Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus | |
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seyn, begab sich also unter vorgeschütztem Entschluß, als wollte er uns auf der Flucht nachsetzen, vom Hause weg, nachdem er so viel an Baarschaft zu sich genommen, als zu seinem Vorhaben erfordert wurde. Seinen Weg nahm er nach dem Ländgen ob der Ens, allwo er sich in ein Kapucinerkloster verfügte, um an diesem einsamen Ort seine Sünde zu bereuen, nachdem er vorher nichts von seiner Ankunft zu melden befohlen hatte. Einige Zeit darnach ließ er an die Regierung eine Ceßionsschrift mit seinem Insiegel und Unterschrift abgehen, worinnen er sich erklärte, daß er die Herrschaft dieses Schloss seines verstorbenen Bruders hinterlassenem Sohne hiemit übergeben wollte. Von dem letzten nun ist der jetzige Herr ein Enkel, wo aber mein ehmaliger Herr hingekommen sey, und sich anjetzo befinde, daß weis ich nicht. Ich selbst lage viele Jahr in einer stillen Ruhe, und wußte selbst nicht, wie mir geschehen war, bis endlich meine gewesene Frau in meinem halb verfaulten Körper zu rasen angefangen, ff)[1] welche Tag und Nacht keine Ruhe hat, doch aber ihre Gewalt in diesem Schlosse nicht verüben kann, ohne nur an dem Tage, und in der Stunde, da sie von ihrem Ehegemahl in der Schandthat angetroffen, und in der größten Rachbegierde gegen selben verschieden ist. Gieb dir nur keine Mühe ihrentwegen mein lieber Mönch, du kannst ihr keine Ruhe verschaffen, wohl aber mir, wenn du meine Gebeine aus dem alten Brunnen wirst aufsuchen lassen, wobei du, um sie
- ↑ ff) Diese Umstände sind ziemlich verdächtig. Der Geist saget nichts von einem Gerichte nach dem Tode. Und was gieng es der Seele an, wenn die gewesene Frau in dem halb verwesenen Körper rasete? Und in wem soll wohl diese Raserey bestanden seyn? Man könnte auch fragen: aus welcher Ursache die Frau in dem Körper der unschuldig ermordeten rasete? und warum der Geist die Ursache, warum er umgehen müßte, nicht erzähle?
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/111&oldid=- (Version vom 14.2.2021)