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Es ist das Jugendalter unseres vaterstädtischen Gemeinwesens, in das die Erzählungen des Cäsarius uns versetzen. Der zur Stadt erhobene „königliche Ort“[1] hat eine für die damalige Zeit ansehnliche Grösse erlangt. Während das Aachen Karls des Grossen aus der Pfalz dieses Herrschers und einem westlich[2] von dieser gelegenen Flecken bestand, hat in den folgenden vier Jahrhunderten die Ansiedelung des Volkes sich so vergrössert, dass die alternde Königsburg sich von derselben rings umgeben sieht. Sie bildet nun nicht mehr die östliche Hälfte, sondern den Mittelpunkt Aachens. In den Strassen der Stadt bewegt sich eine täglich wachsende, ebenso privilegienstolze als gewerbfleissige und thatkräftige Bevölkerung, die aber auch dem Leichtsinne[3] nicht abhold ist. Ihre Häuser sind ziemlich eng umschlossen von der durch Friedrich den Rothbart angeordneten Befestigung, deren Mauerring vielleicht noch nicht alle seine 20 Thore und Türme[4] erhalten hat, die aber doch schon stark genug ist, Handstreiche abzuwehren und dem Landvolk der Umgegend in Kriegszeiten eine sichere Zufluchtsstätte für sich und seine fahrende Habe[5] zu gewähren. In der Mitte der Stadt erhebt sich, weithin sichtbar, die Pfalz. Ihre Kapelle ist wohl erhalten, und man hat ihr nur neumodische, romanische[6] Dächer aufgesetzt. Sie dient eben unvergänglichen Zwecken, ist wohl bestiftet und wird von einer angesehenen Genossenschaft, dem Stiftskapitel, bedient und gepflegt. Ganz anders verhält es sich mit dem Palaste. Seine Zeit ist vorbei. Die Könige, deren grosser Vorgänger ihn erbaute, erscheinen kaum noch das eine oder andere Mal in den verfallenden Hallen. Die Güter, welche der Pfalz ihren Bestand sichern sollten, sind grossenteils veräussert, und die Männer, die von dem alten Kaiserschlosse aus das Recht und den Vorteil des Reichsoberhauptes wahrzunehmen berufen sind, scheinen sich allmählich in Aachener Bürger zu verwandeln[7]. So sieht man


  1. Quix, Codex dipl. Nr. 166.
  2. Einhard, Hist. translat. reliq. SS. Petri et Marcellini Cap. XIV.
  3. Meyer, Aachensche Geschichten S. 245, 249.
  4. Rhoen, Befestigungswerke der freien Reichsstadt Aachen, Situationsplan.
  5. Siehe S. 6.
  6. Siehe die Darstellung des Münsters auf dem Karlsschreine; Bock, Das Heiligthum zu Aachen, S. 6, Figur VI.
  7. Quix, Codex Nr. 166.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Pschmadt: Der „dialogus miraculorum“ des Cäsarius von Heisterbach in seinen Beziehungen zu Aachen. In: Aus Aachens Vorzeit, Heft 1/1900. Cremer, Aachen 1900, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AAV_Heisterbach_dialogus_miraculorum_Pschmadt.pdf/3&oldid=- (Version vom 15.8.2018)