Rosen-Monate heiliger Frauen/Agnes

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« [[Rosen-Monate heiliger Frauen/|]] Wilhelm Löhe
Rosen-Monate heiliger Frauen
Alphabetisches Namensverzeichnis
Emerentiana »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
I.
21. Januar.
Agnes,
Jungfrau, Märtyrin.


 Es gibt seit der Reformationszeit viele, denen schon eine Erinnerung an die Märtyrer und Heiligen der ersten Jahrhunderte als ein Zeichen des Papismus und des Aberglaubens gilt. Dazu erscheinen ihnen alle Geschichten der alten Heiligen nicht Legenden, das ist Lesestücke, sondern Lügenden zu sein, weil sich an manche Heiligengeschichte Sage und Fabel angehängt hat. Doch pflegt man hie und da auch einmal einen Namen gelten zu laßen, und unter diesen dürfte sich der der heiligen Agnes finden, von welcher die Kirchenväter mit übereinstimmender Ehrerbietung reden und welche Prudentius, ein Fürst unter den christlichen Dichtern, besungen hat. Und doch war diese Agnes ein Kind von erst dreizehn Jahren; ein so kurzes Leben reichte hin, sie zu einem Lichte für ferne Zeiten zu machen. Was dies Kind gesagt, gethan, gelitten, ist weit und breit bekannt worden| und hat sie bis auf diese Stunde zu einem Liebling vieler Menschen gemacht. Agnes heißt sie und dieser Name bringt sie in eine Verwandtschaft mit der Lammesart, denn Agnus heißt ja ein Lamm; man malt sie auch gerne mit einem Lamme, anzudeuten, daß sie ein unschuldiges Lämmlein des Lammes Gottes gewesen sei. Als die Dreizehnjährige einmal von der Schule heimgieng, sah sie der Sohn des Stadtpräfekten Symphronius. Ihre Anmuth und Schönheit erweckte in ihm den Gedanken, den auch viele andere Jünglinge von Rom gefaßt hatten, daß er sich keine beßere Gemahlin wünschen könnte. Allein er so wenig wie andere gewann die Gunst des zarten Mädchens, sie hatte für ihn wie für alle ein würdiges Nein, an welchem sich aber gerade die brünstige Begier des Freiers entzünden konnte. Der Vater des jungen Mannes hörte mit Vergnügen, daß Agnes den Freiern immer die Antwort gebe, „sie sei schon verlobt,“ und daß dies Verlöbnis ein geistliches mit Christo sei. Von dieser Thorheit glaubte er sie heilen zu können; allein er irrte sich in seiner Macht. So wenig Agnes von den Lockungen ihrer Freier angezogen wurde, eben so wenig erschrak sie vor den Drohungen und vor den Zurüstungen der Marterwerkzeuge,| die man vor ihren Augen vornahm. Ihre Seele war in Wahrheit Christo verlobt, und flammte in bräutlicher Liebe zu ihrem HErrn; von dieser Liebe aber steht geschrieben, daß sie stark sei wie der Tod. Das brennende Feuer, die eisernen Krallen, die Folterbank, alles sah sie mit Heiterkeit an und wartete nur darauf, daß man sie den Peinigungen übergäbe, ja sie äußerte unverhohlene Freude, für ihren Herrn leiden zu dürfen. Man schleppte sie zu den Götzen und wollte sie zwingen, denselben ein Rauchopfer zu thun; da hob sie die Hand, aber nicht um Weihrauch zu streuen, sondern sie machte das Zeichen des Kreuzes. Da diese zarte junge Braut des HErrn einen so unüberwindlichen Widerstand leistete, bedrohte man sie, ihre Keuschheit in einem Buhlhause preiszugeben; sie antwortete fest: „Jesus Christus sei zu eifersüchtig auf die Reinheit seiner Bräute, als daß er ihnen ihre Keuschheit rauben ließe.“ „Mein Blut kannst du vergießen, sagte sie, aber meinen Leib, der Christo geweiht ist, wirst du nicht entweihen können.“ Der ungerechte Richter führte seine Drohung aus, der HErr aber that, was Agnes glaubte; ihr Leib war sicher, wunderbare Veranstaltungen des göttlichen Schutzes erzählt das| Alterthum. Ehrfurcht habe auch ausgeschämte Buben ergriffen, der unverschämteste von allen, der ihr zu nahen suchte, sei von Gott getroffen dahingestürzt in den Tod. Es sei der Sohn des Richters selbst gewesen. Doch sei dieser auf das Gebet der Jungfrau wieder lebendig worden und zwar doppelt lebendig, denn ein neues Leben aus Gott habe ihn durchdrungen, er sei der Erbe der Gesinnungen der heiligen Agnes geworden, und auf diese Weise habe die Gnade die Sünde überwogen. Ihr selbst wurde jedoch auch durch diese Wunder der tödliche Haß ihrer Feinde nicht entwendet. Auf den Scheiterhaufen geworfen wurde sie von den Flammen nicht angegriffen, wohl aber hörte man die Stimme der Jungfrau, die Gott bei aller Todeslust dennoch für dieses rettende Wunder preisen konnte. Als sie nun zur Enthauptung verdammt wurde, versuchte der Scherge noch einmal, sie auf andere Gedanken zu bringen. Sie hatte aber im Angesicht des Schwertes die alte Antwort, die nemlich, daß sie ihrem hochgelobten ewigen Bräutigam nimmermehr die Treue breche. Darauf betete sie kurz und neigte ihr Haupt zum Todesstreiche. Unzählige Thränen der Umstehenden floßen, als das zarte Mägdlein, eine Erbin unermeßlicher| irdischer Güter, umwallt von leuchtender Schönheit, mit Ketten beladen, sehnsuchtsvoll den Todesstreich empfieng, welches geschah am Tage, von dem wir reden, während der Diocletianischen Verfolgung im Jahre 304 oder 305. – Die lutherische Kirche besitzt ein altes Marterbuch, geschrieben von Doktor Hieronymus Weller, einem Schüler Martin Luthers, der einmal bei Tische zu ihm gesagt hatte: „Domine Hieronyme, ihr habt einen sehr bösen Geist, der euch plagt und anficht, gleichwie auch ich und Magister Philipp Melanchthon und Doktor Caspar Creutziger auch haben.“ Doktor Hieronymus solle, setzte Luther dazu, zu seiner Erquickung die Historien etlicher vornehmer Märtyrer vor sich nehmen, sie ansehen, lesen, auslegen und erklären. Das that er denn auch in dem genannten Buche, welches im Jahre 1700 neu mit einer schönen Vorrede A. H. Francke’s erschien. In diesem Buche findet man auch mit sichtlichem Wohlgefallen die Geschichte der heiligen Agnes erzählt, und weil es denn dem jetzigen Geschlechte gut ist, eine Heiligengeschichte aus der Feder eines Freundes Luthers zu vernehmen, so haben wir in der Anmerkung unten die Passionsgeschichte der heiligen Agnes noch einmal aus Wellers Hand gegeben, sonderlich um| der Erzählung willen ihres herrlichen Gebetes, damit sie den wüsten Jüngling zum doppelten Leben erweckte. Wer das liest, der achte darauf, und die jungen zarten Mägdlein Christi mögen sich dabei ein Wörtchen in ihre Seele sagen laßen, oder sich es selber sagen, dies nemlich: „Sieh hier an einem leuchtenden Beispiel, zu welcher Verklärung und Kraft des Glaubens und der Liebe auch die frühe weibliche Tugend gelangen kann, wenn sie sich völlig dem Bräutigam Christo ergibt.“
 * „Agnes ist eine römische und keusche Jungfrau gewest, von ehrlichen christlichen Eltern geboren, und wegen des Herrn Christi im 13. Jahre ihres Alters gestorben, oder (wie der heilige Bischof Ambrosius von ihr saget) hat den Tod verloren und das Leben überkommen. Denn, als sie auf eine Zeit des Statthalters Sohn sahe aus der Schulen gehen, hat er sie alsobald liebgewonnen, daß er aus Liebe krank worden ist. Als aber sein Vater der Krankheit Ursach von den Aerzten erfahren, hat er Agneten für sich gefordert, sie mit Bitte und ernsten Worten, seinen Sohn zu ehelichen, überreden und bewegen wollen, welches sie abgeschlagen, in Ansehung, daß sie ohne Verletzung ihres Gewißens und ohne ihrer Seelen Heil und Seligkeit solches nicht thun und einen Heiden zur Ehe nehmen könnte. Dadurch Symphronius dermaßen über sie erbittert, daß er ihr| befohlen, sie sollte entweder neben anderen heidnischen Jungfrauen der Göttin Vesta opfern, oder in ein gemein Frauenhaus gehen. Darauf sie geantwortet, sie könne dieser beiden fürgeschlagenen Befehlen keinem nachkommen, sintemal ihr vom ewigen, lebendigen und wahren Gott, dem sie diente, ein Engel, so auf sie beschieden ihre Zucht und Ehre zu beschützen, zugegeben sei. Derowegen sie alsbald nackend und blos in ein gemein Frauenhaus öffentlich geführet. Darob denn des Symphronii Sohn nicht eine kleine Freude empfangen, denn er sich ungesäumet mit seiner Gesellschaft in das Haus, seinen bösen Willen mit ihr zu verbringen, verfüget, und erstlich seine Gesellen zu ihr hineingeschicket, welche die Agnetem mit einem hellen Glanz und klarem Lichte umgeben, und zu Gott mit rechter und herzlicher Andacht betend gefunden, und ob diesem Spektakel sich so heftig entsatzt haben, daß sie schleunig umgekehret und zum Hause hinaus wiederum gegangen sind. Als sie aber der Jüngling, des Symphronii Sohn, so erschrocken und bestürzt sahe, höhnet und verspottet er sie, als verzagte, so keine Mannes-Herzen hätten, und prellet also redend zur Jungfrau hinein; wie er sie aber anrühren wollen, ist er des jählichen Todes gestorben und zu Boden gefallen. Seine Gesellen aber, so auf ihn warteten und ob dem langen Verzug, daß er nicht wieder zu ihnen herauskam, ein Misfallen trugen, ermannten sich und giengen in der Jungfrauen Gemach, funden ihn auf der Erden todt liegen, huben an zu schreien und dermaßen zu wehklagen, daß ein sehr groß| Zugelaufe von jedermann dahin und mancherlei Reden gehöret ward, denn etliche Agnetem für eine Zauberin, etliche aber für eine heilige, gottselige und unschuldige Jungfrau hielten.“
.
 „Symphronius aber fragte Agneten, aus was Ursach sein Sohn so plötzlich gestorben wäre? Darauf sie geantwortet, daß sein Sohn vom Engel, so auf sie beschieden, und ihr zu einem Hüter zugegeben, geschlagen wäre, darum, daß er ihren Gott, auf den sie sich verließe, der sie auch beschützte, beleidiget und sich an ihm vergriffen hätte. Symphronius, da er das hörte, sprach, er wollte der Agneten nicht eher glauben, daß sie keine Zauberin wäre, sie verschaffte denn, daß sein Sohn wieder lebendig würde. Darauf antwortete sie und sprach: „Wiewol ich solches von Gott, meinem HErrn, zu erlangen, ganz unwürdig bin, mein Glaube auch dies vom HErrn zu überkommen nicht verdienet; jedoch dieweil es jetzt die Zeit erfordert, daß die Kraft meines lieben HErrn Jesu Christi, so in den Schwachen stark ist, geoffenbaret und erkannt werde, will ich deinem Befehl nachkommen;“ hieß sie allesammt von ihr hinausgehen, fiel auf ihre Knie, hub ihre Hände mit weinenden Augen gen Himmel und betet mit ganzem Ernst. Da sie also betet, erschien ihr der Engel des HErrn, ermahnet und tröstete die betrübte und weinende Agnetem und machte den todten Jüngling wieder lebendig, welcher, da er vom Tode auferweckt, alsbald mit heller Stimme anfieng zu sagen: „Allein der einige Gott, so Himmel und Erden und das Meer regieret, welchen die Christen bekennen, ehren und| anbeten, ist der rechte und wahrhaftige Gott; die anderen Götter überall, so von den Heiden geehret und angebetet werden, sind nichtige und erdichtete Götter, so weder ihnen selbst noch anderen helfen können.“ Auf diese des Jünglings Rede ein großes Zulaufen ward, daß es nicht viel fehlet, es wäre in der Stadt eine Empörung worden. Denn die Wahrsager und heidnische Priester fürgaben, der todte Jüngling wäre mit Zauberei wieder lebendig gemacht, die andern aber schrieen laut und sprachen, dieses Wunderwerk wäre von Gott geschehen. Furcht sich Symphronius der Statthalter, er möchte, wenn er Agnetem ungestraft ließe, verdammt und vertrieben werden, gieng er davon und befahl Agnetem seinem Stadtvogte. Der wollte sie verbrennen; da er aber sahe, daß das Feuer ihr nicht schadete, sie auch nicht umbringen wollte; ließ er sie den Henker mit einem Schwert erstechen. Hat also die Krone der Ehren bekommen, ruhet nun im HErrn Christo ihrem Bräutigam. Ihre Eltern aber haben den todten Körper ihrer lieben Tochter ganz ehrlich zur Erden bestattet und begraben den 21. Tag Januarii nach Christi Geburt, im 309. Jahre.“




« [[Rosen-Monate heiliger Frauen/|]] Wilhelm Löhe
Rosen-Monate heiliger Frauen
Emerentiana »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).