Sage vom Fürstensaale in Neuendorf

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Sage vom Fürstensaale in Neuendorf
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 82–85
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Originaltitel:
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Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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691) Sage vom Fürstensaale in Neuendorf.
Nach mündlicher Ueberlieferung bearbeitet von Julius Schanz.

Zur Zeit Kaiser Friedrichs II., ungefähr um das Jahr 1227, war auch im Voigtlande ein reges Leben und Treiben. Vor Allem war das Schloß Neuendorf, dessen Besitzer die Grafen von Reibold waren, der Sammelplatz der jungen Ritter in der Umgegend; denn hier wohnte ein wunderschönes Fräulein, mit Augen so blitzend wie Diamanten, mit Wangen so blühend wie Rosen, mit Haaren so blond wie Gold. Doch im schönen Körper wohnte auch eine schöne Seele. Sanft wie das einer Taube war ihr Gemüth, der Adel ihres Geistes strahlte aus den blauen Augen und verklärte ihr Angesicht, daß sie Allen wie ein Engel in Menschengestalt erschien. Kein Wunder also, wenn Tag für Tag das Schloß ihres Vaters voll von jungen Rittern war, die sich an sie herandrängten, um nur einen Blick aus ihren schönen blauen Augen zu erbeuten und dafür ihr ganzes Herz ihr vor die Füße zu legen. Doch, nur Einer hatte ihr Herz gewonnen und ihn liebte sie mit der ganzen Gluth, welche dem tiefen Gemüthe der Frauen eigen ist und welche täglich durch den Gedanken, daß man wieder warm und feurig geliebt werde, zu immer größeren Flammen angefacht wird. Der Glückliche, der der Reinen Herz gewonnen hatte, war der junge Graf Otto von Stubenberg. Er war von Gestalt ein Adonis, braune Locken fielen wallend auf seine Schultern herab und sein Wuchs war hoch und schlank wie eine junge Eiche. Sein Auge war feurig, denn in ihm wohnte ein wackrer und muthiger Geist, der für das Edle entflammt war und in dem mit glühenden Zügen eingegraben stand: „Gott und mein Recht!“ – Sein Arm war stark und in allen Gauen des Voigtlandes wußte Keiner so gut das Schwert zu schwingen oder die Lanze im Turniere zu führen, wußte Keiner so gut in den dunklen Forsten den Eber zu erlegen oder den Bären darniederzuwerfen als Otto von Stubenberg. Sein ganzes Wesen verklärte wie die [83] Sonne die reine, keusche Minne und wie ein Kleinod trug er das Bild Rosamundens in seinem Herzen.

Tag für Tag stellte sich der Jüngling auf dem Schlosse ein und ihre Tage flossen, von Liebe bekränzt, leicht und schnell dahin. Zwar waren der Bewerber viele und unter ihnen reichere und angesehenere Herren als Otto, aber sein edler Sinn bewirkte, daß ihm alle freiwillig den Vorrang räumten. Nur Einer wollte nicht weichen: Herr von Römer nennt ihn die Sage, dessen Geschlecht, eines der ältesten des Voigtlandes, alle anderen an Reichthum und Glanz überstrahlte. Er war zwar auch schön und wohlgewachsen, aber seine Seele war schwarz und heimtückisch. Rosamunde konnte ihn nicht lieben, denn nichts war ihr mehr zuwider, als List und Verstellung.

Lange lebten die beiden Liebenden glücklich im Wonnerausch ihrer jungen Seligkeit und schon sollte in den nächsten Monaten die Hochzeit mit allem Glanze der damaligen Zeit gefeiert werden. Da erschien eines Tages ein kaiserlicher Herold, alle Ritter auffordernd, dem Heere des Kaisers zuzuströmen, der über’s Meer ziehen wolle, um den Ungläubigen das gelobte Land zu entreißen, das sie widerrechtlich im Besitz hätten. Entflammt von Thatenlust eilte die Blüthe der Ritterschaft herbei und ließ sich das Zeichen des Kreuzes aufheften, um sich für dasselbe in die Schlacht zu stürzen. Auch Otto von Stubenberg hörte die Kunde und ihn ergriff eine unnennbare Sehnsucht, das Land zu sehen, von wo der Strahl des Glaubens ausgegangen war, und an dem Orte zu beten, wo der Erlöser gewandelt und gelitten. Da dachte er an seine Rosamunde, gedachte seiner Liebe, seines nahen Glückes. Ein harter Kampf entspann sich in ihm, bis endlich das Gefühl für Recht und Pflicht in ihm obsiegte. Er ging zu Rosamunden, um ihr seinen Plan, seinen gefaßten Entschluß zu offenbaren. Gefaßt hörte ihn diese an, gefaßter, als er selbst vermuthet hatte. „Ziehe hin,“ sprach sie „ziehe hin in den Kampf, den Dir Deine Pflicht gebietet. Dies trage als Andenken von mir,“ sprach sie weiter, indem [84] sie eine Locke von ihrem Haupte schnitt und ihm darreichte. –

„In zwei Jahren bin ich wieder bei Dir,“ rief Otto begeistert, „diese Locke soll mich stets im Schwerterklang an Dich mahnen. Lebe wohl!“ –

Glühende Küsse drückte er auf ihren Mund und stieg zu Rosse. Bald waren die letzten Helmbusche hinter den Bergen verschwunden – und Rosamunde war allein. Sie hatte ihnen nachgeblickt, und als sie in der Ferne nichts mehr erkennen konnte, weinte sie in ihrem Zimmer heiße Thränen.

Tapfer kämpfte Otto von Stubenberg im gelobten Lande und einer der Ersten pflanzte er das Panier auf die Mauern Jerusalems, so daß sein trefflicher Herr und Kaiser ihn öffentlich lobte und auszeichnete. Er ward ein Schrecken der Sarazenen und vor seinem Schlachtruf flohen sie erschreckt in’s Weite.

Als nun das Ende der zwei ausbedungenen Jahre heranrückte, saß Rosamunde oft einsam auf dem Thurme und blickte hin nach den Bergen, ob sie das Banner ihres heimkehrenden Geliebten noch nicht entdecke. Aber vergebens sandte sie ihre Blicke in die Ferne. Die zwei Jahre vergingen und Otto kam nicht. Da floßen oft heiße Thränen über ihre blühenden Wangen, denn sie dachte, der Geliebte sei todt oder in Sclaverei. Immer heftiger drangen jetzt auch ihre Eltern in sie, sich zu vermählen, und sie sah sich endlich gezwungen, dem Herrn von Römer ihre Hand zu reichen. Die Vermählung ward mit größtmöglichstem Glanze vollzogen und die Blüthe der heimgekehrten und neuherangewachsenen Ritterschaft aus der ganzen Umgegend stellte sich ein zum Hochzeitmahle. Am Abend ward das Bankett gehalten. Trompeten tönten durch den Saal, die mit goldenen Weinen gefüllten Becher klangen lustig an einander und Alles war voller Freude und Wohlleben. Nur Rosamunde saß bleich und trübsinnig da, denn der Kummer um den Verlorenen nagte an ihrer Seele. Da erschien ein Fremder, ein Pilger. Nun [85] war es in damaliger Zeit Sitte, daß, wenn ein Pilger zu einer Hochzeit kam, die Braut ihm ihren Teller reichte. Auch Rosamunde stand, als sie die Kunde von dem Pilger vernahm, von ihrem Sitze auf, um der Sitte Genüge zu thun, der Fremde aber stand hinter ihr und warf eine Locke auf ihren Teller, den sie in ihrer Hand hielt. Sie fiel ihm lautschreiend um den Hals: „Stubenberg! mein Stubenberg!“ – Die Ritter flogen von ihren Sitzen empor und starrten erstaunt auf das Paar, der Bräutigam fuhr nach seinem Schwerte und drang auf Otto ein. Dieser aber hatte mittlerweile den Pilgeranzug abgeworfen und es begann ein Kampf auf Tod und Leben um die weinende Rosamunde. Nach wenig Augenblicken lag Herr von Römer todt am Boden.

Der Saal, wo der Kampf ausgefochten ward, ist der sogenannte Fürstensaal im Schlosse Neuendorf. Noch heute sind die Blutflecken auf dem Boden desselben zu sehen. Zur Nachtzeit will man oft darin Schwerterklirren und Todesröcheln vernehmen und noch zu Zeiten soll der Geist des Erstochenen in blutgeflecktem Gewande darin herumgehen.