Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 109.

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§. 109.
Fundamentalsatz für die Entwicklung nach Kugelfunctionen.


 Es kommt nun vor allen Dingen darauf an, zu beweisen, dass eine Function von und , die für alle Werthe dieser Variabeln von bis und von bis einwerthig und endlich, übrigens aber ganz willkürlich gegeben ist, sich immer nach Kugelfunctionen entwickeln lässt, und dass für jede willkürlich gegebene Function nur eine solche Entwicklung möglich ist.

 Zu dem Ende gehen wir auf die Gleichung (3) des §. 80 zurück, die hier so zu schreiben ist


(1)


Für erhalten wir nach (1) und (2) des §. 107



Daraus berechnet sich für


(2)


Dagegen haben wir für nach (1) und (3) des §. 107



Folglich ergibt sich für


(3)


Die Gleichung (2) ist noch gültig für , die Gleichung (3) für . Setzen wir also in beiden Gleichungen und führen die in (1) vorgeschriebene Subtraction aus, so ergibt sich mit Rücksicht auf §. 106 (6) der merkwürdige Satz:


(4)


|[351]Hier ist über die Function rein analytisch nichts weiter vorausgesetzt, als dass sie willkürlich gegeben ist, aber einwerthig und endlich für jede Werthencombination von und innerhalb der vorgeschriebenen Grenzen. Folglich gilt die Gleichung (4) für jede Function , welche diese Eigenschaft besitzt. Denn man kann jeder solchen Functiou die in §. 106, Gleichung (6) ausgesprochene physikalische Bedeutung unterlegen, und dann gelten die Entwicklungen, welche zu der Gleichung (4) dieses Paragraphen führen.

 Es lässt sich also jede Function von und , die von bis und von bis willkürlich, aber einwerthig und endlich gegeben ist, in eine nach Kugelfunctionen fortschreitende Reihe entwickeln. Bezeichnen wir irgend eine solche Function mit , so ist


(5)


Der Beweis, den wir hier für diesen wichtigen Satz gegeben haben, ist nicht rein analytisch. Es muss eben für den Gang dieses Beweises der Function eine physikalische Bedeutung untergelegt werden. Der Satz lässt sich aber auch rein analytisch beweisen. Das hat Dirichlet gethan.*) [1] Er bringt die Summe der ersten Glieder



in geschlossene Form und zeigt, dass für der Grenzwerth dieser Summe ist.

 Dirichlet beweist in derselben Abhandlung noch weiter, dass für jede Function nur eine einzige Entwicklung nach Kugelfunctionen möglich ist. Auch dieser Satz ist für uns von Wichtigkeit. Er soll deshalb jetzt bewiesen werden.

 Es seien und zwei beliebige Kugelfunctionen vom ten resp. vom ten Range, und es seien und von einander und von Null verschieden. Wir betrachten das Integral |[352]


(6)


Die Function genügt der partiellen Differentialgleichung (2) des §. 108. Wenn man also das Integral (6) mit multiplicirt, so kann man ersetzen durch



Dadurch ergibt sich die Gleichung


(7)


Nun findet man durch Integration nach Theilen



Der vom Integralzeichen freie Theil der rechten Seite ist Null. Denn wenn man die Gleichung (10) des §. 108 und die entsprechende Entwicklung für in Betracht zieht, so erkennt man leicht, dass jede Kugelfunction für den nemlichen Werth hat wie für , und dass dasselbe von den nach genommenen Derivirten jeder Kugelfunction gilt. Wir haben also


(8)


Ebenso ergibt sich durch Integration nach Theilen |[353]



Der freie Theil der rechten Seite ist Null, weil für und für . Folglich haben wir


(9)


Fasst man die Gleichungen (7), (8) und (9) zusammen, so ergibt sich


(10)


Genau dasselbe, was auf der rechten Seite dieser Gleichung steht, kömmt aber zu Stande, wenn man das Integral (6) mit multiplicirt und hierauf das Product ersetzt durch



was zulässig ist vermöge der partiellen Differentialgleichung, der Genüge leistet. Man erhält also aus (10) die Gleichung



wofür man auch schreiben kann |[354]



Nach der über und gemachten Voraussetzung sind die beiden Factoren vor dem Integral von Null verschieden. Die Gleichung kann also nur dadurch erfüllt sein, dass


(11)


ist. Der Satz gilt auch dann noch, wenn einer der beiden Indices Null ist, z. B. . Dann ist nemlich . und die Gleichung (7) lautet einfacher



Hier lässt auf der rechten Seite an beiden Stellen die innere Integration sich ausführen. Man erhält




Folglich gilt die Gleichung (11) allgemein für , auch wenn der kleinere Index Null sein sollte.

 Denken wir uns den Fall, dass eine und dieselbe Function in doppelter Weise nach Kugelfunctionen sich entwickeln lasse, so würde man durch Gleichsetzung der beiden Entwicklungen erhalten:


(12)


Setzt man , so folgt aus der Gleichung (12):


(13)


|[355]Hier sind wieder Kugelfunctionen. Wir dürfen also von dem Satze (11) Gebrauch machen. Wir multipliciren in (13) auf beiden Seiten mit und integriren zwischen den Grenzen und für und den Grenzen und für . Dann kömmt auf der rechten Seite Null heraus und links fallen nach Gleichung (11) alle Glieder, mit Ausnahme eines einzigen, heraus. Es ergibt sich


(14)


Dies kann aber nur dadurch zu Stande kommen, dass überall identisch


(15)


ist, und das sollte bewiesen werden.



  1. *) Sur les séries dont le terme général dépend de deux angles etc. (Crelle’s Journal Bd. 17. Seite 35.)