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mit seinem ächt christlichen Hoffnungsbegriff. Durch eine Menge Stellen könnte jener tiefere Begriff erwiesen werden. S. 190 f. lesen wir, daß selbst bei der Wendung θεῷ πιστεύειν nur das Zutrauen gemeint sei, daß Gott thun könne, was er versprochen und wahr machen werde, was er durch Christus der Welt kundgethan habe; dies ist ja aber gerade der Paulinische Glaubensbegriff (Röm. 4, 20. 21).

 Nach S. 105 ist Justin geneigt, sogar die Vergebung der Sünde in der Taufe als etwas zu Erwerbendes und den Empfang derselben als Lohn für eine Leistung aufzufassen und die Feier des Abendmahls als ein frommes Werk, das mit Empfang eines Lohnes verbunden ist. S. 192 lautet es dann ganz bestimmt: Die Sündenvergebung gibt nichts, sondern ist nur eine Deklaration darüber, daß durch Bereuung des Unrechts und durch Hingabe an Gott der entscheidende Schritt aus der Ungerechtigkeit zur Gerechtigkeit geschehen, daß der Mensch ein Christ geworden ist, „der nach Erlernung der Wahrheit in Werken als ein solcher erfunden werden soll, der die Gebote befolgt, damit er das ewige Leben erlange“ (I, 65). Durch die Beschränkung der Sündenvergebung auf die früheren Sünden wird die allein gerecht machende Kraft der μετάνοια oder der eigenen Leistungen des bekehrten Menschen erst recht offenbar. Denn damit ist nicht nur gesagt, daß die μετάνοια Sündenvergebung bewirke, sondern auch daß sie im Stande ist, den Menschen so umzuwandeln, daß er nach der Taufe ein Leben in vollkommener Gerechtigkeit zu führen vermag...... Nach der Belehrung durch Christus über Gott, Tugend und zukünftiges Leben und einmaliger Sündenvergebung bedarf es keiner weiteren Kraftmittheilung und Gnadenwirkung Gottes, sondern Alles wird vom Menschen selbst zum Abschlusse gebracht. Erst wenn er Alles gethan hat, greift Gott ein und macht ihn unsterblich.

 Hiermit ist für Justin ein System vollkommenster Selbsterlösung und Selbstgerechtmachung gegeben, bei welcher die christlichen Begriffe der Wiedergeburt und Sündenvergebung in gleicher Weise dahinfallen. Wie fest der erstere steht, haben wir bereits gesehen; daß aber Justin auch eine wirkliche Sündenvergebung lehre, ist eben so gewiß. Als Zweck der Taufe wird I, 61 mit klaren Worten bezeichnet, daß wir überdies – außer der Wiedergeburt – die Vergebung der früher begangenen Sünden empfangen. Als Bedingung

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/28&oldid=- (Version vom 1.10.2017)