Seite:Adolf von Stählin - Das landesherrliche Kirchenregiment.pdf/30

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Einheit mehr und mehr. Nie hätte Melanchthon sich ausgedrückt wie Gerhard: magistratus non minus quam ministerium ob ecclesiae collectionem est institutus.

.

 Die Lehre der Reformatoren vom l. K. ist nichts anderes als die der ganzen Geschichte des Verhältnisses von Staat und Kirche nachziehende Lehre von der Kirchenpflege in ihrer durch das evangelische Prinzip gegebenen Umprägung. Es ist unrichtig, wenn man diese mit jenem in Widerspruch setzt und behauptet, wie namentlich Stahl gethan hat, die Reformatoren hätten in den betreffenden Stellen nur von Kirchenpflege, nicht von Kirchenregiment gesprochen. Die Reformatoren, Luther wie Melanchthon, haben sich allerdings fort und fort auf jene berufen, wie sie die Kaiser Constantinus, Theodosius, Gratianus etc. geübt. Allein der Begriff Kirchenpflege ist ebenso ein schwankender wie die Sache, die er bezeichnet. Die Advocatie, welche die Kaiser der Kirche leisteten, ging oft genug und zwar mit Willen der Kirche in eine Art regimentlicher Thätigkeit über. In diesem Sinn faßt Luther die Kirchenpflege, wenn er z. B. in der Schrift an den christlichen Adel etc. schreibt (Walch X, 313): „Auch das berühmteste Conzilium Nizenum hat der Bischof zu Rom weder berufen noch bestätiget, sondern der Kaiser Constantinus und nach ihm viel andere Kaiser desselben gethan, das doch die allerchristlichsten Concilia gewesen sind.“ Eine Greifswalder Synode vom Jahre 1556, welche die fürstliche Obergewalt über die Kirche in gebührende Schranken weist, dann aber doch zugibt, daß „unsere gnädigen Herren das oberste Haupt nächst Christo in diesen Landen über die Kirche und Geistlichkeit bleiben“, sagt geradezu: „so hat der löbliche Kaiser Constantinus seine Lande und Kirchen regiert.“ Auf germanischem Boden verband sich längere Zeit, namentlich unter Karl dem Großen, mit der Kirchenvogtei eine gewisse Obmacht über die Kirche. Karl der Große wurde aus einer Fränkischen Synode der „Regent der wahren Religion“, der pius ac devotus rector ecclesiae genannt, er war der höchste Gesetzgeber und Regierer auch für die Kirche. Die Allgewalt der päbstlichen Suprematie erdrückte diese Gedanken; sie standen aber im 14. und 15. Jahrhundert mit Macht wieder auf.