Schwarze Freunde

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Autor: C. F
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Titel: Schwarze Freunde
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 828–829
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Schwarze Freunde.

Zur Erinnerung an Ed. Robert Flegel, † am 11. September 1886 in Graß am Nigerstrom.

Auf meinem Schreibtische liegt in einer Glasschale eine vertrocknete Kolanuß. Ein Produkt afrikanischen Bodens, erinnert sie mich an einige interessante Stunden meines Lebens, die ich in einer gemischten, schwarz-weißen Gesellschaft zugebracht habe.

Als im Oktober des Jahres 1884 Ed. Robert Flegel von seinen denkwürdigen Reisen in Haussa und Adamaua zurückgekehrt war, eilte ich zu ihm nach Berlin, um mit dem berühmten Afrikaforscher über einige litterarische Unternehmungen zu verhandeln. Damals gingen die Wogen der kolonialen Begeisterung besonders hoch, und die heimkehrenden Forschungsreisenden wurdeu überall mit Jubel und Auszeichnung begrüßt. Auch Flegel’s Ankunft in Deutschland glich einem kleinen Triumphzuge, an dem sich nicht allein die geographischen Vereine, sondern auch weitere Kreise betheiligten. Ich brauche nicht zu bemerken, daß der Lorbeer, mit welchem man den ausgezeichneten Mann bekränzte, wohl verdient war. Schon einmal wurde in diesem Blatte der großen Verdienste Flegel’s in gebührender Weise gedacht. (Vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1884, S. 710.)

Flegel war gerade in Berlin angekommen, als ich laut Verabredung ihm im Hotel „Stadt Magdeburg“ aufsuchte. Er war nicht allein, sondern in Begleitung zweier Hanssa-Neger, Mohamman dan Mohamman und Mohamman dan Tambari, die er mitgebracht hatte und die seiner Zeit so viel angestaunt und – bewundert wurden. Der Eine von ihnen, Mohamman dan Mohamman, mit dem Beinamen „der Alte mit dem Barte“ (mai gasin baki), überreichte mir die Kolanuß als Zeichen seiner freundlichen Gesinnung, wie mir Flegel erklärte.

Heute wandelt „der Alte mit dem Barte“ wiederum unter den Palmen an den heimatlichen Ufern des Niger und Benue und erzählt wohl seinen staunenden Brüdern von den Wundern, die er in Deutschland geschaut; sein weißer Freund aber, der in Haussa und Adamaua unter dem Namen „der Knecht des Allbarmherzigen“ bekannt ist, ruht in fremder Erde, schläft den ewigen Schlaf in dem heißen Boden Afrikas, den er mit friedlichen Waffen für fein Volk zu erobern trachtete.

Die Zeit verflog rasch, als mir Flegel von jenen fernen Ländern erzählte, „in welchen jede Spnur europäischer Kultur verschwindet und selbst die Natur so anders geartet erscheint, daß uns an die Heimat nur Regen und Sonnenschein, nur Lachen und Weinen der Menschen erinnern.“

Mehr als einmal erwähnte er dabei lobend und anerkennend seines „Freundes“ Mohamman mai gasin baki. Ja er war für den „Alten“ so sehr eingenommen, daß ich in der That glaube, einen der innigsten Wünsche des Heimgegangenen zu erfüllen, wenn ich heute den weiten Leserkreis dieses Blattes mit dieser eigenartigen Gestalt ein wenig vertrauter mache. War doch die letzte größere litterarische Arbeit Flegel’s, die er an Bord des Schiffes „Coanza“ abfaßte, der Verherrlichung dieses Negers gewidmet.

Der schwarze Mann, in dem kleidsamen Gewände und weiten Turban, blickt auf ein wechselvolles Leben zurück, das uns Europäern unter Umständen recht romantisch erscheinen dürfte. Er ging „mit den Schätzen eines Knaben“ (das heißt mit geringen Mitteln) auf seine erste Handelsreise; denn sein Anlagekapital repräfentirte den Werth von etwa 30 Mark. Aber durch kluge Umsicht wußte er sich zum reichen Mann emporzuschwingen und ward ein angesehener Karavanenführer. Auch Kämpfe hatte er zu bestehen und trug über seine Feinde manchen Sieg davon. Mit 500 Mann trotzte er einer dreimonatlichen Belagerung übermächtiger Feinde und schlug endlich 10 000 Schilde in die Flucht. Damals, es war in den sechziger Jahren, war Mohamman stets beritten, hatte Köcher, mit Pantherfell bezogen, und trug ein paar Wurfeisen über der Schulter, wie die südlichen Heidenvölker sie führen. So war er gewiß eine ritterliche Erscheinung, die den Männern Respekt einflößte und die Herzen der Frauen gewann. Er feierte auch mehr als eine Hochzeit, allerdings mit wechselndem Glück, obwohl er nach dem Haussa-Recht vier Frauen haben durfte; denn von seiner ersten Gemahlin war er selbst auf Nimmerwiedersehen davongeritten; eine zweite ließ ihn im Stiche, und mit den anderen lebte er nur zu oft in Zank und Streit. Aber daran war wohl sein Hang zum Reisen schuld, das „Herz, welches die Heimat nicht mochte“.

Mohamman mai gasin baki hatte auch Unglück gehabt. Er ließ sich verleiten, sich auf Kosten einer Karavane, deren Führer er war, zu bereichern. Das fremde Gnt brachte ihm jedoch keinen Nutzen. Arm, zu Fuß kehrte er in seine Heimat zurück. Zerknirscht und geläutert durch das Schicksal, stand er am Bruuuen in Loko, als ihn Flegel zum ersten Male erblickte und in seine Dienste nahm.

Welcher Art diese Dienste waren, das beweist am besten der Dank, welchen die afrikanische Gesellschaft in Berlin am 4. Oktober 1884 den schwarzen Begleitern Flegel’s ausgesprochen hat (vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1884, S. 712).

Der zweite Neger, Mohammau dan Tambari, spielt in den Reisen Flegel’s nur eine untergeordnete Rolle; er war auch nur als Reisegesellschafter des „Alten mit dem Barte“ nach Deutschland gekommen.

Flegel beabsichtigte, sobald ihm seine wissenschaftlichen Arbeiten es gestatten würden, eine feuilletonistische Schilderung der von ihm bereisten Länder für die „Gartenlaube“ zu schreiben und übergab mir zu diesem Zwecke eine Anzahl von Jllustrationsvorlagen, von denen zwei diesen Artikel schmücken. Die Anfangsvignette stellt einige Erzeugnisse des Kunstgewerbes in Adamaua dar (Helm, Satteldecke, Schwerter, Flasche ec.). Das zweite Bildchen giebt eine Ansicht der Hossere Tadim wieder, einer Gebirgsgrnppe in Adamaua, welcher Flegel zum Andenken an deu verdienteu Geographen Dr. Ernst Behm den Namen Behm’s Berg beilegte.

Während ich mit Flegel die Skizzen seines Reise-Tagebuches durchsah, schrieb einer der Neger eifrig in einem dicken Hefte. „Die Leute,“ erklärte mir Flegel, „führen auf meine Veranlassung in ihrer Muttersprache ein Tagebuch über die Eindrücke, welche sie in Europa empfangen. Ich beeinflusse sie gar nicht in ihren Aufzeichnungen und hoffe am Ende unseres Ansenthaltes in Deutschland ein ethnographisch und psychologisch interessantes Schriftstück von ihnen zu erhalten.“

Leider war es Flegel nicht vergönnt, die Aufzeichnungen feiner schwarzen Begleiter in vollem Umfange auszunutzen. Während feines Aufenthaltes in der Heimat hinderten ihn daran Krankheit und Ueberbürdung mit wissenschaftlichen Arbeiten. Erst die Muße der Seereise wollte er zur Sichtung des Materials verwenden; aber unter den Gepäckballen vermochte er nur einen Theil des Tagebuchs zu finden, und so sind nur „Lose Blätter aus dem Tagebuch meiner Haussa-Freunde und Reisegefährten.“ Von Ed. Robert Flegel (Hamburg, L. Friedrichsen und Komp.) in die Öffentlichkeit gedrungen.

Sie sind so charakteristisch, daß ich einige Proben an dieser Stelle wiedergeben möchte: „Wir haben Gutes gesehen,“ schreiben die Haussa-Neger, „nichts Schlechtes haben wir gesehen in diesem Lande. Die Dinge, welche in dieser Stadt (Berlin) sind: Pferde ohne Ende! Wir sind gegangen und saßen in einem Schiff, welches über das Land hinfährt (Eisenbahn); dreißig Tagereisen sind wir an einem Tage gefahren. Wir haben keinen Wald gesehen, sondern Häuser und immer wieder Häuser …

Wir sahen das Haus des Sariti-n-Berlin (Königs von Berlin), in welchem man Filzschuhe anzieht, weil es sehr glatt ist und damit man [829] nicht fällt. Dieses Haus flößte uns Ehrfurcht ein! Räume, Räume, zahllose Räume großer Könige! Verschieden, verschieden stets, jeder Raum für sich in seiner Art. Was du in diesem siehst, wirst du im nächsten nicht sehen: zahllos ohne Ende!

Wir sahen ein Licht, ein Licht des Windes der Luft (Gaslicht), das hervorkam aus der Erde, ein Licht von einer bösen Leuchtkraft in Wahrheit. In einem Lichte waren wohl tausend Lichter enthalten. Die Ursache, daß wir dieses Licht sahen, war der achtundachtzigste Geburtstag des Kaisers.

Wir sahen saussi hazo (das erste Wort bedeutet Ausgleiteu auf nassen Wegen, das zweite Reif), die Eisbahn bei der Rousseau-Insel. Die Kälte auf dem Wasser war wie Stein. Frauen und Männer, Kinder und Große vergnügten sich da, auf Eisenschuhen zu laufen. Wir auch, wir vergnügten uns auf dem Eise, aber sitzend auf einem Gleitstuhle wie Kinder.

Wir hörten ein Wort in Berlin: Pos Neija (Prosit Neujahr); die ganze Stadt, Große und Kleine, alle riefen Pos Neija. Wir wissen das Herkommen, Ursprung des Wortes nicht. Ob es, wie bei uns, die Tschika-u-zekara (Ende des Jahres) ist, wissen wir nicht.“

Auch Flegel’s erwähnen seine Freunde in ihrem Tagebuch: „Abdurahamani (der Knecht des Allbarmherzigen) ist der Vermittler, der uns nach Berlin gebracht hat. Als wir in Berlin waren, legte er sich, er war krank. Diese Krankheit des Abdurahamani versetzte uns in Furcht. Madugu Mohamman dan Mohamman und Madugu Mohamman dan Tambari, wir danken Gott, dem Könige der Könige, für das Auferstehen des Abdurahamani: wir freuen uns sehr! Abdurahamani, danke du dem Dr. A., denn er ist der große Medicinmann der Berliner, danke du den Berlinern allen, Männern wie Frauen, denn sie lieben dich.“

Die Schwarzen haben richtig beobachtet. Flegel war in der That eine der liebenswürdigsten Erscheinungen in der glänzenden Schar hervorragender Afrikaforscher. Er war keine jener rücksichtslosen Naturen, die mit Gewalt sich den Weg erzwingen, auf rauchende Trümmer zurückschauen und über blutige Leichen hinwegschreiten. Und wenn er auch schrieb: „Im Sturm ist hier nichts einzunehmen, wir müssen uns zur List bequemen,“ indem er Mephisto’s Worte, die dem blonden Gretchen galten, auf seine „schwarze Geliebte“, auf Afrika, bezog – so war er doch niemals ein Intrigant und trotz seiner „List“ durchaus unfähig, niedrige Jntrigen seiner Feinde zu durchkreuzen. Er wandelte stets auf geraden Pfaden, und eiserne Energie, unermüdliche Geduld waren die erprobten Waffen, mit welchen er die größten Erfolge zu erringen wußte. Vor Allem aber war er ein rechter Menschenfreund und wußte sich als solcher auch den Schwarzen gegenüber zu bethätigen. Seine Freundschaft mit Mohamman mai gasin baki, die aufrichtige Freundschaft zwischen zwei Andersfarbigen, ist selbst in der so wechselvollen Geschichte afrikanischer Reisen einzig in ihrer Art und steht hoch über den vielen Blutsfreundschaften, die von berühmten Männern im „dunklen Erdtheil“ geschlossen wurden.

In Flegel’s Begeisterung für die Afrikaforschung mischte sich eine poetische Stimmung des Gemüths. Bald trank er einen Becher aus den Flutheu des Benue auf Deutschlands Wohl, bald erfreute ihn hoch in den Kamerunbergen ein duftend Veilchen, als süße Erinnerung an die ferne Heimat. Herrliche Stunden hatte er erlebt, da er mit Revolverschüssen vom höchsten Berge Westafrikas die vier Weltgegeuden grüßte, wo tief unter ihm ein Gewitter grollte und hoch über ihm die Sterne leuchteten „so freundlich wie stets, wem, es im Herzen fröhlich ist.“

Aber das Schicksal gönnte ihm nicht, daß sein Auge brach, während es in seinem Herzen fröhlich war. Ungeahnte Schwierigkeiten schmälerten den Erfolg seiner letzten Expedition, auf die er so große Hoffnungen gesetzt hatte. Die Nachwelt weiß jedoch zwischen Verdienst und Erfolg zu unterscheiden, und sie wird Ed. Robert Flegel den hohen Platz in der Geschichte der Afrikaforschung bewahren, der ihm mit vollem Recht gebührt, und seinen Ruhm nicht schmälern, für den er sein Leben in die Schanze geschlagen.
C. F.