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Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus

eher eine Belohnung von 24. Groschen in den Wind, als daß er bei der Nacht über den Kirchhof gienge, und ein Maaß Bier holete, und die Jungfer Meliora Priora laßt eher ihre alte Mutter, die das Bein gebrochen, da sie in das Bett steigen wollte, unter den empfindlichsten Schmerzen eine ganze Nacht schmachten, als daß sie 300. Schritt weit gehe, und bei Nacht den Baader hole. Was soll ich erst sagen von den Uebeln und Schaden, mit welchen die Gespenstermeinung den Körper überfällt? Furcht, Bangigkeit und Angst, eine ganze Familie der quälenden Leidenschaften, die Herr von Haller einen Frost der Seele nennt, werden durch diese in die Seele gelagert, und thun in dem Körper mit Uebeln, Schaden und Krankheiten hervorbrechen, die durch viele Jahre die Kunst der Aerzte nicht mehr heilen kann. Gilbert, ein frischer Jüngling gehet in der Nacht gutes Muths für die Thür des Hauses hinaus. Kaum wendet er den Kopf auf eine Seite des Hofes, erblicket er ein weißes Gespenst, das auf ihn bald hinzu, bald wieder zurück geht. Gilbert erschrickt, das Herz schlägt auf einmal schwächer; die Pulsadern klopfen sachter; das Blut getraut sich kaum bis unter die Haut, und die Fäserchen versagen ihm den Dienst bis dahin zu fördern; in den Gliedern bebet ein Schauer; sein Herzhaftigkeit sinket unter dem Last böser Ahndung; er will laufen, aber die Furcht entkräftet ihn; ein neuer Schauer überfällt ihn; die Bangigkeit macht ihn ohnmächtig, und die Angst hat ihn schier getödtet. Gilbert kömmt nicht zurück; die Mutter ist sorgfältig, sie suchet, und findet ihn in einer Ohnmacht liegend; man bringet ihn in das Haus, und er liget in dem Bette

Von Farb und Sinn beraubt, von kalter Furcht umgeben,
Ganz ohne Wärm und Stimm, und ohne Seel und Leben,
Zwar noch nicht tod, doch als ein Todter anzuschauen,
Scheint er ein Marmorbild aus weissen Stein gehauen.

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Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/167&oldid=- (Version vom 11.12.2020)