Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus | |
|
eine Erdichtung, und sie rühret, wie Villavincentius saget, daher, daß die HH. Väter dieses symbolische Gemählde ausgedenkt haben, um anzuzeigen, daß ein Verkündiger des Wortes GOttes stark und großmüthig seyn solle, daß er durch seine Lehre, die Lehre des HErrn herumtragen, und Christum verkündigen solle, und das Licht, welches der Eremit traget, bedeutet die göttliche Schrift, welche durch ihr Licht den Prediger erleuchtet. Oder es mag eine aberglaubische Andacht die Ursache seyn, daß man den H. Christoph in einer Riesengestalte abgemahlet habe, damit er von jedem ganz leicht und von allen könnte gesehen werden. Denn vor Alters herrschte der Irrglauben, daß man vermeinte, man werde und könne an jenem Tage keines bösen Todes sterben, an welchem man die Bildniß des H. Christophs gesehen habe. Daher mahlte man die Bildniß in sehr großer Gestalte bey dem Eingange der Kirchen, oder sonst an einige Oerter, wo die mehrsten Leute vorbeigehen müßten, und daher kommen auch jene Verse:
Christophori sancti speciem quicunque tuetur,
Ista namque die non morte mala morietur.
Christophorum videas: postea tutus eas.
O Magne Christophore!
Qui portasti JEsu Christe,
Gradivisti per mare rubrum,
Et non franxisti tibi crurum,
Sed hoc non fuit mirum,
Qui fuisti magnum virum.
Und da ein Irrthum leicht den andern erzeiget: so entspringet von dem Irrwahn, daß der H. Christoph Christum durch das Meer getragen, der sündhafte Glaube, daß ihm die Schätze des Meers anvertrauet sind, welcher Aberglaube auch schon sehr viele zu Bethung des sündhaften, und so genannten Christophs Gebeth verleitet hat.
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/074&oldid=- (Version vom 12.12.2020)