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Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 36.

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§. 36.
Princip der Erhaltung der lebendigen Kraft für einen materiellen Punkt.


 Um nicht allein die Kräfte, sondern auch die durch sie hervorgebrachten Bewegungen untersuchen zu können, ist es nöthig, an einige Sätze der Dynamik zu erinnern.

 Wir betrachten einen materiellen Punkt von der Masse . Seine Coordinaten sind Functionen der Zeit , und die Aufgabe der Dynamik besteht darin, diese Functionen ausfindig zu machen, wenn zu jeder Zeit die bewegende Kraft gegeben ist. Zur Lösung dieser Aufgabe sind Integrationen auszuführen. Den dabei auftretenden Integrations-Constanten hat man dann Specialwerthe beizulegen, so dass gewisse Nebenbedingungen des Problems erfüllt werden. Als solche Nebenbedingungen können z. B. gegeben sein die Anfangslage und die Anfangsgeschwindigkeit des bewegten materiellen Punktes, oder auch seine Anfangs- und seine Endlage.

 Die bewegende Kraft, welche auf den materiellen Punkt wirkt, sei . Ihre Componenten in den Richtungen der positiven Coordinatenaxen bezeichnen wir resp. mit . Dann haben wir die Differentialgleichungen


(1)




In diesen Gleichungen multipliciren wir auf beiden Seiten der Reihe nach mit , verbinden die Resultate |[153]links und rechts durch Addition und integriren nach . Dadurch ergibt sich


(2)


Wir bezeichnen mit die Länge der Bahn, welche der materielle Punkt bis zum Ablauf der Zeit durchlaufen hat, so dass ist für . Dann haben wir , und die Gleichung (2) geht über in


(3)


Auf der rechten Seite dieser Gleichung können wir auch als Integrations-Variable einführen und unter dem Integralzeichen schreiben



Hier sind die Cosinus der Winkel, welche das Bahnelement mit den positiven Coordinatenaxen einschliesst. Bezeichnet man nun ferner mit , , die Winkel, welche die Richtung von mit den Richtungen der Componenten bildet, so findet sich



Dabei ist unter der Winkel zu verstehen, welchen die im Punkte angelegte Tangente der Bahn mit der Richtung der bewegenden Kraft einschliesst.

 Die Gleichung (3) lautet hiernach in anderer Form


(4)


Wir bezeichnen die Geschwindigkeit mit und den Werth, den sie zur Zeit hat, mit . Nehmen wir die bestimmte Integration vor und setzen für die Zeit die Grenzen und , also für den Weg die Grenzen und fest, so ergibt sich |[154]


(5)


In dieser Gleichung spricht sich der Satz aus, dass die in dem Zeitintervall von bis gewonnene lebendige Kraft gleich ist der während derselben Zeit verrichteten mechanischen Arbeit. Im allgemeinen ist die Arbeit nicht allein von der Anfangs- und Endlage des bewegten Punktes abhängig, sondern auch von der Bahn, die er durchläuft. Sie setzt sich ja aus allen den Producten zusammen, die man erhält, wenn jedes Bahnelement mit der in seine Richtung fallenden Componente der bewegenden Kraft multiplicirt wird. Von besonderer Wichtigkeit ist der Fall, dass die Arbeit für alle Bahnen, die aus einer gegebenen Anfangslage in eine gegebene Endlage überführen, dieselbe ist, dass sie nur von der Anfangs- und Endlage des bewegten Punktes abhängig ist. Dieser Fall tritt ein, wenn die Componenten die resp. nach genommenen partiellen Derivirten einer und derselben Function sind, welche direct nur von abhängt, deren Ausdruck also die Zeit nicht explicite enthält. In diesem Falle geht die Gleichung (3) über in


(6)


und die Gleichung (5) geht über in


(7)


Dabei ist der Werth, welchen die Function annimmt, wenn man den Coordinaten des bewegten Punktes ihre Anfangswerthe beilegt.

 In den Gleichungen (6) und (7) spricht sich der Satz aus:

 Wenn die Componenten die resp. nach genommenen Derivirten derselben Function sind, welche direct nur von abhängt, so ist die während einer Bewegung gewonnene lebendige Kraft gleich der Differenz der Werthe, welche die Function in der Anfangs- und in der Endlage des bewegten Punktes annimmt.

 Dieser Satz ist das Princip der Erhaltung der lebendigen Kraft.