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es wäre dieß das ebenso unberechtigte hierarchische Gegenstück zu einer demokratischen Beherrschung „der gottesdienstlichen Gemeinde“ von Seiten „der Kirchenverfassungsgemeinde“, wie sie in Baden sich herausgebildet hat. Wir verkennen nicht, was sich prinzipiell für diesen Vorschlag sagen läßt; müssen aber eben so bestimmt behaupten, daß die Kirche in Anbetracht ihrer eigenen Vergangenheit und ihres Berufes für die nicht ohne ihre Verschuldung so geartete Gegenwart gar kein Recht hat, sich plötzlich durch einen so gewaltsamen Schnitt in das Gemeindeganze helfen zu wollen; nicht blos die Unkirchlichen würden hiedurch zum entschlossensten Widerstand gereizt, sondern auch viele Bessergesinnte zurückgeschreckt; überhaupt dasjenige, was man durch diese Maßregel vermieden wünscht, die drohende Zersetzung des Landeskirchenthums, nothwendig nur beschleunigt werden. Wir reden damit wahrlich nicht der Massenherrschaft in der Kirche das Wort; glauben aber, daß, wenn es überhaupt Mittel gibt, dieselbe zurückzuhalten, diese anders beschaffen sein müssen. Wir freuen uns darüber, daß von Hofmann, welcher übrigens gegen jede Setzung zweier Confirmationsacte ist, ganz offen dahin sich ausgesprochen hat, daß es sich bei allen diesen Vorschlägen überhaupt nicht um die Gegenwart sondern um die Zukunft handeln könne: „Für die gegenwärtige Lage der Dinge kann ihre Beantwortung ohnehin nichts austragen. Aber wer es für nicht unnöthig achtet, schon jetzt in Betracht zu nehmen, wie sich im Falle des Zusammenbruchs der Landeskirchen die aus deren Trümmern hervorgehende lutherische Kirche ihrem eigensten Wesen am entsprechendsten gestalten möge, der wird vielleicht jene Frage auch der Erwägung werth achten“ (Protest, und Kirche 1863. I. S. 100). Darüber müssen wir uns vor Allem klar sein, was der Kirche der Zukunft oder der der Gegenwart angehört. Sehr interessant sind Wichern’s Aeußerungen über diesen Punkt in dem auf dem letzten Kirchentag gehaltenen, viel Interessantes und Anregendes bietenden Vortrag: „Die Aufgabe der evangelischen Kirche, die ihr entfremdeten Angehörigen wiederzugewinnen.“ Wichern unterscheidet hier Einsegnung und Confirmation; erstere wäre der Abschluß der Erziehung im elterlichen Hause und in der christlichen