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Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus

Dieners des göttlichen Worts vorstellet. a)[1] Diese Meinung ist endlich eine höchst nützliche Meinung. Sie befördert die Wohlfahrt des Staats, da sie gute Bürger demselben zu erziehen sucht. Die Erziehung hat hauptsächlich nur drey Gegenstände. Nämlich die Bildung des Verstandes, der Sitten, des Körpers. Bei allen

  1. a) Man lese die schönen Lob- und Trauerreden des erhabenen Fleschiers, die gründlichen Predigten des beredten Bourdalon, die beweglichen Sitten-Geheimniß- Lob- und Trauerreden des angenehmen Ciceri, man sehe das trefliche Muster der geistlichen Beredsamkeit des belesenen Gißbert, und man wird nirgend ein Gespenstergeschichte oder die Vorstellung eines erscheinenden Geistes finden.
          Ich werde dieses letztere einem gewißen Hrn P. - - (ich will das Kind bei seinem Namen nicht nennen) übermachen, damit er nach dem Muster des Gißbert in der geistlichen Beredsamkeit bessere Proben liefern, und seine Zuhörer an dem Festtage der Geburt der seligsten Jungfrauen mit einer Hexenpredigt, und einem aus göttlicher Schrifte für die Thätigkeit der Hexerey erzwungenen Beweise verschonen möchte. Voriges Jahre hat er mit diesem auf einer berühmten Wahlfahrt zu A - - wenig Beifall gefunden. Verständige Männer, ja das Volk selbst urtheilte, daß der Hr. P. besser seine figuralische Stimme aus dem Chor, als auf der Kanzel ertönen ließe, und daß seine Obere vernünftiger handelten, wenn sie ihm eine musikalische Litaney, als eine Predigt zur Ehre der seligsten Jungfrau componiren ließen.
          Den dritten Maymonats des verflossenen Jahrs hat ein anderer Prediger an dem Festtage der Erfindung des H. Kreuzes zu Scheyern ein Meisterstück seiner magern Denkensart und Beredsamkeit abgelegt. Dieser ist zwar dem obigen an der Chorstimme nicht gleich, er überwäget ihn aber an der Unüberlegenheit. Der Haupt-Gegenstand seiner Predigt, die er nach dem Maaß einer alten, aber sehr alten Redensart abgefasset, ist, die jetzigen Gelehrten bei dem Bauernvolke, das er als Zuhörer vor sich hatte, verdächtig zu machen. Und bei wie vielen von diesem kleinen Haufen wird er nicht auch einen erwünschten Eindruck gemacht haben? Ob ich schon nicht von den dummsten Köpfen zu seyn mir schmeichle, so gestehe ich es doch frei, daß, wenn ich als ein Fremdling in das scheyerische Gotteshaus gekommen wäre, und da ungefähr den hochwürdigen, hochwohledelgebohrnen, gnädigen P. Prediger von der Kanzel mit diesen Worten gleich im Eingange hätte poltern gehört: Es ist die Sache bei jetzigen mehr kritisch als Catholischen Zeiten so weit gekommen, daß man nur mit Stillschweigen und Hoffen sein Ziel und Ende erreichen muß; wenn man nicht mit der Wahrheit auch den Ruf eines ehrlichen Mannes verlieren will: ich ohne Zweifel auf die Gedanken würde verfallen seyn, Baierland sey lutherisch geworden, ja ich würde gar alle Hoffnung einer Besserung verlohren haben, weil man sogar die redlichen und Wahrheit liebenden Männer, die allezeit in einem Lande der kostbareste Schatz sind, nicht mehr hören will; wenn mich die wohledelgebohrne Beredsamkeit im dritten Theile der Predigt nicht eines bessern berichtet hätte. Was bedeutet aber dieser so wichtige Lärm? Wen geht es an? Die Feinde des Kreuzes Christi. Und wer sind diese? Die neuen Reformatores der Wissenschaften, die ihre Gelehrsamkeit meistens aus lutherischen Büchern entlehnet haben. p. 12. Holla! jetzt geht der Prediger einen Schritt zurück, p. 12. Er verläßt sich auf seine Füße, da die Zunge strauchelt. Nur eins kann er nicht verbeissen. Er ruft aus vollem Halse: Wer immer noch glaubet, daß die Worte des ewigen Wortes unbetrüglich sind. Sachte mein Hr. Prediger! so giebt es denn einige bei uns, die der Schrift nicht glauben? Hier möchte ich gerne eine Probe, die aber so stark wäre, als unbesonnen und ehrenrührig (um nicht was mehrers zu sagen) ihr Satz ist. Verstünden sie darunter die neuen Geister- und Freidenker, so müßten sie mir zuvor Rechenschaft geben von ihren eigenen Begriffen über diese Sache. Sie wurden vieleicht eben so unrichtig zusammen hangen, als ihre ganze Predigt. Verstünden sie die Hexentilger, so wurde ich es ihnen bei unsern Zeiten unter einer andern Bedingniß nimmermehr verzeihen, als weil sie nach eigner Geständniß p. 12. aus der Zahl der einfältigen Catholicken sind. Der Satz alsdenn, mit welchem sie ihre Zuhörer ermahnet, klinget in dem Munde eines Catholischen Predigers überaus schön. Man wird euch mit Fingern deuten… Da lehret man nichts anders, als daß man leben sollte, wie zu den Apostelzeiten, nolite credere, glaubet es nicht, p. 13. Also darf es das Volk nicht mehr glauben, daß man leben sollte, wie zu den Apostelzeiten? Eine schöne Lehre. Ich appellire hier zu ihrer Catholischen Einfältigkeit, sonst könnte ich ihre Lehrart nicht verstehen.
          Ich habe nicht im Sinne, alle Schnitzer, Wortverdrehungen der Schrift, die in dieser Predigt vorkommen, aufzudecken. Sie liegen zum Theile selbsten schon dem vernünftigen Leser vor Augen. Und ich habe nur eine Note, nicht einen ganzen §. zu schreiben. Doch eines kann ich diesem eifrigen Prediger nicht verzeihen, daß er so vieles von den materialischen scheyerischen Kreuzchen daherschwätze, daß es, wo selbes aufqestecket wird, von allen Uebeln, Donnern und Hagelwettern befreie. Von dem Formali aber, nämlich von der Andacht und Vertrauen zu dem Prototypon, zu dem gekreuzigten Heilande, schweiget er gänzlich, als wenn das Volk davon nichts wissen därfte.
          Niemand weniger als der Hr. Prediger selbsten hat Ursache über die neuen Reformatores der Wissenschaften zu schmähen. Er sollte vielmehr als Vorsteher eines berühmten Klosters selbst Hand anlegen, und andere zur Verbesserung der Wissenschaften ermahnen. Es wurde ihm dadurch Ehre und Ruhm, seiner Gemeinde aber größere und ergebliche Reichthumen zuwachsen. Mabilon tract. de Studiis monasticis, und Muratorius Epist. Paraenetica ad Superiores locorum pro emendatione studiorum etc. sind auch Reformatores der Wissenschaften gewesen. Wer wird sie dessentwegen als Feinde des Kreuzes Christi halten? Eben aus Abgange der schönen Wissenschaften, mag der freisinger Dichter in seinem Lustspiel zur Fastnachtzeit den heydnischen Sokrates von Adam und Eva, und vom Paradeise haben reden lassen. (1. Th. 3. Auft.) Und doch hat er in der Vorrede von seinen Zuhörern verlangt, sie sollten ein wenig Verstand mitnehmen, da er doch besser gesagt hätte, sie sollten ihn zu Hause lassen.
          Ich sollte in dieser Predigt noch anmerken viele leere und trockene Begriffe, abgeschmackte Ausdrücke, eitle Wortspiele, verdrehte Auslegungen der H. Schrift, und eine elende Redekunst. Allein es wird genug seyn, wenn ich sage, daß er keine einzige Eigenschaft eines Predigers habe, die das tridentinische Concilium sess. 25. das meinzische de Anno 1529. Can. 41. Recessus Wormat. de Anno 1545. Recessus Imp. de. Anno 1557. Epist. Patsoral. Archiepisc. Viennensis de Anno 1752. das offentliche Edict unsers durchleuchtigsten Churfürsten und glorwürdigst regierenden Landesvaters de Anno 1767. von einem gelehrten, klugen und mit einem apostolischen Eifer begabten Prediger begehren und abfodern. Ich habe noch nicht die Hälfte gesagt, was ich von diesem Meisterstücke einer Predigt noch sagen könnte, und doch hätte ich bald vergessen, daß ich eine Note schreibe.
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Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/163&oldid=- (Version vom 4.8.2020)