Seite:Abhandlung des Daseyns der Gespenster.djvu/040

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus

dem Lichte der bloßen und gesunden Vernunft. Wir wollen aber der Vernunft den Glauben als einen Führer zugesellen, und wir wollen sehen, ob die durch den Glauben von der Unsterblichkeit der Seele, von den Engeln und Teufeln überzeugte Vernunft eine Gattung der Erscheinung, und die Wirklichkeit der Gespenster behaupten könne. Ich will zuerst, damit die Deutlichkeit meine Gedanken aller Orten begleite, erklären, was es heissen soll, wenn man saget, ein Geist erscheine. Erscheinen heisset nichts anders, oder es will soviel sagen, daß ein Geist oder Gespenst einem Menschen dergestalt gegenwärtig werde, daß dasjenige von den Menschen gesehen oder gehöret, oder überhaupt äusserlich, und zwar auf eine solche Art empfunden werde, daß der Mensch sich bewußt sehe, daß dasjenige, was er äusserlich empfindet, ein Geist, oder ein Gespenst seye. Da wir aber äusserlich nichts empfinden können, als was körperlich ist; so muß ein Geist, so oft er uns erscheinet, in einen Körper sich einkleiden, damit wir ihn empfinden, sehen, fühlen und hören können. Es giebt eine fünffache Meinung, durch welche man diese Einkleidungen in einen Körper, oder die Vorstellungen der Gestalte eines Geistes zu erklären sucht. Wir wollen diese vor den Richterstuhl der Vernunft fodern, ihre Gründe anhören, und den Ausspruch der Vernunft erwarten.

Die erste und die gangbarste Meinung behauptet, daß die Engel und die Teufel in Geschwindigkeit, aus Luft sich einen Körper bauen, selben nach Belieben eine Gestalt geben, und also in diesem Luftgebäude erscheinen können. Ein Beispiel hievon zeiget uns P. Stoiber in einer Geschichte, wo ein Gespenste nach der vierten Beschwörung in unterschiedlichen Gestalten erschienen ist. Anfänglich war es ein Ochs, nachgehends eine Schwein, bald ein anderes Thier mit Hörnern, bald ein häßliches altes Weib,

Empfohlene Zitierweise:
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/040&oldid=- (Version vom 2.4.2020)