Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 96.

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§. 96.
Das Potential zwei elektrischer Theilchen. Weber’s Form.


 Es kömmt nun darauf an, den Satz des vorigen Paragraphen auf den Fall anzuwenden, dass die bewegten materiellen Punkte elektrische Theilchen, und die Kräfte, unter deren Einwirkung sie sich bewegen, ihre gegenseitigen Anziehungen und Abstossungen sind.

 Für diese Aufgabe ist das Potential der Wechselwirkungen der elektrischen Theilchen, soweit es von den Geschwindigkeiten mit abhängt. Dasselbe besteht aus drei Theilen, nemlich dem Potential der beiden Ströme auf einander, dem Potential des ersten Stromes auf sich selbst, und dem Potential des zweiten Stromes auf sich selbst. Nach §. 94 (5) ist


(1)


 Wenn ein Leiter der Elektricität bewegt wird, und in ihm die elektrischen Theilchen gleichzeitig in Bewegung begriffen sind, |[319]so kann man die Bewegung jedes solchen Theilchens in zwei zerlegt denken, nemlich die Bewegung mit dem Leiter und die relative Bewegung gegen den Leiter. Es seien



die Componenten der absoluten Geschwindigkeit des im Punkte concentrirten elektrischen Theilchens , und es seien



die Componenten der absoluten Geschwindigkeit des Leiterelementes.

 Dann sind



die Componenten der relativen Geschwindigkeit des elektrischen Theilchens gegen den Leiter.

 Wir bezeichnen mit die Coordinaten eines Punktes von und mit die Coordinaten eines Punktes von . Dann ist



folglich durch Differentiation



Führen wir nun eine Function ein durch die Definitions-Gleichung


(2)


so haben wir



Dadurch lässt sich der Ausdruck (1) für in die folgende Form bringen: |[320]


(3)


 Wir beginnen mit der Integration über den ersten Leiter, also mit dem Integral



Durch Integration nach Theilen [§. 20, Gleichungen (1) und (2)] erhält man dafür


(4)



und es ist das erste dieser beiden Integrale über den Raum des ersten Leiters, das zweite über seine Oberfläche zu erstrecken. Wir setzen aber Ströme voraus, bei denen an keiner Stelle die Dichtigkeit der freien Elektricität sich ändert [§. 57, Gleichung (1)] und bei denen die Oberfläche des Leiters isolirt ist [§. 57, Gleichung (2)]. Wir haben also




Hiernach vereinfacht sich das Raum-Integral in (4), und das Oberflächen-Integral fällt ganz weg. Der Ausdruck (3) geht in Folge dessen über in:


(5)


In dieser Formel braucht man nur die Differentiation von wirklich auszuführen und die Function aus Gleichung (2) wieder einzusetzen, um den neuen Ausdruck zu erlangen:


(6)


Für die weitere Transformation ist es von Nutzen, den Zusammenhang zwischen den specifischen Stromintensitäten und den |[321]Componenten der Geschwindigkeit des einzelnen elektrischen Theilchens in Betracht zu ziehen. Nach §. 54, (5) ist nemlich bei der hier gebrauchten Bezeichnung





Die Summirung erstreckt sich über alle im Raumelemente enthaltenen elektrischen Theilchen. Nun können aber für ein und dasselbe Leiterelement die Geschwindigkeits-Compononten vor das Summenzeichen genommen werden. Und da im Innern des Leiters an keiner Stelle freie Elektricität vorhanden ist, so haben wir


(7)


Folglich vereinfachen sich die letzten Gleichungen und wir erhalten


(8)




Drei entsprechende Gleichungen ergeben sich für das Raumelement des zweiten Leiters. Mit Hülfe dieser Gleichungen geht der Ausdruck (6) über in:


(9)


Die eine Summirung ist über alle elektrischen Theilchen des ersten, die andere über alle Theilchen des zweiten Stromes zu erstrecken.

 Die Gleichung (9) lässt sich noch einfacher schreiben. Bezeichnet man nemlich die in der Zeit eintretende Aenderung von , die von der Bewegung des Theilchens herrührt, mit , die entsprechende Aenderung von , die von der Bewegung des Theilchens herrührt, mit , so findet sich schliesslich:


(10)


|[322]  Dieser Ausdruck gibt das Potential abhängig von der absoluten Bewegung der elektrischen Theilchen. Nun dürfen in (10) noch solche Glieder hinzugefügt werden, die bei der Summation sich aufheben, und durch deren Einführung bewirkt wird, dass nur noch die relative Geschwindigkeit vorkömmt.

 Der Inbegriff dieser Glieder ist


(11)


Es ist leicht einzusehen, dass diese Doppelsummne den Werth Null hat. Beginnen wir nemlich in



mit der Summirung über den zweiten Leiter, so kann der Factor aus dem inneren Summenzeichen herausgenommen werden. Für irgend ein einzelnes Element des zweiten Leiters ist constant und . Folglich liefert jedes Element des zweiten Leiters zu der Summe den Beitrag Null, und deshalb ist die ganze Summe gleich Null. In entsprechender Weise zeigen wir, dass auch der zweite Bestandtheil von (11) den Werth Null hat.

 Fügen wir nun den Beitrag (11) auf der rechten Seite von (10) hinzu und schreiben



so ergibt sich


(12)


 Dieser Ausdruck kömmt zu Stande, wenn man für die Wechselwirkung der beiden einzelnen bewegten Theilchen und setzt:


(13)


 Das elektrostatische Potential der beiden Theilchen ist


(14)


Hier muss aber beachtet werden, dass in (13) und (14) die Elektricitätsmengen nach verschiedenen Maasse gemessen sind, nemlich in D nach magnetischem, in S nach elektrostatischem Maass. Sollen beide Ausdrücke zusammengefasst werden, so müssen sie |[323]vorher auf einerlei Maass gebracht werden. Wir können z. B. in elektrostatisches Maass einführen. Dies geschieht, indem wir in (12) und (13) statt und statt schreiben. Die Grösse ist eine durch Experiment zu bestimmende Constante. Hiernach erhalten wir schliesslich das Potential zwei elektrischer Theilchen:


(I)


 Dieser Ausdruck führt auf Weber’s Grundgesetz der Wechselwirkung zwischen zwei elektrischen Theilchen. Wir wollen dasselbe im nächsten Paragraphen ableiten.