Sagen aus Oberschwaben
Im itzigen sog. Buchauer Wald, wo der Fuss-Weg von Dürnau nach Armenschweiler führt, nahe der alten Strasse, steht noch eine kleine überwachsene Anhöhe. Hier stand vor alten Zeiten ein Schloss. Spuren davon sind jezt nicht mehr zu sehen; die Alten wussten noch etwas von Mauer-Ueberresten. Die alte Sage hat sich aber immer noch erhalten: in diesem Schlosse hätte man ein goldenes Kegelriss oder Spiel gehabt, mit dem die Geister gekegelt. Einige alte Leute hätten öfters die Geister da kegeln sehen. Einmal, in der Seelenwoche, sei Nachts ein Mann aus Dürnau, Namens Matthäus Müller, diesen Wald passirt. Da sei es an ein Holzhauen und Toben gegangen, dass man meinte, der ganze Wald breche zusammen. Des andern Morgens trieb doch die Neugierde den Mann wieder hinaus in den Wald, aber er sah kein Stücklein verlegt. Uebrigens ist wegen dieser Gespenstersage dieser Wald ehedem sehr gescheut worden.
Von derselben stehen noch die vier Wände, am Abhange des Waldes dem Ried des Federsees zu. An diesem Platze sollen einst [283] der Gemahl der hl. Adelindis und ihre drei Söhne in einer Fehde gefallen sein. Da habe die Heilige hier ihren Gemahl beweint und gefleht, ihn auch nur Einmal noch im Leben sehen zu dürfen. Eines Tages, als sie eben wiederum diese Bitte zum Himmel schickte, es war Morgens zwischen 8 und 9 Uhr, erhob sich ein sanftes Windle und in diesem erschien ihr der Gemahl; auf einige Augenblicke stand er vor ihr da. Auf dem Platze nun, wo er stand, liess sie eine Kapelle erbauen, zugleich aber auch in der Nähe auf der grünen Buchenau mitten im See erbaute sie das Kloster Buchau (nachmalige Stift). Täglich sei sie hinaus in diese Kapelle, habe die lieben Todten beweint (planctus, daher Plankentalkapelle[WS 1]) und ausgerufen:
Windle, Windle weh’
Dass ich meinen lieben Gspon auch wieder seh’.
Das Volk nennt sie heute noch die »Windkapelle«.
In späterer Zeit ging einmal am hellen Tage der Schneider Friedrich Brukmaier, ein armer Mann, an dieser Kapelle vorbei. Da sah er einen Haufen Haselnüsse am Boden liegen, davon aber jede ein Löchlein hatte. Doch, dachte der arme Mann, er wolle seinen Kinderlein eine Handvoll mitnehmen, langt in seine Tasche und als er sie zu Hause auf den Tisch hin leerte, warens lauter Vierundzwanziger. Wie das aber den armen Mann gereut hat, dass er nicht alle mit genommen! Wol ging er wieder heimlich hinaus; aber es lag keine einzige mehr da; der rechte Augenblick war verpasst. Sein Leben lang betrachtete er dies als ein Geschenk der hl. Adelindis an seine armen Kinder[1].
Dieses »Käppele« steht an der Strasse von Buchau nach Kanzach so ziemlich in der Mitte zwischen drei uralten hohen Linden. Ursprünglich klein wurde es seit einigen Jahren vergrössert und mit einem Altärlein zum Messelesen versehen. Das Volk aus der ganzen Umgegend wallfartet sehr viel dorthin, besonders an den Freitagen. Das uralte Ruh-Christi-Bild gilt als Gnadenbild. Nach der Volkssage ist es ein Votiv-Käppele. Es irrte ein Wanderer, von Braunenweiler her nach Kappel wollend, fast die ganze Nacht auf dem Felde herum. Welche Richtung er immer einschlug, er kam eben vom Wald zum See und von diesem wieder zum Walde und in keinen konnte er hineingehen. Vor Angst und Ermattung schlotternd gelobte er eine Kapelle bauen zu lassen, wenn er glücklich heimkomme. Aber er sank nieder, schlief ein. Wie Jakob einst die grosse Leiter, so sah er im Traume das Bild der Ruhe-Christi aus dem Boden herausschauen. Dem zu Ehren, [284] das war ihm ein Wink, entschloss er sich die versprochene Kapelle zu bauen. Er wachte auf und siehe, die Sonne beschien schon sein kahles Haupt. Er fand sich wieder gestärkt, sah, dass er auf seinem eigenen Grund und Boden unversehrt und ruhig geschlafen; erkannte auch sogleich das Plätzlein, wo dies sog. Vesperbild aus dem Boden herausgeschaut hat. Er dankte Gott für seine Rettung, ging eilends heim und holte Schaufel und Spaten und grub nach. Kaum drei Schuhe unter den Boden fand er dieses Bild. Hier habe ich geruht, sprach er, hier hat dies Bild im Verborgenen geruht, hier soll es auch ruhen fortan unter sicherem Obdache. Das die Sage über die Entstehung dieser Kapelle. In späteren Jahren ging Pankraz Knoll aus Dürnau in seinen Hochzeittagen von Neufra heim nach Kappel. Die Thurmuhr in Kappel schlug eben 12, als er am Käppele vorbeiging. Da mahnte es ihn, doch nicht vorüberzugehen. Er kniete in einen Stul hinein und betete ein Vaterunser. Als er herausging, sah er einen schwarzen Pudel mit feurigen Augen; dieser lief hinter ihm, dem todtgeängstigten Mann nach, ohne ihn weiter zu belästigen, bis nach Kappel, wo er plözlich verschwand.
Zu Moosburg (am Federsee, wo das Mausoleum der lezten Fürstin von Buchau, Maximiliana, Gräfin v. Stadion, erbaut wurde und welchen itzigen Weiler sie selbst a. 1791 anlegen liess) im Wirtshause sass einst ein Mann von Betzenweiler bis tief in die Nacht hinein. Da es gar so finster war, rieth man ihm zu bleiben bis zur Morgendämmerung, denn er könne ja ganz leicht verirren. Er aber entgegnete höhnisch: »Ich gehe und wenn der Teufel kommt, ich fürchte den nicht.« Nun gab man ihm ein papiernes Laternlein mit. Als er in der Nähe des Waldes angekommen, lief immer Jemand hinter ihm drein. Blieb er stehen, so stand jener auch; ging er wieder seines Weges weiter, so jener ihm nach. Endlich, da ihm die Sache doch verdächtig vorkam, ermannte er sich, drehte sich um und sprach zu dem Manne: »Weiche Satan!« Und auf das hin fuhr ein feuriger Mann hinter ihm in die Höhe und dieser Mann war so lang, wie ein Wisbaum, er war voll Feuer und ich sah ihn, erzählte nachher der Geängstete, so deutlich, dass ich ihm hätte die Rippen zählen können. Auf dies Vorkommnis hin wurde dieser Mann wirklich eine Zeit lang geisteskrank. Später sagte er, dass er sein Leben lang nie mehr spötteln wolle.
- ↑ Sieh ausführliches Volkst. I 22.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Pankentalkapelle
Die Sagen finden sich auch als Einzeltexte unter: