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vorher ein Theologe wie Brenz in der Kirchenordnung der Stadt Hall eine unbedingte Pflicht der Obrigkeit nach dieser Richtung behauptet hatte: „Die Obrigkeit ist als christenliche Glieder und Mitgenossen der Kindschaft Gottes bei ihrer Seelen Seligkeit und Amtshalben schuldig, ihren Unterthanen und Mitbrudern Christo nach zu ordiniren, was Christus in einer christenlichen Versammlung öffentlich zu thun befohlen“ (Richter, Kirchenordnungen S. 40). Die Fürsten selbst haben das jus reformandi 1529 zu Speier als Sache des Gewissens und als gegründet in Gottes Wort in Anspruch genommen. Wäre Luther nun im Prinzip gegen das l. K. gewesen, so hätte er auch dieser ganzen Strömung sich entgegenstemmen müssen. Wir gewahren aber das gerade Gegentheil. „Die deutsche Reformation hatte von Anfang ihren Halt an dem Staate“ (Kahnis a. a. O. II, 438). Und zwar geschah dieß nicht blos, weil das Gemeindeleben nicht entwickelt war, sondern grundsatzmäßig. Auch in der Leisniger Kirchenordnung, in welcher eine wirkliche Organisation der Gemeinde versucht wurde, nimmt die Obrigkeit eine hervorragende Stelle ein. Es war dieß so sehr Grundanschauung der Zeit, daß es auch in Zürich und Genf, wo doch das gemeindliche, das demokratische Element mehr zu seinem Rechte kam, nicht anders war. Auch dort nahm die Obrigkeit der Kirche gegenüber eine ordnende und leitende Stellung ein; ja in Zürich mit einem so überwiegenden, geistliches und weltliches vermengenden Einfluß, daß man Zwingli nicht mit Unrecht des Territorialismus beschuldigt hat. Nur wo die Reformation im unmittelbaren Gegensatz auch zu den politischen Gewalten sich entwickelte, entwickelte sich die Kirchenverfassung auch rein als Selbstverfassung der Gemeinde. Bei diesem Gang der Reformation war dann freilich ein puritanisches, ein revolutionäres Element unvermeidlich, während die ruhigere und reinere Ausgestaltung des reformatorischen Prinzips in Deutschland mit dessen Entwicklung im Einklang mit den Territorialgewalten zusammenhing. Da die Reformatoren überhaupt keine Kirchenverfassung als in der Schrift geboten und göttlich nothwendig erkannten, so hätte auch ein evangelisch gereinigter Episkopalismus seine Stütze allein entweder