götzendienern auferlegt wurden. Dies geschah am Grabe der heiligen Agnes, und hier, am liebsten Orte, den sie vielleicht hatte, ärntete sie gleich den Lohn, den die Welt – und den Christus den muthigen Bekennern seines Namens gibt. Die wüthende Menge überschüttete sie mit einem Regen von Steinen, Jesus aber taufte sie in ihrem Blute und reichte ihr die Palme der Blutzeugen, und wie diejenige, welche einst den Herrn mit Narden salbte, durch Christi Fügung immerwährendes Gedächtnis fand, so hat Emerentiana, die verborgene Magd, deren vielleicht sonst kein Mensch gedacht haben würde, Liebe und Ehre unter den Nationen des Abendlandes gefunden; wie man der heiligen Agnes nicht vergißt, so vergißt man auch ihrer Milch- und Glaubensschwester nicht und sagt von ihr wie von Agnes: „Schauet ihr Ende an und folget ihrem Glauben nach.“ Manche Lebensläufe füllen dicke Bücher; ein Lebenslauf wie der der heiligen
Emerentiana, ein Glaube und eine Liebe, wie die ihren und das Blut ihrer Todeswunden wiegt in den Augen des HErrn
| unzählige Lebensläufe auf. Sei, liebe Leserinnen, euer Ende selig und herrlich wie ihres, so mag es schmerzenreich und schrecklich sein in gleichem Maße: man dringt zu einem solchen Ziele mit Freuden auch durch große Schmerzen und den Hohn der Welt hindurch.
