Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus | |
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bei dieser Begebenheit nicht einstimmig; denn andere sagen, daß dem Brutus nicht das vorige Gespenst, sondern der Schatten des Cäsars ihm mit bedrohlichen Blicken zu Pferd entgegen eilend erschienen seye. 3) Behauptete Caßius, wie Plutarch in Bruto erzählet, daß diese Erscheinung in einer bloßen Einbildung bestanden seye. 4) Ist ganz unglaublich, daß Brutus dem Gespenste eine solche standhafte Antwort ohne Furcht, ohne Schrecken ertheilet sollte haben. Dieser Heldenmuth macht mir die ganze Erzählung je mehr verdächtiger, je länger ich selben betrachte, denn es deucht mir nicht möglich zu seyn, daß ein Mensch bei Erblickung eines abscheulichen Gespenstes solche Standhaftigkeit zeige. Die ganze Natur entsetzet sich vor einem Geiste. Es werden mir zwar große Geister, die über die menschliche Schwachheiten weit erhaben zu seyn scheinen wollen, sagen, und einwenden, sie wurden sich nach dem Beispiel dieses Helden vor keinem Geiste fürchten. Ich glaube es nicht. Sie können die Natur nicht verläugnen, und wenn es unsern Blicken vergönnet wäre, in das innere ihres pochenden Herzen zu dringen, da sie einen Geist sehen wurden, so wurden wir leicht die Furcht und das Entsetzen ihres heftig schlagenden Herzen entdecken. Es ist ganz was anders, wenn man von einem Geiste erzählen hört, als wenn man diesen unmittelbar sehen sollte. Einen gemachten Löwen können wir ohne Schrecken ansehen; aber vor einem lebendigen wurden wir zittern und beben. Furcht und Schrecken entstehen so natürlich bei Erblickung eines Geistes, als die Funken aus einer feurigen Kohle. Ich wiederhole also, daß die gesetzte Antwort, welche der mörderische Brutus dem Gespenste gegeben, die Begebenheit unglaublich machet. Es kann seyn, daß Brutus ein Herz hatte, welches ein römischer Heldenmuth bewaffnete; er hatte aber auch ein verwundetes und verschuldetes Gewissen. Wurde Catilina wegen seinem Gewissen, wie Sallustius bemerket,
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/093&oldid=- (Version vom 12.12.2020)