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den Vaternamen Gottes durch die Wendung „Vater des Alls“, so, daß jeder Gedanke an die in Christo offenbar gewordene väterliche Gesinnung und Liebe Gottes abgeschnitten und immer wieder daran erinnert wird, daß zwischen Mensch und Gott lediglich das Verhältniß des Geschöpfs zum Schöpfer besteht.“ Diese oft wiederkehrende Aeußerung ist völlig unbegründet. Justin redet Dial. 42 von der Gnade und Herrlichkeit Gottes und Christi, Dial. 23 nennt er Gott gut und Menschen liebend, er redet ungemein oft von der erlangten oder noch zu erlangenden Barmherzigkeit, z. B. Dial. 43, er redet c. 47 von der Güte, der Menschenliebe und der Unermeßlichkeit seines Reichthums, redet c. 32 u. 64 von der Gnade Gottes, durch welche wir gerettet werden zum ewigen Leben; seine Menschenliebe und Güte preist Ap. I, 10; Gott ist ἐλεήμων καὶ φιλάνθρωπος, Dial. 107, εὔσπλαχνος καὶ πολυέλεος Dial. 108, χρηστὸς καὶ οἰκτίρμων, Dial. 96 und Dial. 55 ist von der χάρις πολυσπλαχνίας die Rede. Wie kann v. E. behaupten (S. 473), Justin vermeide alle Ausdrücke, die auf die Gesinnung Gottes gehen? Alle Stellen sind damit nicht angeführt. Heißt Gott auch ἀπαθής, so ist der Zorn doch nicht ausgeschlossen, schon deshalb nicht, weil Justin den vollen richterlichen Ernst Gottes kennt, er redet aber Dial. 39 auch ausdrücklich vom Zorne Gottes. Hiernach ist auch die oft wiederkehrende Aeußerung zu beurtheilen, daß nach J. durch die Sünde das Verhältniß Gottes zum Menschen im wesentlichen nicht gestört sei. Damit leugnen wir nicht, daß z. B. Luther noch etwas anders als J. von der Liebe Gottes zu reden weiß. Aber sehr relativ gültige Urtheile werden von v. E. ungemein oft absolut genommen und werden auf diese Weise ganz unrichtig. Schon S. 133 lesen wir, daß sein Gottesbegriff die Vorstellungen der Liebe Gottes und der Liebe zu Gott nicht recht aufkommen ließ; gegen letzteres spricht allein schon die schöne, johanneisch lautende Stelle Dial. 114: wir sind so beschnitten von der Sünde, daß wir gerne sterben für den Namen des herrlichen Felsen, welcher lebendiges Wasser in die Herzen derer, welche durch ihn den Vater lieben, sprudelt und die tränket, welche das Wasser des Lebens trinken wollen. Justin steht übrigens in der Liebe Gottes unendlich mehr als er von ihr redet, wie er nach Neander’s Aeußerung im heil. Geiste viel mehr lebt als er von ihm zu sagen weiß.

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 Es kehrt auch in dem Buche immer wieder, daß es bei Justin

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.10.2017)